EINFÜHRUNG
"Ich
bestreite, dass wir wissen, ob wir etwas wissen oder nicht wissen; noch
nicht einmal das wissen wir oder wissen es nicht; noch überhaupt,
ob etwas ist oder nichts ist." So lautet die gegenüber dem
Sokratischen
Nicht-Wissen gesteigerte Skepsis des Metrodor von Chios, eines
Schülers
des Demokrit, in einem von Cicero tradierten Zitat (Diels/Kranz 1956,
B1).
Managen läßt sich nur, was ist und wovon wir ein Wissen
haben
können.
Also läßt sich Wissen nicht managen.
Skeptisches
Wissensmanagement - ein Oxymoron? Demgegenüber
steht unsere heutige gewaltige Wissens- und Informationsindustrie und
die
durch sie mitverursachte dritte industrielle Revolution. Die
Industriegesellschaft
ist zu einer Wissensindustriegesellschaft geworden. Es steht also nicht
nur fest, dass wir wissen, sondern, dass wir viel wissen und wissen
können.
Die Frage ist nur, wie wir das Wissen und das Wissenkönnen nutzen.
Der
Skeptiker hat kein Kriterium um wahre von falschen Meinungen zu
unterscheiden.
Er enthält sich deshalb des Urteils und erreicht damit die innere
Ruhe (ataraxia). Er beherrscht, so Friedo Ricken, "die
Kunst,
'Erscheinungen' (phainomena) und 'Gedanken' (noumena)
einander
entgegenzusetzen. Er ist imstande, zu jeder Wahrnehmung eine andere zu
finden, die mit der ersten nicht vereinbar ist." (Ricken 1994, 105).
Paradoxerweise
können wir sagen, dass der Skeptiker ein Manager des
Nicht-Wissens
ist. Sein Ziel ist, wie schon bei Sokrates, therapeutisch: Er will
nämlich
vom vorschnellen Urteil sowie vom Dünkel (oiesis)
heilen und dafür letztlich, im Unterschied zur sokratischen
Heilkunst,
den Patienten von der Wahrheitssuche befreien (Ricken 1994,
106-107).
Paradox
ist auch, dass der Skeptiker zwar den Dogmatiker, der nach sicherer
Erkenntnis
(episteme) sucht, bekämpft, aber als Ziel seiner
Lebenstechnik
eine Lebensform anstrebt, bei der der Wert der 'inneren Ruhe'
feststeht.
Dafür muß er die Wahrheitssuche und die Suche nach
Werturteilen
aufgeben. Dogmatiker und Skeptiker haben aber etwas gemeinsam, sie
kritisieren
die Einstellung der bloßen Meinung (doxa). Skeptisches
Denken,
so Long, "findet sich überall da, wo die Kluft zwischen
göttlichem
und menschlichem Verstand betont wird." (Long 1995, Sp. 940) Der
Skeptiker
radikalisiert die Frage des Vertrauens in göttliches Wissen, indem
er seine Skepsis auf das menschliche Wissen, sei es im Alltag (doxa)
oder in der Wissenschaft (episteme), ausdehnt. Aus der Sicht des
Skeptikers ist Wissensmanagement eine Technik, die etwas vorgibt, was
sie
nicht leisten kann.
Ricken
stellt das Denken von Peirce, Wittgenstein und Heidegger in die
skeptische
Tradition, sofern sie nämlich fundamentalistische
Ansprüche
der mit Descartes einsetzenden neuzeitlichen Philosophie in Frage
stellen.
Skeptische Argumentationsfiguren, wie die fünf Tropen des Agrippa
(ca. 1. Jh. v.Chr.) – der Dissens (diaphonia),
der unendliche
Regreß,
die Relativität des Urteilenden, die Setzung einer Hypothese und
der
Zirkelschluß –, finden sich teilweise
heute
wieder zum Beispiel
in
der Kritik des naiven Realismus durch das 'Münchhausen-Trilemma'
eines
Hans Albert (Ricken 1994, 161). Die antike Philosophie wiederum
reagierte
auf den Skeptizismus mit unterschiedlichen Strategien. Dazu
gehören
zum Beispiel die Platonische Kritik des sensualistischen Seinsbegriffs
und die aristotelische Differenzierung der Wissensarten.
Im
Folgenden soll exemplarisch gezeigt werden, wie in der
gegenwärtigen
betriebswirtschaftlichen Diskussion um das Wissensmanagement klassische
Fragen und Argumentationsfiguren aus den skeptischen und kritischen
Traditionen
der Hermeneutik und der Wissenschaftstheorie sowie aus der
aristotelischen
Wissenstypologie zum Ausdruck kommen.
I.
IMPLIZITES UND EXPLIZITES WISSEN ODER HERMENEUTIK REVISITED
In
seinem
Buch "The Tacit Dimension" (1966, Dt. Implizites Wissen, 1985)
hatte
der Biologe und Wissenschaftstheoretiker Michael Polanyi auf die
Bedeutung
des impliziten Wissens (tacit knowledge) hingewiesen. Er
meinte damit, "daß jeder unserer Gedanken Komponenten
umfaßt,
die wir nur mittelbar, nebenbei, unterhalb unseres eigentlichen
Denkinhalts
registrieren – und daß alles Denken aus dieser Unterlage, die
gleichsam
ein Teil unseres Körpers ist, hervorgeht." (Polanyi 1985, S. 10).
