I.
Vom Streit zum Dialog
(1)
Diskussion
hin oder Diskurs her, es kommt ja letztlich darauf an, ob wir ins
Gespräch
kommen oder nicht. Das sollten wir nicht mit einem "spontanen und
ungeregelten
Meinungsaustausch" ((4)) verwechseln. Es ist etwas anderes, ob wir uns
bestimmte formale Vorschriften für den Ablauf eines
Meinungsaustausches
selbst auferlegen, etwa im Rahmen eines Hochschulseminars oder einer
Parlamentsdebatte,
oder ob wir diese Regeln so anlegen, dass sie den Dialog blockieren und
das Ganze zu einem, wie wir in Spanisch sagen, "diálogo de
sordos"
( = einem Dialog zwischen Schwerhörigen) wird. Ich will damit
sagen,
dass im Gegensatz zu einem "spontanen und ungeregelten Dialog" ein
sachlicher
Dialog ihren Ausgang darin hat, dass die Dialogteilnehmer nicht nur auf
die Gründe und Einsichten des anderen eingehen, diese prüfen
usw., sondern dem anderen von Beginn an eine gute Absicht unterstellen
('principle of charity'). In der christlichen Tradition nennt
man
diese Haltung "salvar la proposición del prójimo",
was soviel bedeutet wie "die Aussage des Nächsten retten"
(Ignatius
von Loyola 1988). /1/
Das
ist eine ethische Haltung, die vor allen formalen Regeln und
Vorschriften
liegt und nicht daran halt macht, ob zum Beispiel potentielle
Diskussionspartner
bestimmte Rationalitätskriterien erfüllen oder nicht, was
dann
gegebenenfalls zum Ausschluß der angeblichen
'nicht-rationalen'
Teilnehmer führt. Auch die "leidenschaftslose Sachlichkeit" ((4))
kann dazu mißbraucht werden, um den anderen eine
'leidenschaftliche'
Absicht zu unterstellen und ihm so aus 'rein formalen Gründen',
die
Teilnahme am Dialog zu verweigern. Das wäre eine leidenschaftliche
Folge einer Leidenschaft der Leidenschaftslosigkeit! Von hier aus
gesehen,
ist das Wort 'Streitforum' unglücklich gewählt, denn beim
Streit
entsteht leicht Polemik. Auch wenn dabei bloß die Argumente und
nicht
die Argumentierenden zu Fall gebracht werden sollten, beruht diese Form
der Auseinandersetzung auf der Vorstellung, dass die Sache durch
'schlagfertige'
Kritik und Gegenkritik aufgeklärt und somit der andere
ausgeschaltet
wird. Der Dialog verlangt aber, dass wir nicht nur auf die
Argumente
des anderen eingehen, sondern uns zugleich auf den anderen selbst
einlassen.
Zugegeben, das ist nicht einfach und es gelingt meistens nicht. Es ist
aber eines Versuchs wert.
II.
"Das Capurrosche Trilemma"
(2)
Es
muß kein "essentialistischer Begriffsdogmatismus" bedeuten
((12)),
wenn Janich eine bestimmte Form des zwischenmenschlichen
Wissensaustausches,
bei der semantische und pragmatische Aspekte eine entscheidende Rolle
spielen,
mit dem Begriff Information kennzeichnen will. Da aber, wie Ropohl
bemerkt,
mit diesem Wort zugleich andere Sachverhalte etwa in der Biologie
und Physik bezeichnet werden, entsteht das von Peter Fleissner und
Wolfgang
Hofkirchner sogenannte "Capurrosche Trilemma" (Fleissner und
Hofkirchner
1995), das in Wahrheit eine aristotelische Ausgangssituation ist,
wie sie Aristoteles öfter erwähnt ("pollachós
légetai").
Ropohl schlägt vor, die vielfache Verwendung von Information
weder
äquivok noch univok, sondern analog zu verstehen. Er möchte
aber
dabei keinem Anwendungsbereich im Sinne der Attributionsanalogie
den Vorzug geben, sondern er entwirft eine Lösung des Trilemmas
auf
der Grundlage der Proportionalitätsanalogie. Er möchte auf
der
einen Seite "die breit gestreute Verwendung" des Informationsbegriffs
rechtfertigen,
ohne aber auf einen "präzisen Kern" zu verzichten
((13)).
