5.
Der naturwissenschaftliche Informationsbegriff
In
diesem
Abschnitt setzen wir uns exemplarisch mit dem Informationsbegriff in
den
Naturwissenschaften auseinander. Horst Völz hat eine umfassende
Darstellung
dieses Themas vorgelegt, auf die wir aber hier nicht eingehen
können
(Völz 1982-1983; Folberth u. Hackl 1986). Stattdessen wollen wir
uns
exemplarisch mit der Analyse des Informationsbegriffs
beschäftigen,
die der Physiker und Philosoph Carl-Friedrich von Weizsäcker in
verschiedenen
Veröffentlichungen seit Ende der 50er Jahre vorgelegt hat. Wir
wählen
einige Stationen dieses Forschungsweges aus.
1.
"Sprache als Information" (1959)
Wir
beginnen
mit dem Vortrag Sprache und Information aus dem Jahre 1959, der
in Die Einheit der Natur (1974) wiederabgedruckt wurde.
Weizsäcker
stellt fest, daß wenn wir gewöhnlich von Information
sprechen, von einem sprachlichen Phänomen sprechen.
Genauer:
Information meint eine bestimmte Art über die Sprache zu sprechen.
Das setzt wiederum voraus, daß Sprache mehr ist, als Information.
Was meinen wir aber gewöhnlich mit Information? Antwort: die
sprachliche
Mitteilung von Tatbeständen. Die Sprache ist Träger von
Information.
Gemeint ist sowohl die gesprochene als auch die geschriebene Sprache,
wobei
die letzte Form den Vorzug hat, daß sie Information
verobjektiviert
und nachprüfbar macht. Dabei läßt sich die
verobjektivierte
Bedeutung von den dafür gebrauchten Zeichen unterscheiden. Hier
knüpft
Weizsäcker an die damals entstandene Informationstheorie von
Claude
Shannon und Warren Weaver an, die auf dieser Unterscheidung basiert.
Für
die Nachrichtentechnik sind die Zeichen nicht aber deren Bedeutung
entscheidend
oder, anders ausgedrückt, bei einer Nachrichtenübermittlung
werden,
aus informationstheoretischer Sicht, Zeichen nicht Bedeutungen
gezählt.
Information kann also, so betrachtet, gemessen werden. Was ist das
Maß
der Information?
Als
der amerikanische Erfinder Samuel Morse (1791-1872) den ersten
elektromagnetischen
Schreibtelegraphen um 1840 erfand und 1843 die erste Telegraphenlinie
von
Washington nach Baltimore errichtete, benutzte er dafür einen
binären
Punkt-Strich-Code, der Buchstaben in Längen und Kürzen
codierte.
Diese binäre Codierung erhielt später die Bezeichung "bit of
information". Mit einem kurzen und einem langen Stromstoß konnte
er die 25 Buchstaben des Alphabets codieren. Die einzelnen Zeichen
entstehen
also aus einer bestimmten Anzahl von Ja-Nein-Entscheidungen. Durch eine
Ja-Nein-Entscheidung hätten wir also nur zwei Fälle oder zwei
Buchstaben. Setzen wir aber zwei Entscheidungen hintereinander, ergeben
sich vier verschiedene Fälle, bei drei hintereinander gesetzten
Zeichen
sind es sechzehn Zustände, usw. Für die Darstellung des
Alphabets
reichen also höchstens fünf Elemente. Computer arbeiten auf
der
Basis dieser Reduktion von Information auf Ja-Nein-Entscheidungen.
Damit
wurde es möglich, so Weizsäcker, bestimmte Denkoperationen,
die
von einem Menschen vollzogen werden, durch eine Maschine ausführen
zu lassen. Dabei ist aber zu beachten, daß zwischen dem Entwerfen
eines Schemas oder eines Kalküls und dem Kalkül selbst einen
Unterschied besteht. Das Denken erschöpft sich also nicht im
Kalkül.
Was
ist also Information? Ein Telegramm enthält Information,
ebenso
wie ein Kalkül. Information läßt sich auch
nachrichtentechnisch
messen. Bezeichnen wir mit Information etwas Materielles oder einen
Bewußtseinsinhalt?
Antwort: weder noch. Denn die Druckerschwärze in einem
abgeschickten
Telegrammzettel ist verschieden von der Druckerschwärze des in
Empfang
genommenen Telegrammzettels:
"Information
ist gerade das, was beiden Zetteln gemeinsam ist" (Weizsäcker
1974,
S. 51).
Ähnliches
gilt für den Bewußtseinsinhalt: Das, was ich gedacht habe,
ist
verschieden von dem, was der Empfänger denkt. Dennoch ist beiden
etwas
gemeinsam. Daraus zieht Weizsäcker folgende
Schlußfolgerung:
"Man
beginnt sich daher heute daran zu gewöhnen, daß Information
als eine dritte, von Materie und Bewußtsein verschiedene Sache
aufgefaßt
werden muß. Was man damit entdeckt hat, ist an neuem Ort eine
alte
Wahrheit. Es ist das platonische Eidos, die aristotelische Form, so
eingekleidet,
daß auch ein Mensch des 20. Jahrhunderts etwas von ihnen ahnen
lernt."
