LEBENSSPRÜCHE & ZITATE

MAXIMS & QUOTES

 
Rafael Capurro
   
  

    


LEBENSSPRÜCHE
MAXIMS


Der schwierigste Kampf? Der Kampf gegen die eigenen Gedanken



Veritas adaequatio intellectus ad vitam



Das Denken kann man nicht erzwingen

Denken braucht Zeit

Die Konsumgesellschaft ist nicht an Philosophie interessiert

Scientia ancilla vitae

Immer ist Übergangszeit, manchmal ist sie sichtbar


Die Trümmer einer Welt sind nicht die Trümmer der Welt

Letztes Ziel: Nicht Mandarinat, sondern Forschung

Nur die Arbeitsmethode nicht die Resultate ist des Lebens würdig



Wer etwas wissenschaftlich leisten will muß Autodidakt sein

Was ist Philosophie? Starker umfassender Wirklichkeitssinn

Das Schwerste? Sich selbst zu kennen.
Nicht wissenschaftlich, nicht psychologisch, nicht rationalistisch, sondern geschichtlich. Die Geschichte meiner Seele zu erfahren und zu prüfen, ist der Weg der Wahrheit

Die Therapie einer Gesellschaft ist wie die eines Körpers Bewegung

Zur Bestimmung der Wissenschaft:
dazu gehört der Mönch, der Professor und der Bürokrat

Sapere aude! Habe den Mut gemeinsam mit Anderen vor- und nachzudenken!

Wie man die Welt schaffen muß? Rezeptlos

Es fehlen Denker, die sich mit der Aufgabe des Denkens befassen



In kritischen Zeiten muß man nicht nur auf den Abgrund zeigen,
sondern auch Brücken schlagen


Was ist eine laudatio? Eine Liebeserklärung



Was ist Mystik? Kartoffeln schälen, Teller waschen


Woraus entsteht die Philosophie? Aus dem Geiste der Angeletik


Vita brevis

Das Leben ist kurz und beschissen

Kinder gehen lustvoll mit Scheiße um.
Erwachsene versuchen, aus Scheiße Gold zu machen.
Das Ergebnis ist meistens Scheiße.



Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht
Man sieht die Bäume vor lauter Wald nicht




Materialistische Dialektik
Kochen - Essen - Scheißen
Keine Aufhebung ohne Ausscheidung



facebook fakebook —  fuckbooksewer



Hegel: Die Betriebsanleitung des europäischen Weltgeistes
Hegel: La instrucción de servicio del espíritu universal europeo



Was ist Glück? Kiefern und blauer Himmel
¿Qué es la felicidad? Pinos y cielo azul



Die Psychoanalyse? Eine Kochkunst



Artificial Intelligence: Matter Matters!




Take your Time!



Diagnóstico: la sociedad (si se la puede llamar así) narcisista



(Auf-)Lösung des sog. Capurro-Trilemma: Übersetzen



Das Wesen des Kapitalismus: Alles hat nur einen Tauschwert



Niklas Luhmann: Die Verwaltungswissenschaft als prima philosophia



Hegel en la mochila y Marx en la bronca


novum novum novum et iterum novum



en y más allá
ya pero todavía no



Die Sache des Denkens (in Anschluß an Heidegger):
Die Ereignishaftigkeit des Geschichtlichen



Una sociedad basada en la mentira no va a funcionar



El fútbol es la felicidad del pueblo


 
     
 
ZITATE QUOTES


Graf Yorck - Wilhelm Dilthey
Hans-Georg Gadamer
Anselm Kiefer
Horatius
Brassai - Picasso - Matisse
Wittgenstein - Weizsäcker - Heidegger
Max Planck
Carl Friedrich von Weizsäcker
Hermann von Helmholtz
J.L. Austin
Mario Bunge - Karl Popper
Omar Khayam
Georges-Louis Leclerc
Wilhelm von Humboldt
Friedrich Nietzsche
Seneca
Kurt Tucholsky
Johann Wolfgang von Goethe
Theodor Fontane
Immanuel Kant
David Hume
Juvenal
Fernando Pessôa
Leonardo da Vinci
Martin Heidegger
Martin Heidegger - Rudolf Bultmann
Martin Heidegger - Hannah Arendt
Martin Heidegger - Medard Boss
Martin Heidegger - José Ortega y Gasset
Martin Heidegger - Friedrich Schiller
Sprüche Salomo

Søren Kierkegaard
Edith Piaf
Giuseppe Verdi
Octavio Paz
Aristoteles
Moses Mendelssohn
Jorge Luis Borges
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Jacques Lacan
William Shakespeare
Thomas More
Erasmus von Rotterdam
Plutarch
Martin Luther - Erasmus von Rotterdam
Stefan Zweig - Erasmus von Rotterdam
Federico García Lorca

João Guimarães Rosa
Xenophon
Michel de Montaigne
Michel de Certeau
Nelson Mandela - Winnie Mandela
Karl Marx
Ignacio de Loyola - Carlos Meharu - Michel de Certeau
Andoni Luis Aduriz - Daniel Innerarity
Friedrich Hölderlin
Paulinho da Viola
Mercedes Sosa - Violeta Parra
Milton Nascimento - Mercedes Sosa - Violeta Parra
Plato and Madhyamaka
Aischylos - Christa Wolf
Gandhi
Zhao Tingyang
Peter Sloterdijk
Augustin Berque
Louise Labé
John Donne
Nicolas Berdiaeff
Sokrates
Euripides
Marcus Aurelius
W. I. Lenin - Thomas Meyer
Gwendoline Jarczyk - G.W.F. Hegel
Thomas Aquinas
Marcel Detienne - Jean-Pierre Vernant
Marcel Detienne
Pindaros
Gabriel Boric
Reiner Schürmann
Luis Pérez Aguirre
Thomas Mann
Augustinus
Laurence Sterne
Miguel de Cervantes
Alexander von Humboldt
Spinoza
Antonio Gramsci
Niccolò Machiavelli
Johannesevangelium
Benedetto Croce
Giambattista Vico



GRAF YORCK  WILHELM DILTHEY


Graf Yorck

Paul Graf Yorck von Wartenburg (1835-1897)

Dilthey

Wilhelm Dilthey um 1910 (1833-1911)

Klein-Oels den 4. Juni [18]95

Lieber Freund.

Gestern kam Ihr aufklärender Brief. Hoffentlich schreitet die Genesung bei Max rasch vor und Sie sind aller Sorge bald ganz überhoben. Grüßen Sie den argen Jungen, dem wie seiner kleinen Schwester ich Luft, Freiheit und die unmittelbare Nähe der Frühlingsnatur recht gegönnt und gewünscht hätte. So ist denn unser schöner Plan zu Wasser geworden. Zu dieser Zeit, in Mitten dieses Meeres von Licht und Grün wäre ein Zusammenleben besonders genußreich gewesen. Was sie über Shakspeare [sic] schreiben und andeuten ist sehr schön und innerlich. Ihre Aufsatzreihe: Dichter als Seher der Menschheit verspricht ein Gegenstück zu
Carlyles Helden zu werden. Halten Sie nur an Plan und Termin der Edition fest.

Nach der Verschiedenheit der historischen Bewußtseinseinstellung ist auch das Sehertum ein verschiedenes. Entsprechend seineer Zeit läßt Shakspeare [sic] sehen nicht so das Ungesehene als das Unsichtbare. Wie der Geist seiner Zeit geht er hinter alle Grenzen von Form und Gestalt zurück. Die Formen des Seins und des internen Seins: der Intellektualität werden aufgelöst und flüssig. In einem in die Unendlichkeit projizirten Punkte treffen sich die Linien von Sinn und Wahnsinn, Weisheit und Narrheit, Kraft und Schwäche, natürlichem Vorgang und Zauber, Wirklichkeit und Gespensterreich.
— Von hier aus muß das Gespenst und der Zauber bei Shakspeare [sic] verstanden  werden. —

Über dem Ganzen als Stimmung des Dichters: tiefe der Stoa entwachsene Resignation. Concordantia oppositorum: das Leben,  nicht Seinsgestalten, das ist sein Problem. So handelt es sich bei ihm nicht um Charaktere sondern um Motive. Er ist der erste, der das Motiv zum Angelpunkte der Dichtung macht. Motiv ist aber niemals eine einfache, diskrete Größe. Ein Motiv ist aber an sich nie sichtbar, es will immer, auch wenn es aus dem Grunde heraufgehoben ist, verstanden, gedeutet sein. Daher das Halbdunkel über Shakspeares [sic] großen Dichtungen und Figuren. Damit zusammenhängend seine tiefsinnige Sprache. Man kann sagen, Shakspeare [sic] ist aus jeder Zeile die er geschrieben erkennbar. Was er zu sagen hat, läßt sich nicht aussprechen, nur andeuten. Daher der Bilderreichthum, daher die überraschenden Vergleiche und Vertauschungen. Ein Vikariiren der Sinne ist Charakter jeder Sprache. Wo es in ungeahntem Umfange, durch neue Bezüge, durch gesteigerte Freiheit der Vertauschung und Verbindung geschieht, da ist eine neu- und nachschaffende Kraft vorhanden. Darum wurde ein Sprachgenie wie Homer als sprachlicher Prototyp vor dem ganzen Griechentum behandelt. An der Steigerung der Sichtbarmachung lernten sie das Eigene kennen, wie alles Sehen einer Entfernung bedarf. —

Das uns gemeinsame Interesse Geschichtlichkeit zu verstehen leitete mich die letzten Tage auf einem sehr verschiedenen Gebiete. Wären Sie gekommen, Sie hätten mich in Mitten der Dogmengeschichte gefunden. Da ist mir denn Eines als sehr merkwürdig aufgefallen: Sie kennen den großen grammatisch-philologischen Gegensatz von Alexandria und Antiochia. Philosophie hatte sich in die Rhetorik und von da in die Grammatik veräußerlicht. Die Auffassung der Grammatik ist durchaus von den philosophischen Gedankenergebnissen bestimmt. So ergab sich eine Sprachwissenschaft welche abhängig war von dem stoischen Gedanken mechanischer Causalität — Antiochia —, eine andere, welche die Substanzialität zur Norm nahm  — Alexandria —.

G a n z  d e r s e l b e  U n t e r s c h i e d  zeigt sich, an sich an jene beiden Zentren anknüpfend, auch der national-politischen Differenz entsprechend, wie sie sich zur Zeit der Diadochen aussprach, bei der Dogmenbildung. Antiochia, seine große stets im Gegensatz zu Alexandria sich aussprechende Schule macht den Willen zum Organen des Verständnisses, dagegen Alexandria die Seinszuständlichkeit. Es liegt von welthistorischer Bedeutung geradezu ein landschaftlicher Gegensatz vor für ungefähr tausend Jahre. —

Ich hätte noch viel zu erzählen und hatte mich gefreut dies viva voce zu thun. Im Briefe ist dies nicht möglich. So nochmals die allerbesten Wünsche! Ende dieses Monats komme ich wohl für ein paar Tage nach Berlin. Da sehen wir uns und müssen dann auch die Ausstellung, insbesondere die Franzosen zusammen sehen.


Briefwechsel zwischen Wilhelm Dilthey und dem Grafen Paul Yorck V. Wartenburg, 1877-1897. Halle (Saale): Verlag Max Niemeyer 1923 hrsg. von Sigrid v. d. Schulenburg, S. 184-185.



HANS-GEORG GADAMER

Gadamer

Hans-Georg Gadamer (1900-2002)
Siehe hier.

Quelle: Hans-Georg Gadamer: Philosophische Lehrjahre. Eine Rückschau. Frankfurt am Main 1977, 146-150.

Zwischen meiner Frankfurter Tätigkeit [1947] und meinem Beginn in Heidelberg [1949] lag ein unerwarteter Ausflug in die südliche Hemisphäre — aus Anlaß des ersten nationalen Kongresses für Philosophie, den das peronistische Argentinien mit Pomp ausgerüstet hatte. Für deutsche Professoren der erste Ausflug in die 'Welt' und ein erster Kontakt auch mit alten Freunden, die inzwischen 'drüben' lebten. Ein kleiner Zeitungsbericht, den ich über diese Reise veröffentlichte, mag hier Platz finden. Über die Reiseeindrücke, die ersten nach dem Ende des Krieges, ließe sich ein ganzes Buch schreiben. Eine Reise in die Vergangenheit zurück läßt einem die eigene Gegenwart in einem neuen Lichte erscheinen. In Argentinien lebte alles in der Erwartung des Ausbruchs des dritten Weltkrieges und in der verblüffenden Gewißheit, abermals zu überleben.

"Im Frühjahr 1949 haben acht deutsche Professoren mit zahlreichen ausländischen Kollegen am "Ersten nationalen Kongreß für Philosophie" in der argentinischen Stadt Mendoza teilgenommen. Eine moderne Reise im Flugzeug bietet kaum seltsame Abenteuer oder wechselvolle Erlebnisse. Es ist aber mit den Wundergeschichten aus Tausendundeiner Nacht vergleichbar: am nächsten Morgen reibt man sich die Augen, erstaunt und betroffen, daß man sich an einem ganz anderen Ort befindet wie am Abend  zuvor. Das Abenteuer des modernen Reisens besteht in der Schnelligkeit des Ortswechsels. Man muß sich erst langsam zurechtfinden und begreifen, wo man sich eigentlich befindet. Nun erleichtert ein philosophischer Kongreß, zu dem hundertundfünfzig Professoren der Philosophie aus aller Herren Ländern versammelt sind, nicht gerade dieses Sichzurechtfinden. Die Gelehrten aller Nationen stehen einander zwar nahe, näher meist als die Vertreter anderer Berufe in der Heimat. Aber ihre Zusammenkunft wird eine Art babylonisches Nirgendwo. Und das Land, in das uns das Zaubermittel der modernen Technik so schnell versetzt hatte, war von besonderer Art.

Denn Argentinien ist für den Europäer fast eine Terra incognita. Die Reise dorthin führt nicht nur 12 000 km weit von Europa weg, sie führt auch in die Vergangenheit Europas zurück. Argentiniens industrielle Entwicklung und die mit ihr verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen haben jetzt zwar ein enormes Tempo angenommen. Trotzdem ist es noch ein Land, das fast ganz außerhalb der Wirkungsweise der beiden Weltkriege lag, und so stark auch seine fortgeschrittenen Geister das Schicksal der übrigen Welt mitgelebt haben, sie bilden nur eine dünne Schicht in einem kolonial-agrarischen Volke, das sich erst langsam in den Wirbel des zwanzigsten Jahrhundert hineinziehen läßt.

Mendoza ist eine wohlhabende, weit ausgedehnte, wegen der Erdbebengefahr nur einstöckig gebaute Stadt, in voller Symmetrie der Straßen und der Plätze wie auf einem Schachbrett angelegt und rings umgeben von endlosen Weinfeldern, in deren Hintergrund die riesige Kulisse der Cordilleren aufragt. Eine künstliche Landschaft. Der Regenschatten der Cordilleren hat dort eine fast wüstenähnliche Szenerie gebildet, der die fruchtbaren Felder von Mendoza durch Kunstmittel abgerungen sind. Eine von den Jesuiten bereits geschaffene Bewässerungsanlage, die die Schmelzwässer des Gebirges auffängt, hat die Landschaft in ein blühendes Gartenparadies verwandelt, in dem wir uns zu einem philosophischen Gespräch versammelten.

Für den deutschen Teilnehmer an diesem Kongreß war es bewegend festzustellen, wie stark und nachhaltig der Einfluß des deutschen Denkens auf das Denken der anderen Völker noch immer ist. Argentinien ist ein Land der lateinischen Kultursphäre, kein amerikanisches, sondern ein sozusagen mittelmeerisches Land, wie alle Mittelmerländer in der Tradition des katolischen Denkens tief verwurzelt. Gleichwohl aber hat das moderne Denken, wie es am kühnsten und radikalsten in Deutschland entwickelt worden ist, auch in  Argentinien in überraschendem Maße Eingang gefunden. Die Entwicklung des philosophischen Denkens in Deutschland war dort bis ins einzelne bekannt. So stellte sich als das eigentliche Thema des Kongresses die Auseinandersetzung zwischen dem christlichen Denken der thomistischen Tradition und dem von der modernen deutschen Philosophie bestimmten Denken. Der heilige Thomas wurde auf diesem Kongreß nicht öfter zitiert als Husserl und Heideggeer. Es war im besonderen das Thema der Metaphysik, das den Kongreß beherrschte. Denn die Denkweise des gegen alle Metaphysik entschiedenen Positivismus und des Pragmatismus fand keine Anhänger, da der Kongreß von angelsäschsischen Philosophen nur wenig besucht war. Die beiden Fronten, die sich gegenüber standen, hießen: Thomismus und Existenzialimus, wobei der letztere eigentlich mehr eine Sammelbezeichnung für alles "Moderne", das heißt für das aus dem dogmatischen Zusammenhang der Kirche herausgetretene Denken darstellte. Der eigentliche Existenzialismus, wie ihn die Franzosen, vor allem Sartre, im letzten Jahrzehnt entwickelt haben, spielte dabei nur eine sekundäre Rolle.

Die entscheidenden Fragen lauteten: wie ist das Verhältnis des traditionellen christlichen Denkens zu diesem modernen Denken zu bestimmen? Kann der Thomismus das von den modernen Denkern mit ungeheurem Ernst angepackte Rätsel unserer Existenz mit seiner traditionellen Methode erfassen? Oder ist das Verhältnis des modernen Denkens zum traditionellen unbedingt ein antithetisches, etwa wie ein methodischer Atheismus, der von den Heilswahrheiten nichts weiß, sich zu der geoffenbarten Religion verhält? Beide Möglichkeiten, dieses Verhältnis zu verstehen, fanden auf dem Kongreß Vertreter, und zwar von ganz verschiedenen Seiten. So spitzte sich das Problem zu der unausgesprochenen Frage zu: gibt es eine natürliche Theologie oder ist alle Gotteserkenntnis notwendig auf Offenbarung angewiesen und alle natürliche Erkenntnis gottlos? Ist das moderne Denken im Recht, wenn es gegenüber der Metaphysik des unendlichen Gottes oder des unendlichen Geistes eine Metaphysik der Endlichkeit fordert?

Die Vertreter der deutschen Philosophie fanden nicht nur in Argentinien selbst ein offenes Ohr, sie verzeichneten als einen besonderen Gewinn die erste Ansprache mit den Vertretern der italienischen Philosophie und auch mit anderen ausländischen Philosophen. Aber wer mich fragt, was der tiefste Eindruck war, den ich von diesem Philosophenkongreß mitnahm, dem antworte ich: die Rückreise von Mendoza nach Buenos Aires, sechzehn Stunden lang in einem Luxuszug, der eine schnurgerade Strecke durch völlige Einsamkeit in großer Schnelligkeit mit fünf kurzem Aufenthalten durchfuhr. Als am Abend die Sonne über den Pampas niedersank und auf kurze Augenblicke das gewaltige Farbenspiel den Abendhimmel erfüllte, bis die Dämmerung alles schnell in Nacht verschlang, fühlte sich das denkende Bewußtsein mit unheimlicher Notwendigkeit vor sich selbst gestellt. Sind wir das wirklich, als was wir uns im philosophischen Austausch jener Tage darstellten und prüften? Was überhaupt sind wir angesichts dieser ungeheuren, mitleidslosen Übermacht der Natur? Die grenzenlose Weite dieses Landes, das wir im rasenden Zugedurchquerten, war von einer wahrhaft überlegenen Wirklichkeit. Man brauchte sich nur vorzustellen, daß bei einem zufälligen Aufenthalt auf freier Strecke ein ausgestiegener Reisender versehentlich zurückblieb. Er hätte aus dieser Einsamkeit nicht mehr zu menschlicher Behausung hingefunden. Vielleicht ist es wahr, was das moderne Denken lehrt: daß der Mensch nichts ist als seine Möglichkeiten. Aber was sind eine Möglichkeiten?

Wir sind als Gäste der argentinschen Regierung nach dem Kongreß noch eine Zeitlang in Buenos Aires geblieben, wo einige von uns Vorträge an der Universität hielten. Die Gastfreundschaft der Argentinier, sowohl die offizielle wie die private, war von überströmender Großzügigkeit. Europa ist kein untergehender Erdtteil, solange seine Kultur die edelsten Geister jenseits der Ozeane ansieht. Wir sind zurückgekehrt in dem Bewußtsein, die Sache der Menschheit ist überall die gleiche, und überall wird das gleiche Leben gelebt."

Vgl. diesen ausführlichen Bericht: Clara Ruvituso: Diálogos existenciales. La filosofía alemana en la Argentina peronista (1946-1955)
https://publications.iai.spk-berlin.de/receive/riai_mods_00000167




FREUNDSCHAFT UND SELBSTERKENNTNIS
Zur Rolle der Freundschaft in der griechischen Ethik

Text hier

Es macht die Seinsart des Göttlichen aus, daß es dauernd ist, was uns Menschen nur mit Unterbrechung möglich ist: Gegenwart, Wachheit, Selbspräsenz im 'Geiste'. Wir Menschen sind als Naturwesen durch den Schlaf als Geistwesen durch das Vergessen immer wieder von uns selbst getrennt. Doch kann der Freund an unserer Seite wachen und für uns selbst denken. (S. 33).


ANSELM KIEFER

video

Il nous faut considérer qu'une œuvre d'art peut en détruire une autre. Pour nous en convaincre, réfléchissons aux styles picturaux, à la manière dont la peinture académique a succédé à l'impressionisme, elle-même détrônée par l'abstraction, etc. Chaque courant artistique est né de l'impérieuse volonté de réagir contre l'esthétique prédominante en cours. En règle générale, et par une sorte d'immunité naturelle envers soi, constamment l'art se dresse contre lui-même. Il ne semble pouvoir exister que par sa propre négation. Soumis à son autodestruction, à ce "vouloir le mal", paradoxalement il procure le bien.
Mais est-il concevable que cette attaque de l'art contre lui-même soit à ce point violente qu'il ne s'en relève pas et disparaisse un jour à tout jamais?
Il est en permanence soumis à deux types d'agressions radicalement différents et qui, malgré leurs particularités, ses rejoignent d'une étrange manière.
L'agression que l'on pourrait dire "maison" est l'agression immanente à l'art, qui, de par sa réaction auto-immune, l'englobe lui-même dans une forme d'anti-attitude, le repoussant aux lisières de l'exitence. Elle s'avéra très virulente chez les futuristes, notamment chez Balla ou Severini qui voulaient tout éradiquer, allant jusqu'à préconiser la destruction des musées. Ce qui constitua une menace réelle pour l'avenir. Car l'acte iconoclaste, initialement avant-gardiste, voire révolutionnaire, s'était mu en une finalité en soi, en une stratégie de marketing, ni plus ni moins.
Une autre agression est perceptible depuis peu. Elle provient de l'univers de la mode et de celui du design, qui parasitent l'art en employant leurs propres stratégies et, de ce fait, l'appauvrissent, le vulgarisent.
[...]
Mais, comme nous l'avons vue précédemment, l'autodestruction a toujours été le but le plus intime, le plus sublime de l'art, dont la vanité devient alors perceptible. Car, quelle que soit la force d'attaque, et quand bien même il sera parvenu à ses limites, l'art survivra à ses ruines.

Anselm Kiefer: L'art survivra à ses ruines. Die Kunst geht knapp nicht unter.
Collège de France / Fayard 2011, 50-53.
Original (video)
Anselm Kiefer im Gespräch mit Ferdinand von Schirach



HORATIUS

Horaz

Horaz (65 vChr-8 vChr), Denkmal (1898) in Venosa
https://de.wikipedia.org/wiki/Horaz


CARMINA

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Solvitur acris hiems grata vice veris et Favoni
Trabuntque siccas machinae caritas;
Ac neque iam stabulis gaudet pecus aut arator igni
Nec prata canis albicant pruinis.
Iam Cytherea choros ducit Venus imminente luna
Iunctaeque Nymphis Gratiae decentes
Alterno terram quantiun pede, dum gravis Cyclopum
Volcanus ardens visit officinas.
Nunc decet aut viridi nitidum caput impedire myrto
Aut flore, terrae quem ferunt solutae;
Nunc et in umbrosis Fauno decet immolare lucis,
Seu poscat agna sive malit haedo.
Pallida Mors aequo pulsat pede pauperum tabernas
Regumque turris. O beate Sesti,
Vitae summa brevis spem nos vetat incohare longam:
Iam te premet nox fabulaeque Manes
Et domus exilis Plutonia: quo simul mearis,
Nec regna vini sortiere talis
Nec tenerum Lycidam mirabere, quo calet iuventus
Nunc omnis et mox virgines tepebunt.


Frühlingslied

Wiederum löset der Lenz mit kehrendem West den starken Winter
und wieder rolln ins Meer die trocknen kiele;
Fröhlich verläßt nun das Vieh den Stall, seinen Herd der frohe Landmann,
Nicht glänzen mehr in weißem Reif die Matten.
Wiederum führt Cytherea den Reihn in den Schein des klaren Mondes
Und Graziem stampfen hold im Bund mit Nymphen
Wieder den Grund mit wechselnden Fuß, während glutbestrahlten Eifers
Vulkan schwer aufsucht der Cyklopen Schmiede.
Auf denn, umkränzet das duftende Haar mit dem Grün der dunklen Myrte,
Mit Blumen, die die Erde neu geboren;
Auf! lasset uns in Hainesschatten dem Faun ein Opfer bringen,
Er heisch' ein Milchlamm oder wähl' ein Böcklein
Klopft doch der Tod, der bleiche, an mit dem gleichen Fuß an Hütten
Wie Königsschloß, O Sestius, Sohn des Glückes,
Kurz ist des Lebens Spanne, vergönnet uns nicht ein langes Hoffen.
Bald deckt dich Nacht, das Märchenspiel der Schatten.
Dürftig ist Plutos Haus und kamst du erst dorthin: Nimmer wirst du
Ums Königtum bei Weingelagen würfeln,
Nicht an des Lycidas Blick mehr hängen, der jetzt der Jugend Abgott
Und bald gewiß der Herzensdieb der Mädchen.


Dt. Übers. Horaz: Sämtliche Werke (Lateinisch und deutsch), München 1979 (meine Hervorhebung)
Aus dem Namensregister:
Cytherea: Beiname der Venus nach ihrem Lieblingsaufenthalt auf der Insel Cythera
Cyklopen: schmieden des Zeus Blitze unter Vulkanus Leitung auf den Liparischen Inseln
Sestius (L. Sest. Quirinus), 42 v.Chr. noch Anhänger des Brutus, aber 23 Konsul, also zu Oktavian übergegangen
Pluto: Hades, Gott der Unterwelt
Lycidas: Jünglingsname

De arte poetica

24 - 31


maxima pars vatum, pater et iuvenes patre digni,
decipimur specie recti: brevia esse laboro,
obscurus fio; sectantem levia nervi
deficiunt animique; professus grandia turget;
serpit humi tutus nimium timidusque procellae;
qui variare cupit rem prodigaliter unam,
delphinum silvis adpingit, fluctibus aprum:
in vitium ducit culpae fuga, si caret arte.

Euch sei's geklagt, Freund Piso und ihr jungen Söhne, die des Vaters würdig: wir Sänger insgemein lassen uns beirren durch den Schein des Richtigen. Bündige Kürze will ich erzwingen: Dunkelheit ist der Erfolg. Glättung erzielt der Dichter: Kraft und Feuer geht ihm verloren. Gesuchte Erhabenheit wird schwülstig; matt am Boden schleicht ein andrer, der die Vorsicht übertreibt und vor dem Sturmesfluge zittert. Wer den einheitlichen Stoff abenteuerlich durch Abwechslung beleben möchte, malt den Delphin in die Wandlandschaft und in die Wellen das Wildschwein. Zum Mißgriff führt die Abkehr vom Fehler, wenn's am künslterischen Takte mangelt.


Dt. Übers. Horaz: Sämtliche Werke (Lateinisch und deutsch), München 1979 (meine Hervorhebung)


BRASSAÏ PICASSO MATISSE



brassai

Brassaï (1899-1984)


PIcasso

Pablo Picasso (1881-1973)


Matisse

Henri Matisse (1959-1964)

MOI: [...] Lorsque je rejoins Picasso, je le trouve entouré de gens en discussion animée. Une fois lancé à toute volée dans un discours dont le sujet lui tient à cœur, personne ne peut l'interrompre.

PICASSO: ... mais tous les documents de toutes les époques sont faux! Tous représentent la vie "vue par les artistes". Toutes les images que nous avons de la nature, c'est aux peintres que nous les devons. C'est par eux que nous les percevons. Rien que cela devrait les rendre suspects... Vous parlez de la "réalité objective". Mais qu'est-ce, la réalité objective? Elle n'est valable ni pour les coutumes ni pour les types humains, pour rien... Justement ce matin, en me rasant, il m'est venu cette phrase, je vous la donne: la réalité objective il faut la plier soigneusement comme on plie un drap et l'enfermer dans uns placard une fois pour toutes...
(197-198)

[...]

HENRI MATISSE: Les souvenirs de mon voyage à Tahiti ne me sont revenus que maintenant, quinze ans après, sous forme d'images obsédantes: madrépores, coraux, poissons, oiseaux, méduses, éponges... Il est curieux, n'est-ce pas, que tous ces enchantements du ciel et de la mer ne m'aient guère incité tout de suite... Je suis revenu des îles les mains absolument vides... Je n'ai même pas rapporté des photos... J'ai acheté pourtant un appareil très coûteux. Mais, là-bas, j'ai hésité: "Si je prends des photos, me suis-je dit, de tout ce que je vois en Océanie, je ne verrai désormais que ces pauvres images. Et les photos empêcheront peut-être mes impressions d'agir en profondeur..." J'avais raison, il me semble. Il importe plus de s'imbiber des choses que de vouloir les saisir sur le vif. Tous ces élements, je les découpe et le fixe aux murs, provisoirement. Les petits traits représentent la ligne d'horizon... Je ne sais pas encore ce que ça donnera... Ça fera peut-être des panneaux, des tentures murales...

Toutes ces images ont disparu du mur... Et je lui demande ce qu'elles sont devenues...
(305)

Conversations avec Picasso, Gallimard 1964.


WITTGENSTEIN    WEIZSÄCKER   HEIDEGGER


Wittgenstein

Ludwig Wittgenstein (1889-1951)





Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.

Tractatus Logico-Philosophicus (1921), 7


Vgl. v.Vf.:

(2020). On the Unity of Nature: A Question of Time.  Weizsäcker's book The Unity of Nature is structured in four parts, namely: Part I. Science, Language and Method; Part II. The Unity of Physics; Part III. The Meaning of Cybernetics, and Part IV. On Classical Philosophy [2]. Part I consists of preliminary thoughts on issues dealing with the unity of science that were discussed at that time mainly from a methodological perspective, leaving aside the question of the unity of nature itself [2] (p. 12-13). My quote above on the concept of information as a new way of understanding foundational concepts of Western metaphysics, such as eidos and form gave rise to my PhD inquiry into the etymology of the Latin term informatio [4]. The quote is embedded in a lecture dealing with "Language as information" from 1959. Weizsäcker distinguishes between the Platonic and Aristotelian concept(s) of form, on the one hand, and the modern concept of information in the context human language and communication, on the other hand. Information as a structure of whatever kind, natural or artificial, is prima facie the opposite of information as language. But, as he points out, written language can be extended to artificial languages such as those used in the field of computer technology. There is a "circle" between language and information. Information in the context of scientific methodology concerns the search for certainty based on logic and calculation aiming at a univocal meta-language. But any meta-language remains dependent on natural language in order to be understood [2] (pp. 59-60). WEIZSÄCKER quotes Wittgenstein's famous dictum in the preface of the Tractatus: "Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen, und wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen." [2] (pp. 49-50) [10] (p. 9). The standard English translation "What can be said at all can be said clearly; and what we cannot talk about we must pass over in silence" obliterates the difference between "speaking about" ("Sprechen über") and "speaking from" ("Sprechen von"), that is to say, between language as a tool and language as a source of meaning. Although Weizsäcker is aware of this difference, he does not reflect on the wording of Wittgenstein's dictum. Wittgenstein himself is not aware that he is already "speaking from" when he states that there is something "about which" we cannot speak without distorting the phenomenon at stake. This difference is analysed by HEIDEGGER in his essay from 1953/54  "Aus einem Gespräch von der Sprache" translated as "A dialogue on language" [11]. Wittgenstein critically reviews his earlier position in the direction that our capacity of speaking 'from language' allows a diversity of "language games" ("Sprachspiele") [12]. According to Weizsäcker, the unity of modern science is methodologically grounded on the quest for a universal univocal language that would corresponds to the unity of its object, something Weizsäcker problematizes aporetically in Part II of this anthology.

(2020). El por-venir de la ética de la información. El lenguaje es la casa del ser" (HEIDEGGER). Los humanos somos los inquilinos no los dueños del lenguaje, aunque podemos hacer como si lo fuéramos y entonces nos relacionamos con el lenguaje como algo que tiene un mero valor de cambio. Pero es posible una relación poética, es decir, no cosificante y no mercantilista con el lenguaje. La tarea crítica más fina de la ética de la información es poner de manifiesto teórica- y prácticamente esa relación no cosificante con el lenguaje cuando el mercantilismo digital lingüístico (big data) se vuelve predominante de tal modo que nos olvidamos del cuidado que tenemos que tener con algo que no nos pertenece sino a lo cual pertenecemos, donde habitamos, como es el caso también de una relación ecológica con la naturaleza. En medio o en el medio de la red digital podemos cultivar una relación oikológica con el lenguaje aprendiendo a hablar desde y no sólo sobre él. Aprender a escuchar, cuidar lo que decimos, cómo lo decimos, y lo que callamos. El arte del silencio es un arte olvidado en la era digital en la que todos queremos decir todo a todos, todo el tiempo. La ética de la información es el David de la era digital.

(2019). Das digitale Zeitalter denken:
In diesem Zusammenhang sei es auf den berühmten Schlusssatz von Ludwig Wittgensteins "Tractatus logico-philosophicus", der 1921 in den "Annalen der Naturphilosophie" erschienen ist. Er lautet: "7 Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen" (Wittgenstein 1984, 85, meine Hervorhebungen). Spricht er aber nicht schon davon, wenn er zu Recht meint, dass es Sachverhalte gibt, die sich "zeigen" aber worüber man nicht sprechen kann? Das führt uns zum Verhältnis zwischen Bote und Botschaft, dass HEIDEGGER in Zusammenhang mit einem nicht-objektivierenden Sprechen "von" der Sprache zur Sprache bringt oder, genauer gesagt, im Gespräch zur Sprache kommen läßt. Dieses Lassen sehe ich als den entscheidenden Unterschied zur hermeneutischen Erörterung von Sprache in "Sein und Zeit". Der Unterschied besteht meines Erachtens darin, dass im Falle dieses, wie ich es nennen möchte, angeletisches Verhältnis von Bote und Botschaft, darum geht, auf die Sprache "von ihrem Wesen" her zu hören. Wir, die Hörenden, müssen als "Botengänger" zugleich von der Botschaft herkommend "schon auf sie zugegangen sein". Dieses ursprüngliche angeletische Verhältnis, liegt also der objektivierenden Trennung von Sender und Empfänger voraus, welche die Grundlage der heutigen planetarischen digitalen message society ist (2015).

(2016). Jenseits der Infosphäre: HEIDEGGER unterscheidet, im Unterschied zu Wittgenstein, zwischen einem Sprechen über und einem Sprechen von (Heidegger 1975: 149-150). Im ersten Fall, wird die Sprache instrumentell aufgefasst, als ein Werkzeug um über die Dinge zu sprechen. Im zweiten Fall, ist die Sprache ein Medium, um uns von dem, was ist, etwas sagen zu lassen.

(2006). Hablar de amor: La diferencia entre “hablar sobre” y “hablar de(sde)” la hace Martin HEIDEGGER en el texto “De un diálogo de(sde) el lenguaje. Entre un japonés y un interrogador” (Heidegger 1975, 149). Al final de este texto, que data de 1953/54, aclara Heidegger el sentido de dicha diferencia diciendo que el “hablar sobre” (Sprechen über) el lenguaje transforma a este “casi ineludiblemente” en un objeto al ponerse encima de él, mientras que “hablar de(sde)” (Sprechen von) el lenguaje significa escuchar al lenguaje poniéndose en la posición de quien recibe un “mensaje” (Botschaft). El “hablar de” sólo pueda llevarse a cabo como “diálogo” (Gespräch), es decir, como una relación en la que los hablantes se mueven en un círculo, ya que si todo hablar “de” surge de un escuchar, el escuchar es ya una respuesta al hablar.