Das implizite Wissen ist, so Polanyi, die Grundlage des sogenannten
objektiven
Wissens.
Nonaka
und Takeuchi stellen den Begriff des impliziten Wissens in den
Mittelpunkt
ihres Modells der Wissensschaffung im Unternehmen. Gegenüber der
Vorstellung,
dass Wissen nur durch die Aufnahme von expliziten Informationen und
deren
Verarbeitung entsteht, betonen sie, dass eine Information im Sinne von
"einer Nachricht von einem Unterschied" ("information is a difference
that
makes a difference", G. Bateson) nur in Verbindung mit konkreten
Vorstellungen
und Handlungen in einem dynamischen Kontext einen Sinn hat:
"Information
ist ein notwendiges Medium oder Material für die Bildung von
Wissen",
aber sie wird erst zum Wissen, wenn sie "kontext- und
beziehungsspezifisch"
wird (Nonaka/Takeuchi 1995, S. 70).
Die
Umwandlung vom impliziten zum expliziten Wissen oder, mit anderen
Worten,
das Explizitmachen eines impliziten Kontextes ist eine wesentliche
Voraussetzung
für die Schaffung neuen Wissens. In diesem Prozeß finden
verschiedene
Formen der Wissensumwandlung statt, nämlich:
- Vom
impliziten
zum impliziten Wissen – die Sozialisation
- Vom
impliziten
zum expliziten Wissen – die Externalisierung
- Vom
expliziten
zum expliziten Wissen – die Kombination
- Vom
expliziten
zum impliziten Wissen – die Internalisierung.
Drei
dieser
Formen, nämlich Sozialisation, Kombination und Internalisierung,
sind
bisher in gängigen Organisationstheorien zu finden. Die
Kombination
ist wiederum eine zu lernende Kernfähigkeit von
Informationsmanagern.
Das Neue bei diesem Ansatz ist die Einbettung dieser Fähigkeit im
Kontext unternehmerischer Kreativität. Dabei heben Nonaka und
Takeuchi
nicht nur die bisher unbeachtete Dimension des impliziten Wissens
hervor,
sondern sie stellen sie in einen dynamischen Zusammenhang mit anderen
Formen
der Wissensmitteilung, den sie als ein spiralförmiges
Zusammenwirken
auffassen.
Das
Hervorbringen von Wissen beruht auf dem Zusammenwirken von
kontextbezogenen,
auf subjektiver Relevanz basierenden Auswahl- prozessen, die in Form
von
Wertpräferenzen und Wunschvorstellungen meistens und
größtenteils
implizit bleiben. Diese Ressource zu mobilisieren und zwar sowohl bei
jedem
Mitarbeiter des Unternehmens als auch in seinem ganzen Umfeld, bildet
das
Ziel dieses wissensbezogenen Ansatzes. Mit
ihrem Ansatz gehen also Nonaka und Takeuchi über die
weitverbreitete
Vorstellung von Wissensmanagement im Sinne von Handhabung des
expliziten
Wissens hinaus (Takeuchi 1998).
Eine
Weiterführung dieses Ansatzes stellen Von Krogh/Ichijo/Nonaka in
ihrem
Buch "Enabling Knowledge Creation" dar (2000). Im Vorwort
heißt
es:
"This
is a book about knowledge enabling. It is our strong conviction that
knowledge
cannot be managed, only enabled." (Krogh/Ichijo/Nonaka 2000, vii)
Gemeint
ist die Einsicht, dass wir zwar Information im Sinne von explizitem
Wissen managen können, dass dies aber nur Teil der
umfassenderen
Aufgabe der Wissensschaffung (knowledge creation)
darstellt.
Was wir dabei tun, ist dann nicht Wissen, sondern die Bedingungen der
Wissensschaffung
zu managen. Dazu gehören die folgenden "knowledge enablers":
- Schaffung
einer Wissensvision
- Gespräche
managen
- Mobilisierung
von 'Wissensaktivisten'
- Schaffung
des richtigen Kontextes Globalisierung
lokalen Wissens
In
diesem Ansatz kommen Argumente und Denkfiguren vor, die sowohl in der
auf
die antike Skepsis zurückgehenden Tradition der
geisteswissenschaftlichen
Hermeneutik als auch in der wissenschaftstheoretischen Diskussion um
das
Problem der Kritik wissenschaftlicher Theorien zu finden sind. Dazu
gehört
zum Beispiel die Auffassung, dass Wissen "Vermutungswissen" (K.