(Weizsäcker 1974, S. 51)
Wir werden
im letzten Kapitel auf diese Herkunft des Informationsbegriffs
näher
eingehen. Information ist "Form oder Gestalt oder Struktur"
(Weizsäcker
1974, S. 52). Form kann sich auf die Struktur eines sinnlich
wahrnehmbaren
Gegenstandes beziehen, sie kann aber auch, wie im Falle von
Information,
auf einer höheren Abstraktionsstufe angesiedelt sein. Sie meint
aber
nicht den Denkvorgang, sondern dem Gedanke selbst.
Aber
nicht jeder Gedanke ist zugleich Information. Zwei Bedingungen sind
dafür
notwendig: sprachlicher Charakter und Eindeutigkeit. Mit sprachlichem
Charakter
meint Weizsäcker nicht nur die vom Menschen gesprochene
mündliche
Sprache, sondern auch Schrift und jede Form von Codierung.
Ausgeschlossen
ist aber dabei etwa die geometrische Form eines Sterns oder eines
Kuchens.
Dabei gibt Weizsäcker zu, daß er die Grenze zwischen der
sprachlichen
und der nicht-sprachlichen Form nicht scharf zu ziehen vermag. Er wird
sich in späteren Arbeiten mit dieser Grenze eingehend befassen.
Information
meint aber nicht nur Sprache, sondern auch Mitteilung. Es muß
potentiell
von jemandem aufgefaßt werden. Information hat also mit
Kommunikation
(zwischen Personen) zu tun. Wie steht es aber mit dem biologischen
Informationsbegriff?
Weizsäcker findet den Gebrauch des Informationsbegriffs in
Zusammenhang
zum Beispiel mit dem Chromosomensatz "völlig legitim"
(Weizsäcker
1974, S. 53), obwohl hier niemand spricht oder einem anderen Menschen
etwas
mitteilt. Somit stehen wir vor einer Alternative: entweder wir
versuchen
Information ohne Bezug auf Sprache und Mitteilung zu definieren oder
aber
wir bezeichnen damit eine Eigenschaft unseres sich sprachlich
artikulierenden
Denkens. Im ersten Fall meinen wir mit Information meßbare
Strukturmengen,
im zweiten die von uns herausgehobenen Strukturen. Beide Aspekte
gehören
aber zusammen, denn gerade wenn wir durch Ja-Nein-Entscheidungen eine
Form
messen, sind es wir, die dies tun und es ist nicht von vornherein klar,
daß alles in der Natur sich so messen läßt. Die Frage
also, wie Information jenseits der menschlichen Sprache zu verstehen
ist,
bleibt in diesem Vortrag weitgehend offen.
Schließlich
kehrt Weizsäcker auf das Verhältnis von Sprache und
Information
zurück. Mit Hinweis auf Logik und Mathematik betont er, daß
die Versuche, Teile der Sprache eindeutig zu machen, stets den Gebrauch
der natürlichen Sprache und somit eine nicht in Eindeutigkeit
verwandelte
Sprache voraussetzen. Eindeutige Definitionen können verdeckte
Mehrdeutigkeiten
entfalten, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind. Von Euklid bis
Gauß ging man davon aus, daß es eindeutige Begriffe und
Axiome
gibt, die von selbst gewiß sind. Der Philosophie warf man vor,
sie
könnte solche Fundamente nicht ausweisen. Die Mathematik und Logik
im 19. und 20. Jahrhundert (Cantor, Hilbert, Gödel, Tarski)
brachten
die Grenzen einer solchen Auffassung von Eindeutigkeit und somit auch
von
Wahrheit zum Ausdruck. Ludwig Wittgenstein hat ebenfalls die Grenzen
des
"klar sagens" gezeigt. Der Begriff der Information selbst zeigt,
daß
er, um präzis aufgefaßt zu werden, eine nicht in
Eindeutigkeit
verwandelte Sprache voraussetzt. Zwischen Sprache und Information
besteht
ein "unvermeidliche(r) Zirkel" (Weizsäcker 1974, S. 59), denn
Wahrheit
läßt sich zwar für Kalküle oder Sätze nicht
aber
für die Sprache als Ganzes setzen. Von diesem "Zirkel" spricht
auch
die Hermeneutik ("hermeneutischer Zirkel") im Sinne eines in sich fort-
und zurücklaufenden Prozesses, bei dem Annahmen explizit gemacht
werden
(können) ohne aber zu einem endgültigen Fundament zu
kommen.
Weizsäckers
Schlußsatz lautet:
"Die
ganz in Information verwandelte Sprache ist die gehärtete Spitze
einer
nicht gehärteten Masse. Daß es Sprache als Information gibt,
darf niemand vergessen, der über Sprache redet. Daß Sprache
als Information uns nur möglich ist auf dem Hintergrund einer
Sprache,
die nicht in eindeutige Information verwandelt ist, darf niemand
vergessen,
der über Information redet. Was Sprache ist, ist damit nicht
ausgesprochen,
sondern von einer bestimmten Seite her als Frage aufgeworfen."