(1996). Was die Sprache nicht sagen und der Begriff nicht begreifen kann. In Auseinandersetzung mit Nietzsche deutet Heidegger die spezifische Weise, wie der Mensch die Erstreckung seines sinnlich-leiblichen und weltbildenden Existierens vollzieht (Heidegger 1961). Für Nietzsche hat die Vernunft einen "dichtenden" (nicht "dichterischen") Charakter. Was dichtet sie? Wenn wir zum Beispiel stets die gleiche Birke erkennen, trotz ihrer wechselnden Gestalt, dann ist diese "Gleichheit" ein Setzen unseres Denkens. Es war Kant, so Heidegger, der den dichtenden Charakter der Vernunft "zum ersten Male in seiner Lehre von der transzendentalen Einbildungskraft eigens gesehen und durchdacht hat." (Heidegger 1961, S. 584) Für Nietzsche freilich gehören die Horizontbildung bzw. die Schaffung von "Perspektiven" zum Wesen des Lebendigen. Er betont den 'praktischen' Charakter des Schematisierens. Das Festmachen eines Horizontes als Bedingung von Wahrheit, ist für Nietzsche ein lebensnotwendiger Schein. Ein Kernpunkt von Heideggers Nietzsche-Deutung betrifft den Ursprung dieses "weltbildenden" Existierens selbst. Während Nietzsche diesen Ursprung an einem kosmischen Prozeß der "Ewigen Wiederkehr" letztlich festbindet, legt HEIDEGGER den "abgründigen" Grund menschlichen sinnlich-geistigen Entwerfens offen (Capurro 1993). Von diesem abgründigen Grund menschlichen Seins schreibt Wittgenstein: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen." (Wittgenstein 1984a, S. 85) Gemeint ist die Unfähigkeit der objektivierenden Sprache der Naturwissenschaft "über" das, was keine "Tatsache" ist, sich aber "zeigt", sinnvoll zu sprechen. Es wäre aber dann die Frage, ob bei anderen "Sprachspielen" (Wittgenstein 1984b, S. 250), sich wenn nicht "über", so doch zumindest "von" diesem Ursprung sprechen läßt. Die Betonung liegt dann beim lassen. Dieses 'Sprechen von' kann die Form eine Dialogs annehmen, bei dem die Teilnehmer um das kreisen, was zwischen (dia) ihrem logos ist, indem sie, durch alle Anstrengungen des Sinnverstehens hindurch, das zum Vorschein kommen lassen, was ihr Sprechen selbst sein läßt. Es wird dann gewissermaßen "mehr geschwiegen als geredet", denn wir sind als die Sprechenden und Weltbildenden von dem entlassen, was die Sprache nicht sagen und der Begriff nicht begreifen kann (Heidegger 1975, S. 152). 

(1995). Leben im Informationszeitalter: Heideggers Denkwege führen ins Paradoxon, daß wir, um jene Kleinigkeit wahrzunehmen, vom Menschen weg in den Abgrund schauen und uns im Kreise drehen müssen, so daß uns dabei schwindlig wird: "Aber wo die größte Gefahr des Schwindelns ist, da ist auch die höchste Möglichkeit der Echtheit des Denkens und Fragens. Das Bedürfnis für diese Echtheit zu wecken und wachzuhalten ist der Sinn des Philosophierens." (M. Heidegger, GA 25, S. 431). (2) Wo es bei Wittgenstein heißt: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen" (Wittgenstein 1984, 7) lernt man bei Heidegger und auch beim späten Wittgenstein, daß es abgründige Sachverhalte gibt, wie zum Beispiel die Sprache, von denen wir nicht darüber, wohl aber davon im dialogischen Übergang des einen zum anderen sprechen können (HEIDEGGER 1975). Ich nenne die Heideggersche Einsicht in die offene Mitte menschlichen Existierens in Anklang an Leibniz' Satz vom Grund den Satz vom Ab-Grund (Heidegger 1971). Dieser Satz ist keine bloße theoretische Aussage über einen objektiv nachprüfbaren Sachverhalt, sondern er ist, wie alle philosophischen Grund-Sätze, Ausdruck eines existentiellen Sprungs.

(1971). La pregunta hermenéutica por el criterio del sentido del lenguaje: Este trabajo busca meditar la pregunta por el criterio del sentido del lenguaje. La problemática del lenguaje se inscribe más allá del ámbito de las "Ciencias del lenguaje" y las radicaliza. En efecto, la preocupación de dichas ciencias es observar al lenguaje en cuanto lengua, es decir, como un fenómeno objetivo, explicando su rol y funcionamiento. Pero dejan de lado una pregunta más fundamental: ¿qué es el lenguaje? Para juzgar (krinein) el sentido de algo acudimos a criterios de discernimiento. Si nuestro lenguaje tiene algún sentido, éste ha de ser discernible de alguna manera. Nuestra pregunta por el criterio del sentido del lenguaje ha de tener en cuenta que si bien todo lenguaje humano es siempre encarnado y por tanto es siempre lengua, las reglas semánticas y sintácticas de ésta no expresan el criterio del sentido del lenguaje en cuanto lenguaje.  Nos preguntamos entonces por el criterio del sentido del lenguaje. Esta interrogación radical nos hace caer en la cuenta de que podríamos estar en un círculo vicioso; ante el peligro surgen dos tentaciones: en primer lugar, dejar de escribir confesando con Wittgenstein: "De lo que no se puede hablar, sobre eso se debe callar" [1], sin embargo, ¿no estoy hablando de ello al decir que no puedo hablar sobre ello? El pudor de hablar sobre ello parecería transformarse en miedo a hablar de ello. En segundo lugar podríamos caer en la habladuría, hablando precisamente sobre ello. Creo que el único modo de evitar salidas falsas es enfrentar al peligro como peligro. Intentamos meditar la pregunta. Con ello estamos expresando un modo de preguntar que respeta a la pregunta como pregunta dejándola que se diga. Esta fenomenología de la pregunta por el criterio se transforma así en una hermenéutica del preguntar mismo. De esta manera la pregunta por el criterio del sentido del lenguaje y la pregunta por la hermenéutica son "lo mismo" ("das Selbe").



MAX PLANCK


Max Planck

Max Planck (1858-1947)

Freilich wird durch nachträgliches Analysieren der Ursachen fehlerhafter Handlungen weder der entstandene Schaden ersetzt, noch die Unzufriedenheit behoben, ja es ist in gewisser Hinsicht sogar gefährlich, sich allzu lange und allzu tief zu versenken in Betrachtungen von bedauerlichen Ereignissen, die nun einmal geschehen und nicht mehr zu ändern sind. Aber andererseits kann es uns doch häufig eine merkliche Erleichterung gewähren und zu einer Milderung des Verdrusses beitragen, wenn wir uns nachträglich klarmachen können, daß unter den damaligen Umständen, bei unserer damaligen Gemütsverfassung und den vorliegenden äußeren Einflüssen für uns gar keine anderen Motive entscheidend sein konnten als gerade diejenigen, die unsere Handlung herbeigeführt haben. Wird dadurch auch an den tatsächlich eingetretenen bedauerlichen Folgen nichts geändert, so stehen wir doch dem Ablauf der Dinge ruhiger gegenüber und ersparen uns namentlich das Bittere und unaufhörlich Nagende der Selbstvorwürfe, mit welchen sich manche Menschen in solchen Fällen ihr ganzes Leben hindurch quälen.

Es kommt aber hier noch ein weiteres hinzu. Wenn wir beim Zurückblicken auf ein von uns als unliebsam empfundenes Ereignis uns ehrlich bemühen, über alle Folgen desselben im einzelnen ins klare zu kommen, so können wir wohl einmal zu der Entdeckung geführt werden, daß ein Ereignis, das wir früher als ein Unglück beklagten, durch seine Folgen in Wirklichkeit zu unserem Vorteil ausgeschlagen ist, etwa dadurch, daß es nur ein für einen höheren Gewinn gebrachtes Opfer darstellt, oder daß wir dadurch vor einem noch größeren Unglück bewahrt geblieben sind; dann wird vielleicht unser Bedauern in Befriedigung und Freude über das Ereignis verkehrt werden. In dieser Hinsicht hat der volkstümliche Spruch „Wer weiß, wozu es gut ist“ seine tiefe Bedeutung. Und wir können niemals wissen, ob nicht solche erfreulichen Folgen vielleicht erst zukünftig noch uns offenbar werden. Ja, grundsätzlich steht gar nichts im Wege anzunehmen, daß sie über kurz oder lang in jedem Fall eintreten, wenn wir auch nicht hellsichtig genug sind, um jedesmal Kenntnis von ihnen zu erhalten. Wem es gelingt, sich bis zu dieser Lebensanschauung zu erheben, die durch keine Wissenschaft und keine Logik zu widerlegen ist, und die uns, wie wir sahen, nur durch den Willen, nicht durch den Verstand vermittelt werden kann, der darf sich wahrhaft glücklich preisen. Denn wie er stets empfänglich bleibt für alles Gute und Schöne, das ihm jeder Tag und jede Stunde bringen kann, so bleibt er zugleich von vornherein gefeit gegen die inneren und äußeren Gefahren, welche das seelische Gleichgewicht unablässig bedrohen.

Vorträge und Erinnerungen. Darmstadt 1975, 301-317. Vom Wesen der Willensfreiheit. Vortrag gehalten in der Ortsgruppe der Deutschen Philosophischen Gesellschaft am 27. November 1936, 317-316.


CARL FRIEDRICH VON WEIZSÄCKER


weizsäcker

Carl Friedrich von Weizsäcker (1912 - 2007)

Es stellte sich also die Frage: Woher kommen diese Begriffe? Dabei zeigte sich bald, daß sie nicht speziell aus der Wissenschaft, sondern meistens aus der Philosophie kommmen. Woher aber aus der Philosophie? Welche Philosophen muß man befragen?

Die Rolle der Tradition in der Philosophie: In: Die Einheit der Natur  1974, 376.

Man beginnt sich daher heute daran zu gewöhnen, daß Information als eine dritte, von Materie und Bewußtsein verschiedene Sache aufgefaßt wereden muß. Was man aber damit entdeckt hat, ist an neuem Ort eine alte Wahrheit. Es ist das platonische Eidos, die aristotelische Form, so eingekleidet, daß auch ein Mensch des 20. Jahrhunderts etwas von ihnen ahnen lernt.

Sprache als Information. In: Die Einheit der Natur 1974, 52.

Philosophie ist aber unentbehrlich, wo wir, die mit in irgendeinem Gebiet Fachleute sind, uns über unsere Vorurteile klar werden wollen.

Die Tragweite der Wissenschaft, 1964, 1.


Vgl. v.Vf.

- Information. Ein Beitrag zur etymologischen und ideengeschichtlichen Begründung des Informationsbegriffs
- Heidegger über Sprache und Information
- Was ist Information?
- Epistemology and Information Science
- La deuda de la ciencia natural. Entrevista con Carl Friedrich von Weizsäcker
- The Debt of Natural Science. An Interview with Carl Friedrich von Weizsäcker
- On the Unity of Nature: A Question of Time
- In Search of Ariadne's Thread in Digital Labyrinths
- Translating Information
- Apud Arabes. Notes on the Greek, Latin, Arabic, Persian, and Hebrew Roots of the Concept of Information
- Past, present and future of the concept of information
- On the Genealogy of Information

Rafael Capurro, Birger Hjørland: The Concept of Information.




HERMANN VON HELMHOLTZ


Helmholtz

Hermann von Helmholtz (1821-1894)

Wir suchen jetzt nicht mehr Maschinen zu bauen, welche tausend verschiedenen Dienstleistungen eines Menschen vollziehen, sondern verlangen im Gegenteil, daß eine Maschine eine Dienstleistung, aber an Stelle von tausend Menschen verrichte.

Über die Wechselwirkung der Naturkräfte. Ein populärwissenschaftlicher Vortrag gehalten am 7.2.1874 in Preußen. In: Populäre wissenschaftliche Vorträge, 2. Heft. Braunschweig 1871, 139.



J. L. AUSTIN


Austin

J.L. Austin (1911-1960)

I will mention two points of method which are, experience has convinced me, indispensable aids [...] One is that a word never — well, hardly ever — shakes off its etymology and its formation. In spite of all changes in  and extensions of and additions to its meanings, and indeed rather pervading and governing these, there will still persist the old idea.

In: J.L. Austin: A Plea for Excuses. In: S.A. Erickson: Language and Being. An Analytic Phenomenology, Yale Univ. Press 1970, 4.

See: Rafael Capurro and Birger Hjørland: The Concept of Information In: Annual Review of Information Science and Technology (ARIST), Ed. Blaise Cronin, Information Today, Inc. Medford, NJ (2003) (pdf)

The study of the history of a word, its etymology, is not concerned, as the word etymology itself prima facie suggests, with a true meaning (Gr. étymon) that apparently may be the basis of its formation and use; but rather with the interrelation of its different uses (particularly its translation into other languages and contexts), including its metaphors and metonymies. By examining the history of word uses, we find some of the primitive forms or contexts that underlie the higher-level scientific practices. This lessens the expectations we may have with regard to univocal higher-level concepts, and may help us better manage vagueness and ambiguity. To question modern terminology, to look more closely at the relation between signs, meanings, and references and to pay attention to historic contexts shifts helps us understand how present and future uses are interwoven.
The word information has Latin roots (informatio). Before we explore this thread we should examine its entry in The Oxford English Dictionary (1989, see Appendix). We shall consider two basic contexts in which information is used; namely, the act of molding the mind and the act of communicating knowledge. These two activities are, obviously, intimately related. But when and how do information and molding belong together? Based on studies by Seiffert (1968) and Schnelle (1976), Capurro (1978) explores the Greek origins of the Latin word informatio as well as its subsequent development. This historico-critical background makes possible a better understanding of the higher-level concepts of information in the Hellenistic period as well as in the Middle Ages and in modern times. Peters' (1988) view is highly supportive of these analyses.



MARIO BUNGE - KARL POPPER

Bunge

Mario Bunge (1919-2020)


Popper

Karl Popper (1902-1994)


To call what is known, i.e. knowledge, a world and assume that it is superimposed on the world of fact (Popper, 1968) is an unnecessary Platonic fantasy. There is only one world and cognitive subjects are part of it and intent on knowing (or ignoring) some chunks of it.

Treatise on Basic Philosophy, Vol. 2, Dordrecth 1974, 186-

Vgl. R. Capurro: Hermeneutik der Fachinformation (Freiburg i.Br. 1986)

Mit der Vorstellung einer "dritten Welt", nämlich die der "Probleme an sich", will Popper insbesondere die Objektivität wissenschaftlicher Theorien vom Gespenst des Psychologismus und des Soziologismus (marxistischer Prägung) befreien.[156] Dafür muß er den Menschen in eine "Psyche" einkapseln, eine Vorstellung, die so alt ist wie die neuzeitliche Cartesianische Ontologie selbst.[157] Popper kritisiert zwar die Vorstellung von der "Psyche" ("mind") als einen "Eimer" ("bucket") bzw. als eine "tabula rasa" und hebt mit Recht die "Theoriebeladenheit" unserer Erfahrung hervor, stellt aber dabei lediglich die Vorstellung eines passiven Empfängers anstatt die der "Kapsel" bzw. einer "für sich" bestehenden "Welt 2" in Frage. Die "Kapsel" wird lediglich mit einem "suchenden Licht" versehen.[158]  
Wenn wir aber das Mensch-sein von der Weltoffenheit her begreifen, in der wir (also keine isolierte Subjektivität) immer schon sind, dann läßt sich das "Problem" der Popperschen Ontologie, nämlich das der Beziehungen zwischen autonomen "Welten", als ein Scheinproblem entlarven. Die sprachlich durch Wissen und Handeln erschlossene Welt, läßt sich nicht ohne logischen Widerspruch von der sinnerschließenden menschlichen Gemeinschaft, die die Weltoffenheit so teilt, trennen. Dieses entspricht, wie M. Bunge bemerkt, bereits der Syntax des Zeitwortes "wissen". Poppers "Welt 3" ist eine "Platonistische Phantasie".[159]
Der Autonomismus erweist sich als selbstwidersprüchlich: einerseits soll der "knowing subject" ausgeschlossen werden, andererseits wird das schriftlich fixierte Wissen in seiner "potentiality of being understood" begriffen. Es ist gerade diese "Potentialität", schreibt Popper, die aus einem Ding ein Buch macht.[160] Damit ist aber vorausgesetzt, was ausgeschlossen werden sollte. Im Hinblick auf den Begriff "objective" entsteht eine fragwürdige Zweideutigkeit: Es soll damit die schriftliche Fixierung des Wissens, unabhängig vom Inhalt, bezeichnet werden, zugleich aber wird der Eindruck erweckt, als ob es um "objektives Wissen" im Sinne wissenschaftlicher Theorien ginge, um ("objektive") Wahrheit also, an deren Entwicklung die Wissenschaft, "wie beim Bau einer Kathedrale" arbeitet.[161]

 

 

OMAR KHAYAM


Omar Khayam

Omar Khayam (1048-1131)



Von diesem Kreis, in dem wir uns drehn,
Kann ich nicht Anfangspunkt, nicht Endpunkt sehen.
Noch keiner sagt' mir, wo wir kamen her,
Und keiner weiß, wohin von hier wir gehen.

Islamische Geisteswelt, Hrsg. R. Jockel, Wiesbaden 1981, 187.



GEORGES-LOUIS LECLERC

Buffon

Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon (1707-1788)

Le style c'est l'homme même.

Discours sur le style, 1753.



WILHELM VON HUMBOLDT

W.v.Humboldt

Wilhelm von Humboldt (1767-1835)


Der Empfangende muß die Sprache in die Form gießen, die er für sie bereithält,  und das ist es, was man Verstehen nennt.

WW, VI, 121. Zitat nach K.O. Apel: Das Verstehen, Archiv f. Begriffsgeschichte 1955,1, 170.



FRIEDRICH NIETZSCHE


Nietzsche

Friedrich Nietzsche (1844-1900)


Mitunter grüsst er selbst über weite verdunkelnde und verwirrende Jahrhunderte hinweg die Seele seines Volkes als seine eigne Seele; ein Hindurchfühlen und Herausahnen, ein Wittern auf fast verlöschten Spuren, ein instinctives Richtig-Lesen der noch so überschriebenen Vergangenheit, ein rasches Verstehen der Palimpseste, ja Polypseste – das sind seine Gaben und Tugenden.

Unzeitgemäße Betrachtungen, II, 3
.


SENECA


Seneca

Von I, Calidius, CC BY-SA 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2456052


Seneca (ca. 2 - 65 n.Chr.)

simplici stilo scribe.
omnis vita servitium est.
humanius est deridere vitam quam deplorare.
De tranquillitate animi 1.14; 10.3; 15.5

homo, sacra res homini.
Epist.  95,33

Vivere et singulos dies singulas vitas puta.
Epist. 101, 10
.



KURT TUCHOLSKY


Tucholsky

Tucholsky in Paris 1928
Von Sonja Thomassen - Sonja Thomassen, GFDL 1.2,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=452606

Kurt Tucholsky (1890-1935)

"Man muß", hat ein kluger Inder gesagt, "den Tiger vor der Jagd in Gedanken töten — der Rest ist dann nur noch eine Formalität."

Schloß Gripsholm, Rowohlt 1964, 175.




JOHANN WOLFGANG VON GOETHE


Goethe

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Das Leben ist ein Gänsespiel

Das Leben ist ein Gänsespiel: 
Je mehr man vorwärts gehet, 
Je früher kommt man an das Ziel, 
Wo niemand gerne stehet.

Man sagt, die Gänse wären dumm, 
O, glaubt mir nicht den Leuten: 
Denn eine sieht einmal sich 'rum, 
Mich rückwärts zu bedeuten.

Ganz anders ist's in dieser Welt, 
Wo alles vorwärts drücket: 
Wenn einer stolpert oder fällt, 
Keine Seele rückwärts blicket.


FAUST
Der Tragödie zweiter Teil

in fünf Akten

Fünfter Akt

Offene Gegend



Wanderer. Ja! sie sind's, die dunkeln Linden,
Dort, in ihres Alters Kraft.
Und ich soll sie wiederfinden,
Nach so langer Wanderschaft!
Ist es doch die alte Stelle,
Jene Hütte, die mich barg,
Als die sturmerregte Welle
Mich an jene Dünen warf!
Meine Wirte möcht' ich segnen,
Alt schon jener Tage war.
Ach! das waren fromme Leute!
Poch' ich? ruf' ich? - Seid gegrüßt,
Wenn gastfreundlich auch noch heute
Ihr des Wohltuns Glück genießt!

Baucis, Mütterchen, sehr alt.
Lieber Kömmling! Leise! Leise!
Ruhe! laß den Gatten ruhn!
Langer Schlaf verleiht dem Greise
Kurzen Wachens rasches Tun.

Wandrer. Sage, Mutter: bist du's eben,
Meinen Dank noch zu empfahn,
Was du für des Jünglings Leben
Mit dem Gatten einst getan?
Bist du Baucis, die geschäftig
Halberstorbnen Mund erquickt?

Der Gatte tritt auf.

Du Philemon, der so kräftig
Meinen Schatz der Flut entrückt?
Eure Flammen raschen Feuers,
Eures Glöckchen Silverlaut,
Jenes grausen Abenteuers
Lösung war euch anvertraut.

Und läßt hervor mich treten,
Schaun das grenzenlose Meer;
Laßt mich knieen, laßt mich beten,
Mich bedränft die Brust so sehr.

Er schreitet vorwärts auf der Düne.

Philemon zu Bauchis. Eile nur, den Tisch zu decken,
Wo's im Gärtchen munter blüht.
Laßt ihn rennen, ihn erschrecken,
Denn er glaubt nicht, was er sieht.

Neben dem Wanderer stehend.

Das Euch grimmig mißgehandelt,
Wog' auf Woge, schäumend wild,
Seht asl Garten Ihr behandelt,
Seht ein paradiesisch Bild.
Älter, war ich nicht zuhanden,
Hülfereich  nicht wie sonst bereit;
Und wie meine Kräfte schwanden,
War auch schon die Woge weit.
Kluger Herren kühne Knechte
Gruben Gräben, dämmten ein,
Schmälerten des Meeres Rechte,
Herrn an seiner Statt zu sein.
Schaue grünend Wies' s an Wiese,
Anger, Garten, Dorf und Wald. -
Komm nun aber und genieße,
Denn die Sonne scheidet bald. -
Dort im Fernsten ziehen Segel,
Suchen nächtlich sichern Port
Kennen doch ihr Nest die Vögel;
Denn jetzt ist der Hafen dort.
So erblickst du in der Weite
Erst des Meeres blauen Saum,
Rechts und links, in aller Breite,
Dichtgedrängt bewohnten Raum.

Am Tische zu drei, im Gärtchen.

Baucis. Bleibst du stum? und keinen Bissen
Bringst du zum verlechzten Mund?

Philemon
. Möcht' er doch vom Wunder wissen;
Sprichst so gerne, tu's ihm kund.

Baucis
. Wohl! ein Wunder ist's gewesen!
Läßt mich heut noch nicht in Ruh;
Denn es ging das ganze Wesen
Nicht mit rechten Dingen zu.

Philemon
. Kann der Kaiser sich versünd'gen,
Der das Ufer ihm verliehn?
Tat's ein Herold nicht verkünd'gen
Schmetternd im Vorüberziehen?
Nicht entfernt von unsern Dünen
Ward der erste Fuß gefaßt,
Zelte, Hütten! - Doch im Grünen
Richtet bald sich ein Palast.

Baucis. Tags umsonst die Knechte lärmten,
Hack' und Schaufel, Schlag um Schlag;
Wo die Flämmchen nächtig schwärmten,
Stand ein Damm den andern Tag.
Menschenopfer mußten bluten,
Nachts erscholl des Jammers Qual;
Merab flossen Feuergluten,
Morgens war es ein Kanal.
Gottlos ist er, ihn gelüstet
Unsre Hütte, unser Hain;
Wie er sich als Nachbar brüstet,
Soll man untertänig sein.

Philemon. Hat er uns doch angeboten
Schönes Gut im neuen Land!

Baucis. Traue nicht dem Wasserboden,
Halt auf deiner Höhe stand!

Philemon. Laßt uns zur Kapelle treten,
Letzten Sonnenblick zu schaun!
Laßt uns läuten, knieen, beten
Und dem alten Gott vertraun!

...


Tiefe Nacht

Lynkeus der Türmer auf der Schloßwarte, singend.

Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Dem Turme geschworen,
Gefällt mir die Welt.
Ich blick' in die Ferne
Ich seh' in der Näh'
Den Mond und die Sterne,
Den Wald und das Reh.
So seh' ich in allen
Die ewige Zier,
Und wie mir's gefallen,
Gefall' ich auch mir.
Ihr glücklichen Augen,
Was je ihr gesehn,
Es sei wie es wolle,
Es war doch so schön! Pause.

Nich allein mich zu ergetzen,
Bin ich hier so hoch gestellt;
Welch ein greuliches Entsetzen
Droht mir aus der finstern Welt!
Funkenblicke seh' ich sprühen
Durch der Linden Doppelnacht,
Immer stärker wühlt ein Glühen,
Von der Zufluft angefacht.
Ach! die innre Hütte lodert,
Die bemoost und freucht gestanden;
Schnelle Hülfe wird gefordert,
Keine Rettung  ist vorhanden.
Ach! die guten alten Leute,
Sonst so sorglich um das Feuer,
Werden sie dem Qualm zur Beute!
Welch ein schrecklich Abenteuer!
Flaamme flammet, tot in Gluten
Steht das schwarze Moosgestelle;
Retteten sich nur die Guten
Aus der wildbrannten Hölle!
Zügelnd lichte Blitze steigen
Zwischen Blättern, zwischen Zweigen;
Äste dürr, die flackernd brennen,
Glühen schnell und stürzen ein.
Sollt ihr Augen dies erkennen!
Muß ich so weitsichtig sein!
Das Kapellchen bricht zusammen
Von der Äste Sturz und Last.
Schlägelnd sind, mit spitzen Flammen,
Schon die Gipfel angefaßt.
Bis zur Wurzel glühn die hohlen
Stämme, purpurrot im Glühn. -

Lange Pause, Gesang.


Was sich sonst dem Blick empfohlen,
Mit Jahrhunderten ist hin.

Faust auf dem Balkon, gegen die Dünen.

Von oben welch ein singend Wimmern?
Das Wort ist hier, der Ton zu spat.
Mein Türmer jammert; mich im Innern,
Verdrießt die ungeduld'ge Tat.
Doch sei der Lindenwuchs vernichtet
Zu halbverkohlter Stämme Graun,
Ein Luginsland ist bald errichtet,
Um ins Unendliche zu schaun.
Die seh' ich auch die neue Wohnung,
Die jenes alte Paar umschließt,
Das, im Gefühl großmütiger Schonung,
Der späten Tage frisch genießt.

Mephistopheles und die Dreie unten.

Da kommen wir mit vollem Trab;
Verzeiht! es ging nicht glücklich ab.
Wir klopften an, wir pochten an,
Und immer ward nicht aufgetan;
Wir rüttelten, wir pochten fort,
Da lag die morsche Türe dort;
Wir riefen laut und drohten schwer,
Allein wir fanden kein Gehör.
Und wie's in solchem Fall geschieht,
Sie hörten nicht, sie wollten nicht;
Wir aber haben nicht gesäumt,
Behend dir sie weggeträumt.
Das Paar hat sich nicht viel gequält,
Vor Schrecken fielen sie entseelt.
Ein Fremder, der sich dort verstekt
Und fechten wollte, ward gestreckt.
In wilden Kampfes kurzer Zeit
Von Kohlen, ringsumher gestreut,
Entflammte Stroh. Nun lodert's frei,
Als Scheiterhaufen dieser drei.

Faust. Wart ihr für meine Worte taub?
Tausch woll't ich, wollte keinen Raub.
Dem unbesonnenen wilden Streich,
Ihm flucht' ich; teilt es unter euch!

Chorus. Das alte Wort, das Wort erschallt:
Gehorche willig der Gewalt!
Und bist du kühn und hältst du Stich,
So wage Haus und Hof und - dich. Ab.

Faust auf dem Balkon. Die Sterne bergen Blick und Schein,
Das Feuer sinkt und lodert klein;
Ein Schauerwindchen fächelt's an,
Bringt Rauch und Dunst zu mir heran.
Geboten schnell, zu schnell getan! -
Was schwebet schattenhaft heran?

Quelle: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, Christian Wegner Verlag, 9. Auflage 1972, Band III, S. 333-335, 340-342.


THEODOR FONTANE

Fontane

Theodor Fontane (1819-1898)

Archibald Douglas

Ich hab' es getragen sieben Jahr, 
und ich kann es nicht tragen mehr, 
wo immer die Welt am schönsten war, 
da war sie öd' und leer.

Ich will hintreten vor sein Gesicht 
in dieser Knechtsgestalt, 
er kann meine Bitte versagen nicht, 
ich bin ja worden alt,

Und trüg' er noch den alten Groll, 
frisch wie am ersten Tag, 
so komme, was da kommen soll, 
und komme, was da mag.


Vgl. den autobiographischen Kontext dieses Gedichts.




IMMANUEL KANT


Kant

Immanuel Kant (1724-1804)


Kritik der reinen Vernunft

Frankfurt am Main 1974 (A 569)

Ohne uns aber so weit zu versteigen, müssen wir gestehen, daß die menschliche Vernunft nicht allein Ideen, sondern auch Ideale enthalte, die zwar nicht, wie die platonischen, schöpferische, aber doch praktische Kraft (als regulative Prinzipien) haben, und die Möglichkeit der Vollkommenheit gewisser Handlungen zum Grunde liegen. Moralische Begriffe sind nicht gänzlich reine Vernunftbegriffe, weil ihnen etwas Empirisches (Lust oder Unlust) zum Grunde liegt. Gleichwohl können sie in Ansehung des Prinzips, wodurch die Vernunft der an sich gesetzlosen Freiheit Schranken setzt (also wenn man bloß auf ihre Form Acht hat), gar wohl zum Beispiele reiner Vernunftbegriffe dienen. Tugend, und mit ihr, menschliche Weisheit in ihrer ganzen Reinigkeit, sind Ideen. Aber der Weise (des Stoikers) ist ein Ideal, d.i. ein Mensch, der bloß in Gedanken existiert, der aber mit der Idee der Weisheit völlig kongruieret. So wie die Idee der Regel gibt, so dient das Ideal in solchen Falle zum Urbilde der durchgängigen Bestimmung des Nachbildes, und wir haben kein anderes Richtmaß unserer Handlungen, als das Verhalten dieses göttlichen Menschen in uns, womit wir uns vergleichen, beurteilen, und dadurch uns bessern, obgleich es niemals erreichen können. Diese Ideale, ob man ihnen gleich nicht objektive Realität (Existenz) zugestehen möchte, sind doch um deswillen nicht für Hirngespinste anzusehen, sondern geben ein unentbehrliches Richtmaß der Vernunft ab, die des Begriffs von dem, was in seiner Art ganz vollständig ist, bedarf, um darnach dem Grad und die Mängel des Unvollständigen zu schätzen und abzumessen.




Was heißt: sich im Denken orientieren?

in: Kant Werke, Darmstadt 1975, Band 5

A 311-316

Allein hiedurch, nämlich durch den bloßen Begriff, ist doch noch nichts in Ansehung der Existenz dieses Gegenstandes und der wirklichen Verknüpfung desselben mit der Welt (dem Inbegriffe aller Gegenstände möglicher Erfahrung) ausgerichtet. Nun aber tritt das Recht des Bedürfnisses der Vernunft ein als eines subjektiven Grundes, etwas vorauszusetzen und anzunehmen, was sie durch objektive Gründe zu wissen sich nicht anmaßen darf, und folglich sich im Denken, im unermeßlichen und für uns mit dicker Nacht erfülleten Raume des Übersinnlichen lediglich durch ihr eigenes Bedürfnis zu orientieren.

Es läßt sich manches Übersinnliche denken; (denn Gegenstände der Sinne füllen doch nicht das ganze Feld aller Möglichkeit aus), wo die Vernunft gleichwohl kein Bedürfnis fühlt, sich bis zu demselben zu erweitern, viel weniger dessen Dasein anzunehmen. Die Vernunft findet an denen Ursachen in der Welt, welche sich den Sinnen offenbaren (oder wenigstens von derselben Art sind als die, so sich ihnen offenbaren), Beschäftigung genug, um noch den Einfluß reiner geistiger Naturwesen zu deren Behuf nötig zu haben; deren Annehmung vielmehr ihrem Gebrauche nachteilig sein würde. Denn da wir von den Gesetzen, nach welchen solche Wesen würken mögen, nichts, von jenen aber, nämlich den Gegenständen der Sinne, vieles wissen, wenigstens noch zu erfahren hoffen können; so würde durch solche Voraussetzung dem Gebrauche der Vernunft vielmehr Abbruch geschehen. Es ist also gar kein Bedürfnis, es ist vielmehr bloßer Vorwitz, der auf nichts als Träumerei ausläuft, darnach zu forschen oder mit Hirngespinsten der Art zu spielen. Ganz anders ist es mit dem Begriffe von einem ersten Urwesen als oberster Intelligenz und zugleich als dem höchsten Gute, bewandt. Denn nicht allein, daß unsere Vernunft schon ein Bedürfnis fühlt, den Begriff des Uneingeschränkten dem Begriffe alles Eingeschränkten, mithin aller anderen Dinge zum Grunde zu legen; so geht dieses Bedürfnis auch auf die Voraussetzung des Daseins desselben, ohne welche sie sich von der Zufälligkeit der Existenz der Dinge in der Welt, am wenigsten aber von der Zweckmäßigkeit und Ordnung, die man in so bewunderungswürdigem Grade (im Kleinen, weil es uns nahe ist, noch mehr wie im Großen) allenthalben antrifft, gar keinen befriedigenden Grund angeben kann. Ohne einen verständigen Urheber anzunehmen, läßt sich, ohne in lauter Ungereimtheiten zu verfallen, wenigstens kein verständlicher Grund davon angeben; und ob wir gleich die Unmöglichkeit einer solchen Zweckmäßigkeit ohne eine erste verständige Ursache nicht beweisen können; (denn alsdann hätten wir hinreichende objektive Gründe dieser Behauptung und bedürften es nicht, uns auf den subjektiven zu berufen), so bleibt bei diesem Mangel der Einsicht doch ein genugsamer subjektiver Grund der Annehmung derselben darin, daß die Vernunft es bedarf, etwas, was ihr verständlich ist, vorauszusetzen, um diese gegebene Erscheinung daraus zu erklären, da alles, womit sie sonst nur einen Begriff verbinden kann, diesem Bedürfnisse nicht abhilft.

A 320-322

Der Begriff von Gott, und selbst die Überzeugung von seinem Dasein, kann nur allein in der Vernunft angetroffen werden, von ihr allein ausgehen, und weder durch Eingebunt, noch durch eine erteilte Nachricht, von noch so großer Auktorität. Widerfährt mir eine unmittelbare Anschauung von einer solchen Art, als sie mir die Natur, so weit ich sie kenne, gar nicht liefern kann: so muß doch ein Begriff von Got zur Richtschnur dienen,  ob diese Erscheinung auch mit allen dem übereinstimme, was zu dem Charakteristischen einer Gottheit erforderlich ist. Ob ich gleich nun gar nicht einsehe, wie es möglich sei, daß irgend eine Erscheinung dasjenige auch nur der Qualität nach darstelle, was sich immer nur denken, niemals aber anschauen läßt: so ist doch wenigstens so viel klalr, daß: um nur zu urteilen, ob das Gott sei, war mir erscheint, was auf mein Gefühl innerlich oder äußerlich wirkt, ich ihn an meinen Vernunftbegriff von Gott halten und darnach prüfen müsse, nicht ob er diesem adäquat sei, sondern bloß ob er ihm nicht widerspräche. Eben so: wenn auch bei allem, wodurch er sich mir unmittelbar entdeckte, nichts angetroffen würde, was jenem Begriffe widerspräche: so würde dennoch diese Erscheinung, Anschauung, unmittelbare Offenbarung, oder wie man sonst eine solche Darstellung nennen will, das Dasein eines Wesens niemals beweisen, dessen Begriff (wenn er nicht unsicher bestimmt, und daher der Beimischung alles möglichen Wahnes unterworfen werden soll)  Unendlichkeit der Größe nach zur Unterscheidung von allem Geschöpfe fodert [sic] welchem Begriffe aber gar keine Erfahrung oder Anschauung adäquat sein, mithin auch niemals das Dasein des höchsten Wesens unzweideutig beweisen, kann. Vom Dasein des höchsten Wesens kann also niemals durch irgend eine Anschauung zuerst überzeugt werden; der Vernunftglaube muß vorhergehen, und alsdann könnten allenfalls gewisse Erscheinungen oder Eröffnungen Anlaß zur Untersuchung geben, ob wir das, was zu uns spricht, oder sich uns darstellt, wohl befugt sind für eine Gottheit zu halten, und, nach Befinden, jenen Glauben bestätigen.


Das Ende aller Dinge

in: Kant Werke, Darmstadt 1975, Bd. 9

A 503-509

Warum erwarten aber die Menschen überhaupt ein Ende der Welt? und, wenn dieses ihnen auch eingeräumt wird, warum eben ein Ende mit Schrecken (für den größten Teil des menschlichen Geschlechts)?... Der Grund des erstern scheint darin zu liegen, weil die Vernunft ihnen sagt, daß die Dauer der Welt nur sofern einen Wert hat, als die vernünftigen Wesen in ihr dem Endzweck ihres Daseins gemäß sind, wenn dieser aber nicht erreicht werden sollte, die Schöpfung selbst ihnen zwecklos zu sein scheint: wie ein Schauspiel, das gar keinen Ausgang hat, und keine vernünftige Absicht zu erkennen gibt. Das letztere gründet sich auf der Meinung von der verderbten Beschaffenheit des menschlichen Geschlechts,* die bis zur Hoffnungslosigkeit groß sei; welchem ein Ende und zwar ein schreckliches Ende zu machen die einzige der höchsten Weisheit und Gerechtigkeit (dem größten Teil der Menschen nach) anständige Maßregel sei. Daher sind auch die Vorzeichen des jüngsten Tages (denn wo läßt es eine durch große Erwartungen erregte Einbildungskraft wohl an Zeichen und Wundern fehlen?) alle von der schrecklichen Art. Einige sehen sie in der überhandnehmenden Ungerechtigkeit Unterückung der Armen durch übermütige Schwelgerei der Reichen, und dem allgemeinen Verlust von Treu und Glauben; oder in den an allen Erdenden sich entzündenden blutigen Kriegen, u.sw.: mit einem Worte, an dem moralischen Verfall und der schnellen Zunahme aller Laster, samt den sie begleitenden Übeln, dergleichen, wie sie wähnen, die vorige Zeit nie sah. Andre dagegen in ungewöhlichen Natureränderungen, an den Erdbeben, Stürmen und Überschwemmungen, oder Kometen und Luftzeichen.