Popper)
ist. Das gilt insbesondere für das empirisch falsifizierbare
Wissen,
das methodisch erworben wird. Trotz der vordergründigen Polemik
zum
Beispiel eines Hans Albert (1994) gegen die Hermeneutik, gilt diese
Einsicht
in die vorläufige Natur des Wissens gerade für die
hermeneutische
Auffassung menschlichen Verstehens im Sinne eines existentiellen
Vollzugs,
bei dem man auf der Basis eines tradierten und impliziten
Vorverständnisses
im Prozeß der Auslegung zu einem wiederum revidierbaren Verstehen
kommt (Capurro 1986, 17ff).
In
einem Brief an Paul Feyerabend schreibt Albert über Gadamers
"Wahrheit
und Methode" (1975, 1. Aufl. 1960): "Immerhin, ein paar Partien sind
ganz
interessant, z.B. Vorurteile, wo er einen ganz ähnlichen
Standpunkt
vertritt wie Popper in der Open Society und den entsprechenden
Teilen
der Conjectures! Ich war geradezu erstaunt. Popper hat immerhin
einen Vorsprung von etwa 16 Jahren! Sollte der Gute ihn (d.h. Gadamer
den
Karl!) ein bißchen verwertet haben, wo er ihm paßt?" (Zitat
nach Grondin 1999, 336). Man könnte diesen Bezug wiederum auf das
Verhältnis zwischen Popper und Heidegger herstellen, der in "Sein
und Zeit" (§ 31-34) 1927, also etwa zwanzig Jahre vor Popper, die
'Vor-Struktur' des Verstehens thematisiert hat (Heidegger 1976). Sollte
der Gute ihn (d.h. Karl den Martin!) ein bißchen verwertet haben,
wo er ihm paßt?
Aber
jenseits aller Polemik läßt sich feststellen, dass die
Einsicht
in die Theoriebeladenheit empirischer Erkenntnis einen Sonderfall
dessen
darstellt, was die philosophische Hermeneutik mit der Metapher vom
'Zirkel
des Verstehens' ausdrückt (Capurro 2001). Wenn die
Betriebswirtschaft
heute auf die Bedeutung des impliziten Wissens aufmerksam macht, dann
entdeckt
sie an einem neuen Ort eine alte Wahrheit. Es ist auch bezeichnend,
dass
Von Krogh, Ichijo und Nonaka auf die Bedeutung des Gesprächs sowie
auf die Notwendigkeit der Anpassung des global verfügbaren Wissens
an die jeweilige konkrete Situation aufmerksam machen. Dabei steht das
Medium der elektronischen Vernetzung nicht im Vordergrund wie dies bei
der Handhabung expliziten Wissens (Informationsmanagement) der Fall ist.
Dennoch
ermöglicht die heutige betriebswirtschaftliche Diskussion um
Wissens-
und Informationsmanagement eine Korrektur an der Technikfeindlichkeit
der
Hermeneutik. Ich spreche in diesem Zusammenhang deshalb von einer auf
die
Möglichkeiten der Informationstechnik positiv sich beziehenden
artifiziellen
Hermeneutik (Capurro 2000, 1993, 1986). Das Gespräch, das wir
führen,
ist nicht mehr allein oder vorwiegend face-to-face, sondern
immer
mehr im Medium des interface. Wie bei jedem Medium bedeutet
dies
zugleich eine Erweiterung von Möglichkeiten etwa in bezug auf die
raum-zeitlichen Einschränkungen des lebendigen, aber auch des
gedruckten
Wortes. Gerade die klassische Hermeneutik hat die Unterschiede zwischen
der Tradierung und der Deutung eines Textes und der
Gesprächssituation
thematisiert. Die Einsicht in die Differenz des Verhältnisses
zwischen
Autor und Leser bzw. Sprecher und Hörer war bereits Gegenstand der
platonischen Schriftkritik.
Essers
und Schreinemakers von der Rotterdam School of Management (Erasmus
University)
stellen fest, dass Corporate Knowledge Management (CKM) nicht
unter
dem Paradigma dessen subsumiert werden kann, was die
Wissenschaftstheorie
in den Worten von Karl Popper als objective knowledge
bezeichnet,
sofern nämlich dem Management von Unternehmenswissen eine
enzyklopädische
Wissensauffassung zugrunde liegt (Essers/Schreinemakers 1997). Anders
verhält
es sich aber, so die Autoren, bei Nonakas 'dynamic theory of
organizational
knowledge creation', bei der das Wissen von einer Gemeinschaft von
Praktikern bzw. einer Fachgemeinschaft geteilt wird. Diese Auffassung,
wonach das Wissen nicht losgelöst von bestimmten Praktiken,
Institutionen, Instrumenten usw. aufgefaßt wird, steht dem nahe,
was Thomas S. Kuhn "Paradigmen" genannt hat. Es lassen sich aber
folgende
Unterschiede in der Auffassung von Wissen beim CKM und in der
Wissenschaftstheorie
feststellen:
1.
Die Wissenschaftstheorie ist an der Analyse der Wissenschaft aus
theoretischer
Perspektive interessiert, während das Wissensmanagement sich mit
Fragen
der Anwendung und Nutzung beschäftigt.
2.
Für Unternehmen kommen dementsprechend andere Wissensformen
als nur die der Wissenschaft in Betracht.