(Weizsäcker
1974, S. 60)
Weizsäcker
hielt diesen Vortrag im Rahmen der Reihe "Die Sprache" der Bayerischen
Akademie der Schönen Künste in München und der Akademie
der Künste in Berlin. An dieser Reihe waren auch Emil Preetorius,
Romano Guardini, Friedrich Georg Jünger, Thrasybulos Georgiades,
Martin
Heidegger und Walter F. Otto beteiligt (Bayerische Akademie der
Schönen
Künste 1959). In seinem Vortrag "Der Weg zur Sprache" spricht
Heidegger
von einem "Geflecht" sowie von einem "Zirkel" in dem die
"natürliche"
Sprache und die als Information "gestellte" Sprache verflochten sind.
Dieser
Zirkel besteht eben darin, Sprache mit Bezug auf Information und
umgekehrt
definieren zu wollen. Dieser Zirkel ist aber, so Weizsäcker,
"sinnvoll
und unvermeidlich" er ist "die Bedingung der Exaktheit im Denken"
(Weizsäcker
1974, S. 53) Die Einsicht in die Verflechtung oder Vernetzung zwischen
der exakten oder "in-formierenden" und der mehrdeutigen Natur der
Sprache
führt zu einer Interpretationstheorie der Information oder
"Informationshermeneutik"
(Capurro
1986).
2.
"Materie,
Energie, Information" (1969)
In
dem
1969 geschriebenen aber zunächst unveröffentlicht gebliebenen
Beitrag "Materie, Energie, Information" (Weizsäcker 1974)
thematisiert
Weizsäcker den Informationsbegriff in der Biologie. Er beginnt mit
einer Erörterung der Begriffe Form und Materie. Materie
heißt
auf Griechisch "hyle" d.h. Holz. Ein Schrank ist aus Holz und hat eine
bestimmte Form, ein "eidos" oder Wesen. Das Konkrete ist immer ein
Zusammengesetzes
aus Materie und Form, wobei das, was auf einer Ebene als Materie
gekennzeichnet
wird, auf einer anderen Ebene wiederum als Form angesprochen wird: Das
Holz im Falle des Schrankes ist Materie, es besteht aber selbst aus
bestimmten
Molekülen, die seine Materie sind usw. Diese Ansicht der Begriffe
Materie und Form stammt aus der griechischen Philosophie. Eine andere
antike
Tradition ist die des Atomismus, wonach es eine letzte
selbständige,
nicht mehr aufteilbare geformte Materie gibt, nämlich die Atome.
Im
19. Jahrhundert tritt aber ein Gegenbegriff zur Materie auf, die
Energie:
"Energie
ist das Vermögen, Materie zu bewegen. Dieses Vermögen aber
wird
durch den Satz von der Erhaltung der Energie substantialisiert. Es wird
quantitativ meßbar, und es zeigt sich, daß seine
Quantität,
ebenso wie die Quantität der Mateerie, zeitlich erhalten bleibt.
(Robert
Mayer betrachtete den Energiesatz als quantitative Fassung der Regel
"causa
aequat effectum".) Was erhalten bleibt, betrachet man als eine
Substanz,
ein in allem Wandel der Erscheinungen sich gleich bleibendes
Zugrundeliegendes.
So schien es im 19. Jahrhundert zwei Substanzen in de Physik zu geben,
Materie und Energie, popularphilosophisch Kraft und Stoff. Die
Relativitätstheorie
hat uns in gewissem Sinne die Identität der beiden Substanzen
gelehrt.
Erhaltung der Materie heißt in heutiger Terminologie Erhaltung
der
Masse; und Energie und Masse sind relativistisch äquivalent."
(Weizsäcker
1974, S. 344--345)
Der
Informationsbegriff
bringt die Gegenpole des Materiebegriffs, nämlich Form und
Bewußtseins
wieder ins Spiel. Was ist Information? Antwort:
"ein
Maß der Menge an Form" (Weizsäcker 1974, S. 347).
Weizsäcker
erläutert dies anhand des nachrichtentechnischen
Informationsbegriffs.
Information und Wahrscheinlichkeit hängen zusammen: Je
unwahrscheinlich
das Eintreten eines Ereignisses, umso mehr Information enthält es.
Wahrscheinlichkeit besagt zwar etwas Subjektives, eine Mutmaßung,
aber auch etwas Objektives, sofern etwas Wahres oder intersubjektiv
Nachprüfbares
über einen Gegenstand ausgesagt wird. Die Information eines
Ereignisses
ist gleich der Anzahl unentschiedener einfacher Alternativen. Diese
bilden
die Menge an Form dieses Ereignisses. Je weniger wir über das
Eintreten
eines Ereignisses wissen, umso größer ist das Maß an
Information
und somit auch das Maß für die Wahrscheinlichkeit. Dieses
steht
in umgekehrtem Verhältnis zum Vorwissen.
Ein
Beispiel: Zwei Würfelspieler sollen die Wahrscheinlichkeit des
Eintretens
des Wertes 2 von beiden Würfeln abschätzen, wobei einer seine
Voraussage macht, wenn er die Augenzahl des ersten Würfels kennt.
Mit dem Wissenszuwachs über das Eintreten des vorauszusagenden
Ereignisses
wird also das Maß der Wahrscheinlichkeit immer geringer. Was aber
die Würfelspieler wissen ist mehr als die Information über
die
Zahlen, nämlich sie kennen die ganze Semantik des
Würfelspielens
und diese macht letztlich auch die "Form der Würfel" aus. Wenn man
also dieses umfassende Wissen in Rechnung stellt, wird es einsichtig,
daß
auf die Frage
"Wieviel
Form enthält das Würfelpaar nun wirklich?" keine einfache
Antwort
gibt. Was wir über die Gegenstände wissen, hängt immer
davon
ab, welchen Begriff wir von ihnen voraussetzen oder unter welchem
Gesichtspunkt
wir sie betrachten. Anders ausgedrückt, das quantifizierte oder
objektive
Wissen hängt immer von einem Wissen, das jemand von etwas hat, ab.