* Zu allen Zeiten haben sich dünkende Weise (oder Philosophen), ohne die Anlage zum Guten in der menschlichen Natur einiger Aufmerksamkeit zu würdigen, sich in widrigen, zum Teil ekelhaften, Gleichnissen erschöpft, um unsre Erdenwelt, den Aufenthalt für Menschen, recht verächtlich vorzustellen. 1) Als ein Wirtshaus (Karavanserai), wie jener Derwisch sie ansieht: wo jeder auf seiner Lebensweise Einkehrende gefaßt sein muß, von einem folgenden bald verdrängt zu werden. 2) Als ein Zuchthaus; welcher Meinung die brahmanischen, tibetanischen und andre Weisen des Orients (auch sogar Plato) zugetan sind: ein Ort der Züchtigung und Reinigung gefallner, aus dem Himmel verstoßner, Geister, itzt menschlicher oder Tier-Seelen. 3) Als ein Tollhaus: wo nicht allein jeder für sich seine eignen Absichten vernichtet, sondern einer dem andern allesl erdenkliche Herzleid zufügt, und obenein die Geschicklichkeit und Macht, das tun zu können, für die größte Ehre hält. Endlich 4) Als ein Kloak, wo aller Unrat aus andern Welten hingebannt werden. Der letztere Einfall ist auf gewisse Art originell, und einem persischen Witzling zu verdanken, der das Paradies, den Aufenthalt des ersten Menschenpaars, in den Himmel versetzte, in welchem Garten Bäume genug, mit herrlichen Früchten reichlich versehen, anzutreffen waren, deren Überschuß, nach ihrem Genuß, sich durch unmerkliche Ausdünstung verlor; einen einzigen Baum mitten im Garten ausgenommen, der zwar eine reizende aber solche Frucht trug, die sich nicht ausschwitzen ließ. Da unsre ersten Eltern sich nun gelüsten ließen, ungeachtet des Verbots, dennoch davon zu kosten: so war, damit sie den Himmel nicht beschmutzten, kein andrer Rat, als daß einer der Engel ihnen die Erde in weiter Ferne zeigte, mit den Worten: "Das ist der Abtritt für das ganze Universum", sie sodann dahin führte, um das Benötigte zu verrichten, und darauf mit Hinterlassung derselben zum Himmel zurückflog. Davon sei nun das menschliche Geschlecht auf Erden entsprungen.


In der Tat fühlen, nicht ohne Ursache, die Menschen die Last ihrer Existenz, ob sie gleich selbst die Ursache derselben sind. Der Grund davon scheint mir hierin zu liegen.- Natürlicherweise eilt, in den Fortschritten des menschlichen Geschlechts, die Kultur der Talente, der Geschicklichkeit und des Geschmacks (mit ihrer Folge, der Üppigkeit) der Entwicklung der Moralität vor; und dieser Zustand ist gerade der lästigste und gefährlichste für Sittlichkeit so wohl als physisches Wohl: weil die Bedürfnisse viel stärker anwachsen, als die Mittel, sie zu befriedigen. Aber die sittliche Anlage der Menschheit, die (wie Horazens poena, pene claudo)** ihr immer nachhinkt, wird sie, die in ihrem eilfertigen Lauf sich selbst verfängt und oft stolpert, (wie man unter einem Weisen Weltregierer wohl hoffen darf) dereinst überholen; und so sollte  man, selbst nach den Erfahrungsbeweisen des Vorzugs der Sittlichkeit in unserem Zeitalter, in Vergleichung mit allen vorigen, wohl die Hoffnung nähren können, daß der jüngste Tag eher mit einer Eliasfahrt, als mit einer der Rotte Korah ähnlichen Höllenfahrt eintreten, und das Ende aller Dinge auf Erden herbeiführen dürfte. Allein dieser heroische Glauben an die Tugend scheint doch, subjektiv, keinen so allgemeinkräftigen Einfluß auf die Gemüter zur Bekehrung zu haben, als der an einen Schrecken begleiteten Auftritt, der von den letzten Dingen als vorhergehend gedacht wird.

** Horaz, Carmina III, 2, 29-32
[...] saepe Diespiter
Neglectus incesto addidit integrum,
Raro antecedentem scelestum
Deseruit pede Poena claudo.

[...] raffte doch Jupiter,
Mißachtet, samt  dem Frevler den Frommen oft,
Und selten wohl blieb lahmen Fußes
Hinter dem Sünder zurück die Strafe.


Anmerkung
. Da wir hier bloß mit Ideen zu tun haben (oder damit spielen), die die Vernunft sich selbst schafft, wovon die Gegenstände (wenn sie deren haben) ganz über unsern Gesichtskreis hinausliegen, die indes, obzwar für das spekulative Erkenntnis überschwenglich, darum doch nicht in aller Beziehung leer zu halten sind, sondern in praktischer Absicht uns von der gesetzgebenden Vernunft selbst an die Hand gegeben werden, nicht etwa um über ihre Gegenstände, was sie an sich und ihrer Natur nach sind, nachzugrübeln, sondern wie wir sie zum Behuf der moralischen, auf den Endzweck aller Dinge gericheten, Grundsätze zu denken haben (wodurch sie, die sonst gänzlich leer wären, objektive praktische Realität bekommen):
so haben wir ein freies Feld vor uns, dieses Produkt unsrer eignen Vernunft: den allgemeinen Begriff von einem Ende aller Dinge, nach dem Verhältnis, das er zu unserm Erkenntnisvermögen hat, einzuteilen, und die unter ihm stehenden zu klassifizieren.
Diesem nach wird das Ganze 1) in das natürliche* Ende aller Dinge, nach der Ordnung moralischer Zwecke göttlicher Weisheit, welches wir also (in praktischer Absicht) wohl verstehen können, 2) in das mystische (übernatürliche) Ende derselben, in der Ordnung der wirkenden Ursachen, von welchem wir nichts verstehen, 3) in das wiedernatürliche (verkehrte) Ende aller Dinge, welches von uns selbst, dadurch daß wir den Endzweck mißverstehen, herbeigeführt wird, eingeteilt, und in drei Abteilungen vorgestellt werden: wovon die erste so eben abgehandelt worden, und nun die zwei noch übrigen folgen.

* Natürlich (formaliter) heißt, was nach Gesetzen einr gewissen Ordnung, welche es auch sei, mithin auch der moralischen (also nicht immer bloß der physischen), notwendig folgt. Ihm ist das Nichtnatürliche, welches entweder das Übernatürliche, oder das Widernatürliche sein kann, entgegengesetzt. Das Notwendige aus Naturursachen würde auch als materialiter-natürlich (physisch-notwendig) vorgestellt werden.


A 513-517

Das Ende aller Dinge, die durch der Menschen Hände gehen, ist, selbst bei ihren guten Zwecken, Torheit: das ist, Gebrauch solcher Mittel zu ihren Zwecken, die diesen gerade zuwider sind. Weisheit, d.i. praktische Vernunft in der Angemessenheit ihrer dem Endzweck aller Dinge, dem höchsten Gut, völlig entsprechenden Maßregeln, wohnt allein bei Gott; und ihrer Idee nur nicht sichtbarlich entgegen zu handeln, ist das, was man etwa menschliche Weisheit nennen könnte. Diese Sicherung aber wider Torheit, die der Mensch nur durch Versuche und öftre Verändereung seiner Plane erlangen hoffen darf, ist mehr "ein Kleinod, welchem auch der beste Mensch nur nachjagen kann, ob er es etwa ergreifen möchte"; wovon er aber niemal [sic] sich die eigenliebige Überredung darf anwandeln lassen, vielweniger darnach verfahren, als ob er es ergriffen habe.
Daher auch die von Zeit zu Zeit veränderten, oft widersinnigen Entwürfe zu schicklichen Mittteln, um Religion in einem ganzen Volk lauter und zugleich kraftvoll zu machen; so, daß man wohl ausrufen kann: Arme Sterbliche, bei euch ist nichts beständig, als die Unbeständigkeit!
Wenn es indes mit diesem Versuchen doch endlich einmal soweit gediehen ist, daß das Gemeinwesen fähig und geneigt ist, nicht bloß den hergebrachten frommen Lehren, sondern auch der durch sie erleuchteten praktischen Vernunft (wie es zu einer Religion auch schlechterdings notwendig ist), Gehör zu geben; wenn die (auf menschliche Art) Weisen unter dem Volk nicht durch unter sich genommene Abrechen (als ein Klerus), sondern als Mitbürger, Entwürfe machen und darin größtenteils übereinkommen welche auf unverdächtige Art beweisen, daß ihnen uom Wahrheit zu tun sei; und das Volk wohl auch im ganzen (wenn gleich noch nicht auf kleinsten Detail), durch das allgemein gefühlte nicht auf Auktorität gegründete Bedürfnfis der notwendigen Anbauung seiner moralischen Anlage, daran Interesse nimmt: so scheint nichts ratsamer zu sein, als jene nur machen und ihren Gang fortsetzen zu lassen, da sie einmal, was die Idee betrifft der sie nachgehn, auf gutem Wege sind: was ber den Erfolg aus den zum besten Endzweck gewählten Mitteln betrifft, da dieser, wie er nach dem Laufe der Natur ausfallen dürfte, immer ungewiß bleibt, ihn der Vorsehung zu überlassen. Denn, man mag so schwergläubig sein wie man will, so muß man doch, wo es schlechterdings unmöglich ist, den Erfolg aus gewissen nach aller menschlichen Weisheit (die, wenn sie ihren Namen verdienen soll, lediglich auf das Moralische gehen muß) genommenen Mitteln mit Gewißheit voraus zu sehn, eine Konkurrenz göttlicher Weisheit zum Laufe der Natur auf praktische Art glauben, wenn man seinen Endzweck nicht lieber gar aufgeben will.

Zwar wird man einwenden: Schon oft ist gesagt worden, der gegenwärtige Plan ist der beste; bei ihm muß es von nun an auf immer bleiben; das ist itzt ein Zustand für die Ewigkeit. "Wer (nach diesem Begriffe) gut ist, der ist immerhin gut; und wer (ihm zuwider) böse ist, ist immerhin böse" (Apokal. XXII, 11): gleich als ob die Ewigkeit, und mit ihr das Ende aller Dinge, schon itzt eingetreten sein könne; und gleichwohl sind seitdem immer neue Plane, unter welchen der neueste oft nur die Wiederherstellung eines alten war, auf die Bahn gebracht worden, und es wird auch an mehr letzten Entwürfen ernerhin nicht fehlen.

Ich bin mir so sehr meines Unvermögens, hierin einen euen und glücklichen Versuch zu machen, bewußt, daß ich, wozu freilich keine große Erfindungskraft gehört, lieber raten möchte: die Sachen so zu lassen, wie sie zuletzt standen, und beinahe ein Menschenalter hindurch sich als erträglich gut in ihren Folgen bewiesen hatten. Da das aber wohl nicht die meinung der Männer von entweder großem oder doch unternehmenden Geiste sein möchte: so sei mir erlaubt, nicht sowohl, was sie zu tun, sondern wogegen zu verstoßen sich ja in Acht zu nehmen hätten, weil sie sonst ihrer eignen Absicht (wenn sie auch die beste wäre) zuwider handeln würden, bescheidentlich anzumerken.

A 519-522

Das Christentum hat zur Absicht: Liebe, zu dem Geschäft der Beobachtung seiner Pflicht überhaupt, zu befördern, und bringt sie auch hervor; weil der Stifter desselben nicht in der Qualität eines Befehlhabers, der seinen gehorsam-fordernden Willen, sondern in der eines Menschenfreundes redet, der seinen Mitmenschen ihren eignen wohlverstandnen Willen, d.i. wonach sie von selbst freiwillig handeln würden, wenn sie sich selbst gehörig prüften, ans Herz legt.
Es also die liberale  Denkungsart
gleichweit entfernt vom Sklavensinn, und von Bodenlosigkeit wovon das Christentum für seine Lehre Effekt erwartet, durch die es die Herzen der Menschen für sich gewinnen vermag, deren Verstand schon durch die Vorstellung des Gesetzes ihrer Pflicht erleuchtet ist. Das Gefühl der Freiheit in der Wahl des Endzwecks ist das, was ihnen die Gesetzgebung liebenswürdig macht.
[...]
Sollte es mit dem Christentum einmal dahin kommen, daß es aufhörte liebenswürdig zu sein (welches sich wohl zutragen könnte, wenn es, statt seines sanften Geistes, mit gebieterischer Auktorität bewafnet würde), so müßte, weil in moralischen Dingen keine Neutralität (noch weniger Koalition entgegengesetzter Prinzipien) Statt findet, eine Abneigung und Widersetztlichkeit gegen dasselbe die herrschende Denkart der Menschen werden; und der Antichrist, der ohnehin für den Vorläufer des jüngsten Tages gehalten wird, würde sein (vermutlich auf Furcht und Eigennutz gegründetes) obzwar kurzes Regiment anfangen: alsdann aber, weil das Christentum allgemeine Weltreligion zu sein zwar bestimmt, aber es zu werden von dem Schicksal nicht begünstigt sein würde, das (verkehrte) Ende aller Dinge in moralischer Rücksicht eintreten.

Königsberg, 1794.


Kritik der Urteilskraft

in: Kant Werke, Surhkamp 1974

§ 40. Vom Geschmacke
als einer Art von sensus communis

[224] Man gibt oft der Urteilskraft, wenn nicht sowohl ihre Reflexion als vielmehr bloß das Resultat derselben bemerklich ist, den Namen eines Sinnes, und redet von einem Wahrheitssinne,[224] von einem Sinne für Anständigkeit, Gerechtigkeit u.s.w.; ob man zwar weiß, wenigstens billig wissen sollte, daß es nicht ein Sinn ist, in welchem diese Begriffe ihren Sitz haben können, noch weniger, daß dieser zu einem Ausspruche allgemeiner Regeln die mindeste Fähigkeit habe: sondern daß uns von Wahrheit, Schicklichkeit, Schönheit oder Gerechtigkeit nie eine Vorstellung dieser Art in Gedanken kommen könnte, wenn wir uns nicht über die Sinne zu höhern Erkenntnisvermögen erheben könnten. Der gemeine Menschenverstand, den man, als bloß gesunden (noch nicht kultivierten) Verstand, für das geringste ansieht, dessen man nur immer sich von dem, welcher auf den Namen eines Menschen Anspruch macht, gewärtigen kann, hat daher auch die kränkende Ehre, mit dem Namen des Gemeinsinnes (sensus communis) belegt zu werden; und zwar so, daß man unter dem Worte gemein (nicht bloß in unserer Sprache, die hierin wirklich eine Zweideutigkeit enthält, sondern auch in mancher andern) so viel als das vulgäre, was man allenthalben antrifft, versteht, welches zu besitzen schlechterdings kein Verdienst oder Vorzug ist.

Unter dem sensus communis aber muß man die Idee eines gemeinschaftlichen Sinnes, d.i. eines Beurteilungsvermögens verstehen, welches in seiner Reflexion auf die Vorstellungsart jedes andern in Gedanken (a priori) Rücksicht nimmt, um gleichsam an die gesamte Menschenvernunft sein Urteil zu halten, und dadurch der Illusion zu entgehen, die aus subjektiven Privatbedingungen, welche leicht für objektiv gehalten werden könnten, auf das Urteil nachteiligen Einfluß haben würde. Dieses geschieht nun dadurch, daß man sein Urteil an anderer, nicht sowohl wirkliche, als vielmehr bloß mögliche Urteile hält, und sich in die Stelle jedes andern versetzt, indem man bloß von den Beschränkungen, die unserer eigenen Beurteilung zufälliger Weise anhängen, abstrahiert: welches wiederum dadurch bewirkt wird, daß man das, was in dem Vorstellungszustande Materie, d.i. Empfindung ist, so viel möglich wegläßt,[225] und lediglich auf die formalen Eigentümlichkeiten seiner Vorstellung, oder seines Vorstellungszustandes, Acht hat. Nun scheint diese Operation der Reflexion vielleicht allzukünstlich zu sein, um sie dem Vermögen, welches wir den gemeinen Sinn nennen, beizulegen; allein sie sieht auch nur so aus, wenn man sie in abstrakten Formeln ausdrückt; an sich ist nichts natürlicher, als von Reiz und Rührung zu abstrahieren, wenn man ein Urteil sucht, welches zur allgemeinen Regel dienen soll.

Folgende Maximen des gemeinen Menschenverstandes gehören zwar nicht hieher, als Teile der Geschmackskritik, können aber doch zur Erläuterung ihrer Grundsätze dienen. Es sind folgende: 1. Selbstdenken; 2. An der Stelle jedes andern denken; 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken. Die erste ist die Maxime der vorurteilfreien, die zweite der erweiterten, die dritte der konsequenten Denkungsart. Die erste ist die Maxime einer niemals passiven Vernunft. Der Hang zur letztern, mithin zur Heteronomie der Vernunft, heißt das Vorurteil; und das größte unter allen ist, sich die Naturregeln, welche der Verstand ihr durch ihr eigenes wesentliches Gesetz zum Grunde legt, als nicht unterworfen vorzustellen: d.i. der Aberglaube. Befreiung vom Aberglauben heißt Aufklärung13; weil, obschon diese Benennung auch der Befreiung von Vorurteilen überhaupt zukommt, jener doch vorzugsweise (in sensu eminenti) ein Vorurteil genannt zu werden verdient, indem[226] die Blindheit, worin der Aberglaube versetzt, ja sie wohl gar als Obliegenheit fordert, das Bedürfnis, von andern geleitet zu werden, mithin den Zustand einer passiven Vernunft vorzüglich kenntlich macht. Was die zweite Maxime der Denkungsart betrifft, so sind wir sonst wohl gewohnt, denjenigen eingeschränkt (borniert, das Gegenteil von erweitert) zu nennen, dessen Talente zu keinem großen Gebrauche (vornehmlich dem intensiven) zulangen. Allein hier ist nicht die Rede vom Vermögen des Erkenntnisses, sondern von der Denkungsart, einen zweckmäßigen Gebrauch davon zu machen: welche, so klein auch der Umfang und der Grad sei, wohin die Naturgabe des Menschen reicht, dennoch einen Mann von erweiterter Denkungsart anzeigt, wenn er sich über die subjektiven Privatbedingungen des Urteils, wo zwischen so viele andere wie eingeklammert sind, wegsetzen, und aus einem allgemeinen Standpunkte (den er dadurch nur bestimmen kann, daß er sich in den Standpunkt anderer versetzt) über sein eigenes Urteil reflektiert. Die dritte Maxime, nämlich die der konsequenten Denkungsart, ist am schwersten zu erreichen, und kann auch nur durch die Verbindung beider ersten, und nach einer zur Fertigkeit gewordenen öfteren Befolgung derselben, erreicht werden. Man kann sagen: die erste dieser Maximen ist die Maxime des Verstandes; die zweite der Urteilskraft, die dritte der Vernunft. –


Ich nehme den durch diese Episode verlassenen Faden wieder auf, und sage: daß der Geschmack mit mehrerem Rechte sensus communis genannt werden könne, als der gesunde Verstand; und daß die ästhetische Urteilskraft eher als die intellektuelle den Namen eines gemeinschaftlichen Sinnes14 führen könne, wenn man ja das Wort Sinn von einer Wirkung der bloßen Reflexion auf das Gemüt brauchen will: denn da versteht man unter Sinn das Gefühl der Lust.[227] Man könnte sogar den Geschmack durch das Beurteilungsvermögen desjenigen, was unser Gefühl an einer gegebenen Vorstellung ohne Vermittelung eines Begriffs allgemein mitteilbar macht, definieren.

Die Geschicklichkeit der Menschen, sich ihre Gedanken mitzuteilen, erfordert auch ein Verhältnis der Einbildungskraft und des Verstandes, um den Begriffen Anschauungen und diesen wiederum Begriffe zuzugesellen, die in ein Erkenntnis zusammenfließen; aber alsdann ist die Zusammenstimmung beider Gemütskräfte gesetzlich, unter dem Zwange bestimmter Begriffe. Nur da, wo Einbildungskraft in ihrer Freiheit den Verstand erweckt, und dieser ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein regelmäßiges Spiel versetzt: da teilt sich die Vorstellung, nicht als Gedanke, sondern als inneres Gefühl eines zweckmäßigen Zustandes des Gemüts, mit.

Der Geschmack ist also das Vermögen, die Mitteilbarkeit der Gefühle, welche mit gegebener Vorstellung (ohne Vermittelung eines Begriffs) verbunden sind, a priori zu beurteilen. Wenn man annehmen dürfte, daß die bloße allgemeine Mitteilbarkeit seines Gefühls an sich schon ein Interesse für uns bei sich führen müsse (welches man aber aus der Beschaffenheit einer bloß reflektierenden Urteilskraft zu schließen nicht berechtigt ist): so würde man sich erklären können, woher das Gefühl im Geschmacksurteile gleichsam als Pflicht jedermann zugemutet werde.
 



The more these refined arts advance, the more sociable men become. Nor is it possible that when enriched with science, and possessed of a fund of conversation, they should be contented to remain in solitude, or live with their fellow-citizens in that distant manner which is peculiar to ignorant and barbarous nations. They flock into cities; love to receive and communicate knowledge, to show their wit or their breeding, their taste in conversation or living, in clothes or furniture. Curiosity allures the wise, vanity the foolish, and pleasure both. Particular clubs and societies are everywhere formed. Both sexes meet in an easy and sociable manner; and the tempers of men as well as their behavior refine apace. So that beside the improvements which they receive from knowledge and the liberal arts, it is impossible but they must feel an increase of humanity from the very habit of conversing together, and contributing to each other’s pleasure and entertainment. Thus industry, knowledge, and humanity are linked together by an indissoluble chain; and are found, from experience as well as reason, to be peculiar to the more polished and what are commonly denominated the more luxurious ages.



JUVENAL

Juvenal (ca. 60-127 n.Chr.)

4. Satire

Eine Fischgeschichte

[...] venit et Crispi iucunda senectus, 
cuius erant mores qualis facundia, mite
ingenium, maria ac terras populosque regenti 
quis comes utilior, si clade et peste sub illa 
85saevitiam damnare et honestum adferre liceret 
consilium? sed quid violentius aure tyranni, 
cum quo de pluviis aut aestibus aut nimboso 
vere locuturi fatum pendebat amici?
illa igitur numquam derexit bracchia contra 
90torrentemnec civis erat qui libera posset 
verba animi proferre et vitam inpendere vero
sic multas hiemes atque octogensima vidit 
solstitia, his armis illa quoque tutus in aula.

[...]
130‘Quidnam igitur censes? conciditur?’
[...]

Surgitur et misso proceres exire iubentur
145consilio, quos Albanam dux magnus in arcem
traxerat attonitos et festinare coactos
tamquam de Chattis aliquid torvisque Sygambris
dicturus, tamquam ex diversis partibus orbis
anxia praecipiti venisset epistula pinna.
150Atque utinam his potius nugis tota illa dedisset
tempora saevitiae, claras quibus abstulit urbi
inlustresque animas impune et vindice nullo,
sed periit postquam cerdonibus esse timendus
coeperat; hoc nocuit Lamiarum caede madenti.



Es kam auch Crispus, der heitere Alte, dessen Moral seiner Beredsamkeit gleichkam, ein sanfter Charakter. Welch besserer Berater für den Herrn über Meere, Länder und Völker, wäre es ihm unter dieser Pestgeißel verstattet gewesen, Grausamkeiten zu verdammen und ehrlichen Rat zu geben! Was aber ist rücksichtloser als das Ohr eines Tyrannen, bei dem selbst ein Freund, der nur über Regen, Hitze oder ein nasses Frühjahr sprach, in ständiger Lebensgefahr schwebt?
Jener versuchte daher niemals, gegen den Strom zu schwimmen, noch war er ein Bürger von der Art, der frei herausgesagt hätte, war er auf dem Herzen hatte, und für die Wahrheit sein Leben eingesetzt hätte.
So aber erlebte er viele Winter und achtzig Wintersonnenwenden, mit solcher Rüstung selbst an diesem Hofe sicher.
[...]
"Was schlägst du also vor? Zerschneiden? [sprach Domitian]
[...]

Man erhebt sich die großen des Reiches werden vom Staatsrat entlassen und ersucht, sich zurückzuziehen. Sie hatte der große Führer voller Furcht im Laufschritt auf seine Burg bei Alba kommen lassen, gerade als hätte er ihnen wichtige Mitteilungen über die Chatten oder die wilden Sycambrer zu machen oder als wäre aus abgelegenen Erdteilen in aller Eile eine Hiobspost gekommen.

Und doch: hätte er lieber seine ganze Zeit solchen Dummheiten gewidmet, statt grausam die Stadt edler und großer Geister zu berauben - ungestraft und ohne Rächer. Aber zugrunde ging er, als die Handwerker vor ihm Angst bekamen: das wurde dem Manne zum Verhängnis, dessen Hände noch von Lamias Blut naß waren.


Übers. Harry C. Schnurr: Juvenal, Satiren, Stuttgart 1969, S. 43-45; S. 237: "Vibius Crispus, unter Vespasian Prokonsul von Afrika. Sein heiteres Wesen wird auch von Sueton und Quintilian gerühmt".
Vgl. Christine Schmitz: Das Satirische in Juvenals Satiren. de Gruyter 2000 (
S. 145ff).




FERNANDO PESSOA


Pessoa

Fernando Pessoa (1888-1935)

AUTOPSICOGRAFIA

http://arquivopessoa.net/textos/4234

 

O poeta é um fingidor
Finge tão completamente
Que chega a fingir que é dor
A dor que deveras sente.


E os que lêem o que escreve,
Na dor lida sentem bem,
Não as duas que ele teve,
Mas só a que eles não têm.


E assim nas calhas de roda
Gira, a entreter a razão,
Esse comboio de corda
Que se chama coração.

Vgl. dt. Übers. von Georg Rudolf Lind



FERNANDO PESSOA

a Mário de Sá-Carneiro
 

67
[Carta]

Lisboa, 9 de Abril de 1916

Querido Sá-Carneiro:

[...]

No fundo, eu ignoro tudo. Você sabe que eu ignoro, e diz mesmo que acha belo (estou a citá-lo de cor) levar consigo algo que ninguém [sabe] exactamente. Uma confissâo de personagem, mais uma vez ― que um pouco me perturbou. Mas que importa isso agora? Escreva.
Você compreende o que eu digo? Que a sua obra o salve, Sá-Carneiro. Escreva.
[...]
Conversaremos entâo longamente, sentados na Brasileira, ou no Martinho, ou no Montanha. Contar-lhe-ei os escândalos de cá, pequenas coisas ― Sonia Delaunay suspeita de espionagem, presa para interrogatório em Vila do Conde, o simultanismo vítima das intrigas internacionais, nesta hora europeia de guerra. E falaremos de Orpheu, cuja fama faz de você un blagueur mesmo à hora da morte, na opiniâo informada dos incrédulos cônsules portugueses im Paris... Falaremos de tudo, e você estará vivo.
Escreva.
Milhares de abraços apertados do

sempre seu

Fernando Pessôa

En: Pedro Eiras (Ed.): Cartas reencontradas de Fernando Pessôa a Mário de Sá-Carneiro. Porto 2016, p. 152-153.





LEONARDO DA VINCI


Leonardo

Autoritratto, ca. 1510-1515, anguigna, Torino, Biblioteca Reale, inv. no. 15571
https://it.wikipedia.org/wiki/Leonardo_da_Vinci#/media/File:Leonardo_self.jpg
Leonardo da Vinci (1452-1519)



4. La natura è piena d'infinite ragioni che non furon mai in isperienza

9. O speculatore delle cose, non ti laldare di conoscere le cose che orginariamente per se medesima la natura conduce. Ma rallegrati di conoscere il fine di quelle cose che son disegnate dalla mente tua.

29. Ogni nostra cognizione prencipia da sentimenti.

52. Chi poco pensa molto erra.


93. La vita bene spesa lunga è.

98. Tristo è quel discepolo che non avanza il maestro.

Source:
http://www.capurro.de/leonardo3.html#PENSIERI_E_AFORISMI




MARTIN HEIDEGGER


Martin Heidegger

Martin Heidegger (1889-1976)


SEIN UND ZEIT

in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Band VIII
herausgegeben von Edmund Husserl
1927

Tübingen 1976 (13. Aufl.)

S. 140-142

§ 30. Die Furcht als ein Modus der Befindlichkeit (1)

Das Phänomen der Furcht läßt sich nach drei Hinsichten betrachten; wir analysieren das Wovor der Furcht, das Fürchten und das Worum der Furcht. Diese möglichen und zusammengehörigen Hinblicke sind nicht zufällig. Mit ihnen kommt die Struktur der Befndlichkeit überhaupt zum Vorschein. Die Analyse wird vervollständigt durch den Hinweis auf die möglichen Modifikationen der Furcht, die je verschiedene Strukturmomente an ihr betreffen.

Das Wovor der Furcht, das "Furchtbare", ist jeweils ein innerweltlich Begegnendes von der Seinsart des Zuhandenen, des Vorhandenen oder des Mitdaseins. Es soll nicht ontisch berichtet werden über das Seiende, das vielfach und zumeist "furchtbar" sein kann, sondern das Furchtbare ist in seiner Furchtbarkeit phänomenal zu bestimmen. Was gehört zum Furchbaren als solchem, das im Fürchten begegnet? Das Wovor der Furcht hat den Charakter der Befindlichkeit. Hierzu gehört ein Mehrfaches: 1. das Begegnende hat die Bewandtnisart der Abträglichkeit. Es zeigt sich innerhalb eines Bewandtniszusammenhangs. 2. Diese Abträglichkeit zielt auf einen bestimmten Umkreis des von ihr Betrefbaren. Sie kommt als so bestimmte selbst aus einer bestimmten Gegend. 3. Die Gegend selbst und das aus ihr Herkommende ist als solches bekannt, mit dem es nicht "geheuer" ist. 4. Das Abträgliche ist als Drohendes noch nicht in beherrschbarer Nähe, aber es naht. In solchem Herannahen strahlt die Abträglichkeit aus und hat darin den Charakter des Drohens. 5. Dieses Herannahen ist ein solches innerhalb der Nähe. Was zwar im höchsten Grade abträglich sein kann und sogar ständig näher kommt aber in der Ferne, bleibt in seiner Furchtbarkeit verhüllt. Als Herannahendes in der Nähe aber ist das Abträglice drohend, es kann treffen und doch nicht. Im Herannahen steigert sich dieses "es kann und am Ende doch nicht". Es ist furchbar, sagen wir. 6. Darin liegt das Abträgliche als Nahendes in der Nähe trägt die enthüllte Möglichkeit des Ausbleibens und Vorbeigehens bei sich, was das Fürchten nicht mindert und auslöscht, sondern ausbildet.

Das Fürchten selbst ist das sich-angehen-lassende Freigeben des so charakterisierten Bedrohlichen. Nicht wird etwa zunächst ein zukünftiges Übel (malum futurum) festgestellt und dann gefürchtet. Aber auch das Fürchten konstatiert nicht erst das Herannahende, sondern entdeckt es zuvor in seiner Furchtbarkeit. Und fürchtend kann dann die Furcht sich, ausdrücklich hinsehend, das Furchtbare "klar machen". Die Umsicht sieht das Furchtbare, weil sie in der Befichdlichkeit der Furcht ist. Das Fürchten als schlummernde Möglichkeit des befindlichen In-der-Welt-seins, die "Furchtsamkeit", hat die Welt schon darauf hin erschlossen, daß aus ihr so etwas wie Furchtbares nahen kann. Das Nahenkönnen selbst ist freigegeben durch die wesenhafte existenziale Räumlichkeit des In-der-Welt-seins.

Das Worum die Furcht fürchtet, ist das sich fürchtende Seiende selbst, das Dasein. Nur Seiendes, dem es in seinem Sein um dieses selbst geht, kann sich fürchten. Das Fürchten erschließt dieses Seiende in seiner Gefährdung, in der Überlassenheit an es selbst. Die Furcht enthüllt immer, wenn auch in wechselnder Ausdrücklichkeit, das Dasein im Sein seines Da. Wenn wir um Haus und Hof fürchten, dann liegt hierin keine Gegeninstanz für die obige Bestimmung des Worum der Furcht. Denn das Dasein ist als In-der-Welt-sein je besorgendes Sein bei. Zumeist und zunächst ist das Dasein aus dem her, was es besorgt. Dessen Gefährdung ist Bedrohung des Sein bei. Die Furcht erschließt das Dasein vorwiegend in privativer Weise. Sie verwirrt und macht "kopflos". Die Furcht verschließt zugleich das gefährdete In-Sein, indem sie es sehen läßt, so daß das Dasein, wenn die Furcht gewichen, sich erst wieder zurechtfinden muß.

Das Fürchten um als Sichfürchten vor erschließt immer - ob privativ oder positiv - gleichursprünglich das innerweltliche Seiende in seiner Bedrohlichkeit und das In-Sein hinsichtlich seiner Bedrohtheit. Furcht ist ein Modus der Befindlichkeit

Das Fürchten um kann aber auch andere betreffen, und wir sprechen dann von einem Fürchten für sie. Dieses Fürchten für... nimmt dem Anderen nicht die Furcht ab. Das ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der Andere,  für den wir fürchten, seinerseits sich gar nicht zu fürchten braucht. Wir fürchten für den Anderen gerade dann am meisten, wenn er sich nicht fürchtet und tollkühn dem Drohenden sich entgegenstürzt. Fürchten für... ist eine Weise der Mitbefindlichkeit mit den Anderen, aber nicht notwendig eien Sich-mitfürchten oder gar ein Miteinanderfürchten. Man kann fürchten um..., ohne sich zu fürchten. Genau besehen ist aber das Fürchten um... doch ein Sichfürchten. "Befürchtet" ist dabei das Mitsein mit dem Anderen, der einem entrissen werden könnte. Das Furchbare zielt nicht direkt auf den Mitfürchtenden. Das Fürchten um... weiß sich in gewisser Weise unbetroffen und ist doch mitbetroffen in der Betroffenheit des Mitdaseins, wofür er es fürchtet. Das Fürchten um ist deshalb kein abgeschwächte Sichfürchten. Es geht hier nicht um Grade von "Gefühlstönen", sondern um existenziale Modi. Das Fürchten um... verliert dadurh auch nicht seine spezifische Echtheit, wenn es sich "eigentlich" doch nicht fürchtet.

Die konstitutiven Momente des vollen Furchtphänomens können variieren. Damit ergeben sich verschiedene Seinsmöglichkeiten des Fürchtens. Zur Begegnisstruktur des Bedrohlichen gehöhrt die Näherung in der Nähe. Sofern ein Bedrohliches in seinem "zwar noch nicht, aber jeden Augenblick" selbst plötzlich in das besorgende In-der-Welt-sein hereinschlägt, wird die Furcht zum Erschrecken. Am Bedrohlichen ist sonach zu scheiden. die nächste Näherung des Drohenden und die Art des Begegnens der Näherung selbst, die Plötzlichkeit. Das Wovor des Erschreckens ist zunächst etwas Bekanntes und Vetrautes. Hat dagegen das Bedrohliche den Charakter des ganz und gar Unvertrautes, dann wird die Furcht zum Grauen. Und wo nun gar ein Bedrohendes den Charakter des Grauenhaften begegnet und zugleich den Begegnischarakter des Erschreckenden hat, die Plötzlichkeit, da wird die Furcht zum Entsetzen. Weitere Abwandldungen der Furcht kennen wir als Schüchternheit, Scheu, Bangigkeit, Stutzigwerden. Alle Modifikationen der Furcht deuten als Möglichkeiten des Sich-befindens darauf hin, daß das Dasein als In-der-Welt-sein "furchtsam" ist. Diese "Furchtsamkeit" darf nicht im ontischen Sinne einer faktischen, "vereinzelten" Veranlagung verstanden werden, sondern als existenziale Möglichkeit der wesenhaften Befindlichkeit des Daseins überhaupt, die freilich nicht die einzige ist.


(1) Vgl. Aristoteles, Rhetorik B 5, 1382 a 20 -1383 b 11.



S. 184-191
§ 40. Die Grundbefindlichkeit der Angst als eine ausgezeichnete Erschlossenheit des Daseins

Eine Seinsmöglichkeit des Daseins soll ontischen "Aufschluß" geben über es selbst als Seiendes. Aufschluß ist nur möglich in der zum Dasein gehörenden Erschlossenheit, die in Befindlichkeit und Verstehen gründet. Inwiefern ist die Angst eine ausgezeichnete Befindlichkeit? Wie wird in ihr das Dasein durch sein eigenes Sein vor es selbst gebracht, so daß phänomenologisch das in der Angst erschlossene Seiende als solches in seinem Sein bestimmt, bzw. diese Bestimmung zureichend vorbereitet werden kann?

In der Absicht, zum Sein der Ganzheit des Strukturganzen vorzudringen, nehmen wir den Ausgang, bei den zuletzt durchgeführten konkreten Analysen des Verfallens. Das Aufgehen im Man und bei der besorgten "Welt" offenbart so etwas wie eine Flucht des Daseins for ihm selbst als eigentlichem Selbst-sein-können. Dieses Phänomen der Flucht des Daseins vor ihm selbst und seiner Eigentlichkeit scheint aber doch am wenigsten die Eignung zu haben, als phänomenale Boden für die folgende Untersuchung zu dienen In dieser Flucht bringt sich das Dasein doch gerade nicht vor es selbst. Die Abkehr führt entsprechend dem eigensten Zug des Verfallens weg vom Dasein. Allein bei dergleichen Phänomenen muß die Untersuchung sich hüten, die ontisch-existenzielle Charakteristik mit der ontologisch-existenzialen Interpretation zusammenzuwerfen, bzw. die in jener liegenden positiven phänomenalen Grundlagen für diese zu übersehen.

