1.
Die lateinische Herkunft und der griechische Ursprung
Der Duden
Etymologie faßt die Wort- und Begriffsgeschichte, auf die
wir
jetzt eingehen werden, folgendermaßen zusammen:
Informieren
"benachrichtigen, Auskunft geben, belehren": Das Verb wurde im 15. Jh.
aus lat. in-formare entlehnt, und zwar in dessen
übertragener
Bedeutung "durch Unterweisung bilden, unterrichten", eigentlich "eine
Gestalt
geben, formen bilden" (zu in..., In... und lat. forma
"Gebilde,
Gepräge, Gestalt" (vgl. Form)). Dazu stellen sich das
Substantiv Information "Nachricht, Auskunft, Belehrung" (16.
Jh.;
aus lat.
informatio), das Adjektiv informativ belehrend,
aufschlußreich"
(19. Jh.) und die jungen Bildungen Informand "jemand, der
(geheime)
Informationen erhält", Informant "jemand, der (geheime)
Informationen
liefert", ferner Informatik "Wissenschaft von der
Informationsverarbeitung,
bes. von den elektronischen Datenverarbeitungsanlagen", dazu Informatiker
(alle 20. Jh.)."
Information
bzw. informieren stammen also aus dem Latein (informatio bzw. informare).
Die lateinische Ausdrücke hatten zwei Bedeutungen nämlich
eine
"eigentliche" (eine Gestalt geben, formen, bilden) und eine
"übertragene"
(durch Unterweisung bilden, unterrichten). Lediglich die
übertragene
Bedeutung wurde im 15./16. Jahrhundert entlehnt. Sie ist die Bedeutung,
die wir heute im Alltag gebrauchen.
Zur
Vertiefung dieser Hinweise schauen wir in einem lateinischen
Wörterbuch,
nämlich dem Thesaurus Linguae Latinae, nach. Das
Präfix in hat im Latein sowohl die Bedeutung der Negation
(z.B. informis
= ungeformt) als auch die der Verstärkung oder Verortung einer
Handlung,
wie im Falle von informatio/informare. Unser Wörterbuch faßt
die Bedeutungen ebenfalls in zwei Gruppen zusammen,
nämlich:
- Formung
im materiellen Sinne: machen, erzeugen (sowohl im technischen als auch
im biologischen Sinne)
- Formung
im geistigen Sinne: erläutern, definieren, beweisen, Mitteilung
einer
Lehre oder eines Beispiels (Vorbildes, Befehls).
Die
Belege
reichen vom klassischen Latein bis zum 8. Jh. n.Chr. Hier sind drei
Beispiele
geordnet nach Verwendungsbereichen:
- Technischer
Bereich: Der römische Dichter Vergil (70-19 v.Chr.) schildert im
8.
Buch seines großen Epos Aeneis wie im Haus des Gottes
Vulkan,
dem Feuergott (lat. vulcanus) - das Haus des Gottes ist der
Vulkan
Ätna -, die Kyklopen einen Blitz für Zeus "mit ihren
Händen
formen" (informatum). Ferner "gestalten sie" (informant)
im Auftrag von Vulkans Gattin Minerva einen Riesenschild für den
Helden
Aeneas (Aen. 8, 426ff).
- Biologischer
Bereich: Varro (116-27 v.Chr.), ein bedeutender römischer
Gelehrter,
beschreibt wie in der ersten Woche nach der Zeugung der Fötus eine
Gestalt annimmt und in der vierten Woche "durch Kopf und Rückgrat
geformt wird (informatur)." (Varro frg. Gell. 3,10,7)
- Pädagogischer
Bereich: Der lateinische Kirchenschriftsteller Tertullian (160-220
n.Chr.)
nennt Moses den "Bildner (oder Erzieher) des Volkes" (populi
informator)
(adv. Marc. 4, 22).
Schauen
wir uns jetzt einige Verwendungen des Informationsbegriffs bei drei
klassischen
Autoren, nämlich Cicero, Augustinus und Thomas von Aquin, genauer
an.