Was man wissen kann ist jeweils die Form (Griechisch: 'eidos') von
etwas.
Die gewußte Form ist zugleich die Form des Gegenstandes, das
subjektive
Wissen ist zugleich "objektivierte Semantik" (Weizsäcker 1974, S.
351).
Daraus
leitet Weizsäcker zwei grundlegende Thesen über den
Informationsbegriff,
auf die er immer wieder zurückkommen wird, ab,
nämlich:
"Information
ist nur, was verstanden wird." (Weizsäcker 1974, S. 351)
und
"Information
ist nur, was Information erzeugt." (Weizsäcker 1974, S. 352)
Die erste
These ist so gemeint, daß auch von einem Organismus, der die
DNS-Information
in Proteingestalten umsetzt, diese auch "versteht". Information und
Verstehen
sind also Phänomene des Lebendigen. Daraus wird also die zweite
These
abgeleitet. Der Informationsbegriff wird hier mit dem Begriff der
Bewegung
oder, besser gesagt, der organischen Bewegung gleichgestellt. Da diese
aber ein energetischer Prozeß ist, stellt sich die Frage,
inwiefern
dann auch Energie und Information identifiziert werden
können.
Zuvor
wird aber die These von der Information als objektivierter Semantik am
Beispiel der genetischen Information erläutert. Eine bestimmte
Tierart
enthält zum Beispiel 2 n bits an genetischer Information.
Wenn
wir jetzt wissen wollen, wieviel objektivierte Semantik diese Spezies
enthält,
dann sind zwei Antworten möglich: Entweder genau 2 n oder
soviel
wie die Formmenge eines ganzen Organismus, d.h. DNS-Buchstaben x Anzahl
der Eiweißmoleküle x Anzahl der Zellen... also eine sehr
große
Zahl. Im ersten Fall handelt es sich um die Information eines
bestimmten
Individuums dieser Spezies, im zweiten um die Information über die
DNS-Kette des Kerns einer beliebigen Zelle eines beliebigen Organismus
dieser Spezies. Die zweite Antwort artikuliert nicht den Begriff zu dem
die Information eines Organismus gezählt werden soll, sie nimmt
also
die These: "Information ist nur, was verstanden wird" nicht ernst. Die
erste Antwort läßt die Informationserzeugung außer
Acht.
Weizsäcker betont:
"die
Thesen waren aber so gemeint, daß gerade die
Informationserzeugung
das Verstehen ist. Offenbar vernachläßigen beide
Antworten,
daß es sich nicht um statische Information, sondern um
Informationsfluß
handelt." (Weizsäcker 1974, S. 354)
Von hier
aus wendet sich Weizsäcker den folgenden Thesen zu:
"Substanz
ist Form. Spezieller: Materie ist Form. Bewegung ist Form. Masse ist
Information.
Energie ist Information" (Weizsäcker 1974, S. 361)
Die These:
"Substanz ist Form" steht im Einklang mit der antiken Vorstellung
wonach
Form ein relativer Begriff ist. Sie führt in letzter Konsequenz
auf
die Anahme von "Uralternativen":
"Alle
Formen "bestehen aus" Kombinationen von "letzten" einfachen
Alternativen."
(Weizsäcker 1974, S. 362).
Die These:
"Materie ist Form" bedeutet, daß die Elementarteilchen aus
Uralternativen
aufzubauen wären. Die These: "Masse ist Information" besagt,
daß
Information die Anzahl der in einer Situation eingehenden
Uralternativen
ist. Die These: "Energie ist Information" bedeutet, daß alles
über
die Masse Gesagte, auch von der Energie gilt. In der These: "Bewegung
ist
Form" tritt der Flußcharakter der Information hervor:
"Information
ist nur, was Information erzeugt; Bewegung bewegt sich selbst"
(Weizsäcker
1974, S. 363).
Die
Welt, so Weizsäcker, erscheint von dieser Theorie aus gesehen, als
"Inbegriff der Formen". Form meint immer eine wißbare Form. Der
Wissende
ist der Mensch, aber auch, aufgrund der objektivierten Semantik, ein
Meßgerät.
Menschen können endlich viel Informationen in endlicher Zeit
besitzen.
Nach dieser Theorie ist die Möglichkeit, daß Materie denken
kann, prinzipiell gegeben, ohne daß aber der Übergang vom
"virtuellen"
zum "aktuellen" Wissen schon erklärt wäre. Die Begriffe
Wahrscheinlichkeit
und Information sind statisch, sofern sie objektivierbare Formen
meinen.
Sofern die Kybernetik von dieser Objektivierung ausgeht und die
nicht-objektivierbare
Dimension der Geschichte nicht berücksichtigt, stößt
sie
methodisch auf ihre Grenzen.
3.