Existenziell ist zwar im Verfallen die Eigentlichkeit des Selbstseins verschlossen, aber diese Verschlossenheit ist nur die Privation einer Erschlossenheit, die sich phänomenal darin offenbart, daß die Flucht des Daseins vor ihm selbst ist. Im Wovor der Flucht kommt das Dasein gerade "hinter" ihm her. Nur sofern Dasein ontologisch wesenhaft durch die ihm zugehörende Erschlossenheit überhaupt vor es selbst gebracht ist, kann es vor ihm fliehen.

(...)

Für die Analyse der Angst sind wir nicht ganz unvorbereitet. Zwar bleibt noch dunkel, wie sie ontologisch mit der Furcht zusammenhängt. Offensichtlich besteht eine phänomenale Verwandschaft. Das Anzeichen dafür ist die Tatsache, daß beide Phänomene meist ungeschieden bleiben und als Angst bezeichnet wird, was Furcht ist, und Furcht genannt wird, was den Charakter der Angst hat. Wir versuchen, schrittweise zum Phänomen der Angst vorzudringen.

Das Verfallen des Daseins an das Man und die besorgte "Welt" nannten wir eine "Flucht" vor ihm selbst. Aber nicht jedes Zurückweichen vor..., nicht jede Abkehr von... ist notwendig Flucht. Das in der Furcht fundierte Zurückweichen vor dem, was Furcht erschließt, vor dem Bedrohlichen, hat den Charakter der Flucht. Die Interpretation der Furcht als Befindlichkeit zeigte: das Wovor der Furcht ist ein innerweltliches, aus bestimmter Gegend, in der Nähe sich näherndes, abträgliches Seiendes, das ausbleiben kann. Im Verfallen kehrt sich das Dasein von ihm selbst ab. Das Wovor dieses Zurückweichens muß überhaupt den Charakter des Bedrohens haben; es ist jedoch Seiendes von der Seinsart des zurückweichenden Seienden, es ist das Dasein selbst. Das Wovor dieses Zurückweichens kann nicht als "Furchtbares" gefaßt erden, weil dergleichen immer als innerweltliches Seiendes begegnet. Die Bedrohung, die einzig "furchtbar sein kann und die in der Furcht entdeckt wird, kommt immer von innerweltlichen Seienden her.

Die Abkehr des Verfallens ist deshalb kein Fliehen, das durch eine Furcht vor innerweltlichen Seienden fundiert wird. Ein so gegründeter Fluchtcharakter kommt der Abkehr um so weniger zu, als sie sich gerade hinkehrt zum innerweltlichen Seienden als Aufgehen in ihm. Die Abkehr des Verfallens gründet vielmehr in der Angst, die ihrerseits Furcht erst möglich macht.

Für das Verständnis der Rede von der verfallenden Flucht des Daseins vor ihm selbst muß das In-der-Welt-sein als Grundverfassung dieses Seienden in Erinnerung gebracht werden. Das Wovor der Angst ist das In-der-Welt-sein als solches. Wie unterscheidet sich phänomenal das, wovor die Angst sich ängstet, von dem, wovor die Furcht sich fürchtet? Das Wovor der Angst ist kein innerweltliches Seiendes. Daher kann es damit wesenhaft keine Bewandtnis haben. Die Bedrohung hat nicht den Charakter einer bestimmten Abträglichkeit, die das Bedrohte in der bestimmten Hinsicht auf ein besonderes faktisches Seinkönnen trifft. Das Wovor der Angst ist völlig unbestimmt. Diese Unbestimmtheit läßt nicht nur faktisch unentschieden, welches innerweltliche Seiende droht, sondern besagt, daß überhaupt das innerweltliche Seiende nicht "relevant" ist. Nichts von dem, was innerhalb der Welt zuhanden und vorhanden ist, fungiert als das, wovor die Angst sich ängstet. Die innerweltlich entdeckt Bewandtnisganzheit des Zuhandenen und Vorhandenen ist als solche überhaupt ohne Belang. Sie sinkt in sich zusammen. Die Welt hat den Charakter völliger Unbedeutsamkeit. In der Angst begegnet nicht dieses oder jenes, mit dem es als Bedrohlichem eine Bewandtnis haben könnte.

(...)
Im Wovor der Angst wird das "Nichts ist es und nirgends" offenbar. Die Aufsässigkeit des innerweltlichen Nichts und Nirgends besagt phänomenal: das Wovor der Angst ist die Welt als solche.
(...)
Und nur weil die Angst latent das In-der-Welt-sein immer schon bestimmt, kann dieses als besoargend-befinliches Sein bei der "Welt" sich fürchten.  Furcht ist an die "Welt" verfallene, uneigentliche und ihr selbst als solche verborgene Angst.

Faktisch bleibt denn auch die Stimmung der Unheimlichkeit meist existenziell unverstanden. "Eigentliche" Angst ist überdies bei der Vorherrschaft des Verfallens und der Öffentlichkeit selten. Oft ist die Angst "physiologisch" bedingt. Dieses Faktum ist in seiner Faktizität ein ontologisches Problem, nicht nur hinsichtlich seiner ontischen Verursachung und Verlaufsform. Physiologische Auslösung von Angst wird nur möglich, weil das Dasein im Grunde seines Seins sich ängstet.
(...)
Zwar gehört zum Wesen jeder Befindlichkeit, je das volle In-der-Welt-sein nach all seinen  konstitutiven Momenten (Welt, In-Sein, Selbst) zu erschließen. Allein in der Angst liegt die Möglichkeit eines ausgezeichnetes Erschließens, weil sie vereinzelt. Diese Vereinzelung holt das Dasein aus seinem Verfallen zurück und macht ihm Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit als Möglichkeiten seines Seins offenbar. Diese Grundmöglichkeiten des Daseins, das je meines ist, zeigen sich in der Angst wie an ihnen selbst, unverstellt durch innerweltliches Seiendes, daran sich das Dasein zunächst und zumeist klammert.

Inwiefern ist mit dieser existenzialen Interpretation der Angst ein phänomenaler Boden gewonnen für die Beantwortung der leitenden Frage nach dem Sein der Ganzheit des Strukturganzen des Daseins?


S.  341-346

Viertes Kapitel
Zeitlichkeit und Alltäglichkeit

§ 68. Die Zeitlichkeit der Erschlossenheit überhaupt

b) Die Zeitlichkeit der Befindlichkeit

(...)
Wir beginnen die Analyse mit dem Aufweis der Zeitlichkeit der Furcht (vgl. § 30, S. 140 ff.). Sie wurde als uneigentliche Befindlichkeit charakterisiert. Inwiefern ist der sie ermöglichende existenziale Sinn die Gewesenheit? Welcher Modus dieser Ekstase kennzeichnet die spezifische Zeitlichkeit der Furcht? Diese ist Fürchten vor einem Bedrohlichen, das, dem faktischen Seinkönnen des Daseins abträglich, im Umkreis des gesorgten Zuhandenen und Vorhandenen sich in der beschriebenen Weise nähert. Das Fürchten erschließt in der Weise der alltäglichen Umsicht ein Drohendes. Ein nur anschauendes Subjekt vermöchte dergleichen nie zu entdecken. Aber ist dieses Erschließen des Fürchtens vor... nicht ein Auf-sich-zukommenlassen? Hat man die Furcht nicht mit Rect als Erwartung eines ankommenden Übels (malum futurum) bestimmt? Ist der primäre zeitliche Sinn der Furcht nicht die Zukunft und nichts weniger als die Gewesenheit? Unbestreitbar "bezieht" sich das Fürchten nicht nur auf "Zukünftiges" in der Bedeutung des "in der Zeit" erst Ankünftigen, sondern dieses Sichbezieheen selbst ist zukünftig im ursprünglich zeitlichen Sinne. Ein Gewärtigen gehört offenbar mit zur existenzial-zeitlichen Konstitution der Furcht. Das besagt zunächst aber nur, die Zeitlichkeit der Furcht ist uneigentliche. Ist das Fürchten vor... nur ein Erwarten eines ankommenden Bedrohlichen? Erwarten eines ankommenden Bedrohlichen braucht nicht schon Furch zu sein und ist es so wenig, daß ihm gerade der spezifischn Stimmungscharakter der Furcht fehlt. Dieser liegt darin, daß das Gewärtigen der Furcht das Bedrohliche nur gewärtigt und so das Dasein bedroht werden, wenn das Worauf des Zurück auf... schon überhaupt ekstatisch offen ist. Daß das Fürchtende Gewärtigen "sich" fürchtet, das heißt, daß das das Fürchen vor... je ein Fürchten um ... ist, darin liegt der Stimmungs- und Affektcharakter der Furcht. Deren existenzial-zeitlicher Sinn wird konstituiert durch ein Sichvergessen: das vewirrte Ausrücken vor dem eigenen faktischen Seinkönnen, als welches das bedrohte In-der-Welt-sein das Zuhandene besorgt. Aristoteles bestimmt die Furcht als "lype tis e taraché", als eine Gedrücktheit bzw. Verwirrung (Vgl. Rhetorik B 5, 1382 a 21). Die Gedrücktheit zwingt das Dasein auf seine Geworfenheit zurück, aber so, daß diese gerade verschlossen wird. Die Verwirrung gründet in einem Vergessen. Das vegessende Ausrücken vor einem faktischen, entschlossenen Seinkönnen hält sich an die Möglichkeiten des Sichrettens und Ausweichens, die zuvor umsichtig schn entdeckt sind. Das sich fürchtende Besorgen springt, weil sich vergessend und deshalb keine bestimmte Möglichkeit ergreifend, von der nächsten zur nächsten. Alle "möglichen", das heißt auch unmöglichen Möglichkeiten bieten sich an. Bei keiner hält der Fürchtende, die "Umwelt" verschwindet nicht, sondern begegnet in einem Sich-nicht-mehr auskennen in ihr. Zum Sichvergessen in der Furcht ehört dieses verwirrte Gegenwärtigen  des Nächsten-Besten. Daß zum Beispiel die Bewohner eines brennenden Hauses oft das Gleichgültigste, nächst Zuhandene "retten", ist bekannt. Das selbstvergessene Gegenwärtigen eines Gewirrs von schwebenden Möglichkeiten ermöglicht die Verwirrung, als welche sie den Stimmungscharakter der Furcht ausmacht. Die Vergessenheit der Verwirrung modifiziert auch das Gewärtigen und charakterisiert es als das gedrückte bzw. verwirrte Gewärtigen, da sich von einem puren Erwarten unterscheidet.

Die spezifische ekstatische Einheit, die das Sichfürchten existenzial ermöglicht, zeitigt sich primär aus dem charakterisierten Vergessen, das als Modus der Gewesenheit die zugehörige Gegenwart und Zukunft in ihrer Zeitdiung modifiziert. Die Zeitlichkeit der Furcht ist ein gewärtigend-gegenwärtigendes Vergessen. Zunächst sucht die verständige Aulegung der Furch, gemäß ihrer Orientierung auf das innerweltlich Begegnende, als das Wovor der Furcht das "ankommende Übel" und diesem entsprechend die Beziehung darauf als Erwartung zu bestimmen. Was überdies zum Phänomen gehört, bleibt ein "Gefühl der Lust oder Unlust".
(...)
Die für die Furcht konstitutive Vergessen verwirrt und läßt das Dasein zwischen unergriffenen "weltlichen" Möglichkeiten hin- und hertreiben Diesem uehaltenen Gegenwärtigen gegenüber ist die Gegenwart der Angst im Sichzurückbringen auf die eigenste Geworfenheit gehalten. Angst kann sich ihrem existenzialen Sinn nach nicht an ein Besorgbares verlieren. Wenn dergleichen in einer ihr änlichen Befindlichkeit geschieht, dann ist es die Furcht, die der alltägliche Verstand mit der Angst zusammenwirft. Wenngleich die Gegenwart der Angst gehalten ist, hat sie doch nicht schon den Charakter des Augenblicks, der im Entschluß sich zeitigt. Die Angst bringt nur in die Stimmung eines möglichen Entshlusses. Ihre Gegenwart hält den Augenblick, als welcher sie selbst und nur sie möglich ist, auf den Sprung.

Beide Stimmungen, Furcht und Angst, "kommen" jedoch nie nur isoliert "vor" im "Erlebnisstrom", sondern be-stimmen je ein Verstehen, bzw. sich aus einem solchen. Die Furcht hat ihre Veranlassungim umweltlich besorgten Seienden. Die Angst dagegen entspringt aus dem Dasein selbst. Die Furcht überfällt vom Innerweltlichen her. Die Angst erhebt sich aus dem In-der-Welt-sein als geworfenem Sein zum Tode. Dieses "Aufsteigen" der Angst aus dem Dasein besagt zeitlich verstanden: die Zukunft und Gegenwart der Angst zeitigen sich aus einem ursprünglichen Gewesensein im Sinne des Zurückbringens auf die Wiederholbarkeit. Eigentlich aber kann die Angst nur aufsteigen in einem entschlossenen Dasein. Der Entschlossene kennt keine Furcht, versteht aber gerade die Möglichkeit der Angst als der Stimmung, die ihm nicht hemmt und verwirrt. Sie befreit von "nichtigen" Möglichkeiten und läßt freiwerden für eigentliche.

Obzwar beide Modi der Befindlichkeit, Furcht und Angst, primär in einer Gewesenheit gründen, so ist doch im Hinblick auf ihre je eigene Zeitigung im Ganzen der Sorge ihr Ursprung verschieden. Die Angst entspringt aus der Zukunft der Entschlossenheit, die Furcht aus der verlorenen Gegenwart, die furchtsam die Furcht befürchtet, um ihr so erst recht zu verfallen.
(...)
Nur Seiendes, das seinem Seinsinne nach sich befindet, das heißt existierend je schon gewesen ist und in einem ständigen Modus der Gewesenheit existiert, kann affiziert werden. Affektion setzt ontologisch das Gegenwärtigen voraus, so zwar, das in ihm das Dasein auf sich als gewesenes zurückgebracht werden kann. Wie Reiz und Rührung der Sinne in einem Nur-Lebenden ontologisch zu umgrenzen sind, wie und wo überhaupt das Sein der Tiere zum Bespiel durch eine "Zeit" konstituiert wird, bleibt ein Problem für sich.


PHÄNOMENOLOGISCHE INTERPRETATIONEN ZU ARISTOTELES
 

(Anzeige der hermeneutischen Situation)
Ausarbeitung für die Marburger und die Göttinger
Philosophischen Fakultät
(Herbst 1922), Gesamtausgabe Band 62, S. 395


Im II. Buch der "Physik" wird die kinesis-Problematik von einer anderen Blickrichtung her angesetzt. Es wird gefragt, welche Möglichkeiten des theoretischen Befragtwerdens (diá ti, vgl. Met. Z 17, Anal. post. B 1 - warum) sind im Sachgehalt der physis und ihrer kategorialen Grundstruktur motiviert. Die Interpretation zeigt, wie die 'vier Ursachen' der schon charakterisierten ontologischen Problematik entspringen. Das Buch ist aber zugleich  (Kap. 4-6) im Hinblick auf das Faktivizitätsproblem als solches von entscheidender Bedeutung. Es wird gezeigt, wie Aristoteles unter den Titeln tyche, autómaton (die bezüglich ihrer eigentlichen Bedeutung schlechthin unübersetzbar sind) die 'historische' Bewegtheit des faktischen Lebens, die Bewegtheit dessen, 'was einem täglich so passiert und passieren kann', ontologisch expliziert. Diese ontologischen Analysen sind bis heute nicht nur unübertroffen, sondern nicht einmal als solche verstanden und ausgewertet. Man nimmt sie als einen unbequemen und nicht weiter verwertbaren Annex zu der Bestimmung der 'eigentlichen Ursachen', die ihre Bedingtheit aus dem bestimmten Problemansatz deutlich bekunden.

Vgl. R. Capurro: Nemesis - Tyche

R. Capurro: Roboethik: Im zweiten Buch der "Physik" schreibt Aristoteles, dass menschliches Handeln (praxis) einer besonderen Form von Kausalität ausgesetzt ist, nämlich "per Zufall" oder dia tyche, (Lateinisch: fortuna), deren Entsprechung im Bereich natürlicher Prozesse er to automaton (Lateinisch: sponte sua) nennt (Aristoteles 1950, II, 5). Von solchen zufälligen Ursachen wie Glück und Unglück, die wesensmäßig unbestimmt und zahllos sind, wissen Roboter nichts. Kein Algorithmus wird per definitionem je in der Lage sein, das Unberechenbare zu berechnen und Glück und Unglück im Leben eines Menschen zu bestimmen. Das sind Dimensionen, die sich dem Menschen öffnen, wenn er die zeitliche Dynamik des Geschehens in ihrer dreidimensionalen Qualität wahrnimmt, während Algorithmen auf einer eindimensionalen oder linearen Zeitvorstellung beruhen, auch wenn sie vorgeben lernfähig zu sein, ein Gedächtnis zu haben, data mining zu betreiben, und vor allem die Zukunft berechnen zu können. Das gilt auch ganz besonders für den kriegerischen Einsatz von Drohnen. Roboter haben keine Moral und erst Recht keine Ethik, sondern man kann lediglich moralische oder rechtliche Vorschriften einprogrammieren. Dabei muss man aber wissen, dass sie nicht in der Lage sind, ethisch darüber zu reflektieren, das Allgemeine auf den Einzelfall zu beziehen, die Sachverhalte als solche zu verstehen und das Ganze der jeweiligen Situation nicht aus den Augen zu verlieren. Wir müssen in diesen Fällen die anthropomorphe Diktion als eine Falle entlarven, ohne sie aber, in aufgeklärter Nutzung dieser Diktion, abzulehnen.


HERAKLIT

Bevor wir jetzt den Titel epistéme logiké und die damit genannte Sache genauer erläutern, achten wir darauf, daß der Titel mit zwei anderen zugleich  auftaucht: epistéme physiké und epistéme ethiké. Was entnehmen wir hieraus für das Verständnis dessen, was epistéme besagt? Der Name meint ein Sichverstehen, das auf das Seiende im Ganzen geht. Physis, recht gedacht, umfaßt nicht nur das was wir im Unterschied zur Geschichte 'die Natur' nennen; zur physis gehört auch die Geschichte, der Mensch und die Götter. Physis meint das Seiende  im Ganzen. Die epistéme physiké ist, anders freilich als die neuzeitliche Physik, das Wissen vom Seienden im Ganzen.

Dagegen scheint nun aber die epistéme ethiké doch wiederum nur einen gesonderten oder jedenfalls einen besonderen Bereich des Seienden vor sich zu bringen. Ethos heißt Wohnung, Aufenthalte. Wir sagen: das Wohnen des Menschen, sein Aufenthalt inmitten des Seienden im Ganzen. Die epistéme ethiké "die Ethik", das Wort hier wesentlich und weit gedacht, sucht zu verstehen, wie der Mensch in diesem Aufenthalt sich an das Seiende hält und so sich selbst behält und hält. Ethos ist die Haltung in allem Verhalten dieses Aufenthaltes inmitten des Seienden. Die "Ethik" betrifft den Menschen nicht als gesonderten Gegenstand unter Gegenständen, sondern sie betrachtet den Menschen hinsichtlich des Bezugs des Seienden im Ganzen zum Menschen und des Menschen zum Seienden im Ganzen. Der Mensch ist so in gewisser Weise in der Mitte des Seienden im Ganzen und ist dennoch nicht die Mitte selbst für das Seiende in dem Sinne, daß er sein tragender Grund sein könnte. In jedem Fall geht aber auch die Ethik, obzwar sie nur vom Menschen handelt, doch wie die epistéme physiké, nur eben in anderer Hinsicht und Weise, auf das Ganze des Seienden.

Quelle: Martin Heidegger: Heraklit. 1. Der Anfang des abendländischen Denkens. 2. Logik. Heraklits Lehre vom Logos. Freiburger Vorlesung Sommersemester 1943 und Sommersemester 1944 herausgegeben von Manfred S. Frings. Frankfurt am Main: Klostermann 1979, GA 55, S. 213-214.


EINLEITUNG IN DIE PHILOSOPHIE

Noch ein Letztes: Gerade die Augenblicke des Daseins, in denen wir im Ganzen und wesentlich zu existieren vermögen, sind nicht nur selten, sondern sind gleichsam wie eine schmale Spitze, auf der wir uns flüchtig halten. Auch wenn sie durch die echte Erinnerung ihre Wirkungskraft für das Dasein behalten, so bekunden sie damit nur um so schärfer, daß die Existenz zumeist in dieser Weise nicht ist, obzwar sie gerade geschieht.

Einleitung in die Philosophie, Wintersemester 1928-1929, GA 27, 336.


GRUNDFRAGEN DER PHILOSOPHIE

Die Größe des Menschen bemißt sich nach dem, was er sucht, und nach der Inständigkeit, kraft deren er der Suchende bleibt.

Grundfragen der Philosophie, Ausgewählte "Probleme" der "Logik", WS 1937/38, GA 45, 5.



PARMENIDES

§ 8. Die vierte Weisung der alétheia: das Offene, das Freie.

d) Das Offene am Anfang der Besinnung auf das Wort aletheia.

Der Anfang fordert von uns, deren Geschichte vom Anfang fortgegangen ist, den Beginn einer Besinnung, die dem Wesen des "Offenen" nachdenkt. Nennen wir "das Offene" und gebrauchen wir das Wort "Offenheit", dann scheint es, als werde uns da Bekanntes und Verständliches vorgestellt. Dennoch verschwimmt alles im Unbestimmten. Es sei denn, daß wir jetzt mit dem Wort "das Offene" ernst machen und es einzigin dem Wesenszusammenhang denken, den die bisherige Besinnung auf das Wesen der alétheia uns nähergebracht hat. Wir gebrauchen die Rede vom "Offenen" nur in der unlöslichen Wesenseinheit mit der alétheia und ihrem anfänglicher erfahrenen Wesen.

Darnach ist das Offene das Lichte des Sichlichtenden. Wir nennen es "das Freie" und sein Wesen "die" Freiheit. Dies Wort hat hier eineen anfänglichen Sinn, der dem metaphysischen Denken fremd ist. Daher liegt es nahe, das Wesen der Freiheit, das hier als das Wesen des Offenen gedacht wird, aus der überlieferten Umgrenzung der verschiedenen Freiheitsbegriffe auszuhellen. Wie wir denn überhaupt versucht sind, das jetzt genannte "Offene" uns dadurch in seinem Wesen näherzubringen, daß wir von gewohnten Vorstellungen aus schrittweise dazu hinführen.

Einen Weg, der offen ist, nennen wir frei. Der Durchgang und Durchlaß ist gewährt. Das Durchlassende und Durchlässige zeigt sich als das Räumliche. Das Durchmeßbare ist uns bekannt als das Raumhafte von Räumen, als ihr dimensionales Wesen, das wir auch der "Zeit" zusprechen in der Rede von "Zeitraum". Damit stellen wir das vor, was vermutlich zuerst bei der Nennung des "Offenen" uns entgegenkommt: das Unverschlossene und Unbesetzte einer Ausbreitung zur Aufnahme und Verteilung von Gegenständen.

Doch das Offene im Sinne des Wesens der alétheia meint weder den Raum noch die gewöhnlich gemeinte "Zeit", noch ihre Einheit, den Zeitraum, weil dieses alles bereits seine Offenheit zu Lehen hat aus demjenigen Offehen, das im Wesen der Entbergung waltet. Insgleichen west überall dot, wo etwas "frei" ist von... im Sinne von "ledig", oder "frei" ist "für"... im Sinne von bereit zu..., schon ein Freies, das aus jenem Freien west, ws auch den Zeit-Raum erst dahin freigibt, als ein "Offenes" der Ausdehnung und Ausbreitung durchmessen zu werden. Das "frei von" und das "frei für" beanspruchen schon eine Lichtung, in der eine Loslösung oder eine Zuwendung sind, was sie sind, somit ein ursprünglicheres Freies, das sich nicht auf die Freiheit menschlichen Verhaltens gründen kann.

Zum Offenen als dem Wesen der alétheia gelangen wir also niemals dadurch, daß wir das Offene im Sinne des "Ausgedehnten" oder des zunächst bekannten "Freien" gleichsam stetig und schrittweise nur ausweiten zu einem riesigen Behältnis, das alles "umgreift". Strenggenommen enthüllt sich das Wesen des Offenen nur dem Denken, das versucht, das Sein selbst zu denken, so, wie es uns in der abendländischen Geschichte zu unserem Geschick orgesagt it als das Zudenkende im Namen und Wesen der alétheia. Jeder Mensch der Geschichte kennt das Sein unmittelbar, ohne es doch als solches zu erkennen. Aber gleich entschieden, wie die Unmittelbarkeit dieser Kenntnis des Seins ist, gleich selten bleibt und glückt es, das Sein zu denken. Nicht als ob dieses Denken schwierig sein könnte und  zu seinem Vollzug besondere Veranstaltungen erfordere. Wenn her von einer Schwierigkeit gesprochen werden darf, dann besteht sie darin, daß das Sein zu denken das Einfachste ist, daß aber das Einfache uns am schwersteen fällt.

Um das Sein zu denken, bedarf es nicht der feierlichen Auffahrt des Aufwandes einer verzwickten Gelehrsamkeit, aber auch nicht absonderlicher und ausnahmehafter Zustände nach der Art mystischer Versenkungen und Schwelgereien in einem Tiefsinn. Es bedarf nur des einfachen Erwachens in der Nähe jedes beliebigen und unscheinbaren Seienden, welches Erwachen plötzlich sieht, daß das Seiende "ist".

Das Erwachen für dieses "es ist", vor allem das Wachbleiben für dieses "es ist" eines Seienden und das Wachen über die Lichtung des Seienden, dies macht das Wesen des wesentlichen Denkens aus. Das "es ist" des Seienden, das Sein, zeigt sich, jedesmal nur "plötzlich", griechisch ἐξαίφνης, d.h., ἐξαφανής, in der Weise, daß etwas aus dem Nichterscheinenden heraus mitten in das Erscheinende hereinfällt. Diesem wesenhaft unvermittelten und unmittelbaren Ein-fall des Seins ist das zugleich und nur so als Seiende erschienende Seiende entspricht vom Menschen her ein Verhalten, das plötzlich sich nicht mehr an das Seiende kehrt, sondern das Sein denkt. Das Sein zu denken, verlangt jedesmal einen Sprung, durch den wir von dem gewohnten Boden des Seienden, auf dem uns zunächst das jeweilige Seiende ist, abspringen in das Boden-lose, als welches das Freie sich lichtet, das wir nennen, wenn wir am Seienden weiter nichts bedenken als das "es ist."
Dieses eigentliche Denken ist "sprunghaft", denn es kennt nicht die Brücken und Geländer und Leitern des Erklärtens, das je nur Seiendes aus Seiendem ableitet, weil es auf dem "Boden" der "Tatsachen" bleibt. Dieser Boden ist brüchig. Er trägt nie. Denn jedes Seiende, daran wir uns ausschließlich halten, trägt nur zufolge einer Vergessung des Seins, worin doch das Seiende west. Das Sein aber ist kein Boden, sondern das Boden-lose. Es heißt so, weil es anfänglich von einem "Boden" und "Grund" gelöst bleibt und seiner nicht bedarf. Das Sein, das "es ist" eines Seienden, ist nie bodenständig im Seienden, gleich als könnte das Sein aus Seiendem erstellt und in diesem aufgestellt werden als auf seinen Grund. Bodenständig ist nur Seiendes in bezug auf Seiendes. Das nie bodenständige Sein ist das Boden-lose, was freilich nur vom Seienden aus gerechnet wie ein Mangel aussieht und als solches erscheint, worin wir, die wir nach Seiendem rennen, ohne Anhalt versinken. Wir fallen in der Tat auch in das Grundlose, wir finden keinen Grund, solange "wir" einen Grund nur in der Gestalt eines Seienden kennen und suchen, also niemals den Absprung in das Sein vollziehen und aus der gewohnten Landschaft der Vergessenheit des Seins ausziehen. Dazu bedarf es keiner Weitläufigkeiten und keiner Umstände.

Denn überall und jederzeit und in der nächsten Nähe des unscheinbarsten Seienden west schon das Offene der Möglichkeit, das "es ist" des Seienden als das Freie eigens zu denken, in dessen Lichtung das unverborgene Seiende erscheint. Das Offene, in das jedes Seiende als in sein Freies befreit ist, das Offene ist das Sein selbst. Jedes Unverborgene ist als ein solches im Offenen des Seins, d.h. im Boden-losen, geborgen.

Das Boden-lose, von jedem Boden und seiner Brüchigkeit ursprünglich Gelöste, ist das anfänglich Bergende; bergend allerdings nicht im Sinne einer "Geborgenheit", die der Mensch irgendwo innerhalb eines Seienden aufsucht und sich zurechtrichtet. Das Bergsame des Offenen gewährt nicht den Ort einer Zuflucht, durch die der Mensch seines Wesens sich entledigen könnte. Das Offene birgt als es selbst die Wesensstätte des Menschen, wenn anders der Mensch, und nur er, dasjenige Seiende, dem das Sein sich lichtet. Dieses als das Offene birgt in sich jede Art von Unverborgenheit des Seienden. Also bergend verbirgt aber auch das bergsame Offene jeweils den Entscheid, in welcher Anfänglichkeit das Sein dem Menschen die Unverborgenheit, d.i. die Wahrheit des Seienden im Ganzen, zufügt. In der Art dieser Zufügung liegt verborgen und geborgen die jeweilige Weise, nach der der geschichtliche Mensch der Zufügung des Seins zugehört, d.h durch den Fug be-fugt, das Sein zu würdigen und als einziges Seiendes inmitten des Seienden das Offene zu erblicken. Der Entscheid über diese Befugnis fällt selten. Er fällt jedesmal dann und dort, wann und wo das Wesen der Wahrheit, die Offenheit des Offenen, sich anfänglich bestimmmt. Dann ist ein Anfang der Geschichte. Zwar gehört der geschichtliche Mensch stets, sofern er ist, in die Zufügung des Seins. Sets sieht der Mensch, und nur er, in das Offene im Sinne des Freien, als welches jeweils das "es ist" jedes Seiende zu ihm selbst befreit und aus dieser Befreiung den Menschen in seiner Wächterschaft für das Offene anblickt. Doch wenngleich der Mensch, und nur er, stets in das Offene sieht, d.h. Seiendes im Freien seines Seins antrifft, um betroffen zu werden, so steht er deshalb nicht schon in der Befugnis, das Sein selbst eigens in sein Eigenes, d.h. in das Offene (Freie) zu bringen und d.h. das Sein zu dihten und zu denken und zu sagen. Denn weil im Offenen des Seins allein auch das Unverborgene des Seienden erscheinen kann und erscheint, hält sich der Mensch zunächst, und unversehens dann ständig, nur an das Seiende. Er vergißt das Sein und lernt in solchem Vergessen nur das eine: die Verkennung des Seins und die Entfremdung gegen das Offene.

e) Das Offene in der Gestalt des ungehemmten Fortgangs des Seienden (...)

Das Sein, dessen Zufügung sich der Mensch sogar in der äußersten Seinsvergessenheit nicht entziehen kann, zerfließt ihm aber zufolge der Entsfremdung gegen die alétheia in das bestimmungslose Ganze des Seienden. So wird dann das Sein unterschiedslos dem Seienden gleichgesetzt oder aber als leerer Begriff auf die Seite geworfen. Der Unterschied aller Unterschiede und der Anfang aller Unterscheidung, nämlich der Unterschied des Seins und des Seienden ist dann vollständig eingeebnet und unter Beihilfe des Menschen aus einer ahnungs-losen Nichtachtung des eigentlich Zudenkenden in das Unbeachtete verworfen, verworfen in der unheimlichen Weise der vergessenen Unbedachtsamkeit. Aber das Sein bleibt in der selbst kaum bedachten Weise des Seienden im Ganzen, das sich eine Verdeutlichung verschafft durch eine Deutung aus einem je verschieden bevorzugten jeweils innerhalb des Seienden. "Sein" wird zum bloßen Wortlaut, der verdeckt, was sich entzogen und verschlossen hat, wo es doch das öffnende und Offene ist.


Parmenides. Freiburger Vorlesung Wintersemester 1942/43. hrsg. Manfred S. Frings (GA 54). Frankfurt am Main: Klostermann 1982, S. 220-225.



DIE BESTIMMUNG DER SACHE DES DENKENS


Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts setzte sich dieser Vorgang der Loslösung in steigendem Maße ein. Die Logik wird Sache der eigenständigen Logistik und Semantik. Die Psychologie wird eine selbständige Wissenschaft. Die Lehre vom Miteinandersein der Menschen in der Polis, (Platons "Politeia") wird zur Soziologie und Politologie. Die Lehre vom Menschen richtet sich ein als Ethnologie und Kulturanthropologie. Dichtung und Kunst fordern als die ihnen zugeordnete Wissenschaft die Poetologie, die moderne Technik wird Thema der Technologie. Die Loslösung von der Philosophie erweist sich als Auflösung der Philosophie in selbstständige Wissenschaften.

Allein, diese Auflösung ist kein ungeordneter zufälliger Zerfall. Die neben den weithin maßgebenden Naturwissenschaften aufkommenden neuen Wissenschaftn treten nicht als eine wirre Mannigfaltigkeit (auf).

Vielmehr drängt sich immer mächtiger und deutlicher die Tendenz vor, die Vielfalt der wissenschaftlichen Forschung und des menschlichen Lebens überhaupt in der Industriegesellschaft in einr neuartigen Einheit sicherzustellen und beherrschbar zu machen.

Diese Einheit soll sich durch eine ausschließlich maßgebende Art der Einigung bewerkstelligen. Ihre auszeichnenden Charakter sind die Planung und Steuerung von allem und jedem. Die allgemeine Theorie von Planung und Steuerung, d.h. die Ausarbeitung der Bedingungen und Regeln von Planung und Steuerung ist die neu entstehende Wissenschaft, die Kybernetik heißt. Sie ist die Erforschung eines einheitlichen durchgängigen Charakters nicht nur der Menschen der Technik und der wissenschaftlichen Forschung, sondern auch der Methodik der Einrichtung des menschlich-gesellschaftlichen Handelns und Wirkens, sogar alles Geschehens überhaupt.

Demgemäß verbirgt sich in der Kybernetik und in ihrem Anspruch, philosophisch ausgedrückt, der leitende Hinblick auf ein gewandeltes Sein alles Seienden, ein Sachverhalt, der von der Kybernetik selbst zwar geahnt, aber nicht eigens bedacht und in seiner Tragweite nicht durchdacht werden kann. Dieses Sein alles Seienden ist ihr jedoch bekannt unter dem Titel "Information", d.h. Nachricht, Meldung.

Wer zunächst von außen sich mit der Kybernetik beschäftigt, wird kaum auf den Gedanken verfallen, daß sich hinter dem Titel "Information" der Name für ein gewandeltes Sein alles Seienden verbirgt. Gleichwohl muß bedacht und gesagt werden: Information ist der Titel für den Bereich, in dem allererst Planung und Steuerung auf eine universale, jeden Bezirk des Seienden durchherrschende Weise ins Spiel kommen können. Planbar und steuerbar und somit meßbar und demgemäß berechenbar sind Informationen und nur diese. Demgemäß spricht die Kybernetik von Informationsträgern.
(...)
Soweit sich aber der Mensch noch  als ein freies geschichtliches Wesen versteht, wird er sich allerdings dagegen wehren, die Bestimmung des Menschen der kybernetischen Denkweise auszuliefern. Zunächst gibt sogar die Kybernetik selbst zu, daß sie hier auf schwierige Fragen trifft. Sie hält diese jedoch für grundsätzlich lösbar und betrachtet den Menschen deshalb vorläufig noch als "Störfaktor" in der kybernetischen Rechnung. Indes kann sie ihrer Sache, alles, was ist, als gesteuerten Vorgang zu errechnen, schon sicher sein, weil sich der Gedanke regt, die Freiheit des Menschen als eine geplante, d.h. steuerbare zu bestimmen. Denn diese scheint allein noch für die Industriegesellschaft die Möglichkeit menschlichen Wohnens in der sich immer entschiedener vordrängenden technischen Welt zu gewähren.

Die Bestimmung der Sache des Denkens, 30. Oktober 1965. In: Unveröffentlichte Abhandlungen (GA 80.2), Frankfurt am Main: Klostermann 2020, p. 1246-1250.


MARTIN HEIDEGGER - RUDOLF BULTMANN

Rudolf Bultmann

Rudolf Bultmann (1884-1976)


Briefwechsel 1925 - 1975. Hrsg. v. A. Großmann und Ch. Landmesser. Frankfurt a.M.:  Klostermann 2009, S. 142-143.


49. Martin Heidegger an Rudolf Bultmann


Freiburg, 26. November  1930

Lieber Freund!

Herzlichen Dank für Deine Karte. Ich komme also Mittwoch, den 3. Dezember und freue mich sehr, daß ich bei Euch wohnen kann. Da ich Vormittag von 11-1 Uhr noch Seminar habe, kann ich erst um 3 Uhr fahren. In Marburg komme ich an um 22.38.