Das
Wissensmanagement betont die subjektive Seite des Wissens oder, in der
Sprache der Wissenschaftstheorie, das Interesse liegt weniger beim context
of justification als beim context of discovery bzw. of
application.
Dennoch spielt das "objektive Wissen" im Sinne von Poppers World 3
eine nicht zu unterschätzende Rolle im von Nonaka beschriebenen
Prozeß
der Wissensschaffung. Die Prozesse der Wissenskonversion und
insbesondere
der Bezug des expliziten Wissens auf implizite Werte und Interessen,
läßt
die Frage nach den möglichen Konflikten offen, wenn die
Mitarbeiter
zum Beispiel nicht bereit sind, einen Konsens in bezug auf ein zu
entwickelndes
Produkt zu erzielen. Ein weiteres kritisches Problem in Nonakas
Auffassung
von Wissensmanagement sehen die Autoren in bezug auf die Frage nach den
Begründungskriterien (context of justification). Nonaka
expliziert
nämlich nicht, zumindest in diesem von Essers und Schreinemakers
zitierten
Aufsatz aus dem Jahre 1994, welche Rolle klassische wissenschaftliche
Kriterien
etwa gegenüber dem ökonomischen Nutzen (return on
investment)
bei Unternehmens- entscheidungen spielen sollten. Diese Relativierung
der
Objektivität des Wissens gegenüber den Interessen des
Handelnden
stellt m.E. eine skeptische Form von Wissensmanagement dar.
Das
kommt schließlich auch im von Essers und Schreinemakers
diskutierten
Problem der Inkommensurabilität verschiedener Paradigmen zum
Ausdruck.
Paradoxerweise scheint Nonaka diese durchaus praktische Situation, die
bis hin zu alltäglichen Pannen und Konflikten reicht,
unberücksichtigt
zu lassen oder zumindest durch eine harmonisierende Sicht zu verdecken.
Demgegenüber betonen die Autoren die Frage der theoretischen und
praktischen
interparadigmatischen Konfliktsituationen ("interparadigmatic
disagreement")
innerhalb eines Betriebes oder, wie wir sagen könnten, des
skeptischen
Wissensmanagements, als die "crucial Aufgabe for the ever
globalizing
civilization of our time." (Essers/Schreinemakers 1997, 31). Damit
bringen
sie eine entscheidende Korrektur in die Vorstellung hinein, solche
Probleme
ließen sich dogmatisch, etwa durch die Einigung auf
Firmenvisionen,
lösen. Das widerspricht aber m.E. dem von Von Krogh, Ichijo und
Nonaka
beschriebenen dialogischen und innovativen Prozeß der
Wissensschaffung
nicht. Zugleich aber warnen Essers und Schreinemakers vor der Gefahr,
die
sich aus dem Relativismus im Bereich der Wissensbegründung ergibt.
Es sieht so aus, als ob sie hier eher eine dogmatische Position
bevorzugen,
während sie in Fragen von Zielen und Strategien eine skeptische
Haltung
befürworten würden. Diese Umkehrung der Nonaka unterstellten
Position ist aber ihrerseits einseitig, denn auch eine Firma kann und
muß
unter normalen Bedingungen (Kuhns normal science) arbeiten (business
as usual), während zugleich in theoretischen Fragen ein
Paradigmenwechsel
stattfinden kann.
Offenbar
liegt dieser Kritik die Frage nach den verschiedenen Wissensarten
zugrunde,
die im innerbetrieblichen Management eine Rolle spielen, wenn
nämlich
die Kriterien des 'scientific knowledge' sich nicht auf alle
Fragen
des 'corporate knowledge' übertragen lassen. Dennoch spielt
das begründete Wissen oder Warum-Wissen eine besondere
Rolle,
die sich nicht mit der kategorialen Einteilung implizites/explizites
Wissen
deckt. Wir wollen uns im Folgenden mit dem Problem der Wissensarten
näher
beschäftigen.
I.
WISSENSARTEN NACH SANCHEZ, ZAHN UND ARISTOTELES
In
ihrem
Beitrag
"Nachhaltige
Wettbewerbsvorteile durch Wissens- management" stellen Zahn, Foschiani
und
Tilebein (2000) folgende Wissensarten in Anschluß an R. Sanchez
dar,
nämlich: know-how, know-why und know-what. Sie
werden
folgendermaßen definiert:
Know-how
"bezeichnet
die Vorstellung darüber, wie die Teile eines bekannten Systems
(bspw.
eines Produktes oder eines Produktionssystems) in einem bestehenden
Kontext
miteinander verknüpft sind und wie dieses System funktioniert. Bei
Know-how handelt es sich demnach um eher praktisches Wissen, welches
die
Beschreibung einer gegebenen Situation mit ihren
Einflußgrößen
leistet und der effizienten Erfüllung definierter Aufgaben dient:
Im
Gegensatz dazu bietet
das Know-why "eine
Erklärung für die
ursächlichen
Wirkungsmechanismen, welche einem bestimmten Zustand zugrundeliegen."