"Information
und Imagination" (1973)
Vierzehn
Jahre nach dem ersten Vortrag in der Bayerischen Akademie der
Schönen
Künste hielt Weizsäcker im selben Rahmen einen Vortrag mit
dem
Titel "Information und Imagination". Er beginnt mit der Feststellung,
daß
der naturwissenschaftliche Wahrheitsbegriff ein technischer ist: Wahr
ist
das, was planmäßig funktioniert. Weizsäcker
schreibt:
"Information
ist wiedererkennbare Wahrheit, und zwar nach einem bestimmten
Verfahren,
auf das man sich einigen kann, wiedererkennbar übertragene
Wahrheit."
(Weizsäcker 1973, S. 13)
Die
Gegenüberstellung
von Information und Imagination impliziert, daß es zwei
Wahrheitsbegriffe
gäbe. Der naturwissenschaftliche Wahrheitsbegriff, der
Informationsbegriff
also im Sinne von "wiedererkennbarer Wahrheit" hat seine Wurzeln in der
griechischen Philosophie, genauer, in der Philosophie Platons. Die
moderne
Naturwissenschaft kehrt aber den platonischen Wahrheitsbegriff um. Denn
für Platon meint Information, wenn man diesen Begriff von der
"Idee"
her denkt,
"die
Einwohnung der Form in der Materie oder die Erfüllung der Materie
mit Form" (Weizsäcker 1973, S. 17).
Information
ist also im wörtlichen Sinne "Einformung". Dadurch wird dem Ewigen
einen Leib gegeben. Das so Geformte kommt dann zur Erscheinung, es wird
sichtbar und wahr. Das griechische Wort für Wahrheit ("aletheia")
drückt diesen Vorgang des aus der Verborgenheit ("lethe") in die
Un-Verborgenheit
kommen ("a-letheia") aus. Allerdings ensteht durch diese Verwirklichung
der Form im Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren ein Abgeleitetes. Das
hierarchische
Verhältnis zwischen der Idee und ihrer sinnlichen Verwirklichung
wiederholt
sich wiederum im Falle des durch die Imagination geschaffenen
künstlichen
Abbildes ("imago") des sinnlich Wahrnehmbaren. Die platonische
Philosophie
und mit ihr, so Weizsäcker, die davon abgeleitete Wissenschaft,
stellt
den Begriff der Information im Sinne von Einformung auf einer
höheren
Stufe als den der Imagination dar. Im Klartext heißt das,
daß
die Wissenschaft einen höheren Wahrheitsgehalt besitzt als die
Kunst.
Eine Umkehrung der Verhältnisse im Sinne einer Herabsetzung der
Wissenschaft
würde die gegenwärtige Macht und den Anspruch der
Wissenschaft,
die sich aus ihrem Verhältnis zur Wirklichkeit ergibt, nicht
überwinden.
Allerdings ist die moderne Wissenschaft, von Platon aus gesehen, eine
Sache
des Verstandes und des Experimentierens, die den Blick der Vernunft auf
das Ganze aus den Augen verliert.
Was
tut die moderne Naturwissenschaft? Antwort: Sie buchstabiert das
Alphabet
der Natur. Sie ist zwar Platonisch das heißt mathematisch
orientiert,
aber ihr Ziel ist die empirische Prognose. Die Gesetze der Physik
werden
nicht durch bloße Vernunft erkannt, sondern sie stellen
"Bedingungen
der Möglichkeit der Entscheidung empirisch entscheidbarer
Alternativen"
dar (Weizsäcker 1973, S. 20). Sie sind die Rahmenbedingungen
für
gewinnbare Information. Denn Information, so Weizsäcker seine
vierzehn
Jahren zurückliegende Definition wiederaufnehmend,
"gibt
es nur unter einem Begriff. Information ist nicht etwas, was auf der
Straße
herumliegt so wie Kieselsteine, sondern Information wird erzeugt; und
sie
wird erzeugt nur von denjenigen, welche imstande sind, in Begriffen zu
denken. Das drückt sich sprachlich so aus, daß ich in der
Sprache
sage, welche Information ich gewonnen habe." (Weizsäcker 1973, S.
22)
Die
Sichtweise
von Information, die sowohl von der platonische als auch von der
neuzeitlichen
Transzendentalphilosophie (I. Kant) stammt, bedeutet eine
Infragestellung
der empiristischen Vorstellung, man könnte Information aus
Einzelerfahrungen,
"so wie Kieselsteine", sammeln. Begriffe aber müssen der Erfahrung
vorausgehen, wenn daraus Information gewonnen werden soll: "Begriffe
ermöglichen
Tatsachen" (Weizsäcker 1973, S. 23).
Die
moderne Naturwissenschaft basier nicht nur auf dem Begriff der
Erfahrung,
sondern auch auf dem der Evolution. Was bedeutet Evolution? Antwort:
"Vermehrung
der Menge an Form" (Weizsäcker 1973, S. 24). Das ist eine andere
Formulierung
für: "Anwachsen der Information" (ebda.). Diese These spiegelt
wiederum
jene zweite Sicht von Information im Sinne von "Information ist nur,
was
Information erzeugt", wider. Weizsäcker löst aber die
Spannung
zwischen der Informationserzeugung und ihrer 'Wahr-nehmung' durch
menschliche
Sprache nicht auf. Wenn Wahrheit nach der mittelalterlichen Definition
als Anpassung des Gedankens an einen Sachverhalt ("adaequatio
intellectus
et rei") bestimmt wird, dann leben Tiere, die sich an ihrer Umwelt
sozusagen
"informatorisch" anpassen, in der Wahrheit. Allerdings nicht im Modus
der
menschlichen Sprache.