Was das "Programm" angeht, so möchte ich den Freitag ganz für mich haben. Wie wir den Graeca-Abend und den mit den jüngeren Leuten legen [Gadamer, Krüger, Löwith], hängt davon ab, ob eine Diskussion sein soll. Der Vortrag ist ganz positiv aufgebaut, ohne jede Auseinandersetzung, und darauf angelegt, eine Besinnung auf das Glauben indirekt vorzubereiten, d.h. für eine mögliche wirkliche Diskussion muß ein Glauben von sich aus gläubig sprechen und erst dann ist ein Raum für eine Auseinandersetzung da; d.h. ich werde nicht "als Philosoph" über die Philosophie und über den Glauben reden, sondern kann nur philosophierend und d.h. an einem bestimmt gewählten Problem den Glauben erwarten. Das ist die einzig mögliche Weise der Situationsbildung, auf die es zuerst ankommt in dem Augenblick, wo nicht über Philosophie und Theologie geredet werden soll.
So empfinde ich eine öffentliche Diskussion doch als unmöglich, zumal sich Sensation und das Wettspielmäßige nie vermeiden läßt. Natürlich gibt es über den Vortrag selbst viel zu fragen, aber ich bin nicht sicher, ob da die rechte Linie eingehalten und ob zumal nicht doch dann die Theologie usf. erneut hereinkommt. Und nur die Rolle dessen zu spielen, der immerzu vesichern soll: das gehört jetzt nicht hierher, ist unerfreulich. Mich vollends noch mit Schülern von Jaensch herumzubalgen, widerstrebt mir. Ein wirkliches Gespräch am Samstag abend bei Dir zuhause wäre der Sache angemessener und vor allem ergiebiger.
(...)
Herzliche Grüße von Haus zu Haus

Dein Martin Heidegger.


MARTIN HEIDEGGER - HANNAH ARENDT

Hannah
                          Arendt

Hannah Arendt (1906 1975)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hannah_Arendt

Texte aus: Hannah Arendt Martin Heidegger. Briefe 1925 1975. Klostermann, Frankfurt am Main 1998.


45. Martin Heidegger an Hannah Arendt [Winter 1932-33]


Liebe Hannah!

Die Gerüchte, die Dich beunruhigen, sind Verleumdungen, die völlig zu den übrigen Erfahrungen passen, die ich in den letzten Jahren machen mußte.

Daß ich Juden nicht gut von den Seminarübungen ausschließen kann, mag daraus hervorgehen, daß ich in den letzten 4 Semestern überhaupt keine Seminareinladung hatte. Daß ich Juden nicht grüßen soll, ist eine üble Nachrede, daß ich sie mir allerdings künftig merken werde.

Zur Klärung, wie ich mich zu Juden verhalte, einfach die folgenden Tatsachen:

Ich bin dieses Wintersemester beurlaubt und habe deshalb im Semester schon rechtzeitig bekanntgegeben, daß ich in Ruhe gelassen sein möchte und Arbeiten und dergleichen nicht annehme.

Wer trotzdem kommt und dringlich promovieren muß und es auch kann, ist ein Jude. Wer monatlich zu mir kommen kann, um über eine laufende große Arbeit zu berichten (weder Dissertations- noch Habilitationsprojekt) ist wieder ein Jude. Wer mir vor einigen Wochen eine umfangreiche Arbeit zur dringenden Durchsicht schickte, ist ein Jude.

Die zwei Stipendiaten der Notgemeinschaft, die ich  in den letzten 3 Semestern durchsetzte, sind Juden. Wer durch mich ein Stipendium nach Rom erhält, ist ein Jude . -

Wer das "enragierten Antisemitismus" nennen will, mag es tun.

Im übrigen bin ich heute in Universitätsfragen genau so Antisemit wie vor 10 Jahren und in Marburg, wo ich für diesen Antisemitismus sogar die Unterstützung von Jacobstahl und Friedländer fand.

Das hat mit persönlichen Beziehungen zu Juden (z.B. Husserl, Misch, Cassirer und andere) gar nichts zu tun.

Und erst recht kann es nicht das Verhältnis zu Dir berühren.

Daß ich mich seit längerer Zei überhaupt zurückziehe, hat einmal seinen Grund darin, daß ich mit meiner ganzen Arbeit doch einem trostlosen Unverständnis begegnet bin, sodann aber in wenig schönen persönlichen Erfahrungen, die ich bei meiner Lehrtätigkeit machen mußte. Ich habe mir allerdings schon längst abgewöhnt, von den sogenannten Schülern irgendwelchen Dank oder nur anständige Gesinnung zu erwarten.

Im übrigen bin ich wohlgemut bei der Arbeit, die immer schwieriger wird, und grüße Dich herzlich,

M.


216. Hannah Arendt für Martin Heidegger

Für Dich

zum 26. September 1969
nach fünfundvierzig Jahren
wie seit eh und je
Hannah

Meine Damen und Herren!

Martin Heidegger ist heute achtzig Jahre alt und feiert mit dem achtzigsten Geburtstag das fünfzigjährigen Jubiläum seiner öffentlichen Wirkung als Lehrer. Plato hat einmal gesagt 'arche gar kei theos en anthropois hidrymene sozei panta' - "denn der Anfang ist auch ein Gott, solange er unter den Menschen weilt, rettet er alles." (Gesetze 775)

Lassen Sie mich also mit diesem Anfang in der Öffentlichkeit beginnen, nicht mit dem Jahre 1889 in Messkirch, sondern mit dem Jahre 1919, dem Eintritt des Lehrers in die deutsche akademische Öffentlichkeit an der Universität Freiburg. Denn Heideggers Ruhm ist älter als die Veröffentlichung von Sein und Zeit im Jahre 1927, ja es ist fraglich ob der ungewöhnliche Erfolg dieses Buches nicht nur das Aufsehen, das es sofort erregte, sondern vor allem die außerordentlich nachhaltige Wirkung, mit derer sich sehr wenige Veröffentlichungen des Jahrhunderts messen können möglich gewesen wäre ohne den, wie man sagt, Lehrerfolg, der ihm vorausgegangen war, und den er, jedenfalls in der Meinung, derer, die damals studierten, nur bestätigte.

Um diesen Ruhm war es seltsam bestellt, seltsamer vielleicht noch als um den Kafkas in den frühen zwanziger Jahren oder den Braques und Picassos in Paris in dem davor liegenden Jahrzehnt, die ja auch dem, was man gemeinhin unter Öffentlichkeit versteht, unbekannt waren und dennoch eine außerordentliche Wirkung ausübten. Denn es lag in diesem Ffalle nichts vor, worauf der Ruhm sich hätte stützen können, nichts Schriftliches, es sei denn Kollegnachschriften, die von Hand zu Hand gingen; und die Kollegs handelten von Texten, die allgemein bekannt waren, sie enthielten keine Lehre, die man hätte wider- und weitergeben können. Da war kaum mehr als ein Name, aber der Name reiste durch ganz Deutschland wie das Gerücht vom heimlichen König. Dies war etwas völlig anderes als die um einen "Meister" zentrierten und von ihm dirigierten "Kreise", wie etwa der George-Kreis, die, der Öffentlichkeit wohl bekannt, sich von ihr die Aura eines Geheimnisses abgrenzen, um das angeblich nur die Mitglieder des Kreises wissen. Hier gab es weder Geheimnis noch Mitgliedschaft; diejenigen, zu denen das Gerücht gedrungen war, kannten sich zwar, weil sie alle Studenten waren, es gab gelegentliche Freundschaften unter ihnen und später kam es dann wohl auch hie und da zu Cliquenbildungen, aber es gab nie einen Kreis, und es gab keine Esoterik.

(Auszug) 

MARTIN HEIDEGGER MEDARD BOSS

Boss

Medard Boss (1903-1990)


Gespräche mit Martin Heidegger

in Sizilien, vom 24. April bis 6. Mai 1963


Heidegger: Die Endlichkeit des Menschen besteht darin, daß er die Anwesenheit des Seienden im Ganzen, des Schon-gewesenen und Noch-kommenden, nicht in einer unmittelbar gegenwärtigen Anwesenheit als Sein in einem nunc stans erfahren kann. Solches ist Gott vorbehalten im Christlichen. Auch die christliche Mystik wollte nichts anderes. (Auch alles indische "Meditieren" will nichts anderes als diese Erfahrung des nunc stans erreichen, als den Aufstieg in dieses nunc stans vollziehen, in dem Vergangenheit und Zukunft aufgehoben sind in einer unwandelbaren Gegenwart.)

Die Endlichkeit ist noch besser umgekehrt zu sagen: Sie ist die Erfahrung der Anwesenheit des Seienden in den drei Modi der Gewesenheit, Gegenwart und Zukunft.

Jetzt spreche ich nicht mehr von Endlichkeit, sondern sage: Es macht gerade den Reichtum des Menschen aus, daß er nicht auf die bloße gegenwärtige Anwesenheit von Jetzt- zu Jetzt-Ablauf angewiesen ist, wodurch ich das Ganze des Seins nicht verstehen kann, wobei es verschlossen bleibt, daß das Dasein seinem Wesen nach in die Fülle dieser Modi entfaltet ist.


Das Sterben-müssen des Menschen folgt nicht aus dem Gebrauchtwerden des Menschen in das Ereignis hinein. Es ist einfach so, daß er sterben muß.

Boss: Inwiefern ist nun Heideggers Auffassung der Sache des Seins adäquater als das indische Denken, das keinen Hüter der Gelichtetheit braucht, weil es ihm gemäß das Aufgehen (Brahman) von Gelichtetheit an sich gibt, die sich selbst und alles, was in sie hervorkommen mag, lichtet und unabhängig von irgendeinem Seienden ist, das noch eigens als Hüter und Aussteher dieser Gelichtetheit gebraucht würde?

Heidegger: Meine Auffassung ist insofern adäquater, als ich vom Dasein und Seinsverständnis ausgehe und mich auf dieses unmittelbar Erfahrbare beschränke. Ich brauche so nichts über eine Gelichtetheit an sich auszusagen, brauche auch nicht den Menschen als eine Erscheinungsform der Gelichtetheit zu interpretieren, wodurch das In-der-Welt-sein und das Stehen in der Lichtung des Seins als eine Auszeichnung, als die Auszeichnung des Menschen unwesentlich wird. Vor allem ist meinem Denken die zitierte indische Einsicht nicht vollziehbar. [Anm. des Hrsg.: Dieser Satz is in der originalen Transkription nicht enthalten. Er muss von Heidegger später hinzugefügt worden sein.]

Boss: Die im Meditieren erfahrenen Inder behaupten indessen, daß es ebensolcher unmittelbarer Erfahrung entspreche, das Grundwesen des Menschen, aber auch alles anderen Seienden, als der Gelichtetheit an sich unmittelbar zugehörig, diese selbst mitausmachend zu erkennen, nicht zu "interpretieren".

Heidegger: "Hellen"
"hell" ist dasselbe wie "Hallen" im Sinne von Tönen. Das "Hellen" im Sinne des Sich-ereignens von Offenbarwerden von Sein ereignet sich im Grunde als "Hallen", als Ton: alles Seiende sonst fällt aus dem Grundton heraus. Wie nahe dies den indischen Einsichten in die letzten Wahrheiten kommt, zeigt sich am klarsten in meiner Aussage: "Sprache ist das Haus des Seins". [Martin Heidegger: Brief über den "Humanismus". In: Ders.: Wegmarken, GA 9, A.a.O. S. 333.]

Schlußgespräch im Flugzeug Rom Zürich am 5. Mai 1963
1. Die Uhr und die Messung mit der Uhr kann niemals die Anwesenheit von etwas beweisen, sondern setzt die Anwesenheit voraus. Das Messen beweist niemals das "Früher" der Erde z.B. als einer "Eigenschaft" der Erde.
2. Der Naturforscher, der mißt, kann als solcher nichts über die Anwesenheit aussagen; mithin auch nichts über das Gewesen-sein.
Dagegen wird man argumentieren: das "Früher-sein" gehört doch zur Erde. Dann kann man nur dagegen fragen: wie gehört das "Früher-sein" zur Erde? Das "Früher-sein" gehört zum Menschen, d.h. es zeigt sich in der Lichtung, in die er hinaussteht.
Wenn man nicht schon das Anwesen der Erde und zwar ein unbestimmt altes Anwesen der Erde voraussetzt, kommt niemand auf den Gedanken, das Alter zu messen.
Entscheidend für das Verständnis des Gesagten ist es, das "Gewesen-sein" nicht als bloßen Schatten des Gegenwärtigen zu begreifen, sondern als Gerade-Anwesen, als einen vollen Modus der Anwesenheit, ebenso Anwesenheit wie die Gegenwart. Sonst bleibt man im Zeitverständnis der ablaufenden Jetzt-Punkte.

Quelle: Zollikoner Seminare, Gesamtausgabe Bd. 89, Frankfurt a.M. 2018, S. 664-666.


Medard Boss: Indienfahrt eines Psychiaters, Bern: Huber 1987, S. 8-9

Nach dreissig Jahren

Nach des Autors Rückkehr aus Indien kamen unzählige Gespräche über des Autors indische Erfahrungen mit Martin Heidegger zustande. Zuvor hatte Martin Heidegger so gut wie nichts vom Denken des alten Indien gewußt. Er wähnte bis dahin, das besinnliche Denken der Menschen hätte erst mit den Vorsokratikern des alten Griechenlandes begonnen. Insbesondere hatte er noch nichts davon gehört, daß den alten indischen Weisen schon vor vielen tausend Jahren ein Wort von grundlegender Bedeutung war, das auch seinem, Heideggers Denken den tragenden Boden gab. Die großen indischen Weisen gebrauchten hierfür das Wort "Brahman".  Sie sprachen mit ihm "das große Aufgeben" an, das "von Grund auf Lichtende". Von einer Lichtung sprach aber auch Martin Heidegger in seinem frühen Werk "Sein und Zeit". Ineins damit glaubte er, das menschliche Existieren sei die letzte und unabdingbare Voraussetzung dafür, daß überhaupt etwas "sein" könne. Im Gegensatz dazu hatten die uralten indischen Weisen erfahren, daß es "Brahman" im Sinne eines Lichthaften und Offenen auch ohne die Anwesenheit von Menschenwesen geben können.
Zur Zeit vor der Indienfahrt des Autors vermochte Martin Heidegger gerade in diesem Punkte seinen indischen Vordenkern nicht zu folgen. Doch dann, viele Jahre nach des Autors Rückkehr aus Indien, waren in einem Vortrag von Martin Heideggr unversehens die folgenden erstauchlichen Sätze zu vernehmen: "Aber es bedurfte eines jahrzehntenlangen Ganges auf Holzwegen, um zu erkennen, daß der Satz in "Sein  und Zeit": "das Da-sein des Menschen ist selbst die Lichtung", die Sache des Denkens vielleicht geahnt, aber in keiner Weise hinreichend gedacht, das heißt: als eine schon die Sache erreichende Frage vorgelegt hat. Das Da-sein ist die Lichtung für die Anwesenheit als solche und ist sie zugleich durchaus nicht, insofern die Lichtung erst das Da-Sein ist, das heißt, es als ein solches gewährt. Die Analytik des Daseins gelangt noch nicht in das Eigene der Lichtung und vollends nicht in den Bereich, dem die Lichtung ihrerseits zugehört." (Erstmals posthum publiziert in der vom Sohne Hermann Heidegger herausgegebenen Schrift "Zur Frage nach der Bestimmung der Sache des Denkens". Erker Verlag St. Gallen 1984, S. 19.)
Mit diesem Eingeständnis geschieht indessen nichts Geringeres, als daß nun auch der moderne westliche Denker Martin Heidegger dasselbe erkannte, was schon die uralten indischen Weisen vernommen hatten. Auch Martin Heidegger sah jetzt ein, daß das vernehmende, gelichtete menschliche Existieren ein Seiendes ist und als solches einer vormenschlichen, umfassenderen Lichtung bedarf, damit es überhaupt zum Vorschein gelangen kann.
Die Möglichkeit ist damit eröffnet, daß nun die altindische und die neueste westliche Denkweise gemeinsam den heute planetarisch herrschenden Subjektivismus des modernen Maschinen- und Atomzeitalters ein gut Stück überwinden können.



MARTIN HEIDEGGER - JOSÉ ORTEGA Y GASSET

Ortega y Gasset

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Jos%C3%A9_Ortega_y_Gasset


Begegnungen mit Ortega y Gasset

Von zwei Erinnerungen an Ortega y Gasset möchte ich kurz erzählen. Sie bleiben mir die denkwürdigen und halten jeweils zwei Begegnungen im Gedächtnis.

Die erste Erinnerung geht in die Tage des zweiten Darmstädter Gesprächs Anfang August 1951. Ortega und ich hatten zu dem Gespräch, dessen Thema "Der Mensch und der Raum" hieß, Vorträge übernommen. Nach meinem Vortrag "Bauen, Wohnen, Denken" begann das Gespräch zwischen den prominenten Architekten und Gelehrten am langen Tisch auf dem Podium in der Darmstädter Stadthalle. Ich selbst hatte in der Reihe der Zuhörerschaft Platz genommen. Alsbald erging sich einer der Teilnehmer am "Gespräch" in heftigen Ausfällen gegen meinen Vortrag. Sie gipfelten in der Behauptung, der Vortrag habe die wesentlichen Fragen nicht gelöst, sondern nur "zerdacht", d.h. durch Denken in Nichts aufgelöst. In diesem Augenblick meldete sich Ortega y Gasset zum Wort, nahm gleichzeitig dem neben ihm sitzenden Redner das Mikrophon weg und sagte zum Publikum folgendes: "Der liebe Gott braucht die Zerdenker, damit die übrigen Tiere nicht schlafen." Durch dieses geistreiche Wort wurde die Situation mit einem Schlag verändert. Aber dieses Wort war nicht nur geistreich; es war vor allem ritterlich. Diesen auch sonst vornehmen bekundeten ritterlichen Geist Ortegas gegenüber meinen Reden und Schriften habe ich um so höher bewundert und geschätzt, als Ortega vielem die Zustimmung versagte, und durch manches beunruhigt war, was ihm seine Originalität zu bedrohen schien.
An einem Abend der Darmstädter Tage gab es ein Gartenfest im Hause des Stadtarchitekten. In vorgerückter Stunde fand ich auf einem Gang in den Garten Ortega allein, seinen großen Hut auf dem Kopf, in einer Laube sitzen bei einem Glas Wein. Er war in gedrückter Stimmung. Er winkte mir, und ich setze mich zu ihm, nicht nur aus Freundlichkeit, sondern weil mich die große Traurigkeit, die von seiner geistigen Gestalt ausging, gefangen nahm. Bald kam auch der Grund der Traurigkeit ans Licht der matt erleuchteten Laube. Ortega war verzweifelt über das Unvermögen des Denkens gegenüber den Mächten der gegenwärtigen Welt. Aber es sprach aus ihm zugleich eine Vereinsamung, die nicht erst durch äußere Umstände bewirkt sein konnte. Nach einigen kräftigen Zügen aus unseren Gläsern nahm unser stockendes Gespräch die Richtung auf die Frage nach dem Verhältnis des Denkens zur Muttersprache. Ortegas Züge heiterten sich plötzlich auf: Er wußte sich in seiner Heimat, und ich spürte aus den sprachlichen Beispielen, die er vorlegte, wie stark und unmittelbar er aus seiner Muttersprache dachte. Zur Ritterlichkeit gesellte sich mir ein Bild von ihm, die Einsamkeit seines Suchens, zugleich aber die Kindlichkeit, die freilich himmelweit entfernt von Naivität war - denn Ortega war ein scharfter Beobachter nicht zuletzt der Wirkung, die sein jeweiliges Auftreten erzielen wollte.

Die zweite Erinnerung geht zur Bühlerhöhe, wo wir an einem Sonntagvormittag heftig, aber in den schönsten Grenzen, die schärfsten Klingen kreuzten. Zur Frage stand der Seinsbegriff und die Etymologie der philosophischen Grundwerte. Die Auseinandersetzung bezeugte Ortegas vielseitige Orientierung in den Wissenschaften. Sie zeigte mir jedoch auch eine Art von Positivismus, über den zu urteilen mir nicht zusteht, da ich nur wenige Schriften Ortegas kenne und auch diese nur aus Übersetzungen. Der Nachmittag desselben Tages brachte mir und wohl allen Anwesenden bei einem Tee den nachhaltigsten Eindruck der Persönlichkeit Ortega y Gassets. Ortega sprach über ein Thema, das weder geplant noch formuliert war und das doch auf den Titel gebracht werden kann: "Der spanische Mensch und der Tod". Gewiß sagte er nur solche, was ihm lang vertraut war, aber wie er es sagte, verriet, wie weit weg er von seinen gebannten Zuhörern war - vermutlich in dem Bereich, durch den er jetzt hindurchgeganten ist. Wenn ich an Ortega y Gasset denke, kommt mir seine Gestalt vor Augen, wie sie sich an jenem Nachmittag zeigte in Rede, in viel Schweigen und Gebärde, in Ritterlichkeit, Einsamkeit, Kindlichkeit, Traurigkeit, mit vielfältigem Wissen und einer bezaubernden Schalkhaftigkeit.

Quelle: Martin Heidegger: Aus der Erfahrung des Denkens. GA 13, Klostermann 1983, 127-129.

Nachweis des Herausgebers (Hermann Heidegger), S. 248:
Begegnungen mit Ortega y Gasset (1955) Nach dem Tod des spanischen Philosophen wurde Martin Heidegger im Herbst 1955 von Javier Conde, dem Direktor des "Instituto de Estudios Políticos" der Madrider Universität gebeten, einen Beitrag zur nachträglichen Ehrung Ortega y Gassets in der Zeitschrift
CLAVILEÑO Revista de la Asociación Internacional de Hispanismo - zu schreiben. Heideggers Beitrag wurde bisher nur in dieser Zeitschrift, spanisch übersetzt, Jg. VII, Nr. 39, S. 1-2, Mai/Juni 1956, veröffentlicht.

Vgl. v.Vf.: José Ortega y Gasset (1883-1955)


MARTIN HEIDEGGER - FRIEDRICH SCHILLER


Friedrich
                          Schiller
 Friedrich Schiller 1759-1805


Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in  einer Reihe von Briefen (1792-1793). In: Schillers Werke. Verlag "Das Bergland-Buch" Salzburg  o.D. Bd. 1, Philosophische Schriften, 20. Brief: Der ästhetische Zustand, 370-371.


Daß auf die Freiheit nicht gewirkt werden könne, ergibt sich schon aus ihrem bloßen Begriff; daß aber die Freiheit selbst eine Wirkung der Natur (dieses Wort in seinem weitesten Sinne genommen) kein Werk des Menschen sei, daß sie also auch durch natürliche Mittel befördert und gehemmt werden könne, folgt gleich notwendig aus dem vorigen. Sie nimmt ihren Anfang erst, wenn der Mensch vollständig ist und seine beiden Grundtriebe sich entwickelt haben; sie muß also fehlen, solange er unvollständig und einer von beiden Trieben ausgeschlossen ist, und es muß alles das, was ihm seine Vollständigkeit zurückgibt, wiederhergestellt werden können.

Nun läßt sich wirklich, sowohl in der ganzen Gattung als in dem einzelnen Menschen, ein Moment aufzeigen, in welchem der Mensch noch nicht vollständig und einer von beiden Trieben ausschließend in ihm tätig ist. Wir wissen, daß er anfängt mit bloßem Leben, um zu endigen mit Form, daß er früher Individuum als Person ist, daß er von den Schranken aus zur Unendlichkeit geht. Der sinnliche Trieb kommt also früher als der vernünftige zur Wirkung, weil die Empfindung den Bewußtsein vorhergeht, und in dieser Priorität des sinnlichen Triebes finden wir den Aufschluß zu der ganzen Geschichte der menschlichen Freiheit. -

Der Mensch kann nicht unmittelbar vom Empfinden zum Denken übergehen; er muß einen Schritt zurücktun, weil nur, indem eine Determination wieder aufgehoben wird, die entgegengesetzte eintreten kann. Er muß also, um Leiden mit Selbständigkeit, um eine passive Bestimmung mit einer aktiven zu vertauschen, augenblicklich von aller Bestimmung mit einer aktiven zu vertauschen, augenblicklich von aller Bestimmung frei sein und einen Zustand der bloßen Bestimmbarkeit durchlaufen. Mithin muß er auf gewisse Weise zu jenem negativen Zustand der bloßen Bestimmungslosigkeit zurückkehren, in welchem er sich befand, ehe noch irgend etwas auf seinen Sinn einen Eindruck machte.

Das Gemüt geht also von der Empfindung zum Gedanken durch eine Mittlere Stimmung über, in welcher Sinnlichkeit und Vernunft zugleich tätig sind, eben deswegen aber ihre bestimmende Gewalt gegenseitig aufheben und durch eine Entgegensetzung einer Negation bewirken. Diese mittlere Stimmung, in welcher das Gemüt weder physisch noch moralisch genötigt und doch auf beide Art tätig ist, verdient vorzugsweise eine freihe Stimmung zu heißen, und wenn man den Zustand sinnlicher Bestimmung den physischen, den Zustand vernünftiger Bestimmung aber den logischen und moralischen nennt, so muß man diesen Zustand der realen und aktiven Bestimmbarkeit den ästhetischen heißen.

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Martin Heidegger: Gesamtausgabe, Band 84,2. Seminare: Kant - Leibniz - Schiller. Frankfurt am Main: V. Klostermann 2023, Vollständige Mitschrift von Wilhelm Hallwachs der Übungen für Anfänger. Schillers Briefe über die aesthetische Erziehung des Menschen, Wintersemester 1936-37.

S. 680-681

Wenn der ästhetische Zustand das Vermittelnde ist, und wenn es sich darum handelt, seine Verwirklichung zu verfolgen, dann handelt es sich jetzt darum: um die Frage, wie eine Vermittlung überhaupt wird, genauer: darum: die Wesensbedingungen des Werdens einer Vermittlung herauszustellen. Eine Vermittlung bring das eine und das andere (zwischen denen sie vermittelt) in dieselbe Mitte, worin beide sich einen. Was gehört überhaulpt dazu, damit ein solches Vermitteln wird, zwischen physischem und moralischem Zustand? Was muß die Vermittlung zunächst leisten? Der Vermittler muß zu jedem der beiden Entgegenstehenden hingehen. Der ästhetische Zustand ist, wenn er vermitteln soll, ein Zustand, der hineingeht in den einen und in den anderen, und beide vereinigt, zueinander herholt.
Bei der Vermittlung zwischen physischem und moralischem Zustand ist entscheidend: Der ästhetische Zustand muß den physischen selbst verwandeln. Dazu muß der ästhetische Zustand gleichsam in den physischen Zustand zurückgehen. Dies ist der "Schritt zurück". Nur im Schritt zurück, (zu der Sinnlichkeit), nur im Wiederholen der Sinnlichkeit wird der Mensch = Mensch (Sobald der Mensch = Mensch ist, ist er nicht bloß Tier, nicht reine Sinnlichkeit.)
Der Schritt zurück geschieht, um die Sinnlichkeit erst zu sich selbst zu befreien. Dieser Schritt zurück ist wesensnotwendig für das Werden des ästhetischen Zustands, als desjenigen Zustands, der das Mensch-sein ausmacht.
Warum erst Schritt zurück? Die Sinnlichkeit ist früher da. Es besteht eine Priorität der Sinnlichkeit; der Mensch ist im vorhinein in die Sinnlichkeit geworfen; er liegt schon ihr, wenn er zu sich selbst kommt. Deshalb muß, um die Vollständigkeit des Menschen, die sinnlich-vernünftige  Einheit, zur Freiheit zu bringen, der Schritt zurück gemacht werden.

Wie geht der Mensch vom sinnlichen Zustand über zu dem ästhetischen? Dieser Übergang kann nicht von uns aus, rein willensmäßig, geleistet werden, sondern es ist immer ein "Geschenk der Natur" .
(Schiller, Über die..., 26. Brief, vgl. 21. Brief. Mit Mitschriften von Siegfried Bröse und von Ingeborg Schroth der 12. Sitzung vom 17. Februar 1937 sprechen an dieser Stelle von einer "Gunst der Natur").

Schillers Begriff der Natur schwankt zwischen Kant und den Griechen (darauf nicht näher einzugehen). Die Natur ist das Nichtwillensmäßige im Menschen. Sie muß mithelfen, muß etwas leisten und schenken im voraus.


S. 689-690

Diese Briefe Schillers sind der erste Gegenschlag gegen die französische Revolution.

Schiller und die französische Revolution wollen beide die Herrschaft der Vernunft. Der Unterschied ist aber der: Schiller (stellt sich) gegen das unmittelbare Wirken der für sich bloß rechnenden Vernunft in der Durchsetzung und Gestaltung der Geschichte. Schiller will zeigen, daß der Mensch erst als Natur in der Einheit mit der Vernunft zum freien geschichtlichen Handeln kommt.

Also ist diese Auffasung des Ästhetischen bestimmt durch die Bejahung des Vernunftideals. Sie ist ein Gegenschlag gegen die Revolution in Bezug auf die Verwirklichung, auf das Werden der Vernunftherrschaft in der Geschichte. Sie ist aber nicht die Setzung eines anderen Ideals, nicht die Überwindung der Vernunftstandpunktes. Deshalb haben wir im 19. Jahrhundert den Liberalismus.

Es bleibt das Vernunftideal erhalten und damit der Nihilismus.
Es ist nichts als die freie Vernunft des Menschen selbst. Und die Kunst bewegt sich im Bereich des ästhetischen Scheins (Schein ernstgenommen). Aber die Kunst ist nur Durchgang, nur Vermittlung, Ermöglichung des eigentlichen Handelns im Sinne der Vernunft-wahrheit - und - Sittlichkeit.



SPRÜCHE SALOMO 4,23


Salomon

Salomon (ca. 970-931 v.Chr). Portrait von Pedro Berruguete (ca. 1500)

Behüte dein herz mit allem vleiß / Denn daraus gehet das Leben.


In der Übersetzung von Luther: D. Martin Luther: Biblia. Das ist die gantze Heilige Schrift. Deutsch auffs new zugericht. Wittenberg 1545. Band 2. Hg. v. H. Holz, München 1974.

Quellen

Biblia Hebraica
MiKol Mishmar Netsor Libecha Ki Mimenu Totz-ot Chaim

Anmerkungen von Shaked Spier (Berlin) auf meine Anfrage (7. August 2020)
Leben - Chaim חיים
Wird im modernen Hebräisch gebraucht. Le Chaim (“auf das Leben”) wird beim Anstoßen gesagt, die hebräische Version von "zum Wohl”, “Prost”, oder “Cheers" sozusagen.
Dein Herz (männlich - eine männliche Person wird angesprochen) - Libecha/Libcha/Livcha ליבך
Herz - Lev
Wird im modernen Hebräisch gebraucht.
Hüte (auch hier weißt die Grammatik auf eine männliche Person hin, die angesprochen wird) - Netsor נצר
Hüten - Lintzor לנצור
https://www.morfix.co.il/לנצור
Existiert im modernen hebräisch, wird aber selten verwendet. Ich denke, das Wort kommt eher in einem literarischen oder traditionellen Kontext vor.
MiKol Mishmar - eine Steigerung von hüten oder beschützen, mehr als nur einmal hüten oder beschützen.
Im modernen Hebräisch wird das verwandte Wort für hüten/beschützen verwendet - Lishmor לשמור.
Die Steigerung existiert auch in dieser Kombination und wird oft verwendet - Lishmor MiKol Mishmar. Ich vermute, dass bei der Übersetzung “Fleiß” die Redewendung MiKol Mishmar gemeint ist. Obwohl Fleiß keine wortwörtliche Übersetzung ist. Im modernen Hebräisch werden die Wörter Charitsut (Fleiß), Hatmada (Beharrlichkeit) und Shakdanut (Lerneifer) für Fleiß verwendet.


Septuaginta:
πάσῃ φυλακῇ τήρει σὴν καρδίαν·
ἐκ γὰρ τούτων ἔξοδοι ζωῆς.

Vulgata
Omni custodia serva cor tuum,
quia ex ipso vita procedit.


Richard Wisser: Das Fernseh-Interview.
In: Güther Neske (Hg.): Erinnerung an Martin Heidegger. Neske, Pfullingen 1977, S. 257-58

"Ich klingele, ein Blick auf den Hausspruch über der Tür: "Behüte dein Herz mit allem Fleiß; denn daraus geht das Leben." (Sprüche Salomos, 4,23).

Johannes Vorlaufer: "Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste". Marginalien zu Heideggers Frage nach einer "ursprünglichen" Ethik.In: Daseinsanalyse 35 (2019) 56:

"Und wen wir uns vom Guten berühren, ihm entsprechend in Anspruch nehmen lassen, gibt es aus dieser Erfahrung dann vielleicht doch einen Weg von der bei Heidegger unentfalteten ursprünglichen Ethik zu alltäglich notwendigen Regeln? In diesem Sinne könnte vielleicht ein Hinweis Heideggers aus dem Humanismusbrief verstanden werden. "[...] muß das Verlangen nach einer verbindlichen Anweisung erwachen und nach Regeln, die sagen, wie der aus der Ek-sistenz zum Sein erfahrene Mensch einer ursprünglichen  Ethik sogar ein ethisches Postulat möglich sein." (M. Heidegger: GA 9, 353). Ein solches Postulat befindet sich über der Eingangstür zum Wohnhaus Heideggers in Freiburg. Es ist dort ein Vers aus dem alttestamentarischen Buch der Sprüche Salomons eingraviert und lautet: "Behüte Dein Herz mit allem Fleiß, denn daraus gehet das Leben." (Sprüche Salomo 4, 23, zit. in Neske (Hrg.) Erinnerung an Heidegger, 258) Es ist ein sanftes Postulat, ein Appell, in der Sprache Heideggers eher ein Geheiß, das uns unaufdringlich in das Walten der Nähe des Seins ruft, ja es ist diese Nähe des Seins, die uns selbst in unser Da, in das Ek- des Eksistierens, ruft."


 

SØREN KIERKEGAARD


Kierkegaard

Søren Kierkegaard (1813-1855)


Entweder ― Oder

ΔΙΑΨΑΛΜΑΤΑ

ad se ipsum

Grandeur, savoir, renommée,

Amitié, plaisir et bien,

Tout n'est que vent, que fumée:

Pour mieux dire, tout n'est rien.



Was ist ein Dichter? Ein unglücklicher Mensch, der tiefe Qualen in seinem Herzen birgt, dessen Lippen aber so geformt sind, daß, indem der Seufzer und der Schrei über sie ausströmen, sie klingen wie eine schöne Musik. Es geht ihm wie jenen Unglücklichen, die im Ochsen des Phalaris langsam bei gelindem Feuer gepeinigt wurden, ihre Schreie drangen nicht bis an das Ohr des Tyrannen, um ihn zu entsetzen, ihm klangen sie wie eine süße Musik. Und die Menschen scharen sich um den Dichter un sagen zu ihm: Singe bald wieder; das heißt: möchten doch neue Leiden deine Seele martern, und möchten doch die Lippen so geformt bleiben wie bisher; denn der Schrei würde uns bloß ängstigen, die Musik aber, die ist lieblich. Und die Rezensenten treten hinzu, die sagen: Ganz recht, so soll es sein nach den Regeln der Ästhetik. Nun, versteht sich, ein Rezensent gleicht einem Dichter ja aufs Haar, nur hat er nicht die Qualen im Herzen, nicht die Musik auf den Lippen. Sieh, darum will ich lieber Schweinehirt sein auf Amagerbro und von den Schweinen verstanden sein, als Dichter sein und mißverstanden sein von den Menschen.

Etwas Wunderbares ist mir widerfahren. Ich ward entzückt in den siebenten Himmel. Dort saßen alle Götter versammelt. Aus besonderer Gnade wurde mir die Gunst gewährt, einen Wunsch zu tun. "Willst du", sprach Merkur, "willst du Jugend oder Schönheit oder Macht oder ein langes Leben oder das schönste Mädchen oder eine andere Herrlichkeit von den vielen, die wir in der Kramkiste haben, so wähle, jedoch nur eines." Ich war einen Augenblick unschlüssig, dann wandte ich mich mit folgenden Worten an die Götter: Hochverehrte Zeitgenossen, eines wähle ich, daß ich immer die Lacher auf meiner Seite haben möge. Da war auch nicht ein Gott, der ein Wort erwiderte, hingegen fingen sie alle an zu lachen. Daraus schloß ich, daß meine Bitte erfüllt sei, und fand, daß die Götter verständen, sich mit Geschmack auszudrücken; denn es wäre ja doch unpassend gewesen, ernsthaft zu antworten: Es sei dir gewährt.

Hemme nicht deiner Seele Flug, betrübe nicht das Bessere in dir, ermatte deinen Geist nicht mit halben Wünschen und halben Gedanken. Frage dich, und höre nicht auf zu fragen, bis du die Antwort findest; denn man kann eine Sache viele Male erkannt, sie anerkannt haben, man kann eine Sache viele Male gewollt, sie versucht haben, und doch, erst die tiefe innere Bewegung, erst des Herzens unbeschreibliche Rührung, erst sie vergewissert dich, daß das, was du erkannt hast, dir gehört, daß keine Macht es dir rauben kann; denn nur die Wahrheit, die erbaut, ist Wahrheit für dich.


S
øren Kierkegaard: Entweder Oder. München: dtv 2019, 17, 54-55, 932-33.



EDITH PIAF


Edith
                          Piaf

Edith Piaf (1915-1963)

Non, je ne regrette rien

Non, rien de rien
Non, je ne regrette rien
Ni le bien, qu'on m'a fait
Ni le mal, tout ça m'est bien égal

Non, rien de rien
Non, je ne regrette rien
C'est payé, balayé, oublié
Je me fous du passé

Avec mes souvenirs
J'ai allumé le feu
Mes chagrins, mes plaisirs
Je n'ai plus besoin d'eux
Balayer les amours
Avec leurs trémolos
Balayer pour toujours
Je repars à zéro

Non, rien de rien
Non, je ne regrette rien
Ni le bien, qu'on m'a fait
Ni le mal, tout ça m'est bien égal

Non, rien de rien
Non, je ne regrette rien
Car ma vie, car mes joies
Aujourd'hui, ça commence avec toi


Wikipedia

Non, je ne regrette rien est une chanson composée en 1956 par Charles Dumont, sur des paroles de Michel Vaucaire. Elle est enregistrée pour la première fois par Édith Piaf le 10 novembre 1960 et sort en décembre.