Cicero
(106-43 v.Chr.), der bedeutende lateinische Redner, Politiker und
Schriftsteller,
verwendet informatio/informo mit folgenden
Bedeutungen:
Informatio:
- Bildung
durch Darlegung, die Darlegung, Erläuterung, Deutung des Wortes
(auf
das es ankommt)
- Das
in
der Vorstellung (ursprünglich vorhandene oder durch empirische
Erkenntnis)
gewonnene Bild
Informo:
- organisch
bilden
- durch
Unterweisung bilden, befähigen, abrichten, unterrichten
- durch
die Darstellung ein Bild (Ideal) von etwas ausstellen, etwas entwerfen,
einleiten, darstellen, schildern
- in
der
Vorstellung bilden
(Quelle:
K.E. Georges: Lateinisch-Deutsches Wörterbuch, Hannover
1962)
Augustinus (354-430 n.Chr.), der große
lateinische
Kirchenlehrer, hat mit
seiner von Platon beeinflußten Philosophie und Theologie das
abendländische
Denken tief geprägt. In seinem Traktat Über die
Dreifaltigkeit
analysiert er den Wahrnehmungs- und Vorstellungsprozeß bei Tieren
und Menschen. Er faßt diese Vorgänge als Prozesse, wodurch
die
Abbilder der Dinge die Seele informieren, auf. Das sinnlichen
Schauen
ist ein Prozeß, so Augustinus, bei dem der Gegenstand die
Sinneswahrnehmung informiert. Der Informationsbegriff
bezeichnet also die
Gestaltung
der Sinneswahrnehmung (informatio sensus) (trin.
11,2,3).
In diesem Zusammenhang gebraucht Augustinus die Metapher des
Eindrückens
eines Ringes in Wachs.
Im
Dialog Theätet verwendet Platon ebenfalls diese Metapher
um
den Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozeß zu erläutern. Was wir
sehen oder denken prägt sich, so Platon, in unserer Seele
ein,
"wie
beim Siegeln mit dem Gepräge eines Ringes." (Theaet. 191d).
Das von
Platon benutzte Zeitwort enthält das Wort typos, was so
viel
wie Abdruck bedeutet. Auch Aristoteles bedient sich in seiner Schrift Über
die Seele dieser Metapher, um den Denkprozeß zu kennzeichnen,
wodurch die Dinge ihre Formen (eidos oder morphé)
in unsere Seele einprägen
"wie
bei einer Schreibtafel auf der nichts in Wirklichkeit geschrieben ist."
(De an. 430 a 1-2)
In diesem
Prozeß werden, so Aristoteles, die Fomen der Dinge "ohne Stoff"
aufgenommen
"wie
das Wachs das Zeichen eines Ringes ohne das Eisen und das Gold
aufnimmt."
(De an. 424 a 17ff).
Augustinus
verwendet den Informationsbegriff auch im pädagogischen Sinne. Er
nennt Christus die Form Gottes (forma Dei), der zu
unserer
Belehrung (eruditionem) und (geistigen) Formung (informationem)
geboren wurde (epist. 12). Im Dialog Über den Staat
beschreibt
Platon den Erziehungsprozeß als eine Modellierung der Seele. So
wie
der Handwerker bildet der Erzieher in Modell oder Vorbild (typos)
in der Seele des Kindes, wonach es geprägt oder in-formiert wird
(Rep.
377b). Platon nennt dieses Vorbild die Idee (idea) des
Guten.
Der Thesaurus Linguae Latinae erwähnt deshalb mit gutem
Grund
das griechische Wort hypotýposis (die zugrundeliegende
Gestalt)
als Herkunft des lateinischen Begriffs informatio.
Thomas
von Aquin (1225-1274), der bedeutende Theologe und Philosoph des
Mittelalters,
gebraucht den Informationsbegriff als Fachterminus in mehreren
Verwendungsbereichen,
nämlich:
- Im
materiellen
oder ontologischen Bereich (griech. to on = das
Seiende):
im Sinne von Beformung oder Versehen der Materie mit einer Form (informatio
materiae)
- Im
erkenntnis-
und wissenstheoretischen Bereich: die Formung der Sinneswahrnehmung und
der Vernunft (informatio sensus, informatio intellectus)
- Im
pädagogischen
Bereich: sittliche Formung des Menschen (informatio morum)
Diese
Prägungen hängen eng mit dem Einfluß von Aristoteles
auf
das Denken des Thomas von Aquin zusammen, wobei Thomas zugleich die
christliche
Perspektive ins Spiel bringt. Diese Synthese zwischen griechischem
Denken
und christlicher Offenbarung läßt sich am Beispiel des
Informationsbegriffs
sehr gut veranschaulichen. Thomas unterscheidet zwischen dem Versehen
der
Materie mit einer Form als einem Wirkungsprozeß, wodurch etwas
aus,
was schon früher da war, entsteht. Das ist der Fall von Leben aus
Leben entsteht. Er nennt diesen Prozeß ein Verursachen per
informationem.
Von dem unterscheidet er aber die göttliche Schöpfung aus
dem Nichts oder Wirkung per creationem (in de causis 18/94)
Letzteres ist ein Privileg des christlichen Schöpfergottes. Eng an
Aristoteles angelehnt, ist seine Auffassung des Verhältnisses von
Leib und Seele im Sinne einer wesentlichen Einheit nach der Art eines
Informationsprozesses
(secundum informationem) (in III sent. 5.1.2.co/73). In
Anlehnung
an Aristoteles analysiert Thomas den Erkenntnisprozeß als einen
Aktualisierungsprozeß
der Seelenvermögen. Er nennt den Wahrnehmungs- und
Erkenntnisprozeß informatio sensus und informatio
intellectus.