Dieser präzise Kern soll das tertium comparationis als das
Gemeinsame zweier verglichener Sachverhalte sein.
III.
Was ist eine Analogie?
(3)
Kurz
zum Analogieproblem mit Hinblick auf den einschlägigen Artikel von
Wolfgang Kluxen im "Historischen Wörterbuch der Philosophie"
(Kluxen 1971). Ursprünglich, etwa bei Archytas von Tarent, ist die
Analogie im mathematischen Bereich angesiedelt und dient der
Konstruktion
von Ordnungsverhältnissen. So wird zum Beispiel der Abstand
zwischen
8 und 2 durch die Bildung einer Mitte überbrückt (8:4 =
4:2).
Bei
Aristoteles finden wir eine methodische Anwendung der Analogie in
nicht-mathematischen
Zusammenhängen, so zum Beispiel im sozialen Verhältnis, wenn
zwei Personen ihre Bezüge 'gerechterweise' ausgeteilt bekommen
sollen.
Die Mitte ist aber für Aristoteles nicht im Sinne einer
dreigliedrigen,
sondern einer viergliedrigen Proportion zu verstehen. Die Analogie wird
zur Methode für die Metaphernbildung auf der sprachlichen Ebene,
wenn
zum Beispiel etwas von einer Gattung in die andere 'übertragen'
wird:
Was dem Vogel der Flügel, ist dem Fisch die Flosse, lautet
das
von Kluxen zitierte Beispiel des Aristoteles. Dadurch schafft die
Analogie
eine besondere Form von Einheit, die kategoriale Unterschiede
zuläßt.
Wir haben mit einem Sachverhalt im analogischen Sinne zu tun.
Diese
Form von Einheit ist, gegenüber der Einheit nach Zahl, Art und
Gattung,
die weiteste nach Aristoteles (Met. V, 6, 1016 b 29-1017 a 2).
Wenn
für derlei analogisch Gemeinsames eine Bezeichnung
vorliegt,
dann ist das nicht willkürlich. Zugleich handelt es sich aber
nicht
um eine Über-Gattung, sondern die Analogie "schafft eher konkrete
Verbindungen quer zu den Kategorien" (Kluxen 1971: 217).
In
Anschluß an Thomas von Aquin unterscheidet Caietan (1469-1534)
drei
Typen der Analogie: Die Analogie der Ungleichheit, der Attribution
(oder
der Proportion) und der Proportionalität. Im ersten Fall werden
verschiedene
Referenten, zum Beispiel verschiedene Körper, zum univoken
Körperbegriff
bezogen, ohne aber die (Gattungs-) Unterschiede zu
berücksichtigen.
Im zweiten
Fall wird die Relation zu einem vorgeordneten ersten Analogat, dem primum
analogatum, hergestellt, etwa wenn 'gesund' primär vom
Organismus
dann aber auch vom Klima usw. ausgesagt wird. Diese Analogieform gilt
nur
dem Begriff und nicht dem Sein nach. Sie bezieht sich auf eine
äußerliche
Benennung. Im dritten Fall wird die
Verhältnismäßigkeit
der Bedeutungen in bezug auf die Referenten anvisiert, so wenn 'Sehen'
vom leiblichen Auge aber auch vom intellektuellen Sehen ausgesagt wird.
Hier werden Verhältnisse zwischen je verschiedenen Sachverhalten
in
Beziehung gebracht und zwar im Sinne des mathematischen Modells.
Sinnvoll
ist diese letzte Form der Analogie, wenn die Sachverhalte
proportionabel
sind.
Ein
Grenzfall stellt das Unendliche dar, weil es eben
mit dem Endlichen
nicht proportionabel ist. Thomas von Aquin zieht beim Verhältnis
von
Gott und Geschöpf die zweigliedrige Attributionsanalogie ("unius
ad alterum") der Proportionalitätsanalogie ("duorum
respectu
tertii") vor, während Caietan Sein als
"Sich-Verhalten-zu-Sein"
bestimmt und so die jeweiligen Verhältnisse in proportionaler
Beziehung
setzen kann. Da aber nicht von der Seinsverschiedenheit in den
jeweiligen
Subjekten abgesehen wird, ergibt sich daraus, so Caietan, "eine gewisse
Konfusion der Begriffe oder Sinngehalte in ihrer proportionalen
Identität"
(Kluxen 1971: 225).