GIUSEPPE VERDI


Verdi

Giuseppe Verdi (1813-1901)

Va, pensiero



Va, pensiero sull’ali dorate,
Va, ti posa sui clivi, sui colli,
Ove olezzano tepide e molli
L’aure dolci del suolo natal!

Del Giordano le rive saluta,
Di Sionne le torri atterrate…
Oh mia patria sì bella e perduta!
Oh membranza sì cara e fatal!

Arpa d’or dei fatidici vati,
Perché muta dal salice pendi?
Le memorie nel petto riaccendi,
Ci favella del tempo che fu!

O simile di Solima ai fati
Traggi un suono di crudo lamento,
O t’ispiri il Signore un concento
Che ne infonda al patire virtù!


Wikipedia

Das Lied Va, pensiero, sull'ali dorate („Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen“, auch als Gefangenenchor oder Freiheitschor bezeichnet) ist ein Chorwerk aus dem dritten Akt der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi. Das Libretto stammt von Temistocle Solera, der Psalm 137 zum Vorbild nahm. Der Chor der Hebräer, die in Babylonien gefangen sind, beklagt das ferne Heimatland und ruft Gott um Hilfe an. Der Chor gilt als berühmtester aller Verdi-Chöre.



OCTAVIO PAZ


Octavio Paz

Octavio Paz (1914-1998)
De Foto: Jonn Leffmann, CC BY 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27401302

 Pasado en claro

 

Anochecer. En la terraza
oficiaba la luna silenciaria.
La cabeza de muerto, mensajera
de las ánimas, la fascinante fascinada
por las camelias y la luz eléctrica,
sobre nuestras cabezas era un revoloteo
de conjuros opacos. ¡Mátala!
gritaban las mujeres
y la quemaban como bruja.
Después, con un suspiro feroz, se santiguaban.
Luz esparcida. Psiquis...

 

                                   ¿Hay mensajeros? Sí,
cuerpo tatuado de señales
es el espacio, el aire es invisible
tejido de llamadas y respuestas.
Animales y cosas se hacen lenguas,
a través de nosotros habla consigo mismo
el universo. Somos un fragmento
–pero cabal en su inacabamiento–
de su discurso. Solipsismo
coherente y vacío:
desde el principio
¿qué dice? Dice que nos dice.
Se lo dice a sí mismo.
Oh madnesss of discourse,
that cause sets up with and against itself!
 
Desde lo alto del minuto
despeñado en la tarde en la tarde de plantas fanerógamas
me descubrió la muerte.
Y yo en la muerte descubrí al lenguaje.
El universo habla solo
pero los hombres hablan con los hombres:
hay historia. Guillermo, Alfonso, Emilio:
el corral de los juegos era historia
y era historia jugar a morir juntos.
La polvareda, el grito, la caída:
algarabía, no discurso.

En: The collected Poems of Octavio Paz. 1957-1987. Edited by Eliot Weinberger
, New York 1987, 456




ARISTOTELES


Aristoteles

Aristoteles (384-322  v.Chr.)
Von Nach Lysipp - Eric Gaba (User:Sting), July 2005., CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=295872

Aristotle's Politica. Oxford, Clarendon Press. 1957, Pol. II, 1261a ff.
Transl. H. Rackham


[1261α] ἀλλὰ πότερον ὅσων ἐνδέχεται κοινωνῆσαι, πάντων βέλτιον κοινωνεῖν τὴν μέλλουσαν οἰκήσεσθαι πόλιν καλῶς, ἢ τινῶν μὲν τινῶν δ᾽ οὒ βέλτιον; ἐνδέχεται γὰρ καὶ τέκνων καὶ γυναικῶν [5] καὶ κτημάτων κοινωνεῖν τοὺς πολίτας ἀλλήλοις, ὥσπερ ἐν τῇ Πολιτείᾳ τῇ Πλάτωνος: ἐκεῖ γὰρ ὁ Σωκράτης φησὶ δεῖν κοινὰ τὰ τέκνα καὶ τὰς γυναῖκας εἶναι καὶ τὰς κτήσεις. τοῦτο δὴ πότερον ὡς νῦν οὕτω βέλτιον ἔχειν, ἢ κατὰ τὸν ἐν τῇ Πολιτείᾳ γεγραμμένον νόμον; [10]
ἔχει δὴ δυσχερείας ἄλλας τε πολλὰς τὸ πάντων εἶναι τὰς γυναῖκας κοινάς, καὶ δι᾽ ἣν αἰτίαν φησὶ δεῖν νενομοθετῆσθαι τὸν τρόπον τοῦτον ὁ Σωκράτης, οὐ φαίνεται συμβαῖνον ἐκ τῶν λόγων. ἔτι δὲ πρός, τὸ τέλος ὅ φησι τῇ πόλει δεῖν ὑπάρχειν, ὡς μὲν εἴρηται νῦν, ἀδύνατον, πῶς δὲ δεῖ διελεῖν, οὐδὲν διώρισται. [15] λέγω δὲ τὸ μίαν εἶναι τὴν πόλιν ὡς ἄριστον ὂν ὅτι μάλιστα πᾶσαν: λαμβάνει γὰρ ταύτην τὴν ὑπόθεσιν ὁ Σωκράτης. καίτοι φανερόν ἐστιν ὡς προϊοῦσα καὶ γινομένη μία μᾶλλον οὐδὲ πόλις ἔσται: πλῆθος γάρ τι τὴν φύσιν ἐστὶν ἡ πόλις, γινομένη τε μία μᾶλλον οἰκία μὲν ἐκ πόλεως ἄνθρωπος δ᾽ ἐξ οἰκίας [20] ἔσται: μᾶλλον γὰρ μίαν τὴν οἰκίαν τῆς πόλεως φαίημεν ἄν, καὶ τὸν ἕνα τῆς οἰκίας: ὥστ᾽ εἰ καὶ δυνατός τις εἴη τοῦτο δρᾶν, οὐ ποιητέον: ἀναιρήσει γὰρ τὴν πόλιν.

οὐ μόνον δ᾽ ἐκ πλειόνων ἀνθρώπων ἐστὶν ἡ πόλις, ἀλλὰ καὶ ἐξ εἴδει διαφερόντων. οὐ γὰρ γίνεται πόλις ἐξ ὁμοίων. ἕτερον γὰρ συμμαχία [25] καὶ πόλις: τὸ μὲν γὰρ τῷ ποσῷ χρήσιμον, κἂν ᾖ τὸ αὐτὸ τῷ εἴδει (βοηθείας γὰρ χάριν ἡ συμμαχία πέφυκεν), ὥσπερ ἂν εἰ σταθμὸς πλεῖον ἑλκύσειε, ἐξ ὧν δὲ δεῖ ἓν γενέσθαι εἴδει διαφέρειν (διοίσει δὲ τῷ τοιούτῳ καὶ πόλις ἔθνους, [30] ὅταν μὴ κατὰ κώμας ὦσι κεχωρισμένοι τὸ πλῆθος, ἀλλ᾽ οἷον Ἀρκάδες). διόπερ τὸ ἴσον τὸ ἀντιπεπονθὸς σῴζει τὰς πόλεις, ὥσπερ ἐν τοῖς Ἠθικοῖς εἴρηται πρότερον: ἐπεὶ καὶ ἐν τοῖς ἐλευθέροις καὶ ἴσοις ἀνάγκη τοῦτ᾽ εἶναι: ἅμα γὰρ οὐχ οἷόν τε πάντας ἄρχειν, ἀλλ᾽ ἢ κατ᾽ ἐνιαυτὸν ἢ κατά τινα ἄλλην τάξιν ἢ χρόνου. καὶ συμβαίνει δὴ τὸν [35] τρόπον τοῦτον ὥστε πάντας ἄρχειν, ὥσπερ ἂν εἰ μετέβαλλον οἱ σκυτεῖς καὶ οἱ τέκτονες καὶ μὴ ἀεὶ οἱ αὐτοὶ σκυτοτόμοι καὶ τέκτονες ἦσαν. ἐπεὶ δὲ βέλτιον οὕτως ἔχει καὶ τὰ περὶ τὴν κοινωνίαν τὴν πολιτικήν, δῆλον ὡς τοὺς αὐτοὺς ἀεὶ βέλτιον ἄρχειν, εἰ δυνατόν, ἐν οἷς δὲ μὴ δυνατὸν διὰ τὸ τὴν φύσιν ἴσους εἶναι πάντας,


[1261a] [1] But is it better for a city that is to be well ordered to have community in everything which can possibly be made common property, or is it better to have some things in common and others not? For example, it is possible for the citizens to have children, wives and possessions in common with each other, as in Plato's Republic, in which Socrates says that there must be community of children, women and possessions. Well then, which is preferable, the system that now obtains, or one conforming with the regulation described in the Republic1?
Now for all the citizens to have their wives in common involves a variety of difficulties; in particular,2 (1) the object which Socrates advances as the reason why this enactment should be made clearly does not follow from his arguments; also (2) as a means to the end which he asserts should be the fundamental object of the city, the scheme as actually set forth in the dialogue is not practicable; yet (3) how it is to be further worked out has been nowhere definitely stated. I refer to the ideal of the fullest possible unity of the entire state, which Socrates takes as his fundamental principle.

Yet it is clear that if the process of unification advances beyond a certain point, the city will not be a city at all for a state essentially consists of a multitude of persons, and if its unification is carried beyond a certain point, city will be reduced to family and family to individual, [20] for we should pronounce the family to be a more complete unity than the city, and the single person than the family; so that even if any lawgiver were able to unify the state, he must not do so, for he will destroy it in the process. And not only does a city consist of a multitude of human beings, it consists of human beings differing in kind. A collection of persons all alike does not constitute a state. For a city is not the same thing as a league; a league is of value by its quantity, even though it is art the same in kind (since the essential object of the league is military strength), just as a weight would be worth more if it weighed more, whereas3 components which are to make up a unity must differ in kind (and it is by this characteristic that a city will also surpass a tribe of which the population is not scattered among villages but organized like the Arcadians). Hence reciprocal equality4 is the preservative of states, as has been said before in the Ethics. For even among the free and equal this principle must necessarily obtain, since all cannot govern at once: they must hold office for a year at a time or by some other arrangement or period; and in this manner it does actually come about that all govern, just as all shoemakers would be also carpenters if the shoemakers and the carpenters kept on changing trades instead of the same persons being shoemakers and carpenters always. But since such permanence of function is better for the political community also, it is clear that it is better for the same persons to govern always, if possible; and among peoples where it is impossible because all the citizens are equal in their nature,



1 On the following criticisms see Grote, Plato, 3, pp. 211-233.
2 (1) 1.3-7; (2) 1.8-2.11; (3) 2.11-13; also (4) other objections 2.15-16.
3 In the mss. of the Greek ‘whereas—kind’ comes below after ‘ Arcadian.’
4 As the best state consists of different classes, its unity is secured by each citizen giving services to society and receiving in return benefits proportionate to his service. Probably τὸ ἴσον is an interpolation (though Newman explains it as 'the reciprocal rendering of an equal amount of dissimilar things'): omitting τὸ ἴσον, we render ‘reciprocity’ and not ‘reciprocal equality’; cf. Aristot. Nic. Eth. 1132b 33, ‘In the interchange of services Justice in the form of Reciprocity is the bond that maintains the association: reciprocity, that is, on the basis of proportion, not on the basis of equality.’

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On the difference between 'pan' and 'holon' Cf. Aristotle, Metaphysics V, 1024a

[1024α] [1] ἔτι τοῦ ποσοῦ ἔχοντος δὲ ἀρχὴν καὶ μέσον καὶ ἔσχατον, ὅσων μὲν μὴ ποιεῖ ἡ θέσις διαφοράν, πᾶν λέγεται, ὅσων δὲ ποιεῖ, ὅλον. ὅσα δὲ ἄμφω ἐνδέχεται, καὶ ὅλα καὶ πάντα: ἔστι δὲ ταῦτα ὅσων ἡ μὲν φύσις ἡ αὐτὴ μένει τῇ μεταθέσει, ἡ [5] δὲ μορφὴ οὔ, οἷον κηρὸς καὶ ἱμάτιον: καὶ γὰρ ὅλον καὶ πᾶν λέγεται: ἔχει γὰρ ἄμφω. ὕδωρ δὲ καὶ ὅσα ὑγρὰ καὶ ἀριθμὸς πᾶν μὲν λέγεται, ὅλος δ᾽ ἀριθμὸς καὶ ὅλον ὕδωρ οὐ λέγεται, ἂν μὴ μεταφορᾷ. πάντα δὲ λέγεται ἐφ᾽ οἷς τὸ πᾶν ὡς ἐφ᾽ ἑνί, ἐπὶ τούτοις τὸ πάντα ὡς ἐπὶ διῃρημένοις: [10] πᾶς οὗτος ὁ ἀριθμός, πᾶσαι αὗται αἱ μονάδες.

[1024a] [1] Again, since a quantity has a beginning, middle and end, those to which position makes no difference we describe as "all," and those to which position makes a difference we describe as "whole," and those to which both descriptions can be applied, as both "all" and "whole."These are all things whose nature remains the same in transposition, but whose shape does not; e.g. wax or a coat. They are described as both "whole" and "all"; for they have both characteristics. Water, however, and all liquids, and number, are described as "all"; we do not speak of a "whole number" or "whole water" except by an extension of meaning. Things are described as "all" in the plural qua differentiated which are described as "all" in the singular qua one; all this number, all these units.

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On 'hen' (unum, unitas) cf. Aristotle, Metaphysics, III, 3

[998α] περί τε τούτων οὖν ἀπορία πολλὴ πῶς δεῖ θέμενον τυχεῖν τῆς ἀληθείας, καὶ περὶ τῶν ἀρχῶν πότερον δεῖ τὰ γένη στοιχεῖα καὶ ἀρχὰς ὑπολαμβάνειν ἢ μᾶλλον ἐξ ὧν ἐνυπαρχόντων ἐστὶν ἕκαστον πρώτων, οἷον φωνῆς στοιχεῖα καὶ ἀρχαὶ δοκοῦσιν εἶναι ταῦτ᾽ ἐξ ὧν σύγκεινται αἱ φωναὶ [25] πρώτων, ἀλλ᾽ οὐ τὸ κοινὸν ἡ φωνή: καὶ τῶν διαγραμμάτων ταῦτα στοιχεῖα λέγομεν ὧν αἱ ἀποδείξεις ἐνυπάρχουσιν ἐν ταῖς τῶν ἄλλων ἀποδείξεσιν ἢ πάντων ἢ τῶν πλείστων, ἔτι δὲ τῶν σωμάτων καὶ οἱ πλείω λέγοντες εἶναι στοιχεῖα καὶ οἱ ἕν, ἐξ ὧν σύγκειται καὶ ἐξ ὧν συνέστηκεν ἀρχὰς λέγουσιν [30] εἶναι, οἷον Ἐμπεδοκλῆς πῦρ καὶ ὕδωρ καὶ τὰ μετὰ τούτων στοιχεῖά φησιν εἶναι ἐξ ὧν ἐστὶ τὰ ὄντα ἐνυπαρχόντων, ἀλλ᾽ οὐχ ὡς γένη λέγει ταῦτα τῶν ὄντων. πρὸς δὲ τούτοις καὶ τῶν ἄλλων εἴ τις ἐθέλει τὴν φύσιν ἀθρεῖν,

[20] Thus it is very difficult to say, not only what view we should adopt in the foregoing questions in order to arrive at the truth, but also in the case of the first principles (vi.) whether we should assume that the genera, or the simplest constituents of each particular thing, are more truly the elements and first principles of existing things. E.g., it is generally agreed that the elements and first principles of speech are those things of which, in their simplest form, all speech is composed; and not the common term "speech"; and in the case of geometrical propositions we call those the "elements"3 whose proofs are embodied in the proofs of all or most of the rest.Again, in the case of bodies, both those who hold that there are several elements and those who hold that there is one call the things of which bodies are composed and constituted first principles. E.g., Empedocles states that fire and water and the other things associated with them are the elements which are present in things and of which things are composed; he does not speak of them as genera of things.Moreover in the case of other things too, if a man wishes to examine their nature

Cf. Met. IV, 103a

[1003α] [21]
ἔστιν ἐπιστήμη τις ἣ θεωρεῖ τὸ ὂν ᾗ ὂν καὶ τὰ τούτῳ ὑπάρχοντα καθ᾽ αὑτό. αὕτη δ᾽ ἐστὶν οὐδεμιᾷ τῶν ἐν μέρει λεγομένων ἡ αὐτή: οὐδεμία γὰρ τῶν ἄλλων ἐπισκοπεῖ καθόλου περὶ τοῦ ὄντος ᾗ ὄν, ἀλλὰ μέρος αὐτοῦ τι ἀποτεμόμεναι [25] περὶ τούτου θεωροῦσι τὸ συμβεβηκός, οἷον αἱ μαθηματικαὶ τῶν ἐπιστημῶν. ἐπεὶ δὲ τὰς ἀρχὰς καὶ τὰς ἀκροτάτας αἰτίας ζητοῦμεν, δῆλον ὡς φύσεώς τινος αὐτὰς ἀναγκαῖον εἶναι καθ᾽ αὑτήν. εἰ οὖν καὶ οἱ τὰ στοιχεῖα τῶν ὄντων ζητοῦντες ταύτας τὰς ἀρχὰς ἐζήτουν, ἀνάγκη καὶ τὰ [30] στοιχεῖα τοῦ ὄντος εἶναι μὴ κατὰ συμβεβηκὸς ἀλλ᾽ ᾗ ὄν: διὸ καὶ ἡμῖν τοῦ ὄντος ᾗ ὂν τὰς πρώτας αἰτίας ληπτέον.

τὸ δὲ ὂν λέγεται μὲν πολλαχῶς, ἀλλὰ πρὸς ἓν καὶ μίαν τινὰ φύσιν καὶ οὐχ ὁμωνύμως ἀλλ᾽ ὥσπερ καὶ τὸ [35] ὑγιεινὸν ἅπαν πρὸς ὑγίειαν, τὸ μὲν τῷ φυλάττειν τὸ δὲ τῷ ποιεῖν τὸ δὲ τῷ σημεῖον εἶναι τῆς ὑγιείας τὸ δ᾽ ὅτι δεκτικὸν αὐτῆς,


[1003a] [21]
There is a science which studies Being qua Being, and the properties inherent in it in virtue of its own nature. This science is not the same as any of the so-called particular sciences, for none of the others contemplates Being generally qua Being; they divide off some portion of it and study the attribute of this portion, as do for example the mathematical sciences.But since it is for the first principles and the most ultimate causes that we are searching, clearly they must belong to something in virtue of its own nature. Hence if these principles were investigated by those also who investigated the elements of existing things, the elements must be elements of Being not incidentally, but qua Being. Therefore it is of Being qua Being that we too must grasp the first causes.

The term "being" is used in various senses, but with reference to one central idea and one definite characteristic, and not as merely a common epithet. Thus as the term "healthy" always relates to health (either as preserving it or as producing it or as indicating it or as receptive of it),

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Aristotle, Nichomachean Ethics, VII, 15 1154 a 22-25
Transl. H. Rackham

We ought however not only to state the true view, but also to account for the false one, since to do so helps to confirm the true; for when we have found a probable explanation why something appears to be true though it is not true, this increases our belief in the truth.

ἐπεὶ δ᾽ οὐ μόνον δεῖ τἀληθὲς εἰπεῖν ἀλλὰ καὶ τὸ αἴτιον τοῦ ψεύδους:
τοῦτο γὰρ συμβάλλεται πρὸς τὴν πίστιν:
ὅταν γὰρ εὔλογον φανῇ τὸ διὰ τί φαίνεται ἀληθὲς οὐκ ὂν ἀληθές,
πιστεύειν ποιεῖ τῷ ἀληθεῖ μᾶλλον



Nikomachische Ethik, IV, 11, 1126a25-26
(Übers. G. Bien)

Die Bitteren sind schwer versöhnlich und zürnen lange Zeit. Denn sie verschließen ihren Grimm in sich. Die Ruhe aber stellt sich ein, wenn man Vergeltung geübt hat. Denn die Rache setzt den Zorn ein Ziel, indem sie Freude anstelle des Schmerzes hervorruft. Solange dieses nicht geschieht, bleibt der Druck auf ihnen lasten. Denn da ihre Stimmung nicht nach außen tritt, so redet auch niemand ihnen gütlich zu, und um für sich selber den Zorn zu verwinden, braucht es Zeit. Solche Leute sind sich selbst und ihren besten Freunden eine schwere Last.

οἱ δὲ πικροὶ δυσδιάλυτοι, καὶ πολὺν χρόνον ὀργίζονται: κατέχουσι γὰρ τὸν θυμόν.
παῦλα δὲ γίνεται ὅταν ἀνταποδιδῷ: 
ἡ γὰρ τιμωρία παύει τῆς ὀργῆς, ἡδονὴν ἀντὶ τῆς λύπης ἐμποιοῦσα. 
τούτου δὲ μὴ γινομένου τὸ βάρος ἔχουσιν: 
διὰ γὰρ τὸ μὴ ἐπιφανὲς εἶναι οὐδὲ συμπείθει αὐτοὺς οὐδείς, 
ἐν αὑτῷ δὲ πέψαι τὴν ὀργὴν χρόνου δεῖ. 
εἰσὶ δ᾽ οἱ τοιοῦτοι ἑαυτοῖς ὀχληρότατοι καὶ τοῖς μάλιστα φίλοις. 


Anmerkung:

πέψαι - verwinden. 'pesso'/'petto' a) kochen, backen, sieden, b) übertr. verdauen, verarbeiten.
Engl. Übersetzung: "it takes a long time to digest one's wrath within one."



Über die Seele 432b - 433a 
 

Aber auch wenn der Geist ein solches betrachtet, gibt er nicht schon den Befehl zu meiden oder zu erstreben; z.B. denkt er oft an etwas Furchtbares oder Angenehmes, befiehlt aber nicht sich zu fürchten, doch das Herz wird erregt, und wenn es etwas Angenehmes ist, ein anderer Teil.
Ferner: auch wenn der Geist einem gebietet und die Überlegung die Anweisung gibt, man solle etwas meiden oder erstreben, wird man nicht in Bewegung gesetzt, sondern man handelt nach seiner Begierte wie der Unbeherrschte. Und überhaupt sehen wir, daß, wer im Besitz der Arzneikunst ist, nicht heilt, da etwas anderes die Entscheidung darüber hat, gemäß dem Wissen zu handeln, nicht das Wissen selber. Aber auch nicht das Streben entscheidet über diese Bewegung. Die Beherrschten tun trotz allem Streben und Begehren nicht das, wonach sie streben, sondern sie folgen der Vernunft.


ἀλλὰ μὴν οὐδὲ τὸ λογιστικὸν καὶ ὁ καλούμενος νοῦς ἐστιν ὁ κινῶν· ὁ μὲν γὰρ θεωρητικὸς οὐθὲν θεωρεῖ πρακτόν, οὐδὲ λέγει περὶ φευκτοῦ καὶ διωκτοῦ οὐθέν, ἀεὶ δὲ ἡ κίνησις ἢ φεύγοντός τι ἢ διώκοντός τί ἐστιν. ἀλλ' οὐδ' ὅταν θεωρῇ τι τοιοῦτον, ἤδη κελεύει φεύγειν ἢ διώκειν, οἷον πολλάκις διανοεῖται φοβερόν τι ἢ ἡδύ, οὐ κελεύει δὲ φοβεῖσθαι, ἡ δὲ καρδία κινεῖται, ἂν δ' ἡδύ, ἕτερόν τι μόριον
.

ἔτι καὶ ἐπιτάττοντος τοῦ νοῦ καὶ λεγούσης τῆς διανοίας φεύγειν τι ἢ διώκειν οὐ κινεῖται, ἀλλὰ κατὰ τὴν ἐπιθυμίαν πράττει, οἷον ὁ ἀκρατής. καὶ ὅλως δὲ ὁρῶμεν ὅτι ὁ ἔχων τὴν ἰατρικὴν οὐκ ἰᾶται, ὡς ἑτέρου τινὸς κυρίου ὄντος τοῦ ποιεῖν κατὰ τὴν ἐπιστήμην, ἀλλ' οὐ τῆς ἐπιστήμης. ἀλλὰ μὴν οὐδ' ἡ ὄρεξις ταύτης κυρία τῆς κινήσεως· οἱ γὰρ ἐγκρατεῖς ὀρεγόμενοι καὶ ἐπιθυμοῦντες οὐ πράττουσιν ὧν ἔχουσι τὴν ὄρεξιν, ἀλλ' ἀκολουθοῦσι τῷ νῷ.



Über die Seele 433 b

Daß nun dieses Vermögen der Seele, das sogenannte Streben, die Bewegung bewirkt, ist klar. Für diejenigen, die Seelenteile unterscheiden, gibt es, wenn sie diese nach dem Vermögen unterscheiden und trennen, eine ganze Menge: die ernährenden, wahrnehmenden, denkenden, überlegenden und dazu den strebenden Teil. Diese sind voneinander stärker verschieden als der begehrende und der mutvolle.
Da nun die Strebungen einander entgegengesetzt sind, und zwsar dann, wenn Überlegung und Begierden entgegengesetzt sind, und da dies bei den Wesen vorkommt, die den Zeitsinn haben - die Vernunft heißt wegen des Zukünftigen nach der einen Richtung ziehen, die Begierde wegen des Jetzigen nach der anderen; das jetzige Angenehme scheint ihr nämlich schlechthin angenehm und gut zu sein, weil sie das zukünftige nicht sieht -, so gibt es der Art nach Bewegendes, das Strebende als Strebendes, - als allererstes aber das Erstrebte; dieses bewegt, ohne bewegt zu sein, dadurch, daß es gedacht oder vorgestellt wird -, der Zahl nach aber gibt es mehrere bewegende Kräfte.


433b ὅτι μὲν οὖν ἡ τοιαύτη δύναμις κινεῖ τῆς ψυχῆς, ἡ καλουμένη ὄρεξις, φανερόν. τοῖς δὲ διαιροῦσι τὰ μέρη τῆς ψυχῆς, ἐὰν κατὰ τὰς δυνάμεις διαιρῶσι καὶ χωρίζωσι, πάμπολλα γίνεται, θρεπτικόν, αἰσθητικόν, νοητικόν, βουλευτικόν, ἔτι ὀρεκτικόν· ταῦτα γὰρ πλέον διαφέρει ἀλλήλων ἢ ἐπιθυμητικὸν καὶ θυμικόν.

ἐπεὶ δ' ὀρέξεις γίνονται ἐναντίαι ἀλλήλαις, τοῦτο δὲ συμβαίνει ὅταν ὁ λόγος καὶ αἱ ἐπιθυμίαι ἐναντίαι ὦσι, γίνεται δ' ἐν τοῖς χρόνου αἴσθησιν ἔχουσιν (ὁ μὲν γὰρ νοῦς διὰ τὸ μέλλον ἀνθέλκειν κελεύει, ἡ δ' ἐπιθυμία διὰ τὸ ἤδη· φαίνεται γὰρ τὸ ἤδη ἡδὺ καὶ ἁπλῶς ἡδὺ καὶ ἀγαθὸν ἁπλῶς, διὰ τὸ μὴ ὁρᾶν τὸ μέλλον), εἴδει μὲν ἓν ἂν εἴη τὸ κινοῦν, τὸ ὀρεκτικόν, ᾗ ὀρεκτικόν-πρῶτον δὲ πάντων τὸ ὀρεκτόν· τοῦτο γὰρ κινεῖ οὐ κινούμενον, τῷ νοηθῆναι ἢ φαντασθῆναι-ἀριθμῷ δὲ πλείω τὰ κινοῦντα.



MOSES MENDELSSOHN


Mendelssohn

Moses Mendelssohn (1729-1786)


Ueber die Frage: was heißt aufklären?

Berlinische Monatsschrift, Bd. 4, 1784, 193–200


 [193]

Die Worte Aufklärung, Kultur, Bildung sind in unsrer Sprache noch neue Ankömmlinge. Sie gehören vor der Hand bloß zur Büchersprache. Der gemeine Haufe verstehet sie kaum. Sollte dieses ein Beweis sein, daß auch die Sache bei uns noch neu sei? Ich glaube nicht. Man sagt von einem gewissen Volke, daß es kein bestimmtes Wort für Tugend, keines für Aberglauben habe; ob man ihm gleich ein nicht geringes Maaß von beiden mit Recht zuschreiben darf.

Indessen hat der Sprachgebrauch, der zwischen diesen gleichbedeutenden Wörtern einen Unterschied angeben zu wollen scheint, noch nicht Zeit gehabt, die Grenzen derselben festzusetzen. Bildung, Kultur [194] und Aufklärung sind Modifikationen des geselligen Lebens; Wirkungen des Fleißes und der Bemühungen der Menschen ihren geselligen Zustand zu verbessern.

Je mehr der gesellige Zustand eines Volks durch Kunst und Fleiß mit der Bestimmung des Menschen in Harmonie gebracht worden; desto mehr Bildung hat dieses Volk.

Bildung zerfällt in Kultur und Aufklärung. Jene scheint mehr auf das Praktische zu gehen: auf Güte Feinheit und Schönheit in Handwerken Künsten und Geselligkeitssitten (objektive); auf Fertigkeit, Fleiß und Geschiklichkeit in jenen, Neigungen Triebe und Gewohnheit in diesen (subjektive). Je mehr diese bei einem Volke der Bestimmung des Menschen entsprechen, desto mehr Kultur wird demselben beigelegt; so wie einem Grundstükke desto mehr Kultur und Anbau zugeschrieben wird, je mehr es durch den Fleiß der Menschen in den Stand gesetzt worden, dem Menschen nützliche Dinge hervorzubringen. – Aufklärung hingegen scheinet sich mehr auf das Theoretische zu beziehen. Auf vernünftige Erkenntniß (objekt.) und Fertigkeit (subj.) zum vernünftigen Nachdenken, über Dinge des menschlichen Lebens, nach Maaßgebung ihrer Wichtigkeit und ihres Einflusses in die Bestimmung des Menschen.

Ich setze allezeit die Bestimmung des Menschen als Maaß und Ziel aller unserer Bestrebungen und [195] Bemühungen, als einen Punkt, worauf wir unsere Augen richten müssen, wenn wir uns nicht verlieren wollen.

Eine Sprache erlanget Aufklärung durch die Wissenschaften, und erlanget Kultur durch gesellschaftlichen Umgang, Poesie und Beredsamkeit. Durch jene wird sie geschikter zu theoretischem, durch diese zu praktischem Gebrauche. Beides zusammen giebt einer Sprache die Bildung.

Kultur im äußerlichen heißt Politur. Heil der Nation, deren Politur Wirkung der Kultur und Aufklärung ist; deren äußerliche Glanz und Geschliffenheit innerliche, gediegene Aechtheit zum Grunde hat!

Aufklärung verhält sich zur Kultur, wie überhaupt Theorie zur Praxis; wie Erkenntniß zur Sittlichkeit; wie Kritik zur Virtuosität. An und für sich betrachtet, (objektive) stehen sie in dem genauesten Zusammenhange; ob sie gleich subjektive sehr oft getrennt sein können.

Man kann sagen: die Nürnberger haben mehr Kultur, die Berliner mehr Aufklärung; die Franzosen mehr Kultur, die Engländer mehr Aufklärung; die Sineser viel Kultur und wenig Aufklärung. Die Griechen hatten beides, Kultur und Aufklärung. Sie waren eine gebildete Nation, so wie ihre Sprache eine gebildete Sprache ist. – Ueberhaupt ist die Sprache eines Volks die beste Anzeige seiner [196] Bildung, der Kultur sowohl als der Aufklärung, der Ausdehnung sowohl als der Stärke nach.

Ferner läßt sich die Bestimmung des Menschen eintheilen, in 1) Bestimmung des Menschen als Mensch, und 2) Bestimmung des Menschen als Bürger betrachtet.

In Ansehung der Kultur fallen diese Betrachtungen zusammen; indem alle praktische Vollkommenheiten bloß in Beziehung auf das gesellschaftliche Leben einen Werth haben, also einzig und allein der Bestimmung des Menschen, als Mitglieder der Gesellschaft, entsprechen müssen. Der Mensch als Mensch bedarf keiner Kultur: aber er bedarf Aufklärung.

Stand und Beruf im bürgerlichen Leben bestimmen eines jeden Mitgliedes Pflichten und Rechte, erfordern nach Maaßgebung derselben andere Geschiklichkeit und Fertigkeit, andere Neigungen, Triebe, Geselligkeitssitten und Gewohnheiten, eine andere Kultur und Politur. Je mehr diese durch alle Stände mit ihrem Berufe, d. i. mit ihren respektiven Bestimmungen als Glieder der Gesellschaft übereinstimmen; desto mehr Kultur hat die Nation.

Sie erfordern aber auch für jedes Individuum, nach Maaßgebung seines Standes und Berufs andere theoretische Einsichten, und andere Fertigkeit dieselben zu erlangen, einen andern Grad der Aufklärung. Die Aufklärung, die den Menschen als Mensch interessirt, ist allgemein ohne Unterschied [197] der Stände; die Aufklärung des Menschen als Bürger betrachtet, modificirt sich nach Stand und Beruf. Die Bestimmung des Menschen setzet hier abermals seiner Bestrebung Maaß und Ziel.

Diesem nach würde die Aufklärung einer Nation sich verhalten, 1) wie die Masse der Erkenntniß, 2) deren Wichtigkeit, d. i. Verhältniß zur Bestimmung a) des Menschen und b) des Bürgers, 3) deren Verbreitung durch alle Stände, 4) nach Maaßgabe ihres Berufs; und also wäre der Grad der Volksaufklärung nach einem wenigstens vierfach zusammengesetzten Verhältnisse zu bestimmen, dessen Glieder zum Theile selbst wiederum aus einfachern Verhältnißgliedern zusammengesetzt sind.

Menschenaufklärung kann mit Bürgeraufklärung in Streit kommen. Gewisse Wahrheiten, die dem Menschen, als Mensch, nützlich sind, können ihm als Bürger zuweilen schaden. Hier ist folgendes in Erwegung zu ziehen. Die Kollision kann entstehen zwischen 1) wesentlichen, oder 2) zufälligen Bestimmungen des Menschen, mit 3) wesentlichen, oder 4) mit außerwesentlichen zufälligen Bestimmungen des Bürgers.

Ohne die wesentlichen Bestimmungen des Menschen sinkt der Mensch zum Vieh herab; ohne die außerwesentlichen ist er kein so gutes herrliches Geschöpf. Ohne die wesentlichen Bestimmungen des Menschen als Bürgers, hört die Staatsverfassung aus zu sein; ohne die außerwesentlichen bleibt [198] sie in einigen Nebenverhältnissen nicht mehr dieselbe.

Unglükselig ist der Staat, der sich gestehen muß, daß in ihm die wesentliche Bestimmung des Menschen mit der wesentlichen des Bürgers nicht harmoniren, daß die Aufklärung, die der Menschheit unentbehrlich ist, sich nicht über alle Stände des Reichs ausbreiten könne; ohne daß die Verfassung in Gefahr sei, zu Grunde zu gehen. Hier lege die Philosophie die Hand auf den Mund! Die Nothwendigkeit mag hier Gesetze vorschreiben, oder vielmehr die Fesseln schmieden, die der Menschheit anzulegen sind, um sie nieder zu beugen, und beständig unterm Drukke zu halten!

Aber wenn die außerwesentlichen Bestimmungen des Menschen mit den wesentlichen oder außerwesentlichen des Bürgers in Streit kommen; so müssen Regeln festgesetzt werden, nach welchen die Ausnahmen geschehen, und die Kollisionsfälle entschieden werden sollen.

Wenn die wesentlichen Bestimmungen des Menschen unglüklicherweise mit seinen außerwesentlichen Bestimmungen selbst in Gegenstreit gebracht worden sind; wenn man gewisse nützliche und den Menschen zierende Wahrheit nicht verbreiten darf, ohne die ihm nun einmal beiwohnenden Grundsätze der Religion und Sittlichkeit niederzureißen; so wird der tugendliebende Aufklärer mit Vorsicht und Behutsamkeit verfahren, und lieber das Vorurtheil dulden, [199] als die mit ihm so fest verschlungene Wahrheit zugleich mit vertreiben. Freilich ist diese Maxime von je her Schutzwehr der Heuchelei geworden, und wir haben ihr so manche Jahrhunderte von Barbarei und Aberglauben zu verdanken. So oft man das Verbrechen greifen wollte, rettete es sich ins Heiligthum. Allein dem ungeachtet wird der Menschenfreund, in den aufgeklärtesten Zeiten selbst noch immer auf diese Betrachtung Rüksicht nehmen müssen. Schwer, aber nicht unmöglich ist es, die Grenzlinie zu finden, die auch hier Gebrauch von Misbrauch scheidet. –

Je edler ein Ding in seiner Vollkommenheit, sagt ein hebräischer Schriftsteller, desto gräßlicher in seiner Verwesung. Ein verfaultes Holz ist so scheußlich nicht, als eine verwesete Blume; diese nicht so ekelhaft, als sein verfaultes Thier; und dieses so gräßlich nicht, als der Mensch in seiner Verwesung. So auch mit Kultur und Aufklärung. Je edler in ihrer Blüte: desto abscheulicher in ihrer Verwesung und Verderbtheit.

Mißbrauch der Aufklärung schwächt das moralische Gefühl, führt zu Hartsinn, Egoismus, Irreligion, und Anarchie. Misbrauch der Kultur erzeuget Ueppigkeit, Gleißnerei, Weichlichkeit, Aberglauben, und Sklaverei.

Wo Aufklärung und Kultur mit gleichen Schritten fortgehen; da sind sie sich einander die besten Verwahrungsmittel wider die Korruption. Ihre [200] Art zu verderben ist sich einander schnurstraks entgegengesetzt.