Durch
die Sprache vermögen wir Handlungsmöglichkeiten vorzustellen,
wodurch einen Unterschied zwischen dem, was wirklich geschieht und dem
Wissen von dem, was geschehen könnte, geschaffen wird. Durch ein
solches
auf Möglichkeiten hin offenes "symbolisches Handeln" vermag der
Mensch
anders zu leben als die sonstigen Lebewesen. In dieser Hinsicht spielt
die Imagination, im Sinne des Hervorbringens von (bildhaften)
Repräsentationen
dessen, was geschehen könnte, eine zentrale Rolle. Daraus ergibt
sich
die Einsicht, so Weizsäcker, daß die naturwissenschaftlich
verstandene
Information eine "durch bestimmte Spielregeln eingeschränkte" Art
von Imagination ist (Weizsäcker 1973, S. 27).
Information
im Sinne von wissenschaftlicher Imagination besteht darin, das, was
geschieht,
in einzelnen unterscheidbaren und ersetzbaren Stücken zu zerlegen.
Information ist sozusagen durch den Verstand und den Willen
kontrollierte
Imagination. Demgegenüber stellt Weizsäcker die
künstlerische
Imagination sowie die Vernunft im Sinne des Vermögens, das Gesamte
zu denken und davon Rechenschaft zu geben. Wodurch unterscheidet sich
diese
moderne Auffassung von Information und Imagination gegenüber der
aus
der griechischen Philosophie tradierten? Antwort: Durch die offen
gedachte
Zeit. Information im Sinne von kontrollierter Zukunftsimagination ist
für
Weizsäcker der Schlüssel für das Überleben der
Menschheit.
4.
"Der
Garten des Menschlichen" (1977) und "Aufbau der Physik" (1985)
In
seinem
Buch "Der Garten des Menschlichen" stellt Weizsäcker die Begriffe
Information, Anpassung und Wahrheit in ihrem bisher erörterten
Zusammenhang
erneut dar. Auf der einen Seite gibt es Information nur "für
Menschen"
(Weizsäcker 1977, S. 201). Auf der anderen Seite aber tendiert der
moderne Informationsbegriff dazu, sich vom menschlichen Subjekt zu
lösen.
Kommunikation und Verstehen im Sinne der Schaffung von neuen Strukturen
wird durch Organismen und letztlich auch durch Apparate geleistet.
Gemeinsam
ist dabei dabei der Grundsatz, daß Information nur "für
einen
Empfänger" gibt. Was heißt "für"? Nicht primär die
menschliche Reflexion, sondern "für" kann sich auch auf jede Form
von aufnehmenden Strukturen oder Organen beziehen. Der Satz:
"Information
gibt es nur unter einem Begriff" bedeutet also nicht, daß
Information
nur im Falle der menschlichen Sprache stattfindet. Organe sind
"objektive
Begriffe". Information gibt es in diesem Sinne nur "für" ein
funktionierendes
Organ (Weizsäcker 1977, S. 203).
Damit
knüpft Weizsäcker an seine These über die "objektivierte
Semantik" an und folgert die zweite These, nämlich: "Information
ist
nur, was Information erzeugt". Das funktionierende Organ ist nicht nur
Empfänger, sondern immer zugleich auch Sender von Information.
Dabei
besteht weiterhin die Unterscheidung zwischen der menschlichen
Reflexionsfähigkeit,
die sich in Form von wahren oder falschen Urteilen über die
stattfindenden
Ereignisse ausdrückt, und der Art und Weise wie zum Beispiel ein
Tier
die Meldungen aus der Umwelt selektiert und sich der Umwelt
anpaßt.
In diesem zweiten Fall spricht Weizsäcker nicht der einzelnen
Handlung,
sondern dem Handlungsschema einen pragmatisch verstandenen
Wahrheitsbegriff
zu. Handlungsschemata sind also keine Abbilder der Umwelt, sondern
erfolgreiche
oder erfolglose allgemeine Handlungsanweisungen. Der Mensch
vermag
durch symbolische oder sprachliche Repräsentation diese
Fähigkeit
nicht nur auf die tatsächliche Umwelt, sondern auf
Handlungsmöglichkeiten
zu beziehen. Begriffe stellen also keine Abbild der Welt dar, sondern
sie
sind, so Weizsäcker, "ein Bild unseres Handelns", also dessen, was
wir mit der Wirklichkeit anfangen können. Erst diese
Möglichkeit
schafft wiederum höhere Kulturleistungen, wie zum Beispiel die
Vorstellung
einer an sich seienden Wirklichkeit.
Im
Kapitel "Information und Evolution" des 1985 erschienenen Buches
"Aufbau
der Physik" schreibt Weizsäcker:
"Information
ist das Maß einer Menge an Form. Wir werden auch sagen:
Information
ist ein Maß der Gestaltenfülle. Form "ist" weder
Materie
noch Bewußtsein, aber sie ist eine Eigenschaft von materiellen
Körpern,
und sie ist für das Bewußtsein wißbar. Wir können
sagen: Materie hat Form, Bewußtsein kennt Form."