Die
Attributionsanalogie wurde von Franz Suárez weiterentwickelt.
Die
Struktur des Vor- und Nachgeordnetseins kann auf der Grundlage eines
äußerlichen
Vergleichs ("attributionis extrinsecae") oder einer innerlichen
Attribution ("attributionis intrinsecae") stattfinden. Im
zweiten
Fall steht das Nachgeordnete in einem Ableitungsverhältnis, hat
aber
dennoch ein eigenständiges Sein. Kluxens Fazit lautet, dass
Suárez
und Caietan, Jesuiten und Dominikaner also, den wesentlichen Punkt
verfehlen,
"indem sie die Analogie als Begriffseigenschaft" und nicht im Sinne
eines
Seinsprozesses, als "analogia entis" (E. Przywara), verstehen
(Kluxen
1971: 225).
IV.
Naturalisten und Kulturalisten
(4)
Die
Kontroverse zwischen Ropohl und Janich (Janich 1998) stellt sich vor
diesem
Hintergrund als Frage nach der Anwendung der Attributionsanalogie
(Janich)
bzw. der Proportionalitätsanalogie (Ropohl) im Hinblick auf den
Informationsbegriff
dar. Janich hebt den Unterschied zwischen dem Menschen als Kulturwesen
und den sonstigen natürlichen oder künstlichen Seienden
hervor.
In der Sprache Heideggers hätten wir mit Information im Sinne
eines
Existenzials, dem der "Mitteilung", und nicht mit einer Kategorie zu
tun
(Heidegger 1976). Janich spricht von einem "Sprung" in die
"informationsbegriffliche
Sprache", wenn zum Beispiel Moleküle ihre Struktur "weitergeben"
((48)).
Diese Sprechweise ist, so Janich, eine "Analogiebildung" und setzt ihre
Semantik voraus. "Sprung" deutet auf die Inkommensurabilität der
Relata,
die eine Proportionalitätsanalogie nicht erlauben. Ropohl sucht
das tertium comparationis und findet es in einem
"Modellbegriff", der
sich aufgrund von "bestimmten Analogien zwischen menschlichen,
technischen
und natürlichen Austauschphänomenen" herausgebildet hat
((15)).
Die
Geschichte dieses Modellbegriffs fängt mit Shannon und Weaver an
und führt
über Norbert Wiener zur Semiotik. Da die syntaktische Dimension
der
semantischen und pragmatischen zugrunde liegt, haben wir hier mit einer
technischen und nicht-technischen Prozessen der Zeichen-
übertragung
gemeinsamen Dimension und somit mit der gesuchten proportio zu
tun.
Wie steht es aber mit biologischen Prozessen? Hier greift, so Ropohl
((27)),
der semiotische Zeichenbegriff zu kurz, so dass anstelle von "Zeichen"
das Wort "Element" eintreten sollte. Ansonsten würde die
Proportionalitätsanalogie
dazu führen, dass "glaubenshungrige Gemüter nach dem
metaphysischen
"Sender" der "Erbinformation" suchen." ((27)) Ropohls Lösung
lautet
in diesem Fall "Begriffsabschwächung": ""Information" verliert
damit
ihren Zeichencharakter und heisst dann nur noch soviel wie "Struktur"
oder
"Ordnung" (...) Ob dafür das Wort "Information",
selbstverständlich
allein im syntaktischen Sinn, geeignet ist, halte ich für
erwägungsoffen."
((27)) Damit gerät aber Ropohls Argumentation und insbesondere
sein
Gebrauch der Proportio- nalitätsanalogie sozusagen in eine offene
Sackgasse!
V.
Carl Friedrich von Weizsäcker: Information als Form
(5)
Mit
diesem Problem hat sich beinah ein Leben lang Carl-Friedrich von
Weizsäcker
beschäftigt. An anderer Stelle habe ich versucht, Weizsäckers
Weg in dieser Frage nachzuzeichnen (Capurro 2000). Weizsäcker
setzt
genau dort an, wo Ropohl aufhört, nämlich bei dem Begriff
"Struktur"
bzw. "Form", die er von Platon und Aristoteles her denkt.