Die Bildung einer Nation, welche nach obiger Worterklärung aus Kultur und Aufklärung zusammengesetzt ist, wird also weit weniger der Korruption unterworfen sein.

Eine gebildete Nation kennet in sich keine andere Gefahr, als das Uebermaaß ihrer Nationalglükseligkeit; welches, wie die vollkommenste Gesundheit des menschlichen Körpers, schon an und für sich eine Krankheit, oder der Uebergang zur Krankheit genennt werden kann. Eine Nation, die durch die Bildung auf den höchsten Gipfel der Nationalglükseligkeit gekommen, ist eben dadurch in Gefahr zu stürzen, weil sie nicht höher steigen kann. – Jedoch dieses führt zu weit ab von der vorliegenden Frage!

Moses Mendelssohn.

Quelle:  https://de.wikisource.org/wiki/Ueber_die_Frage:_was_hei%C3%9Ft_aufkl%C3%A4ren%3F



JORGE LUIS BORGES


Borges

Jorge Luis Borges (1899-1986)

Las ruinas circulares


Nadie lo vio desembarcar en la unánime noche, nadie vio la canoa de bambú sumiéndose en el fango sagrado, pero a los pocos días nadie ignoraba que el hombre taciturno venía del Sur y que su patria era una de las infinitas aldeas que están aguas arriba, en el flanco violento de la montaña, donde el idioma zend no está contaminado de griego y donde es infrecuente la lepra. Lo cierto es que el hombre gris besó el fango, repechó la ribera sin apartar (probablemente, sin sentir) las cortaderas que le dilaceraban las carnes y se arrastró, mareado y ensangrentado, hasta el recinto circular que corona un tigre o caballo de piedra, que tuvo alguna vez el color del fuego y ahora el de la ceniza. Ese redondel es un templo que devoraron los incendios antiguos, que la selva palúdica ha profanado y cuyo dios no recibe honor de los hombres. El forastero se tendió bajo el pedestal. Lo despertó el sol alto. Comprobó sin asombro que las heridas habían cicatrizado; cerró los ojos pálidos y durmió, no por flaqueza de la carne sino por determinación de la voluntad. Sabía que ese templo era el lugar que requería su invencible propósito; sabía que los árboles incesantes no habían logrado estrangular, río abajo, las ruinas de otro templo propicio, también de dioses incendiados y muertos; sabía que su inmediata obligación era el sueño. Hacia la medianoche lo despertó el grito inconsolable de un pájaro. Rastros de pies descalzos, unos higos y un cántaro le advirtieron que los hombres de la región habían espiado con respeto su sueño y solicitaban su amparo o temían su magia. Sintió el frío del miedo y buscó en la muralla dilapidada un nicho sepulcral y se tapó con hojas desconocidas.

El propósito que lo guiaba no era imposible, aunque sí sobrenatural. Quería soñar un hombre: quería soñarlo con integridad minuciosa e imponerlo a la realidad. Ese proyecto mágico había agotado el espacio entero de su alma; si alguien le hubiera preguntado su propio nombre o cualquier rasgo de su vida anterior, no habría acertado a responder. Le convenía el templo inhabitado y despedazado, porque era un mínimo de mundo visible; la cercanía de los leñadores también, porque éstos se encargaban de subvenir a sus necesidades frugales. El arroz y las frutas de su tributo eran pábulo suficiente para su cuerpo, consagrado a la única tarea de dormir y soñar.

Al principio, los sueños eran caóticos; poco después, fueron de naturaleza dialéctica. El forastero se soñaba en el centro de un anfiteatro circular que era de algún modo el templo incendiado: nubes de alumnos taciturnos fatigaban las gradas; las caras de los últimos pendían a muchos siglos de distancia y a una altura estelar, pero eran del todo precisas. El hombre les dictaba lecciones de anatomía, de cosmografía, de magia: los rostros escuchaban con ansiedad y procuraban responder con entendimiento, como si adivinaran la importancia de aquel examen, que redimiría a uno de ellos de su condición de vana apariencia y lo interpolaría en el mundo real. El hombre, en el sueño y en la vigilia, consideraba las respuestas de sus fantasmas, no se dejaba embaucar por los impostores, adivinaba en ciertas perplejidades una inteligencia creciente. Buscaba un alma que mereciera participar en el universo.

A las nueve o diez noches comprendió con alguna amargura que nada podía esperar de aquellos alumnos que aceptaban con pasividad su doctrina y sí de aquellos que arriesgaban, a veces, una contradicción razonable. Los primeros, aunque dignos de amor y de buen afecto, no podían ascender a individuos; los últimos preexistían un poco más. Una tarde (ahora también las tardes eran tributarias del sueño, ahora no velaba sino un par de horas en el amanecer) licenció para siempre el vasto colegio ilusorio y se quedó con un solo alumno. Era un muchacho taciturno, cetrino, díscolo a veces, de rasgos afilados que repetían los de su soñador. No lo desconcertó por mucho tiempo la brusca eliminación de los condiscípulos; su progreso, al cabo de unas pocas lecciones particulares, pudo maravillar al maestro. Sin embargo, la catástrofe sobrevino. El hombre, un día, emergió del sueño como de un desierto viscoso, miró la vana luz de la tarde que al pronto confundió con la aurora y comprendió que no había soñado. Toda esa noche y todo el día, la intolerable lucidez del insomnio se abatió contra él. Quiso explorar la selva, extenuarse; apenas alcanzó entre la cicuta unas rachas de sueño débil, veteadas fugazmente de visiones de tipo rudimental: inservibles. Quiso congregar el colegio y apenas hubo articulado unas breves palabras de exhortación, éste se deformó, se borró. En la casi perpetua vigilia, lágrimas de ira le quemaban los viejos ojos.

Comprendió que el empeño de modelar la materia incoherente y vertiginosa de que se componen los sueños es el más arduo que puede acometer un varón, aunque penetre todos los enigmas del orden superior y del inferior: mucho más arduo que tejer una cuerda de arena o que amonedar el viento sin cara. Comprendió que un fracaso inicial era inevitable. Juró olvidar la enorme alucinación que lo había desviado al principio y buscó otro método de trabajo. Antes de ejercitarlo, dedicó un mes a la reposición de las fuerzas que había malgastado el delirio. Abandonó toda premeditación de soñar y casi acto continuo logró dormir un trecho razonable del día. Las raras veces que soñó durante ese período, no reparó en los sueños. Para reanudar la tarea, esperó que el disco de la luna fuera perfecto. Luego, en la tarde, se purificó en las aguas del río, adoró los dioses planetarios, pronunció las sílabas lícitas de un nombre poderoso y durmió. Casi inmediatamente, soñó con un corazón que latía.

Lo soñó activo, caluroso, secreto, del grandor de un puño cerrado, color granate en la penumbra de un cuerpo humano aun sin cara ni sexo; con minucioso amor lo soñó, durante catorce lúcidas noches. Cada noche, lo percibía con mayor evidencia. No lo tocaba: se limitaba a atestiguarlo, a observarlo, tal vez a corregirlo con la mirada. Lo percibía, lo vivía, desde muchas distancias y muchos ángulos. La noche catorcena rozó la arteria pulmonar con el índice y luego todo el corazón, desde afuera y adentro. El examen lo satisfizo. Deliberadamente no soñó durante una noche: luego retomó el corazón, invocó el nombre de un planeta y emprendió la visión de otro de los órganos principales. Antes de un año llegó al esqueleto, a los párpados. El pelo innumerable fue tal vez la tarea más difícil. Soñó un hombre íntegro, un mancebo, pero éste no se incorporaba ni hablaba ni podía abrir los ojos. Noche tras noche, el hombre lo soñaba dormido.

En las cosmogonías gnósticas, los demiurgos amasan un rojo Adán que no logra ponerse de pie; tan inhábil y rudo y elemental como ese Adán de polvo era el Adán de sueño que las noches del mago habían fabricado. Una tarde, el hombre casi destruyó toda su obra, pero se arrepintió. (Más le hubiera valido destruirla.) Agotados los votos a los númenes de la tierra y del río, se arrojó a los pies de la efigie que tal vez era un tigre y tal vez un potro, e imploró su desconocido socorro. Ese crepúsculo, soñó con la estatua. La soñó viva, trémula: no era un atroz bastardo de tigre y potro, sino a la vez esas dos criaturas vehementes y también un toro, una rosa, una tempestad. Ese múltiple dios le reveló que su nombre terrenal era Fuego, que en ese templo circular (y en otros iguales) le habían rendido sacrificios y culto y que mágicamente animaría al fantasma soñado, de suerte que todas las criaturas, excepto el Fuego mismo y el soñador, lo pensaran un hombre de carne y hueso. Le ordenó que una vez instruido en los ritos, lo enviaría al otro templo despedazado cuyas pirámides persisten aguas abajo, para que alguna voz lo glorificara en aquel edificio desierto. En el sueño del hombre que soñaba, el soñado se despertó.

El mago ejecutó esas órdenes. Consagró un plazo (que finalmente abarcó dos años) a descubrirle los arcanos del universo y del culto del fuego. Íntimamente, le dolía apartarse de él. Con el pretexto de la necesidad pedagógica, dilataba cada día las horas dedicadas al sueño. También rehizo el hombro derecho, acaso deficiente. A veces, lo inquietaba una impresión de que ya todo eso había acontecido... En general, sus días eran felices; al cerrar los ojos pensaba: Ahora estaré con mi hijo. O, más raramente: El hijo que he engendrado me espera y no existirá si no voy.

Gradualmente, lo fue acostumbrando a la realidad. Una vez le ordenó que embanderara una cumbre lejana. Al otro día, flameaba la bandera en la cumbre. Ensayó otros experimentos análogos, cada vez más audaces. Comprendió con cierta amargura que su hijo estaba listo para nacer -y tal vez impaciente. Esa noche lo besó por primera vez y lo envió al otro templo cuyos despojos blanqueaban río abajo, a muchas leguas de inextricable selva y de ciénaga. Antes (para que no supiera nunca que era un fantasma, para que se creyera un hombre como los otros) le infundió el olvido total de sus años de aprendizaje.

Su victoria y su paz quedaron empañadas de hastío. En los crepúsculos de la tarde y del alba, se prosternaba ante la figura de piedra, tal vez imaginando que su hijo irreal ejecutaba idénticos ritos, en otras ruinas circulares, aguas abajo; de noche no soñaba, o soñaba como lo hacen todos los hombres. Percibía con cierta palidez los sonidos y formas del universo: el hijo ausente se nutría de esas disminuciones de su alma. El propósito de su vida estaba colmado; el hombre persistió en una suerte de éxtasis. Al cabo de un tiempo que ciertos narradores de su historia prefieren computar en años y otros en lustros, lo despertaron dos remeros a medianoche: no pudo ver sus caras, pero le hablaron de un hombre mágico en un templo del Norte, capaz de hollar el fuego y de no quemarse. El mago recordó bruscamente las palabras del dios. Recordó que de todas las criaturas que componen el orbe, el fuego era la única que sabía que su hijo era un fantasma. Ese recuerdo, apaciguador al principio, acabó por atormentarlo. Temió que su hijo meditara en ese privilegio anormal y descubriera de algún modo su condición de mero simulacro. No ser un hombre, ser la proyección del sueño de otro hombre ¡qué humillación incomparable, qué vértigo! A todo padre le interesan los hijos que ha procreado (que ha permitido) en una mera confusión o felicidad; es natural que el mago temiera por el porvenir de aquel hijo, pensado entraña por entraña y rasgo por rasgo, en mil y una noches secretas.

El término de sus cavilaciones fue brusco, pero lo prometieron algunos signos. Primero (al cabo de una larga sequía) una remota nube en un cerro, liviana como un pájaro; luego, hacia el Sur, el cielo que tenía el color rosado de la encía de los leopardos; luego las humaredas que herrumbraron el metal de las noches; después la fuga pánica de las bestias. Porque se repitió lo acontecido hace muchos siglos. Las ruinas del santuario del dios del fuego fueron destruidas por el fuego. En un alba sin pájaros el mago vio cernirse contra los muros el incendio concéntrico. Por un instante, pensó refugiarse en las aguas, pero luego comprendió que la muerte venía a coronar su vejez y a absolverlo de sus trabajos. Caminó contra los jirones de fuego. Éstos no mordieron su carne, éstos lo acariciaron y lo inundaron sin calor y sin combustión. Con alivio, con humillación, con terror, comprendió que él también era una apariencia, que otro estaba soñándolo.


Source: https://www.ingenieria.unam.mx/dcsyhfi/material_didactico/Literatura_Hispanoamericana_Contemporanea/Autores_B/BORGES/ruinas.pdf

 


 

GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL


Hegel

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)


Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie

 

Einleitung

2. Erläuterungen für die Begriffsbestimmung der Geschichte der Philosophie


a. Der Begriff der Entwicklung

Entwicklung ist eine bekannte Vorstellung. Es ist aber das Eigentümliche der Philosophie, das zu untersuchen, was man sonst für bekannt hält. Was man unbesehen handhabt und gebraucht, womit man sich im Leben herumhilft, ist gerade das Unbekannte, wenn man nicht philosophisch gebildet ist. Die weitere Erörterung dieser Begriffe gehört in die logische Wissenschaft. Daß die Idee sich erst zu dem machen muß, was sie ist, scheint Widerspruch; sie ist, was sie ist, könnte man sagen.

Um zu fassen, was Entwickeln ist, müssen zweierlei – sozusagen – Zustände unterschieden werden. Der eine ist das, was als Anlage, Vermögen, das Ansichsein, wie ich es nenne (potentia, δύναμις), bekannt ist. Die zweite Bestimmung ist das Fürsichsein, die Wirklichkeit (actus ἐνέργεια). Wir sagen, der Mensch ist vernünftig, hat Vernunft von Natur; so hat er sie nur in der Anlage, im Keime. Der Mensch hat Vernunft, Verstand, Phantasie, Wille, wie er geboren, selbst im Mutterleibe. Das Kind ist auch ein Mensch, es hat aber nur das Vermögen, die reale Möglichkeit der Vernunft; es ist so gut, als hätte es keine Vernunft, sie existiert noch nicht an ihm; es vermag noch nichts Vernünftiges zu tun, hat kein vernünftiges Bewußtsein. Erst indem [das], was der Mensch so an sich ist, für ihn wird, also die Vernunft für sich, hat dann der Mensch Wirklichkeit nach irgendeiner Seite, – ist wirklich vernünftig, und nun für die Vernunft. Was heißt dies näher? Was an sich ist, muß dem Menschen zum Gegenstand werden, zum Bewußtsein kommen; so wird es für den Menschen. Was ihm Gegenstand, ist dasselbe, was er an sich ist; und so wird der Mensch erst für sich selbst, ist verdoppelt, ist erhalten, nicht ein Anderer geworden. Der Mensch ist denkend, und dann denkt er den Gedanken; im Denken ist nur das Denken Gegenstand, die Vernünftigkeit produziert Vernünftiges, die Vernunft ist ihr Gegenstand. (Das Denken fällt dann auch zur Unvernunft herab, das ist weitere Betrachtung.) Der Mensch, der an sich vernünftig ist, ist nicht weitergekommen, wenn er für sich vernünftig ist. Das Ansich erhält sich, und doch ist der Unterschied ganz ungeheuer. Es kommt kein neuer Inhalt heraus; doch ist diese Form ein ungeheurer Unterschied. Auf diesen Unterschied kommt der ganze Unterschied in der Weltgeschichte an. Die Menschen sind alle vernünftig; das Formelle dieser Vernünftigkeit ist, daß der Mensch frei ist; dies ist seine Natur. Doch ist bei vielen Völkern Sklaverei gewesen und ist zum Teil noch vorhanden, und die Völker sind damit zufrieden. Der einzige Unterschied zwischen den afrikanischen und asiatischen Völkern und den Griechen, Römern und der modernen Zeit ist nur, daß diese wissen, es für sie ist, daß sie frei sind. Jene sind es auch, aber sie wissen es nicht, sie existieren nicht als frei. Dies macht die ungeheure Änderung des Zustandes aus. Alles Erkennen, Lernen, Wissenschaft, selbst Handeln beabsichtigt weiter nichts, als das, was innerlich, an sich ist, aus sich herauszuziehen und sich gegenständlich zu werden.

In die Existenz treten ist Veränderung und in demselben eins und dasselbe bleiben. Das Ansich regiert den Verlauf. Die Pflanze verliert sich nicht in bloße ungemessene Veränderung. So im Keim der Pflanze. Es ist dem Keime nichts anzusehen. Er hat den Trieb, sich zu entwickeln; er kann es nicht aushalten, nur an sich zu sein. Der Trieb ist der Widerspruch, daß er nur an sich ist und es doch nicht sein soll. Der Trieb setzt in die Existenz heraus. Es kommt vielfaches hervor; das ist aber alles im Keime schon enthalten, freilich nicht entwickelt, sondern eingehüllt und ideell. Die Vollendung dieses Heraussetzens tritt ein, es setzt sich ein Ziel. Das höchste Außersichkommen, das vorherbestimmte Ende ist die Frucht, d.h. die Hervorbringung des Keims, die Rückkehr zum ersten Zustande. Der Keim will sich selbst hervorbringen, zu sich selbst zurückkehren. Was darin ist, wird auseinandergesetzt und nimmt sich dann wieder in die Einheit zurück, wovon es ausgegangen. Bei den natürlichen Dingen ist es freilich der Fall, daß das Subjekt, was angefangen hat, und das Existierende, welches den Schluß macht – Frucht, Samen –, zweierlei Individuen sind. Die Verdoppelung hat das scheinbare Resultat, in zwei Individuen zu zerfallen; dem Inhalte nach sind sie dasselbe. Ebenso im animalischen Leben: Eltern und Kinder sind verschiedene Individuen, obgleich von derselben Natur.

Im Geiste ist es anders. Er ist Bewußtsein, frei, darum, daß in ihm Anfang und Ende zusammenfällt. Der Keim in der Natur, nachdem er sich zu einem Anderen gemacht, nimmt sich wieder in die Einheit zusammen. Ebenso im Geiste; was an sich ist, wird für den Geist, und so wird er für sich selbst. Die Frucht, der Same wird nicht für den ersten Keim, sondern nur für uns; beim Geiste ist beides nicht nur an sich dieselbe Natur, sondern es ist ein Füreinander- und eben damit ein Fürsichsein. Das, für welches das Andere ist, ist dasselbe als das Andere. Nur dadurch ist der Geist bei sich selbst in seinem Anderen. Die Entwicklung des Geistes ist Herausgehen, Sichauseinanderlegen und zugleich Zusichkommen.

Dies Beisichsein des Geistes, dies Zusichselbstkommen desselben kann als sein höchstes, absolutes Ziel ausgesprochen werden. Nur dies will er, und nichts anderes. Alles, was im Himmel und auf Erden geschieht – ewig geschieht –, das Leben Gottes und alles, was zeitlich getan wird, strebt nur danach hin, daß der Geist sich erkenne, sich selber gegenständlich mache, sich finde, für sich selber werde, sich mit sich zusammenschließe. Er ist Verdoppelung, Entfremdung, aber um sich selbst finden zu können, um zu sich selbst kommen zu können. Nur dies ist Freiheit; frei ist, was nicht auf ein Anderes sich bezieht, nicht von ihm abhängig ist. Der Geist, indem er zu sich selbst kommt, erreicht dies, [ein] freier zu sein. Nur hier tritt wahrhaftes Eigentum, nur hier wahrhafte eigene Überzeugung ein. In allem anderen als im Denken kommt der Geist nicht zu dieser Freiheit. So im Anschauen, den Gefühlen: ich finde mich bestimmt, bin nicht frei, sondern bin so, wenn ich auch ein Bewußtsein über diese meine Empfindung habe. Im Willen hat man bestimmte Zwecke, bestimmtes Interesse; ich bin zwar frei, indem dies das Meinige ist; diese Zwecke enthalten aber immer ein Anderes, oder ein solches, welches für mich ein Anderes ist, wie Triebe, Neigungen usw. Nur im Denken ist alle Fremdheit durchsichtig, verschwunden; der Geist ist hier auf absolute Weise frei. Damit ist das Interesse der Idee, der Philosophie zugleich ausgesprochen.


b. Der Begriff des Konkreten


Bei der Entwicklung kann man fragen: was entwickelt sich? was ist der absolute Inhalt? Entwicklung ist formelle Tätigkeit, ohne Inhalt,
stellt man sich vor. Die Tat hat aber keine andere Bestimmung als die Tätigkeit; dadurch ist die allgemeine Beschaffenheit des Inhalts bestimmt. Ansichsein und Fürsichsein sind die Momente der Tätigkeit; die Tat ist dies, solche unterschiedene Momente in sich zu enthalten. Die Tat ist aber dabei wesentlich Eines; und dies ist das Konkrete. Nicht nur die Tat ist konkret, sondern auch das Ansich, das Subjekt der Tätigkeit, welches anfängt: das Produkt, ebenso die Tätigkeit und das Beginnende. Der Gang der Entwicklung ist auch der Inhalt, die Idee selber. Es ist Eines und ein Anderes, und beide sind eins; das ist das Dritte, – das eine ist im anderen bei sich selbst, nicht außerhalb seiner.

Es ist ein gewöhnliches Vorurteil, die philosophische Wissenschaft habe es nur mit Abstraktionen, leeren Allgemeinheiten zu tun; die Anschauung, unser empirisches Selbstbewußtsein, unser Selbstgefühl, das Gefühl des Lebens sei dagegen das in sich konkrete, in sich Besimmte, Rechte. In der Tat steht die Philosophie im Gebiete des Gedankens; sie hat es damit mit Allgemeinheiten zu tun, ihr Inhalt ist abstrakt, aber nur der Form, dem Elemente nach; in sich selbst ist aber die Idee wesentlich konkret, die Einheit von unterschiedenen Bestimmungen. Es ist hierin, daß sich die Vernunfterkenntnis von der bloßen Verstandeserkenntnis unterscheidet, und es ist das Geschäft des Philosophierens gegen den Verstand, zu zeigen, daß das Wahre, die Idee nicht in leeren Allgemeinheiten besteht, sondern in einem Allgemeinen, das in sich selbst das Besondere, das Bestimmte ist. Ist das Wahre abstrakt, so ist es unwahr. Die gesunde Menschenvernunft geht auf das Konkrete. Erst die Reflexion des Verstandes ist abstrakte Theorie, unwahr, nur im Kopfe richtig, – auch unter anderem nicht praktisch. Die Philosophie ist dem Abstrakten am feindlichsten, führt zum Konkreten zurück.

So ist die Idee ihrem Inhalte nach in sich konkret, sowohl an sich. und ebenso ist das Interese, daß es für sie heraus sei, was sie an sich ist. Beide Begriffe verbunden, so haben wir die Bewegung des Konkreten. Da das Ansich schon in sich selber konkret ist und wir nur das setzen, was an sich vorhanden, so kommt nur die neue Form hinzu, daß jetzt als unterschieden erscheint, was vorher im ursprünglich Einen eingeschlossen war. Das Konkrete soll für sich werden. Es ist in sich unterschieden, – als Ansich, Möglichkeit ist es noch nicht als unterschieden gesetzt, noch in der Einheit (diese widerspricht der Unterschiedenheit); es ist einfach und doch unterschieden. Dieser innere Widespruch des Konkreten ist selbst das Treibende zur Entwicklung. So kommt es zur Existenz der Unterschiede. Ebenso widerfährt dem Unterschiede auch sein Recht. Dies Recht ist, daß er zurückgenommen, wieder aufgehoben wird; seine Wahrheit ist nur, zu sein im Einen. Das ist Lebendigkeit, sowohl die natürliche als auch die der Idee, des Geistes in sich. Die Idee ist nicht abstrakt, das höchste Wesen, von dem weiter nichts gesagt werden könne; solcher Gott ist Produkt des Verstandes der modernen Welt. Es ist Bewegung, Prozeß, aber darin Ruhe; der Unterschied, indem er ist, ist nur ein verschwindender, wodurch die volle, konkrete Einheit hervorgeht.

Zur weiteren Erläuterung dieses Begriffs des Konkreten können wir nun zunächst sinnliche Dinge als Beispiele des Konkreten anführen. Obleich die Blume vielfache Qualitäten hat, als Geruch, Geschmack, Gestalt, Farbe usf., so ist sie doch eine. Es darf nichts fehlen von diesen Qualitäten an diesem Blatte dieser Blume; jeder einzelne Teil des Blattes hat alle Eigenschaften, welche das ganze Blatt (hat). Ebenso enthält das Gold in jedem seiner Punkte alle seine Qualitäten ungetrennt und ungeteilt. Beim Sinnlichen lassen wir dies gelten, daß solches Verschiedenes zusammen ist; aber beim Geistigen wird das Unterschiedene vornehmlich als entgegengesetzt gefaßt. Wir finden es nicht widersprechend und haben kein Arges daran, daß Geruch und Geschmack der Blume, obgleich andere gegeneinander, dennoch schlechthin in Einem sind; wir setzen sie nicht einander gegenüber. Nur der Verstand, das verständige Denken findet Anderes als unverträglich nebeneinander. Die Materie, z.B. ist zusammengesetzt, oder der Raum ist kontinuierlich und ununterbrochen; dann können wir ebenso Punkte im Raum annehmen. Die Materie ist zusammenhängend; man kann sie auch zerschlagen und so immer weiter ins Unendliche teilen; man sagt dann, die Materie bestehe aus Atomen, Punktualitäten, sei also nicht kontinuierlich. So hat man die beiden Bestimmungen, Kontinuität und Punktualität in einem. Beide nimmt der Verstand als sich gegenseitig ausschließend: Entweder ist die Materie schlechthin kontinuierlich oder punktuell. Sie hat aber in der Tat beide Bestimmungen.

Oder wir sagen vom Menschen, er habe Freiheit; die andere Bestimmung ist die Notwendigkeit. "Wenn der Geist frei ist, so ist er nicht der Notwendigkeit unterworfen"; und vice versa; "sein Wollen, Denken ist durch Notwendigkeit bestimmt, also nicht frei." "Eins", sagt man, "schließt das andere aus." Hier nehmen wir die Unterschiede als sich ausschließend, als nicht ein Konkretes bildend. Das Wahre, der Geist ist konkret, und seine Bestimmungen Freiheit und Notwendigkeit. So ist die höhere Einheit, daß der Geist in seiner Notwendigkeit frei ist und nur in ihr seine Freiheit findet, wie seine Notwendigkeit nur in seiner Freiheit ruht. Es wird uns schwerer, die Einheit zu setzen. Es gibt nun auch Existenzen, die Einseitigkeit der Notwendigkeit angehöre; das sind die natürlichen Dinge. Die Natur ist darum abstrakt, kommt nicht zur wahrhaften Existenz; – nicht daß das Abstrakte gar nicht existiere. Rot ist z.B. eine abstrakte sinnliche Vorstellung; und wenn das gewönliche Bewußtsein vom Roten spricht, meint es nicht, daß es mit Abstrakten zu tun habe. Aber eine Rose, die rot ist, ist ein konkretes Rot, an dem sich vielerlei so Abstraktes unerscheiden und isolieren läßt. Die Freiheit kann auch abstrakte Freiheit ohne Notwendigkeit sein; diese faktische Freiheit ist die Willkür, und sie ist eben damit das Gegenteil ihrer selber, die bewußtlose Gebundenheit, leere Meinung von Freiheit – bloß formale Freiheit.

Das Dritte, die Frucht der Entwicklung, ist ein Resultat der Bewegung. Insofern es aber nur Resultat einer Stufe ist, so ist es, als das Letzte dieser Stufe, dann zugleich der Anfangspunkt und das Erste einer anderen Entwicklungsstufe. Goethe sagt daher mit Recht irgendwo: "Das Gebildete wird immer wieder zu Stoff." Die Materie, die gebildet ist, Form hat, ist wieder Materie für eine neue Form. Der Geist geht in sich und macht sich zum Gegenstand, und die Richtung seines Denkens darauf gibt ihm Form und Bestimmung des Gedankens. Diesen Begriff, in dem er sich erfaßt hat und der er ist, diese seine Bildung, dies sein Sein, von neuem von ihm abgetrennt, macht er sich wieder zum Objekte, wendet von neuem seine Tätigkeit darauf. So formiert dies Tun das vorher Formierte weiter, gibt ihm mehr Bestimmungen, macht es bestimmter in sich, ausgebildeter und tiefer. Diese Bewegung ist als konkret eine Reihe von Entwicklungen, die nicht als gerade Linie ins abstrakt Unendliche hinaus, sondern als ein Kreis, als Rückkehr in sich selbst vorgestellt werden muß. Dieser Kreis hat zur Peripherie eine große Menge von Kreisen; das Ganze ist eine große, sich in sich zurückbeugende Folge von Entwicklungen.


c. Die Philosophie als Erkenntnis der Entwicklung des Konkreten

Nachdem ich auf diese Weise die Natur des Konkreten  überhaupt erläutert (habe), so setze ich über seine Bedeutung nun hinzu, daß das Wahre, so in sich selbst bestimmt, den Trieb hat, sich  zu entwickeln. Nur das Lebendige, das Geistige rührt sich in sich, entwickelt sich. Die Idee ist so konkret an sich und sich entwickelnd ein organisches System, eine Totalität, welche einen Reichtum von Stufen und Momenten in sich enthält.

Die Philosophie ist nun für sich das Erkennen dieser Entwicklung und ist als begreifendes Denken selbst diese denkende Entwicklung. Je weiter diese Entwicklung gediehen, desto vollkommener ist die Philosophie.

Ferner geht diese Entwicklung nicht nach außen als in die Äußerlichkeit, sondern das Auseinandergehen der Entwicklung ist ebenso ein Gehen nach innen; d.h. die allgemeine Idee bleibt zugrundeliegen und bleibt das Allumfassende und Unveränderrliche.

Indem das Hinausgehen der philosophischen Idee in ihrer Entwicklung nicht eine Veränderung, ein Werden zu einem Anderen, sondern ebenso ein Insichhineingehen, ein Sichinsichvertiefen ist, so macht das Fortschreiten die vorher allgemeine unbestimmtere Idee in sich bestimmter; weitere Entwicklung der Idee oder eine größere Bestimmtheit ist ein und dasselbe. Hier ist das Extensivste auch das Intensivste. Die Extension als Entwicklung ist nicht eine Zerstreuung und Auseinanderfallen, sondern ebenso ein Zusammenhalt, der eben um so kräftiger und intensiver, als die Ausdehnung, das Zusammengehaltene reicher und weiter ist.

Dies sich die abstrakten Sätze über die Natur der Idee und ihrer Entwicklung. So ist die gebildete Philosophie in ihr selber beschaffen; es ist eine Idee im Ganzen und in allen ihren Gliedern, wie in einem lebendigen Individuum ein Leben, ein Puls durch alle Glieder schlägt. Alle in ihr hervortretenden Teile und die Systematisation derselben geht aus der einen Idee hervor; alle diese Besonderen sind nur Spiegel und Abbilder dieser einen Lebendigkeit; sie haben ihre Wirklichkeit nur in dieser Einheit, und ihre Unterschiede, ihre verschiedenen Bestimmtheiten zusammen sind selbst nur der Ausdruck und die in der Idee enthaltene Form. So ist die Idee der Mittelpunkt, der zugleich die Peripherie ist, der Lichtquell, der in allen seinen Expansionen nicht außer sich kommt, sondern gegenwärtig und immanent in sich bleibt; so ist sie das System der Notwendigkeit und ihrer eigenen Notwendigkeit, die damit ebenso ihre Freiheit ist.

Quelle: Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 18, Frankfurt am Main 1979, S. 39-47.
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3. Resultate für den Begriff der Geschichte der Philosophie

So ist die Philosophie System in der Entwicklung, so ist es auch die Geschichte der Philosophie, und dies ist der Hauptpunkt, der Grundbegriff, den diese Abhandlung dieser Geschichte darstellen wird.

Um dies zu erläutern, muß zuerst der Unterschied in Ansehung der Weise der Erscheinung bemerklich gemacht werden, der stattfinden kann. Das Hervorgehen der unterschiedenen Stufen im Fortschreiten des Gedankens kann nämlich mit dem Bewußtsein der Notwendigkeit, nach der sich jede folgende ableitet und nach der nur diese Bestimmung und Gestalt hervortreten kann, – oder es kann ohne dies Bewußtsein, nach Weise eines natürlichen, zufällig scheinenden Hervorgehens geschehen, so daß innerlich der Begriff zwar nach seiner Konsequenz wirkt, aber diese Konsequenz nicht ausgedrückt ist, wie in der Natur in der Stufe der Entwicklung der Zweige, der Blätter, Blüte, Frucht jedes für sich hervorgeht, aber die innere Idee das Leitende und Bestimmende dieser Aufeinanderfolge ist, oder wie im Kinde nacheinander die körperlichen Vermögen und vornehmlich die geistigen Tätigkeiten zur Erscheinung kommen, einfach und unbefangen, so daß die Eltern, die das erste Mal eine solche Erfahrung machen, wie ein Wunder vor sich sehen, wo das alles herkommt, von innen für sich da [ist] und jetzt sich zeigt und die ganze Folge dieser Erscheinungen nur die Gestalt der Aufeinanderfolge in der Zeit [hat].

Die eine Weise dieses Hervorgehens, die Ableitung der Gestaltungen, die gedachte, erkannte Notwendigkeit der Bestimmungen darzustellen, ist die Aufgabe und das Geschäft der Philosophie selbst; und indem es die reine Idee ist, auf die es hier ankommt, noch nicht die weiter besonderte Gestaltung derselben als Natur und als Geist, so ist jene Darstellung vornehmlich die Aufgabe und das Geschäft der logischen Philosophie. Die andere Weise aber, daß die unterschiedenen Stufen und Entwicklungsmomente in der Zeit, in der Weise des Geschehens, an diesen besonderen Orten, unter diesem oder jenem Volke, unter diesen politischen Umständen und unter diesen Verwicklungen mit denselben hervortreten – kurz, unter dieser empirischen Form –, dies ist das Schauspiel, welches uns die Geschichte der Philosophie zeigt. Diese Ansicht ist es, welche die einzig würdige für diese Wissenschaft ist; sie ist in sich durch den Begriff der Sache die wahre; und daß sie der Wirklichkeit nach ebenso sich zeigt und bewährt, dies wird sich durch das Studium dieser Geschichte selbst ergeben.

Nach dieser Idee behaupte ich nun, daß die Aufeinanderfolge der Systeme der Philosophie in der Geschichte dieselbe ist als die Aufeinanderfolge in der logischen Ableitung der Begriffsbestimmungen der Idee. Ich behaupte, daß, wenn man die Grundbegriffe der in der Geschichte der Philosophie erschienenen Systeme rein dessen entkleidet, was ihre äußerliche Gestaltung, ihre Anwendung auf das Besondere und dergleichen betrifft, so erhält man die verschiedenen Stufen der Bestimmung der Idee selbst in ihrem logischen Begriffe. Umgekehrt, den logischen Fortgang für sich genommen, so hat man darin nach seinen Hauptmomenten den Fortgang der geschichtlichen Erscheinungen; – aber man muß freilich diese reinen Begriffe in dem zu erkennen wissen, was die geschichtliche Gestalt enthält. Ferner unterscheidet sich allerdings auch nach einer Seite die Folge als Zeitfolge der Geschichte von der Folge in der Ordnung der Begriffe. Wo diese Seite liegt, dies näher zu zeigen, würde uns aber von unserem Zwecke zu weit abführen.

Ich bemerke nur noch dies, daß aus dem Gesagten erhellt, daß das Studium der Geschichte der Philosophie Studium der Philosophie selbst ist, wie es denn nicht anders sein kann. Wer Geschichte der Physik, Mathematik usf. studiert, macht sich damit ja auch mit der Physik, Mathematik selbst bekannt. Aber um in der empirischen Gestalt und Erscheinung, in der die Philosophie geschichtlich auftritt, ihren Fortgang als Entwicklung der Idee zu erkennen, muß man freilich die Erkenntnis der Idee schon mitbringen, so gut als man zur Beurteilung der menschlichen Handlungen die Begriffe von dem, was recht und gehörig ist, mitbringen muß. Sonst, wie wir dies in so vielen Geschichten der Philosophie sehen, bietet sich dem ideenlosen Auge freilich nur ein unordentlicher Haufen von Meinungen dar. Diese Idee Ihnen nachzuweisen, die Erscheinungen sonach zu erklären – dies ist das Geschäft dessen, der die Geschichte der Philosophie vorträgt. Weil der Beobachter den Begriff der Sache schon mitbringen muß, um ihn in ihrer Erscheinung zu sehen und den Gegenstand wahrhaft auslegen zu können, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn es so manche schale Geschichte der Philosophie gibt, wenn in ihnen die Reihe der philosophischen Systeme als eine Reihe von bloßen Meinungen, Irrtümern, Gedankenspielen vorgestellt wird – Gedankenspielen, die zwar mit großem Aufwand von Scharfsinn, Anstrengung des Geistes und was man alles über das Formelle derselben für Komplimente sagt, ausgeheckt worden seien. Bei dem Mangel des philosophischen Geistes, den solche Geschichtsschreiber mitbringen, wie sollten sie das, was vernünftiges Denken ist, auffassen und darstellen können?