Das know-what
wird
als "Gestaltungswissen" bezeichnet: "know-what beinhaltet die
strategischen
Vorstellungen darüber, wie vorhandenes know-how und know-why
einzusetzen ist." Das know-what ist, so die Autoren, "in
dynamischen
Märkten ausschlaggebend für die Responsfähigkeit von
Unternehmen",
als Ressource aber "ebensowenig dauerhaft wie die übrigen
Wissensarten
und muß in Lernprozessen immer wieder erneuert werden." (Zahn et
al. 2000, 246-248
Anschließend
thematisieren
die Autoren die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem
Wissen
und heben dabei auf das ab, was wir das Dilemma des Wissensmanagements
nennen könnten: Wird das Wissen explizit, dann ist es zwar
dauerhaft,
aber es ist auch schwer zu schützen. Bleibt es implizit,
läßt
es sich leicht(er) schützen, ist aber schwer mitteilbar.
Hansen/Nohria/Tierney
(1999)
unterscheiden zwischen zwei Strategien des Wissensmanagements bei denen
jeweils das explizite und das implizite Wissen im Vordergrund stehen,
nämlich:
- Kodifizierungsstrategie:
Explizites Wissen wird in Form von Datenbanken zugänglich gemacht.
Beispiele: Andersen Consulting, Ernst & Young.
- Personifizierungsstrategie:
Wissen bleibt an die Person gebunden, die es erworben hat. Der Computer
dient vorwiegend als Medium des Wissensaustausches. Beispiele: Bain,
Boston
Consulting Group (BCG) und McKinsey.
Ich möchte
die Wissenstypologie
von Sanchez/Zahn mit der aristotelischen Analyse vergleichen. Zu Beginn
der "Metaphysik" schreobt er:
"Alle Menschen
streben von
Natur (physei) nach Wissen (eidenai); dies beweist die
Freude
an den Sinneswahrnehmungen (aistheseis)."
(Met. 980 a) Den Beweis
für den menschlichen
Wissensdrang findet also Aristoteles dort, wo die antiken
Skeptiker
ihn auch finden. Im Gegensatz zu ihnen reduziert sich aber für
Aristoteles
das Streben nach Wissen im Sinne eines 'sinnlich-geistigen Sehens' (eidénai)
nicht auf Wahrnehmungswissen (aistheseis).
Er unterscheidet
ferner
das aus der Erfahrung entstammende Erinnerungswissen (mneme),
das
einigen Tieren, darunter auch den Menschen, eigen ist. Aristoteles
nennt
dieses Wissen auch empirisches Wissen (empeiria).
Dem Menchen
eigen
ist aber das Wissen, wie man etwas herstellt (techne) sowie das
durch Überlegung (logismoi)
entstandene Wissen, die
Wissenschaft
(episteme). Episteme und
techné beruhen
wiederum
auf empeiría. Ja es ist sogar so, dass aus der
Perspektive
des Handelnden (to prattein),
die empirisch Erfahrenen das
Richtige
treffen gegenüber denjenigen, die sich mit der Sache nur
theoretisch
auskennen. Und er fügt den Grund dafür hinzu:
"Die
Ursache
davon liegt
darin, dass die Erfahrung Erkenntnis des Einzelnen ist, die Kunst des
Allgemeinen,
alles Handeln und Geschehen aber am Einzelnen vorgeht. Denn nicht einen
Menschen überhaupt heilt der Arzt, außer im akzidentellen
Sinne,
sondern den Kallias oder den Sokrates oder irgendeinen anderen
Einzelnen,
für welche es ein Akzidens ist, dass er auch Mensch ist. Wenn nun
jemand den Begriff besitzt ohne Erfahrung und das Allgemeine
weiß,
das darin enthaltene Einzelne aber nicht kennt, so wird er das rechte
Heilverfahren
oft verfehlen; denn Gegenstand des Heilens ist vielmehr das Einzelne."
(Met. 981a 15-23)
Dennoch halten
wir, so Aristoteles,
Techniker und Wissenschaftler für 'weiser' (sophotérous).
Die Auszeichnung der sophia als Wissensart hat für
Aristoteles
mit der Kenntnis der (letzten) Ursachen zu tun, "denn die Erfahrenen (empeiroi)
kennen das Daß (to hoti), aber nicht das Warum (to
dióti)."
(Met. 981 a 29)
Mit anderen
Worten, die aristotelische
Wissenseinteilung, zumindest in diesem Text aus der "Metaphysik", steht
unter dem Vorzeichen des logos,
d.h. der Begründbarkeit,
deren
Möglichkeit sich wiederum dann ergibt, wenn die Menschen sich vom
Nützlichen (chresis)
abwenden können, und Muße (scholazein)
zugelassen ist. Die sophia ist eine solche Wissenschaft
über
die ersten Ursachen und Prinzipien, "die wir nun suchen".
In
der
"Nikomachischen Ethik"
faßt Aristoteles die Wissensarten folgendermaßen zusammen: "Der Dinge,
durch die die
Seele, bejahend oder verneinend, (immer) die Wahrheit trifft, sollen
fünf
an der Zahl sein; es sind Kunst (techne), Wissenschaft (episteme),
Klugheit (phronesis), Weisheit (sophia) und Verstand (nous).