Weizsäckers
Alternative lautet: Entweder versuchen wir Information ohne Bezug auf
Sprache
und Mitteilung zu definieren, oder aber wir bezeichnen damit eine
Eigenschaft unseres sich sprachlich artikulierenden Denkens
(Weizsäcker
1974: 53-54). Aut Janich aut Ropohl, tertium non
datur.
Beide Aspekte aber, das ist Weizsäckers Weg, gehören
zusammen.
Seine Thesen lauten dementsprechend:
"Information
ist nur, was verstanden wird"
und
"Information
ist nur, was Information erzeugt" (Weizsäcker 1974:
351-352).
Information
meint also auf der einen Seite die "gewußte Form" und auf der
anderen
Seite ist sie "objektivierte Semantik". Im Gegensatz zu Ropohls tertium
comparationis, wird die Semantik einbezogen, da Weizsäcker von
einer ursprünglichen Einheit von Erkenntnis und Erkanntem ausgeht.
Weil wir uns aber in einem unvollendeten evolutionären Feld
bewegen
und keinen archimedischen Punkt außerhalb dieses Prozesses
einnehmen
können, erreichen wir "niemals völlig scharfe Begriffe"
(Weizsäcker
1992: 344) Mit diesen, hier nur verkürzt wiedergegebenen Gedanken,
kommen wir zum von Kluxen erwähnten Problem der Grenzen des
Analogiedenkens
im Rahmen der Sprachphilosophie zurück und schreiten wir,
Weizäcker
folgend, in die Ontologie, sei es in Form der "analogia entis" (E.
Przywara)
oder des modernen Evolutionsgedankens, über.
In
seiner "Replik" hatte mir Janich irrtümlicherweise unterstellt,
ich
sei ein Anhänger des "Selbstorganisations-Paradigmas" (Janich 1998
((30))). Ich habe aber in einem Trialog zusammen mit Peter Fleissner
und
Wolfgang Hofkirchner (Capurro/Fleissner/Hoffkirchner 1999) auf den
metaphysischen
Anspruch und somit auf die Grenzen dieses Paradigmas hingewiesen. Der
Informationsbegriff
erlaubt uns eine bestimmte Sicht des Evolutionsprozesses, ohne aber
dabei
eine gewisse Unschärfe einzubüßen. Ich nannte diese
Sicht
DIAINF (dialektischer Informatismus) in Analogie zu DIAMAT
(dialektischer
Materialismus). Ich will damit sagen, dass der dialektisch verstandene
Informationsbegriff uns zwar eine andere Sicht der Evolution und sogar,
wie Peter Fleissner und Wolfgang Hofkirchner meinen, einen
nicht-deterministischen
Kausalitätsbegriff ermöglicht ('causality of matter' vs.
'causality
of information') (Capurro / Fleissner / Hofkirchner 1999), dass wir uns
aber
damit in einer metaphysischen Gesamtschau in der Form einer "unified
theory
of information" befinden.
VI.
Lateinische Herkunft und griechischer Ursprung
(6)
Ropohl
wundert sich, dass gegen Janichs These, wonach das Wort "Information"
in
der tradierten Umgangsprache "einen angestammten Platz" hat, "keine
sprachgeschichtlichen
Einwände erhoben worden sind" ((14)). Ich hatte bereits in meiner
Stellungnahme zu Janichs Beitrag darauf hingewiesen, dass ich vor
zwanzig
Jahren eine etymologische und ideengeschichtliche Untersuchung des
Informationsbegriffs
unternommen hatte (Capurro 1978) und zwar angestoßen durch
Weizsäckers
Hinweis auf die lateinische Herkunft und den griechischen Ursprung
dieses
Begriffs. Ursprünglich ist der lateinische Begriff bei
natürlichen,
künstlichen und kulturellen Prozessen angesiedelt. Entscheidend
für
diese Entwicklung ist das Verschwinden der ontologischen Dimension
(Formung
der Materie) am Ausgang des Mittelalters, bis die moderne Physik
und die Evolutions- theorie diese Wurzel wieder aufdecken und zwar
gerade
in dem Augenblick, wo die Elektrotechnik zwar an die umgangsprachliche
erkenntnistheoretische Bedeutung anschließt, diese aber so
formalisiert,
dass letztlich die Formungsprozesse selbst gemeint sind. Die
Übersetzung
des lateinischen informatio im Deutschen lautet nicht mehr
und
nicht weniger als "Bildung". In der deutschen Alltagssprache werden
'informieren'
und 'Information' erst im 19.Jh. eingeführt und in deutschen
Enzyklopädien
nachgewiesen.