Der
Unterschied zu Augustinus besteht, kurz gesagt, darin, daß
während
für den Platoniker Augustinus eine Erkenntnis der Wesensformen
(Ideen
oder Begriffe) unabhängig vom sinnlichen Prozeß stattfinden
kann, dies für den Aristoteliker Thomas nicht möglich ist. Um
die Dinge zu erkennen vollzieht die Vernunft einen
Abstraktionsprozeß.
Die von den sinnlichen Dingen abstrahierten Formen oder Ideen -
Aristoteles
nennt sie eidos oder morphé, um sie
terminologisch
von Platons idea zu unterscheiden - werden aber im
Erkenntnisprozeß
immer in Verbindung mit den sinnlichen Vorstellungen gebracht. Wir
erkennen
nicht die Ideen an sich, sondern die Dinge in einem zugleich sinnlichen
und begrifflichen Informationsprozeß.
Zusammenfassend
halten wir also fest, daß die lateinische Herkunft des
Informationsbegriffs
uns Auskunft über die Verwendung von informatio/informo im
technischen, biologischen und pädagogischen Bereich im klassischen
Latein gibt. Ferner konnten wir zeigen, daß dieser Begriff ein
Fachterminus
der Philosophie war und zwar sowohl im Sinne von Gestaltung des Stoffes
oder Selbstgestaltung des Lebens als auch von Formung von Wahrnehmung
und
Denken. Informatio ist ein Schlüsselbegriff der
mittelalterlichen
Ontologie, Erkenntnistheorie und Pädagogik. Der darin enthaltene
Begriff forma ist die Übersetzung von bedeutungsschweren
Begriffen
aus der griechischen Philosophie, vor allem aus Platon (idea/typos)
und Aristoteles (eidos/morphe).
Helmut
Seiffert faßt diese Entwicklung folgendermaßen
zusammen:
"Das
Aufschlagen des lateinischen Wörterbuches", so Helmut Seiffert,
"hat
uns also einige Überraschungen beschert. Offenbar hat dieses Wort
doch kein New Yorker Kolumnist erfunden; es ist ein wenig älter.
Und
es hat vor allem eine ein wenig vornehmere ursprünglichere
Bedeutung,
als die meisten Leute anzunehmen geneigt sind.
"Information"
bedeutet erstaunlicherweise eigentlich ungefähr das gleiche wie
ein
anderes Wort, das wir am genau entgegengesetzten Ende der Wertskala
einzureihen
gewohnt sind: das Wort "Bildung" nämlich.
Es
ist bekannt, daß dieses Wort Bildung in Deutschland ein kaum noch
zu übertreffendes Prestige genießt. Alles, was uns heilig
ist,
scheint in diesem Wort konzentriert zu sein: Platon und Cicero, Goethe
und Beethoven, Künste und Wissenschaften, Kultur des Geistes und
des
Herzens. Das Wort Bildung wird von allen geliebt wie die schöne
Prinzessin
im Märchen; ganz am anderen Ende des Palastes aber, irgendwo in
der
Ecke einer verräucherten Küchen, hockt "Information" als
Aschenputtel:
verachtet als geschichtslos, oberflächlich, kommerziell,
technizistisch.
Die
Wortgeschichte läßt uns das anders sehen. "Information" ist
nicht nur ebenfalls eine Prinzessin, denn es heißt ja nichts
anderes
als Bildung. Sondern historisch gesehen ist das Wort sogar älter:
"Information" ist, um im Bilde zu bleiben, die Mutter oder doch
wenigstens
die Tante von "Bildung". Denn "Bildung" ist seinerseits nur eine
Übersetzung
älterer bedeutungsschwerer lateinischer Termini, zu denen eben
auch
"informatio" gehörte.
Unser
wortgeschichtliches Ergebnis ist auch deshalb so aufschlußreich,
weil es die Gegner des Wortes Information unter den "Bildungs"freunden
mit ihren eigenen Waffen schlägt; denen der historischen Bildung
nämlich.
Das gleiche Geschichtsbewußtsein, aufgrund dessen mancher die
"Bildung"
hochhält, brachte uns darauf, ganz einfach einmal im
Wörterbuch
nachzuschlagen, was "Information" eigentlich im klassischen Latein
bedeutete."
(Seiffert 1968, S. 27-28)
Was geschah
mit diesem weiten und spezialisierten Bedeutungsnetz im
Übergang
vom Mittelalter zur Neuzeit als die europäischen Sprachen sich
bildeten?
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