Vermutung (hypolepsei) und Meinung (doxa) können
auch
Falsches zum Inhalt haben." (EN VI, 1139 b 15-18)
Auffallend ist
hier die Benennung
einer praktischen Wissensform, nämlich die phronesis
(Klugheit),
die Aristoteles im Rahmen der "Metaphysik" nicht nennt. Das praktische
Wissen, ist jenes Urteilsvermögen, bei dem wir über
die Mittel und Wege unseres Handelns im Hier und Jetzt beratschlagen,
über
das also, was möglich, im Gegensatz zum Unmöglichen oder
Notwendigen,
ist. Dieser dianoethische Beratungsprozeß –
Aristoteles
unterscheidet
zwischen den Tugenden des Charakters (ethische Tugenden) und
Tugenden
des Verstandes (dianoethische Tugenden) –
geht also über
die
bloße cleverness hinaus, indem hier auch eine
Überlegung
über die menschlich erreichbaren guten Ziele und Zwecke im
Einzelfall stattfindet (Rowe 1989). Damit distanziert sich auch
Aristoteles
von den übermenschlichen Zielen der platonischen Ethik.
Ferner
unterscheidet sich
diese Wissenseinteilung von der in der "Metaphysik" auch dadurch, dass
hier Wissensformen in ihrem Bezug auf Wahrheit (aletheuei)
genannt
werden, während die "Metaphysik" auch eine aisthetische
oder a-logische Wissensform kennt. Wahrheit entsteht aber
für Aristoteles
erst dann, wenn die Seele die Phänomene "bejahend oder verneinend"
trifft, d.h. ent-deckt. Dem stehen jene Wissensformen
gegenüber,
die, wenngleich auch seelisch bzw. im logos verankert,
die
Phänomene verdecken und deshalb nicht zu den Verstandestugenden (dianoia)
zählen. Je nachdem welche Phänomene wie 'getroffen' werden,
lassen
sich diese Wissensformen unterschiedlich einteilen. Unterscheiden wir
Wissen
je nachdem, ob das, was zu treffen ist, unwandelbar oder wandelbar ist,
dann teilen sich die Wissensarten in episteme, sophia und nous
auf der einen und techne, phronesis auf der anderen
Seite,
wobei techne den
Bereich des Machens und phronesis den
des
Handelns betrifft. Dementsprechend können wir unterschiedliche
Wahrheitsformen
unterscheiden, nämlich eine theoretische, eine praktische und eine
poietische, wobei der Unterschied zwischen praxis
und poiesis dem zwischen phronesis und techne
entspricht:
Während techne das poietische Wissen des Herstellbaren (poiesis)
meint, bezieht sich das praktische Wissen (phronesis) auf die
Möglichkeiten
menschlichen Handelns (praxis).
In bezug auf
die Unterscheidung
von implizitem und explizitem Wissen läßt sich bemerken,
dass
sie, aristotelisch gesehen, mit der Art und dem Grad der
Ausdrücklichkeit
zusammenhängt: Empirisches Wissen ist implizit in bezug
auf
die Kenntnis der Ursachen. Technisches Wissen hat eine andere
Form
als epistemisches Wissen. Aisthetisches Wissen
bleibt
als
solches implizit. Das praktische Wissen (phronesis)
erschließt
sich erst im Prozeß der Abwägung, sein Gegenstand aber,
nämlich
die veränderbaren Regeln, die das Leben des Einzelnen und der
Gemeinschaft
bestimmen (ethos), bleibt implizit, sofern nämlich die
Bildung
des Charakters nicht nur durch Belehrung (didaskalía),
sondern
durch Gewöhnung (ethous) - wie Aristoteles im Hinblick auf
die Herkunft von Sittlichkeit (eethos mit Etha) aus
Gewöhnung
(ethos mit Epsilon) bemerkt - stattfindet (NE II,1103 a 17-18).
Die
anfangs
erwähnte
Wissenseinteilung von Sanchez und Zahn läßt sich mit den
Aristotelischen
Wissensformen folgendermaßen prima facie korrelieren:
- know-how:
empeiria/techne
- know-why: episteme
- know-what: phronesis
Zu den
von
Sanchez und Zahn
genannten Wissensformen könnte man auch noch zwei weitere
hinzufügen,
worauf mich Manfred Rohr (TA-Akademie) aufmerksam machte,
nämlich:
Die
raumzeitliche
Lokalisierung
des expliziten Wissens ist das, was wir im Alltag mit dem
Informationsbegriff
kennzeichnen. In bezug auf die Lokalisierung des impliziten Wissen
könnten
wir von:
sprechen.
Man
denke in diesem
Zusammenhang an den bekannten Spruch des englischen Gelehrten Dr.