VII.
Informationswissenschaft
(7)
Ropohl
spricht von den an der Diskussion um Janichs Beitrag beteiligten
"Informationswissenschaftlern"
((19)). Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass
es
eine aus dem Bibliothekswesen entstandene Informationswissenschaft
(Engl. information science) schon seit mehr als fünfzig
Jahren gibt,
und dass hier eine permanente Diskussion um den Informationsbegriff
geführt
wird. Eine allgemeine Informationswissenschaft, eine "unified theory of
information" (Hofkirchner 1999), ist ein junges Forschungsprogramm.
In
der Wirtschaft ist der Ausdruck 'Informationsmanagement' bisher
vorwiegend
im Sinne von 'Datenmanagement' gebraucht worden. Die daraus entstandene
Lücke in bezug auf die semantische Dimension der Daten wird seit
einigen
Jahren mit dem Wort 'Wissensmanagement' ausgefüllt. Von hier aus
ist
es in diesem Bereich zu einer Neubestimmung und Neubesinnung auf
die Zusammenhänge zwischen Zeichen - Daten - Information - Wissen
- Weisheit gekommen, die in der neueren Literatur thematisiert wird
(Capurro
2000). Damit wären wir erneut bei Janichs kulturalistische
Bestimmung
von Information angekommen.
VIII.
Bedeutungsnetze
(8)
Zum
Schluß möchte ich auf die von mir in der Replik auf Janich
schon
erwähnte Möglichkeit der Bedeutungsvernetzung sowie auf
Wittgensteins
"Familienähnlichkeiten" (Wittgenstein 1984) zurückkommen. Es
ist unbestreitbar, dass der Informationsbegriff sowohl im Alltag, als
auch
in den verschiedensten Wissenschaften und schließlich auch in
seiner
Bedeutungsentwicklung eine Fülle von äquivoken, analogen und
univoken
Verwendungen aufweist. Diesem komplexen Sachverhalt können wir mit
Hilfe einer ebenso komplexen sprachphilosophischen und ontologischen
Überlegung
gerecht werden. Dazu eignet sich vorzüglich eine
Bedeutungsvernetzung
mit unterschiedlichen Links und Knoten je nach
Anwendungsbereich.
Die Analogie, - gleich ob die der Proportionalität oder der
Attribution
-, ist eine bestimmte Art von Bedeutungsverweisung, die in
ein größeres Netz von Beziehungen eingebettet werden
kann.
Das "Capurrosche Trilemma" ist dann nur ein bestimmter Effekt einer
Bereichsüberschreitung
und kann nur ad hoc gelöst werden. Der Glaube an
einer
generellen Lösung sprachlicher Mehrdeutigkeiten führt in die
Irre und läßt die Plastizität der Sprache als ein
Mangel erscheinen, worauf Carl-Friedrich von Weizsäcker
hingewiesen
hat (Weizsäcker 1974). Denn es geht nicht darum, nach einem
allgemeinen Eidos zu ahnden, sondern ganz im Sinne Wittgenstein
darum:
"Betrachte
z.B. einmal die Vorgänge, die wir "Spiele" nennen. Ich meine
Brettspiele,
Kartenspiele, Ballspiel, Kampfspiele, usw. Was ist allen diesen
gemeinsam?
- Sag
nicht:
"Es muß ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen
sie
nicht 'Spiele'" -
sondern schau,
ob allen etwas gemeinsam ist.-"
(Wittgenstein
1984 : Nr.
66)
Das
Ergebnis
dieser "Schau" ist eben nicht ein tertium comparationis,
sondern
"du
wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften, sehen, und zwar eine ganze
Reihe. Wie gesagt: denk nicht, sondern schau! (...) Und das Ergebnis
dieser
Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von
Ähnlichkeiten,
die einander übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im
Großen
und Kleinen." (ebda.)