(Weizsäcker
1985, S. 167)
Diese
Aussage faßt die beiden Aspekte des Informationsbegriffs, den
objektiven
und den subjektiven, zusammen. Information meint auf der einen Seite
die
Menge an Form oder die Gestaltenfülle eines materiellen
Körpers.
Diese Menge an Form läßt sich auch mit Hilfe des
nachrichtentechnischen
Informationsbegriffs als Menge an Entscheidungen auffassen, die an
einem
Objekt getroffen werden. Wenn mit Entropie in der Thermodynamik der
Verlust
an Ordnung und somit an Form gemeint ist, dann bedeutet aktuelle
Information
soviel wie die Negation von Entropie. Auf der Seite der wißbaren
Form besitzt Information, wie die Kommunikationstheorie lehrt,
syntaktische,
semantische und pragmatische Dimensionen. Die Zunahme an Form
bezeichnet
die Naturwissenschaft als Evolution. Dieser Prozeß erstreckt sich
vom anorganischen Bereich bis hin zur menschlichen Kultur. Die
Evolution
im Sinne des Wachsens von Gestalten steht, so scheint es, der
thermodynamischen
Entropie entgegen. Entropie meint das Maß der Unordnung,
Evolution
das Maß der Gestaltung. Weizsäcker vertritt aber die
gegenteilige
Meinung, nämlich
"Entropiewachstum
(ist) identisch mit dem Wachstum an Gestaltenfülle;
Evolution
ist ein Spezialfall der Irreversibilität des Geschehens"
(Weizsäcker
1985, S. 169).
Wie ist
das gemeint? Die Antwort auf diese Frage erstreckt sich über
mehrere
Abschnitte. Zunächst geht Weizsäcker auf den Zusammenhang von
Information und Wahrscheinlichkeit, also auf den nachrichtentechnischen
Informationsbegriff ein. Information meint ein Maß des
potentiellen
Wissens oder des aktuellen Nichtwissens. Weizsäcker
'übersetzt'
die nachrichtentechnischen in die thermodynamische Begriffe. Die
thermodynamische
Entropie mißt den Abstand zwischen dem Wissen des Makrozustandes
und dem Umwissen über die Mikrozustände. Die maximale
Information
ist dann gegeben, wenn die Kenntnis des Makrozustandes zugleich die des
Mikrozustandes bedeutet. In der Logik sprechen wir nicht von
Zuständen,
sondern von Begriffen.
Information,
wie Weizsäcker immer wieder betont, gibt es nur unter einem
Begriff
oder, anders ausgedrückt, nur in einer durch zwei Dimensionen
bestimmten
Situation. Im Falle der nachrichtentechnischen Übermittlung eines
Telegramms ist der Makrozustand die Buchstaben des lateinischen
Alphabets,
während der Mikrozustand die Wahl eines bestimmten Buchstabes
meint.
Für den Molekulargenetiker ist der Makrozustand der
Chromosomensatz
und der Mikrozustand die Buchstabenfolge der DNS-Kette. Es gibt, mit
anderen
Worten, keinen absoluten Begriff von Information. Die
Wahrscheinlichkeit
bezieht sich auf mögliche Ereignisse im Rahmen dieser Bedingungen.
Thermodynamik und Evolution scheinen sich aber zu widersprechen, denn
der
Zweite Hauptsatz der Thermodynamik drückt das Prinzip der
Desorganisation
aus, während die Evolution von fortschreitender Organisation
spricht.
Weizsäckers Ausweg aus diesem Dilemma besteht in der These,
daß
"Gestaltentwicklung selbst eine Entropievermehrung" ist
(Weizsäcker
1985, S. 177).
Die
Begründung dieser und die Diskussion anderer Lösungen geht
aber
über die Ziele unserer Untersuchung. Nur so viel können wir
festhalten:
"Beide Entwicklungsgesetze besagen, daß das Wahrscheinliche
eintreten
wird." (Weizsäcker 1985, S. 179). Weizsäcker geht von der
Irreversibilität
der Zeit aus. So sind auf die Zukunft hin gesehen, sowohl das Eintreten
der Entropie als auch die Gestaltentwicklung wahrscheinlich. Bei
extremen
gestaltarmen Zuständen ist die Entropie sehr gering, während
sie bei gestaltreichen Zuständen zunimmt. Das heißt,
daß
mit zunehmender Entropie die gestaltreicheren Zustände
wahrscheinlicher
werden. Allerdings unter zwei Bedingungen, nämlich "Existenz einer
Bindungsenergie und hinreichend niedrige Gesamtenergie (beziehungsweise
Temperatur)" (Weizsäcker 1985, S. 187).
Diesen
Überlegungen schließt sich ein Abschnitt über
"Information
als Nutzen" an, aus dem wir lediglich Folgendes festhalten:
"Menschliches
Verhalten beruht auf der Fähigkeit, Verhalten nicht nur zu
vollziehen,
sondern vorzustellen. Hiermit hängt die Fähigkeit quasi
unbeschränkter
Informationsspeicherung zusammen. Akkumulierte Information ist Macht.
Erst
diese Reflexion thematisiert Begriffe als Begriffe, also
Information als Information. Macht ist ein Humanum."