Johnson
(1709-1784), als er sich in der Bibliothek von Mr. Cambridge befand und
die Rückseite der Bücher anschaute:
"Knowledge
is of two kinds. We know a subject ourselves, or we know where we can
find
information upon it. When we enquire into any subject, the first thing
we have to do is to know what books have treated of it. This leads us
to
look at catalogues, and at the backs of books in libraries." (Boswell
1986,
S. 186)
Während in
der Moderne
die Frage der Lokalisierung des expliziten und insbesondere des
gedruckten
Wissens sich innerhalb der raumzeitlichen Koordinaten einer Bibliothek
oder zumindest einer Enzyklopädie stellte, bewirkt die heutige
elektronische
Weltvernetzung eine prinzipielle Verfügbarkeit des Wissens
für
jedermann, jederzeit und an jedem Ort. Dass wir dann sowohl
gegenüber
den Suchmaschinen als auch gegenüber dem im Internet
verfügbaren
Wissen ein gesundes Mißtrauen entwickeln müssen (Kuhlen
1999),
wollen wir dem offenen und teilweise chaotischen Charakter des
Netzes
entsprechen, bedeutet, dass wir heute mehr den je Wissensmanagement
unter skeptischem Vorzeichen betreiben sollten.
Bei
den von
Sanchez/Zahn
erwähnten Wissensarten ist aber aus aristotelischer Sicht darauf
hinzuweisen,
dass die phronesis nicht bloß auf betriebliche
Wettbewerbsvorteile,
sondern auf die Versittlichung des Handelnden abzielt. Know-how und
Know-why
stehen im Dienste des, aristotelisch gesprochen, sittlichen
Wissens.
Dieses braucht den Bezug auf gute Ziele, die für
Aristoteles
nicht absolut, sondern Gegenstand einer auf Möglichkeiten hin
orientierten
einsichtigen Beratung sind, bei der es um das Gute für den
Menschen
insgesamt oder um das gute Leben (eu zen) geht.
Über
den
Zusammenhang
zwischen Information, Wissen und Weisheit schreibt T.S. Eliot:
"Where
is the
wisdom we
have lost in knowledge?
Where
is the
knowledge we
have lost in information?"
(Eliot
1986,
Choruses from
'The Rock', 1934, I)
Skeptisches
Wissensmanagement
bedeutet dann, dass der dogmatische Umgang mit Wissen innerhalb
eines
in bezug auf implizite und explizite Voraussetzungen, Auswirkungen und
Ziele skeptischen (gr. sképtomai = bedenken,
untersuchen)
Beratungsprozesses eingebettet sein muß. Das meint auch die Rede
von Wissensdiskursen in Zusammenhang mit Technikfolgenabschätzung
(TA-Akademie)
(Nennen 2000) und das ist auch der Zweck jener Form von
wissenschaftlicher
Reflexion, die wir Informationsethik nennen (Capurro 2000b). Dass dies
keine
bloß schöngeistige Aktivität für
PR-Maßnahmen
und Sonntagsreden ist, zeigen die jüngsten Skandale in der
Lebensmittelwirtschaft,
wo der ungehemmte Wissensmißbrauch, um zum Beispiel Kälber
oder
Schweine schneller und billiger wachsen zu lassen, katastrophale
Auswirkungen
hat, nicht zuletzt für diejenigen Industriezweige, die ein solches
Wissensmanagement betreiben.
AUSBLICK
Ich möchte
abschließend
kurz auf den Wandel im Bereich der Wissens(re)präsentation
eingehen,
um die heutigen Chancen eines skeptischen Wissensmangements innerhalb
der
anfangs erwähnten dritten industriellen Revolution, im Zeitalter
des
Internet also, anzudeuten. Unsere heutige Lage im Wissensbereich
läßt
sich vielleicht in ihrer Spezifizität herausarbeiten, wenn wir sie
mit der Perspektive, die die französischen Enzyklopädisten
Ende
des 18. Jahrhunderts eröffneten, vergleichen. Die Metapher vom Kreis
des Wissens, die Denis Diderot und Jean Le Rond D'Alembert
verwendeten,
ist zwar älter – der Ausdruck enkyklos paideia geht auf
die
Sophistik zurück (Schalk 1972) –, aber die französischen
Enzyklopädisten
brachten, in Anlehnung an Ephraim Chamber, einen Paradigmenwechsel
gegenüber
der herkömmlichen systematischen Ordnung, indem sie das Wissen
alphabetisch
ordneten. Das bedeutete den Verzicht auf Linearität und den
Übergang
vom 'Kreis des Wissens' zum 'Netz des Wissens' (Hendrich 1999). Diese
Wissensordnung
ist dann nicht mehr nur enzyklopädisch, sondern endiktyopädisch
(gr. diktyon = Netz). Zu diesem Wechsel schreibt D'Alembert:
"Wir glauben,
für die
Verwendung der alphabetischen Ordnung gute Gründe gehabt zu haben.