Dass
Begriffe
in ihrem jeweiligen Gebrauchskontext definiert sind, heißt
nicht, dass wir zu einer "nominalistischen Position" übergehen
((12)),
sowenig wie zu einer "essentialistischen". Wir würden uns der
Möglichkeit
der Übergänge selbst berauben und wären blind für
unterschiedliche
sich überlappende oder sich ausschließende sprachliche und
ontologische
Perspektiven. Metaphern und Metonymien sind Sprachfunktionen, die uns
erlauben,
Seins- und somit auch Lebensentwürfe zu bilden.
Anmerkung
1.
Ich beziehe mich auf das berühmte "Praesupponendum" der
"Geistlichen
Übungen" des Ignatius von Loyola, in dem es heisst: "daß
jeder
guter Christ bereitwilliger sein muß, die Aussage des
Nächsten
zu retten, als sie zu verurteilen; und wenn er sie nicht retten kann,
erkundige
er sich, wie jener sie versteht, und versteht jener sie schlecht, so
verbessere
er ihn mit Liebe; und wenn das nicht genügt, suche er alle
angebrachten
Mittel, damit jener, indem er sie gut versteht, sich rette." (Ignatius
v. Loyola 1988, Nr. 22) Der Herausgeber Peter Knauer schreibt dazu:
"Dieser
Abschnitt hat seinen historischen Anlaß in Verdächtigungen,
denen Ignatius in bezug auf seine Rechtgläubigkeit ausgesetzt war.
Doch geht die Bedeutung dieses "Praesupponendum" über den
Anlaß
hinaus. Es handelt sich um die "Voraussetzung" auch für das
folgende
"Fundament", also um das "Fundament des Fundaments". Es werden darin
noch
keine bestimmten Glaubenswahrheiten vorausgesetzt, sondern nur die
prinzipielle
Bereitschaft zu einem dialogischen Selbstverständnis, wie sie
nicht
nur von einem guten Christen, sondern von jedem Menschen zu erwarten
ist.
In einem dialogischen Selbstverständnis ist man zur Offenheit des
Hörens auf den anderen Menschen bereit, während man sich in
einem
monologischen Selbstverständnis im Grunde nur sagen ließe,
was
man ohnehin bereits von sich
aus wissen kann. So ist der Gegensatz von dialogischem und
monologischem
Selbstverständnis der Gegensatz von Heil und Unheil." (ebda.
23-24)
Literatur
-:
Information. Ein
Beitrag zur etymologischen
und ideengeschichtlichen
Begründung des Informationsbegriffs. München u.a.
1978
-,
P. Fleissner, W. Hofkirchner: Is a Unified
Theory
of Information Feasible? A Trialogue. In: W. Hofkirchner, Ed.: The
Quest for a Unified Theory of Information. World Futures General
Evolution
Studies, Vol. 13, Overseas Publ. Ass. 1999, S. 9-10.
Fleissner,
P., Hofkirchner, W.: In-formatio
revisited. Wider dem dinglichen Informationsbegriff,
in: Informatik Forum, Bd. 8, 3/95, 126-131.
Heidegger,
M.: Sein und Zeit. Tübingen 1976 (13. Aufl.).
Ignatius
von Loyola: Geistliche Übungen und erläuternde Texte.
Übersetzt
und erklärt von Peter Knauer, Graz 1988
Janich,
P.: Informationsbegriff und methodisch-kulturalistische
Philosophie. Ethik
und Sozialwissenschaften 9 (1998) 2, 169-182; ferner die Kritiken ebd.,
S. 182-251.
Kluxen,
W.: Artikel "Analogie", in: Ritter, J. Hrsg.: Historisches
Wörterbuch
der Philosophie. Darmstadt 1971, Bd. 1.
Weizsäcker,
C.-F. von: Sprache als Information. In: ders.: Die Einheit der Natur.
München
1974.
-:
Zeit und Wissen. München 1992
Wittgenstein,
L.: Philosophische Untersuchungen. Frankfurt a.M. 1984.
Letzte
Änderung: 8. Januar 2017
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