(Weizsäcker 1985,
S. 199)
Die
Größe
der Information begrifflicher Erkenntnis ist aber, wie Weizsäcker
in Anschluß an Karl Popper und Thomas Kuhn feststellt, nicht
unendlich,
denn allgemeine Gesetze lassen sich nicht empirisch verifizieren. Ein
Gesetz
faßt also eine endliche Informationsmenge zusammen. Vor dem
Hintergrund
der Bestätigung ergibt sich immer die Möglichkeit der
Erstmaligkeit
oder des Neuen, Unvorhergesehenen. Information ist nur möglich, so
Weizsäcker im letzten Abschnitt, "wenn einiges
gesetzmäßig
abläuft (Bestätigung) und doch auch einiges Neues geschieht
(Erstmaligkeit)"
(Weizsäcker 1985, S. 203).
"Pragmatische
Information ist das, was wirkt" schreibt Weizsäcker in
Abwandlung
der These "Information ist nur, was Information erzeugt"
(Weizsäcker
1985, S. 201). Diese These und ihr Pendant kehren auch am Ende dieses
Buches
unter dem Titel "Der Informationsstrom" wieder. Form ist aber nicht ein
Drittes, neben Materie und Bewußtsein, "sondern ihr gemeinsamer
Grund"
(Weizsäcker 1985, S. 581).
Wir
schließen dieser Darstellung mit einem Hinweis auf
Weizsäckers
letztes Buch, "Zeit und Wissen" (Weizsäcker 1992) in dem
Weizsäcker
in knapp vier Seiten die Entwicklung seines Denkens über den
Informationsbegriff
zusammenfaßt. Ausgehend von der These, daß die
Rekonstruktion
der Quantentheorie diese als Theorie der Information aufweist, stellt
er
zwei Fragen, nämlich: "1. Was ist Information? und 2. Was ist die
Bedeutung der Information in de Physik, also in der Natur?"
(Weizsäcker
1992, S. 342). Die Antwort auf die erste Frage lautet: "Information
ist das Maß einer Menge an Form", wobei die vorausgegangenen
Analysen gezeigt haben, wie diese Menge "zwischen zwei Ebenen"
definiert
und gemessen wird. Was bedeutet aber Form in der Physik? Gegenüber
des Verhältnisses von Form und Zeit in der antiken platonischen
Eidos-Philosophie
betont Weizsäcker, daß Gestalt oder Form nicht als das in
der
Zeit Beharrende oder gar Ewige, sondern als das "bewegte, reifende,
werdende
und vergehende" auffaßt (Weizsäcker 1992, S. 343). Das
Verhältnis
von Form und Bewußtsein wird in der These
zusammengefaßt:
"Die
Materie hat die Form, das Bewußtsein erkennt die
Form.
Die Materie wird für uns nun zu einer Erscheinungsweise der Form"
(Weizsäcker 1992, S. 344).
Wenn aber
das Bewußtsein ein Produkt der Evolution ist, können wir
davon
ausgehen, daß wir die Dinge so fassen, wie sie an sich sind?
Diese
Kantische Frage wird unter Hinweis auf Niels Bohr als "Relikt der
klassischen
Ontologie" zurückgewiesen, zugunsten eines evolutionären
Denkens,
wobei wir aber uns dann in einem unvollendeten oder evolutionären
Feld bewegen, wo wir "niemals völlig scharfe Begriffe" zur
Verfügung
haben (Weizsäcker 1992, S. 344). Die Fragen häufen
sich:
"Das
Bewußtsein taucht in der Evolution aus dem Meer des
Unbewußtsen
auf. Ist also doch Form das Zugrundeliegende und Bewußtsein eine
ihrer Ausprägungen? Aber wie kann Form Bewußtsein erzeugen?
Ist sie selbst geistig? Was könnte man damit meinen?"
(Weizsäcker
1992, S. 344)
Im Vorwort
seines Buches zur "Quantentheorie der Information", in dem sich der
Physiker
Holger Lyre eingehend mit Weizsäckers Informationsbegriff
auseinandersetzt,
schreibt er:
"Die
Subjekt-Objekt-Problematik zieht sich als roter Faden durch die gesamte
Arbeit. Sie steht freilich unabhängig von der Physik (und
insbesondere
der Ur-Theorie und ihrer Durchführbarkeit) ein tiefgreifendes
erkenntnistheoretisches
Thema dar, angesichts dessen ich die Meinung vertrete, daß eine
konsequente
informationsbegriffliche Analyse zu einer Klärung beitragen kann.
Unter "konsequent" verstehe ich, daß eine transzendentale
Begründung
des vollständigen Informationsbegriffs notwendig sein wird. M.E.
erweist
sich darum der Informationsbegriff durchaus auch außerhalb der
Physik
als ein bedeutsames terminologisches Werkzeug. Seine begriffliche
Reichhaltigkeit
entfaltet er aber erst, wenn er nicht verkürzt, sondern
vollständig,
nämlich unter Berücksichtigung syntaktischer,
semantischer,
pragmatischer und zeitlicher Aspekte verwendet wird." (Lyre 1998,
S.
x)
Die Suche
nach einer einheitlichen aber nicht verkürzten Theorie der
Information
ist in vollem Gange (Hofkirchner 1999).
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