Es schien uns bequemer und einfacher für unsere Leser zu sein, die
das Wort, über das sie sich zu unterrichten wünschen,
leichter
in einem alphabetisch angelegten Wörterbuch als in irgendeinem
anderen
finden können. Hätten wir jede Wissenschaft für sich
behandelt
und für jede ein gesondertes Wörterbuch angelegt, dann
hätte
sich nicht nur die angebliche Zusammenhanglosigkeit der alphabetischen
Reihenfolge in dieser neuen Anordnung tatsächlich breitgemacht,
sondern
eine solche Einteilung wäre auch beträchtlichen Unklarheiten
ausgesetzt, infolge der großen Anzahl häufig vorkommender,
gemeinsamer
Wörter in den verschiedenen Wissenschaften, die man hätte
mehrfach
wiederholen oder aufs Geratewohl einsetzen müssen. Andrerseits
wäre
bei einer getrennten Darstellung jeder Wissenschaft in einer
geschlossenen
Abhandlung nach der Reihenfolge der auftretenden Gedanken - nicht der
Wörter
- die Form unseres Werkes noch unhandlicher für die große
Menge
unserer Leser geworden, die nichts ohne mühevolles Suchen
würden
finden können. (...)
Hätte
es
sich übrigens
darum gehandelt, über jede Wissenschaft und jede Kunst eine
Abhandlung
in der üblichen Form anzufertigen und diese Einzelbesprechungen
dann
in einer Enzyklopädie zu vereinigen, dann würden wir
schwerlich
so zahlreiche Personen für dieses Werk gewonnen haben, und die
meisten
unserer Mitarbeiter hätten zweifellos die gesonderte Herausgabe
ihrer
Arbeit der Gemeinschaftsausgabe mit vielen anderen zusammen vorgezogen.
Außerdem hätten wir in Verfolgung dieses letzterwähnten
Planes auf die Benutzung der englischen Enzyklopädie verzichten
müssen,
von deren Ruf wir ebenso beeindruckt waren wie von dem damaligen
"Prospectus",
der in der Öffentlichkeit Anklang gefunden hatte und nach dem wir
uns zu richten gedachten." (D'Alembert 1997, 96-97)
Um mit dem letzten
marktorientierten
Grund anzufangen. Es handelt sich dabei um die von Ephraim Chamber 1728
in England veröffentlichte "Cyclopaedia or an universal dictionary
of arts and sciences". D'Alembert argumentiert ferner pragmatisch oder,
wie wir heute sagen, nutzerorientiert. Er will "die große Menge
unserer
Leser" erreichen. Er setzt voraus, dass die Leser nicht (mehr)
enzyklopädisch
gebildet sind und er ist sich bewußt, dass "die auftretenden
Gedanken"
teilweise mit denselben Wörtern mit je nach Kontext
unterschiedlicher
Bedeutung (Synonymproblem) ausgedrückt werden, so dass man, wie
wir
heute sagen, unterschiedliche Fachwörterbücher hätte
anlegen
müssen, was wiederum den doch globalen Anspruch der
Enzyklopädie
sowie auch deren möglichen ökonomischen Erfolg in Frage
gestellt
hätte.
Die
anschließende Entwicklung
brachte aber nicht nur die Zersplitterung der Wissenschaften mit ihren
jeweiligen Fachsprachen, sondern zuletzt eine neue Form der Vernetzung,
bei der die raum-zeitlichen Grenzen des enzyklopädisch und
endiktyopädisch Gedruckten aufgrund der globalen
elektronischen
Vernetzung von Menschen und Dokumenten zugleich gesprengt wurden. Es
entstand
eine digital-vernetzte, zugleich informative und kommunikative
Globalität,
eine digitale Endiktyopädie.
Stellt die
globale digitale
Vernetzung eine Chance oder eine Gefahr für den skeptischen Umgang
mit Wissen dar? Wenn wir uns an die Platonische Schriftkritik erinnern
(Capurro 2000c), dann bedeutet jegliche schriftliche Wissensfixierung
eine
Gefahr für den skeptischen Umgang mit Wissen, sofern nämlich
im face-to-face Dialog oder in der Selbstbesinnung die
Möglichkeit
zu einer gegenseitigen kontextuellen Entwicklung des
Verstehensprozesses
gegeben ist, denn, so König Thamus gegenüber den Argumenten
des
Schrifterfinders Theut:
"diese
Kunst
wird Vergessenheit
schaffen in der Seele derer, die sie erlernen, aus Achtlosigkeit gegen
das Gedächtnis, da die Leute im Vertrauen auf das
Schriftstück
von außen sich werden erinnern lassen durch fremde Zeichen, nicht
von innen heraus durch Selbtbesinnen. Also nicht ein Mittel zur
Kräftigung,
sondern zur Stützung des Gedächtnisses hast du gefunden."
(Phaidr.
275)
Dazu ist aber zu
sagen, dass
die Weltvernetzung zugleich ein schriftliches und ein mündliches
Medium
darstellt, allerdings mit den Möglichkeiten und Grenzen, die das
interface
gegenüber dem face-to-face ausmachen. Die
Wissensgesellschaft
braucht das Korrektiv eines skeptischen Denkens, will sie nicht in
Dünkel
und Aufblähung verfallen. Sie ist Teil des Problems und nicht Teil
der Lösung.
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Letzte
Änderung: 2. Januar 2017
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