Aus dem, was über die formelle Natur der Idee an gegeben worden ist, erhellt, daß nur eine Geschichte der Philosophie, als ein solches System der Entwicklung der Idee aufgefaßt, den Namen einer Wissenschaft verdient (nur darum gebe ich mich damit ab, halte Vorlesungen darüber); eine Sammlung von Kenntnissen macht keine Wissenschaft aus. Nur so, als durch die Vernunft begründete Folge der Erscheinungen, welche selbst das, was die Vernunft ist, zu ihrem Inhalte haben und es enthüllen, zeigt sich diese Geschichte selbst als etwas Vernünftiges; sie zeigt, daß sie eine vernünftige Begebenheit. Wie sollte das alles, was in Angelegenheiten der Vernunft geschehen ist, nicht selbst vernünftig sein? Es muß schon vernünftiger Glaube sein, daß nicht der Zufall in den menschlichen Dingen herrscht; und es ist eben Sache der Philosophie, zu erkennen, daß, sosehr ihre eigene Erscheinung Geschichte ist, sie nur durch die Idee bestimmt ist.

Durch diese vorausgeschickten allgemeinen Begriffe sind nun die Kategorien bestimmt, deren nähere Anwendung auf die Geschichte der Philosophie wir zu betrachten haben – eine Anwendung, welche uns die bedeutendsten Gesichtspunkte dieser Geschichte vor Augen bringen wird.


a. Zeitliche Entwicklung der mannigfaltigen Philosophien

Die unmittelbarste Frage, welche über diese Geschichte gemacht werden kann, betrifft jenen Unterschied der Erscheinung der Idee selbst, welcher soeben gemacht worden ist, – die Frage, wie es kommt, daß die Philosophie als eine Entwicklung in der Zeit erscheint und eine Geschichte hat. Die Beantwortung dieser Frage greift in die Metaphysik der Zeit ein, und es würde eine Abschweifung von dem Zweck, der hier unser Gegenstand ist, sein, wenn hier mehr als nur die Momente angegeben würden, auf die es bei der Beantwortung der aufgeworfenen Frage ankommt.

Es ist oben über das Wesen des Geistes angeführt worden, daß sein Sein seine Tat ist. Die Natur ist, wie sie ist, und ihre Veränderungen sind deswegen nur Wiederholungen, ihre Bewegung nur ein Kreislauf. Näher ist seine Tat die, sich zu wissen. Ich bin, unmittelbar; aber so bin ich nur als lebendiger Organismus; als Geist bin ich nur, insofern ich mich weiß. Gnôthi seauton wisse Dich, die Inschrift über dem Tempel des wissenden Gottes zu Delphi, ist das absolute Gebot, welches die Natur des Geistes ausdrückt. Das Bewußtsein aber enthält wesentlich dieses, daß ich für mich, mir Gegenstand bin. Mit diesem absoluten Urteil, der Unterscheidung meiner von mir selbst, macht sich der Geist zum Dasein, setzt sich als sich selbst äußerlich; er setzt sich in die Äußerlichkeit, welches eben die allgemeine, unterscheidende Weise der Existenz der Natur ist. Die eine der Weisen der Äußerlichkeit aber ist die Zeit, welche Form sowohl in der Philosophie der Natur als des endlichen Geistes ihre nähere Erörterung zu erhalten hat.

Dies Dasein und damit In-der-Zeit-Sein ist ein Moment nicht nur des einzelnen Bewußtseins überhaupt, das als solches wesentlich endlich ist, sondern auch der Entwicklung der philosophischen Idee im Elemente des Denkens. Denn die Idee, in ihrer Ruhe gedacht, ist wohl zeitlos; sie in ihrer Ruhe denken ist, sie in Gestalt der Unmittelbarkeit festhalten, ist gleichbedeutend mit der inneren Anschauung derselben. Aber die Idee ist als konkret, als Einheit Unterschiedener, wie oben angeführt ist, wesentlich nicht Ruhe und ihr Dasein wesentlich nicht Anschauung, sondern als Unterscheidung in sich und damit Entwicklung tritt sie in ihr selbst ins Dasein und in die Äußerlichkeit im Elemente des Denkens; und so erscheint im Denken die reine Philosophie als eine in der Zeit fortschreitende Existenz. Dies Element des Denkens selbst aber ist abstrakt, ist die Tätigkeit eines einzelnen Bewußtseins. Der Geist ist aber nicht nur als einzelnes, endliches Bewußtsein, sondern als in sich allgemeiner, konkreter Geist. Diese konkrete Allgemeinheit aber befaßt alle die entwickelten Weisen und Seiten, in denen er sich der Idee gemäß Gegenstand ist und wird. So ist sein denkendes Sich-Erfassen zugleich die von der entwickelten, totalen Wirklichkeit erfüllte Fortschreitung – eine Fortschreitung, die nicht das Denken eines Individuums durchläuft und sich in einem einzelnen Bewußtsein darstellt, sondern der als in dem Reichtum seiner Gestaltung, in der Weltgeschichte sich darstellende allgemeine Geist. In dieser Entwicklung geschieht es daher, daß eine Form, eine Stufe der Idee in einem Volke zum Bewußtsein kommt, so daß dieses Volk und diese Zeit nur diese Form ausdrückt, innerhalb welcher es sich sein Universum ausbildet und seinen Zustand ausarbeitet, die höhere Stufe dagegen Jahrhunderte nachher in einem anderen Volke sich auftut.

Wenn wir nun so diese Bestimmungen von Konkret und Entwicklung festhalten, so erhält die Natur des Mannigfaltigen einen ganz anderen Sinn, so ist mit einem Male das Gerede von der Verschiedenheit der Philosophien, als ob das Mannigfaltige ein Stehendes, Festes, außereinander Bleibendes sei, niedergeschlagen und an seinen Ort gestellt, – das Gerede, an welchem das Vornehmtun gegen Philosophie eine selbst unüberwindliche Waffe gegen sie zu besitzen glaubt und in seinem Stolze auf solche armselige Bestimmungen (ein wahrer Bettelstolz) zugleich selbst über das ganz Wenige ganz unwissend ist, was es besitzt und zu wissen hat, z.B. hier Mannigfaltigkeit, Verschiedenheit. Dies ist eine Kategorie, die doch jeder versteht, er hat gar kein Arges daran, ist damit bekannt und meint, sie als eine völlig verstandene handhaben und gebrauchen zu können; es verstehe sich von selbst, daß er wisse, was das ist. Die aber die Mannigfaltigkeit für eine absolut feste Bestimmung halten, kennen ihre Natur und die Dialektik derselben nicht. Die Mannigfaltigkeit ist im Flusse, muß wesentlich als in der Bewegung der Entwicklung gefaßt werden, – ein vorübergehendes Moment. Die konkrete Idee der Philosophie ist die Tätigkeit der Entwicklung, die Unterschiede, die sie an sich enthält, herauszusetzen. Diese Unterschiede sind Gedanken überhaupt, denn wir sprechen hier von der Entwicklung im Denken. Die Unterschiede, die in der Idee liegen, werden als Gedanken gesetzt; das ist das erste. Das zweite ist, daß diese Unterschiede zum Bestehen kommen müssen, der eine hier, der andere da. Daß sie dies vermögen, dazu müssen sie Ganze, Totalität sein, die Totalität der Idee in ihnen enthalten. Nur das Konkrete ist das Wirkliche, welches die Unterschiede trägt; so sind die Unterschiede als ganze Gestalten.

Solche vollständige Gestaltung des Gedankens ist eine Philosophie. Die Unterschiede enthalten aber die Idee in einer eigentümlichen Form. Man könnte sagen, die Form sei gleichgültig, der Inhalt, die Idee sei die Hauptsache. Und man meint leicht billig zu sein, wenn man zugibt, die verschiedenen Philosophien enthalten die Idee, nur in verschiedenen Formen – in dem Sinne, daß diese Formen zufällig seien. Es kommt aber allerdings auf sie an. Diese Formen sind nichts anderes als die ursprünglichen Unterschiede der Idee selbst; sie ist nur in ihnen, was sie ist; sie sind ihr also wesentlich, sie machen den Inhalt der Idee aus. Der Inhalt legt sich auseinander, und so ist er als Form. Die Mannigfaltigkeit der Bestimmungen, die hier erscheint, ist aber nicht unbestimmt, sondern notwendig; die Formen integrieren sich zur ganzen Form. Es sind die Bestimmungen der ursprünglichen Idee; zusammen macht ihr Bild das Ganze aus. So wie sie außereinander sind, so fällt das Zusammen derselben nicht in sie, sondern in uns, die Betrachtenden.

Jedes System ist in einer Bestimmung; allein es bleibt nicht dabei, daß sie so außereinander sind. Es muß das Schicksal dieser Bestimmungen eintreten, welches eben dies ist, daß sie zusammengefaßt und zu Momenten herabgesetzt werden. Die Weise, wonach jedes sich als Selbständiges setzte, wird wieder aufgehoben; nach der Expansion tritt Kontraktion ein – die Einheit, wovon sie ausgegangen waren. Dies Dritte kann selbst wieder nur der Anfang einer weiteren Entwicklung sein. Es kann scheinen, als schritte dieser Fortgang ins Unendliche. Er hat aber auch ein absolutes Ziel, was wir späterhin weiter erkennen werden. Es sind viele Wendungen nötig, ehe der Geist, zum Bewußtsein seiner kommend, sich befreit. Nach dieser allein würdigen Ansicht von der Geschichte der Philosophie ist der Tempel der selbstbewußten Vernunft zu betrachten. Es ist daran vernünftig gebaut, durch inneren Werkmeister; nicht etwa, wie die Juden oder Freimaurer am salomonischen bauen 

Die große Präsumtion, daß es auch nach dieser Seite in der Welt vernünftig zugegangen – was der Geschichte der Philosophie erst wahrhaftes Interesse gibt –, ist dann nichts anderes als der Glaube an die Vorsehung, nur in anderer Weise. Das Beste in der Welt ist, was der Gedanke hervorbringt. Daher ist es unpassend, wenn man glaubt, nur in der Natur sei Vernunft, nicht im Geistigen. Demjenigen, welcher die Begebenheiten im Gebiete des Geistes – und das sind die Philosophien – für Zufälligkeiten hält, ist es nicht Ernst mit dem Glauben an eine göttliche Weltregierung, und sein Glaube an die Vorsehung ist ein leeres Gerede.

Es ist allerdings eine lange Zeit – und die Länge der Zeit ist es, die auffallen kann –, welche der Geist dazu braucht, sich die Philosophie zu erarbeiten. Wenn man sich aber überhaupt über die Länge der Zeit verwundert, so kann die[54] Länge allerdings etwas Auffallendes für die nächste Reflexion haben, gleichwie die Größe der Räume, von denen in der Astronomie gesprochen wird. Was die Langsamkeit des Weltgeistes betrifft, so ist zu bedenken, daß er nicht pressiert ist, nicht zu eilen und Zeit genug hat – »tausend Jahre sind vor Dir wie ein Tag«; er hat Zeit genug, eben weil er selbst außer der Zeit, weil er ewig ist. Die übernächtigen Ephemeren haben zu so vielen ihrer Zwecke nicht Zeit genug; wer stirbt nicht, ehe er mit seinen Zwecken fertig geworden? Er hat nicht nur Zeit genug, – es ist nicht Zeit allein, die auf die Erwerbung eines Begriffes zu verwenden ist, es kostet noch viel anderes. Daß er ebenso viele Menschengeschlechter und Generationen an diese Arbeiten seines Bewußtwerdens wendet, daß er einen ungeheuren Aufwand des Entstehens und Vergehens macht – darauf kommt es ihm auch nicht an. Er ist reich genug für solchen Aufwand, er treibt sein Werk im Großen, er hat Nationen und Individuen genug zu depensieren. Es ist ein trivialer Satz: Die Natur kommt auf dem kürzesten Weg zu ihrem Ziel. Dies ist richtig; aber der Weg des Geistes ist die Vermittlung, der Umweg. Zeit, Mühe, Aufwand – solche Bestimmungen aus dem endlichen Leben gehören nicht hierher. Wir dürfen auch nicht ungeduldig werden, daß die besonderen Einsichten nicht schon jetzt ausgeführt werden können, nicht dies oder jenes schon da ist; in der Weltgeschichte gehen die Fortschritte langsam.

Quelle: Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 18, Frankfurt am Main 1979, S. 51-55.
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B. Verhältnis der Philosophie zu anderen Gebieten

1. Geschichtliche Seite dieses Zusammenhangs

b. Geschichtlicher Eintritt eines geistigen Bedürfnisses zum Philosophieren


Sosehr die Philosophie auch, als Denken, Begreifen des Geistes einer Zeit, apriorisch ist, so wesentlich ist sie auch Resultat; der Gedanke ist resultierend, hervorgebracht, er ist die Lebendigkeit, Tätigkeit, sich hervorzubringen. Diese Tätigkeit enthält das wesentliche Moment einer Negation: Hervorbringen ist auch Vernichten; die Philosophie, damit sie sich hervorbringe, hat das Natürliche zu ihrem Ausgangspunkte. Die Philosophie tritt zu einer Zeit auf, wo der Geist eines Volkes sich aus der gleichgültigen Dumpfheit des ersten Naturlebens herausgearbeitet hat, ebenso als aus dem Standpunkt des leidenschaftlichen Interesses, so daß diese Richtung aufs Einzelne sich abgearbeitet hat; der Geist geht über seine natürliche Gestalt hinaus, er geht von seiner realen Sittlichkeit, Kraft des Lebens zum Reflektieren, Begreifen über. Die Folge davon ist, daß er diese substantielle Weise der Existenz, diese Sittlichkeit, diesen Glauben angreift, wankend macht; und damit tritt die Periode des Verderbens ein. Der weitere Fortgang ist dann, daß der Gedanke sich in sich sammelt. Man kann sagen, wo ein Volk aus seinem konkreten Leben überhaupt heraus ist, Trennung und Unterschied der Stände entstanden ist und das Volk sich seinem Untergange nähert, wo ein Bruch eingetreten ist zwischen dem inneren Streben und der äußeren Wirklichkeit, die bisherige Gestalt der Religion usw. nicht mehr genügt, der Geist Gleichgültigkeit an seiner lebendigen Existenz kundgibt oder unbefriedigt in derselben weilt, ein sittliches Leben sich auflöst, – erst dann wird philosophiert. Der Geist flüchtet in die Räume des Gedankens, und gegen die wirkliche Welt bildet er sich ein Reich des Gedankens.

Die Philosophie ist dann die Versöhnung des Verderbens, das der Gedanke angefangen hat. Die Philosophie fängt an mit dem Untergange einer reellen Welt; wenn sie auftritt mit ihren Abstraktionen, grau in grau malend, so ist die Frische der Jugend, der Lebendigkeit schon fort, und es ist ihre Versöhnung eine Versöhnung nicht in der Wirklichkeit, sondern in der ideellen Welt. Die Philosophen in Griechenland haben sich von den Staatsgeschäften zurückgezogen; sie sind Müßiggänger gewesen, wie das Volk sie nannte, und haben sich in die Gedankenwelt zurückgezogen.

Es ist dies eine wesentliche Bestimmung, die bewährt wird in der Geschichte der Philosophie selbst. So ist mit dem Untergang der ionischen Staaten in Kleinasien die ionische Philosophie aufgegangen. Sokrates und Platon hatten keine Freude mehr am athenischen Staatsleben, welches in seinem Untergange begriffen war; Platon suchte ein besseres beim Dionysios zu bewerkstelligen. So tritt in Athen mit dem Verderben des athenischen Volks die Zeit ein, wo die Philosophie dort hervorkommt. In Rom breitete sich die Philosophie erst mit dem Untergange des eigentlichen römischen Lebens, der Republik, unter dem Despotismus der römischen Kaiser aus – in dieser Zeit des Unglücks der Welt und des Untergangs des politischen Lebens, wo das frühere religiöse Leben wankte, alles in Auflösung und Streben nach einem Neuen begriffen war. Mit dem Untergang des römischen Kaisertums, das so groß, reich, prachtvoll, aber innerlich erstorben war, ist verbunden die hohe und höchste Ausbildung der alten Philosophie durch die neuplatonischen alexandrinischen Philosophen. Ebenso im 15. und 16. Jahrhundert, als das germanische Leben des Mittelalters eine andere Form gewann und – während früher das politische Leben noch in Einheit mit der Religion gestanden oder, wenn der Staat auch gegen die Kirche kämpfte, diese dennoch die herrschende blieb – jetzt der Bruch zwischen Staat und Kirche eingetreten war, da ist die Philosophie zunächst zwar nur eingelernt worden, nachher aber in der modernen Zeit selbständig aufgetreten. Die Philosophie tritt so nur in einer gewissen Bildungsepoche des Ganzen ein.

Quelle: Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 18, Frankfurt am Main 1979, S. 71-72.
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3. Anfang der Philosophie und ihrer Geschichte

 
In der Philosophie ist der Gedanke, das Allgemeine als Inhalt, der alles Sein ist. Dieser allgemeine Inhalt muß bestimmt werden; es wird sich zeigen, wie die Bestimmungen an diesem Inhalt nach und nach in der Geschichte der Philosophie hervortreten. Zuerst werden diese Bestimmungen unmittelbare sein, weiter muß das Allgemeine als das sich selbst unendlich Bestimmende aufgefaßt werden. Indem wir den Begriff der Philosophie so bestimmt haben, so fragt sich, wo fängt die Philosophie und ihre Geschichte an.

 

a. Die Freiheit des Denkens als Bedingung des Anfangs


Die allgemeine Antwort ist nach dem Gesagten: da fängt die Philosophie an, wo das Allgemeine als das allumfassende Seiende aufgefaßt wird oder wo das Seiende in einer allgemeinen Weise gefaßt wird, wo das Denken des Denkens hervortritt. Wo ist nun dies geschehen? Wo hat dies begonnen? Das ist das Historische der Frage. Das Denken muß für sich sein, in seiner Freiheit zur Existenz kommen, sich vom Natürlichen losreißen und aus dem Versenktsein in die Anschauung heraustreten. Das Denken muß als freies in sich gehen; es ist damit Bewußtsein der Freiheit gesetzt. Der eigentliche Anfang der Philosophie ist da zu machen, wo das Absolute nicht als Vorstellung mehr ist, sondern der freie Gedanke nicht bloß das Absolute denkt, [sondern] die Idee desselben erfaßt: d.h. das Sein (was auch der Gedanke selbst sein kann), welches er als das Wesen der Dinge er kennt, als die absolute Totalität und das immanente Wesen von Allem, – hiermit, wenn es auch sonst als ein äußeres Sein wäre, es doch als Gedanken erfaßt. So ist das einfache, unsinnliche Wesen, welches die Juden als Gott gedacht haben (alle Religion ist Denken), nicht ein Gegenstand der Philosophie, sondern z.B. die Sätze: das Wesen oder Prinzip der Dinge ist das Wasser, oder das Feuer, oder der Gedanke.

Diese allgemeine Bestimmung, das Denken, das sich selbst setzt, ist abstrakte Bestimmtheit. Sie ist der Anfang der Philosophie; dieser ist zugleich ein Geschichtliches, die konkrete Gestalt eines Volkes, deren Prinzip dies ausmacht, was wir gesagt haben. Ein Volk, das dieses Bewußtsein der Freiheit hat, gründet sein Dasein auf dieses Prinzip. Die Gesetzgebung, der ganze Zustand des Volkes hat seinen Grund allein im Begriffe, den der Geist sich von sich macht, in den Kategorien, die er hat. Sagen wir, zum Hervortreten der Philosophie gehört Bewußtsein der Freiheit, so muß dem Volke, wo Philosophie beginnt, dies Prinzip zugrunde liegen; nach der praktischen Seite hängt damit zusammen, daß wirkliche Freiheit, politische Freiheit aufblühe. Diese beginnt nur da, wo das Individuum für sich als Individuum sich weiß, als Allgemeines, als Wesentliches, welches als Individuum einen unendlichen Wert hat, oder wo das Subjekt das Bewußtsein der Persönlichkeit erlangt hat, also schlechthin für sich gelten will. Darin ist das freie Denken des Gegenstandes enthalten – des absoluten, des allgemeinen, wesentlichen Gegenstandes. Denken heißt, etwas in die Form der Allgemeinheit bringen; sich denken heißt, sich in sich als Allgemeines wissen, sich die Bestimmung des Allgemeinen geben, sich auf sich beziehen. Darin ist das Element der praktischen Freiheit enthalten. Das philosophische Denken hat sogleich diesen Zusammenhang, daß der Gedanke als Denken einen allgemeinen Gegenstand vor sich hat, daß er das Allgemeine zu seinem Gegenstande macht oder das Gegenständliche sich als das Allgemeine bestimmt. Die Einzelheit der natürlichen Dinge, die im sinnlichen Bewußtsein sind, bestimmt er als ein Allgemeines, als einen Gedanken, als einen objektiven Gedanken, – das Objektive, aber als Gedanken. Zweitens gehört dazu, daß ich dies Allgemeine jetzt erkenne, bestimme, weiß. Ein wissendes, erkennendes Verhältnis zu dem Allgemeinen tritt nur ein, insofern ich mich für mich halte, erhalte. Insofern das Gegenständliche mir gegenüber als Gegenständliches bleibt und ich es zugleich denke, so ist es das Meinige; und obgleich es mein Denken ist, so gilt es mir doch als das absolut Allgemeine; ich habe mich darin, bin in diesem Objektiven, Unendlichen erhalten, habe Bewußtsein darüber und bleibe auf dem Standpunkt der Gegenständlichkeit stehen.

Dies ist der allgemeine Zusammenhang der politischen Freiheit mit dem Hervortreten der Freiheit des Gedankens. In der Geschichte tritt daher die Philosophie nur da auf, wo und insofern freie Verfassungen sich bilden. Der Geist muß sich trennen von seinem natürlichen Wollen, Versenktsein in den Stoff. Die Gestalt, mit der der Weltgeist anfängt, die der Stufe jener Trennung vorausgeht, ist die Stufe der Einheit des Geistes mit der Natur, welche, als unmittelbar, nicht das Wahrhafte ist. Das ist das orientalische Wesen überhaupt. Die Philosophie beginnt in der griechischen Welt.

Quelle: Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 18, Frankfurt am Main 1979, S. 115-117.
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JAQUES LACAN


Lacan

Jacques Lacan (1901-1981)

Par Encyclopédie du Monde Actuel (EDMA); copyright belongs to Charles-Henri Favrod —
Scanned from the actual book, CC BY-SA 3.0

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"céder sur son désir"

  

In: J. Lacan: Le Séminaire, livre VII: L'étique de la psychanalyse, 1959-60, Paris 1986, 368-373.

Cf. http://staferla.free.fr/S7/S7%20L'ETHIQUE.pdf (pp. 245 ss)


C'est à titre expérimental que j'avance devant vous ces propositions. Formulons-les en manière de paradoxes. Voyons ce que ça donne pour des oreilles d'analystes.

Je propose que la seule chose dont on puisse être coupable, au moins dans la perspective analytique, c'est d'avoir cédé sur son désir.

Cette proposition, recevable ou non dans telle ou telle éthique, exprime assez bien ce que nous constatons dans notre expérience. Au dernier terme, ce dont le sujet se sent effectivement coupable quand il fait de la culpabilité, de façon recevable ou non pour le directeur de conscience, c'est toujours, à la racine, pour autant qu'il a cédé sur son désir.

Allons plus loin. Il a souvent cédé sur son désir pour le bon motif, et même pour le meilleur. Ceci n'est pas non plus pour nous étonner. Depuis que la culpabilité existe, on a pu s'apercevoir depuis longtemps que la question du bon motif, de la bonne intention, pour constituer certaines zones de l'expérience historique, pour avoir été promue au premier plan des discussions de théologie morale, disons, au temps d'Abélard, n'en a pas laissé les gens les plus avancés. La question, à l'horizon, se reproduit toujours la même. Et c'est bien pourquoi les chrétiens de la plus commune observance ne sont jamais bien tranquilles. Car s'il faut faire les choses pour le bien, en pratique on a bel et bien toujours à se demander pour le bien de qui. A partir de là, les choses ne vont pas toutes seules.

Faire les choses au nom du bien, et plus encore au nom du bien de l'autre, voilà qui est bien loin de nous mettre à l'abri non seulement de la culpabilité, mais de toutes sortes de catastrophes intérieures. En particulier, cela ne nous met certainement pas à l'abri de la névrose et de ses conséquences. Si l'analyse a un sens, le désir n'est rien d'autre que ce qui supporte le thème inconscient, l'articulation propre de ce qui nous fait nous enraciner dans une destinée particulière, laquelle exige avec instance que la dette soit payée, et il revient, il retourne, et nous ramène toujours dans un certain sillage, dans le sillage de ce qui est proproment notre affaire.

J'ai opposé la dernière fois le héros à l'homme du commun, et quelqu'un s'en est offensé. Je ne les distingue pas comme deux espèces humaines – en chacun de nous, il y a la voie tracée pour un héros, et c'est justement comme homme du commun qu'il l'accomplit.

Les champs que je vous ai tracés la dernière fois – le cercle interne que j'ai appelé du nom de l'être-pour-la-mort, dans le milieu les désirs, le renoncement à l'entrée du circle externe – ne s'opposent pas au triple champ de la haine, de la culpabilité et de la crainte comme à  ce qui serait, ici, l'homme du commun, et, ici, le héros. Ce n'est pas ça du tout. Cette forme générale est bel et bien tracée par la structure dans et pour l'homme du commun, et c'est précisément pour autant que le héros s'y guide correctement, qu'il passe par toutes les passions où s'embrouille l'homme du commun, à ceci près que, chez lui, elle sont pures, et qu'il s'y soutient entièrement.

La topologie que je vous ai dessinée cette année, quelqu'un ici l'a baptisé, non sans bonheur d'expression, encore que non sans une note humoristique, la zone de l'entre-deux-morts. Vos vacances vous permetront de dire si sa rigueur vous paraît effectivement efficade. Je vous prie d'y revenir.

Vous reverrez dans  Sophocle la danse dont il s'agit entre Créon et Antigone. Il est clair que le héros, pour autant que sa présence dans cette zone indique que quelque chose est défini et libéré, y entraîne son partenaire. A la fin de l'Antigone, Créon parle bel et bien désormais de lui-même comme d'un mort parmi les vivants, pour autant qu'il a littéralement perdu tous ses biens dans cette affiare. A travers l'acte tragique, le héros libère son adversaire lui-même.

(...)

Ce que j'appelle céder sur son désir s'accompagne toujours dans la destinée du sujet – vous l'observerez dans chaque cas, notez-en la dimension – de quelque trahison. Ou le sujet trahit sa voie, se trahit lui-même, et c'est sensible pour lui-même. Ou, plus simplement, il tolère que quelqu'un avec qui il s'est plus ou moins voué à quelque chose ait trahi son attente, n'ait pas fait à son endroit ce que comportait le pacte – le pacte quel qu'il soit, faste ou néfaste, précaire, à courte vue, voire de révolte, voire de fuite, qu'importe.

Quelque chose se joue autour de la trahison, quand on la tolère, quand, poussé par l'idée du bien – j'entends, du bien de celui  qui a trahi à ce moment –, on cède au point de rabattre ses propres prétentions, et de se dire – Eh bien puisque c'est comme ça, renonçons à notre perspective, ni l'un ni l'autre, mais sans doute pas moi, nous ne valons mieux, rentrons dans la voie ordinaire. Là, vous pouvez être sûr que se retrouve la structure qui s'appelle céder sur son désir.

Franchie cette limite où je vous ai lié en un même terme le mépris de l'autre et de soi-même, il n'y a pas de retour. Il peut s'agir de réparer, mais non pas de réfaire. Ne voilà-t-il pas un fait d'expérience qui nous montre que la psychanalyse est capable de nous fournir une boussole efficace dans le champ de la direction éthique?

Je vous ai donc articulé trois propositions.

La seule chose dont on puisse être coupable, c'est d'avoir cédé sur son désir.

Deuxièmement, la définition du héros  – c'est celui qui peut impunément être trahi.

Troisièmement, ceci n'est point à la porté de tout le monde, et c'est la différence entre l'homme du comun et le héros, plus mysteriéuse donc qu'on ne le croit. Pour l'homme du commun, la trahison, qui se produit presque toujours, a pour effet de le rejeter de façon décisive au service des biens, mais à cette condition qu'il ne retrouvera jamais ce qui l'oriente vraiment dans ce service.

Enfin, le champ des biens, naturellement ça existe, il ne s'agit pas de les nier, mais renversant la perspective je vous propose ceci, quatrième proposition – Il n'y a pas d'autre bien que ce qui peut servir à payer le prix pour l'accès au désir – en tant que ce désir, nous l'avons défini ailleurs comme la métonymie de notre être. Le ru où se situe le désir n'est pas seulement la modulation de la chaîne signifiante, mais ce qui court dessous, qui est à proprement parler ce que nous sommes, et aussi ce que nous ne sommes pas, notre être et notre non-être – ce qui dans l'acte est signifié, passe d'un signifiant à l'autre de la chaîne, sous toutes les significations.

Je vous l'ai expliqué la dernière fois dans la métonymie du manger le livre que j'ai prise sans doute d'inspiration, mai à la regarder de près, vous verrrez que c'est la métonymie la plus extrême, ce qui ne nous étonne pas de la part de saint Jean, celui qui a mis le Verbe au commencement. C'est tout de même une idée d'écrivain – il l'était comme pas un –, mais enfin, manger le livre, c'est bien ce qui confronte ce que Freud nous a dit imprudemment n'être pas susceptible de substitution et de déplacement, à savoir la faim, avec quelque chose qui n'est plutôt pas fait là où nous touchons du doigt ce que veut dire Freud quand il parle de la sublimation comme d'un changement non d'objet, mais de but. Cela ne se voit pas tout de suite.

La faim dont il s'agit, la faim sublimé, tombe dans l'intervalle entre les deux, parce que ce n'est pas le livre qui nous remplit l'estomac. Quant j'ai mangé le livre, je ne suis pas pour autant devenu livre, pas plus que le livre n'est devenu chair. Le livre me devient si je puis dire. Mais pour que cette opération puisse se produire – et elle se produit tous les jours –, il faut bien que je paie quelque chose. La différence, Freud la pèse dans un coin du Malaise dans la civilisation. Sublimez tout ce que vous voudrez, il faut le payer avec quelque chose. Ce quelque chose s'appelle la jouissance. Cette opération mystique, je la paie avec une livre de chair.

[cf. W. Shakespeare: The Merchant of  Venice
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Merchant_of_Venice]

Voilà l'objet, le bien, que l'on paie pour la satisfaction du désir. Et voilà où je voulais vous mener pour vous donner une petite lumière sur quelque chose qui est essentiel, et qu'on ne voit pas assez.

C'est là en effet que gît l'opération religieuse, toujours si intéressante pour nous à repérer. Ce qui est sacrifié de bien pour le désir – et vous observerez que cela veut dire la même chose que ce qui est perdu de désir pour le bien –, cette livre de chair, c'est justement ce que la religion se fait office et emploi de récupérer. C'est le seul trait commun à toutes les religions, cela s'étend à toute la religion, à tout le sens religieux.

Je ne peux pas ici développer davantage, mais je vais vous en donner deux applications expressives autant que sommaires. Ce qui, dans l'office religieux, est offert de chair au Dieu sur l'autel, le sacrifice, animal ou autre, ce sont les gens de la communauté religieuse, et en général le prêtre tout simplement, qui se l'envoient – je veux dire qui le bâfrent. Forme exemplaire, mais c'est tout aussi vrai au niveau du saint, dont la visée est effectivement l'accès au désir sublime, pas du tout son désir forcément, car le saint vit et pais pour les autres. L'essentiel de sa sainteté tien en ceci, qu'il consomme le prix payé sous la forme de la souffrance aux deux points extrêmes – le point classique des pires ironies faites sur la mystification religieuse, comme le gueuleton des prêtres derrière l'autel, et aussi bien la dernière frontière de l'héroïsme religieux. Nous trouvons là le même processus de récupération.

C'est en cela que le grand  œuvre religieux se distingue de ce dont il s'agit dans une catharsis de nature éthique qui réunit des choses aussi étrangères en apparence que la  psychanalyse et le spectacle tragique des Grecs. Si nous y avons trouvé notre module, ce n'est pas sans raison. Catharsis a le sens de purification du désir. Cette purification ne peut s'accomplir, comme il est clair à lire simplement la phrase d'Aristote, que pour autant que l'on a à tout le moins situé le franchissement de ses limites, qui s'appellent la crainte et la pitié.

C'est pour autant que l'épos tragique ne laisse pas ignorer au spectateur où es le pôle du désir, montre que l'accès au désir nécessite de franchir non seulement toute crainte, mais toute pitié, que la voix du héros ne tremble devant rien, et tout spécialement pas devant le bien de l'autre, c'est pour autant que tout ceci est éprouvé dans le déroulement temporel de l'histoire, que le sujet en sait un petit peu plus qu'avant sur le plus profond de lui-même.

Ça dure ce que ça dure, pour celui qui va au Théâtre-Français ou au Théâtre d'Athènes. Mais enfin, si les formules d'Aristote signifient quelque chose, c'est cela. On sait ce qu'il en coûte d'avancer dans une certaine direction, et mon Dieu, si on n'y va pas, on sait pourquoi, On peut même pressentir que si on n'est pas tout à fait au clair de ses comptes avec son désir, c'est parce qu'on n'a pas pu mieux faire, car ce n'est pas une voie où l'on puisse s'avancer sans rien payer.

Le spectateur est détrompé sur ceci, que même pour celui qui s'avance à l'extrême de son désir, tout n'est pas rose. Mais il est également détrompé – et c'est l'essentiel – sur la valeur de la prudence qui s'y oppose, sur la valeur toute relative des raisons bénéfiques, des attachements, des interêts pathologiques, comme dit M. Kant, qui peuvent le retenir sur cette voie risquée.

Je vous donne là, de la tragédie et de son effet, une interprétation presque prosaïque, et quelle que soit la vivacité de ses arêtes, je ne suis pas enchanté de la réduire à un niveau qui pourrait vous faire croire que ce qui me paraît l'essentiel de la catharsis est pacifiant. Ce peut n'être pas pacifiant pour tout le monde. Mais c'est la façon la plus directe de concilier ce que certains on perçue comme la face moralisatrice de la tragédie, et le fait que la leçon de la tragédie, dans son essence, n'est pas du tout morale au sens commun du mot.

Bien entendu, toute catharsis ne se réduit pas à quelque chose, je dirai, d'aussi extérieur qu'une démonstration topologique. Quand il s'agit des pratiques de ceux que les Grecs appellent mainómenoi, ceux qui se rendent fou de la transe, de l'expérience religieuse, de la passion, ou de tout ce que vous voudrez, la valeur de la catharsis suppose que le sujet centre, dans la zone ici décrite, et son retour comporte des acquis que l'on appellera possession – vous savez que Platon n'hésite pas à en faire état dans les procédés cathartiques – ou comme on voudra. Il y là atoute une gamme, un évantail de possibilitéss, dont le catalogue demanderait une longue année.

L'important est de savoir où cela se place dans le champ, celui-là même dont je vous ai marqué les limites.


Cf. Isabelle Dhonte: Le désir dans la subversion lacanienne du sujet : « Ne pas céder sur son désir » Dans La revue lacanienne 2010/1 (n° 6), pages 121 à 128
https://www.cairn.info/revue-la-revue-lacanienne-2010-1-page-121.htm#




WILLIAM SHAKESPEARE


shakespeare

William Shakespeare (1554-1616)


Troilus and Cressida, III, iii




ACHILLES
What are you reading?

ULYSSES
A strange fellow here
Writes me: 'That man, how dearly ever parted,
How much in having, or without or in,
Cannot make boast to have that which he hath,
Nor feels not what he owes, but by reflection;
As when his virtues shining upon others
Heat them, and they retort that heat again
To the first giver.'

ACHILLES
This is not strange, Ulysses.
The beauty that is borne here in the face
The bearer knows not, but commends itself
To others' eyes: nor doth the eye itself,
That most pure spirit of sense, behold itself,
Not going from itself; but eye to eye opposed
Salutes each other with each other's form;
For speculation turns not to itself,
Till it hath travelle'd and is mirror'd there
Where it may see itself. This is not strange at all.

ULYSSES
I do not strain at the position,

It is familiar,but at the author's drift;
Who, in his circumstance, expressly proves
That no man is the lord of any thing,
Though in and of him there be much consisting,
Till he communicate his parts to others:
Nor doth he himself know them for aught
Till he behold them form'd in the applause
Where they're extended; who, like an arch, reverberates
The voice again, or, like a gate of steel
Fronting the sun, receives and renders back
His figure and his heat. I was much wrapt in this;
And apprehended here immediately
The unknown Ajax.
Heavens, what a man is there! a very horse,
That has he knows not what. Nature, what things there are
Most abject in regard, and dear in use!
What things again most dear in the esteem
And poor in worth! Now shall we see to-morrow

An act that very chance doth throw upon him
Ajax renown'd. O heavens, what some men do;
While some men leave to do!
How some men creep in skittish fortune's hall,
Whiles others play the idiots in her eyes!
How one man eats into another's pride,
While pride is fasting in his wantonness!
To see these Grecian lords!
why, even already
They clap the lubber Ajax on the shoulder,
As if his foot were on brave Hector's breast,
And great Troy shrieking.

ACHILLES
I do believe it; for they pass'd by me
As misers do by beggars, neither gave to me
Good word or look: what, are my deeds forgot?

ULYSSES
Time hath, my lord, a wallet at his back,
Wherein he puts alms for oblivion,
A gread-sized monster of ingratitudes:
Those scraps are good deeds past; which are devour'd
As fast as they are made, forgot as soon
As done: perseverance, dear my lord,
Keeps honour bright: to have done is to hang
Quite out of fashion, like a rusty mail
In monumental mockery. Take the instant way;
For honour travels in a strait so narrow,
Where one but goes abreast: keep then the path;
For emulation hath a thousand sons
That one by one pursue: if you give way,
Or hedge aside from the direct forthright,
Like to an enter'd tide, they all rush by
And leave you hindmost;
Or like a gallant horse fall'n in first rank,
Lie there for pavement to the abject rear,
O'er-run and trampled on: then what they do in present,
Though less that yours in past, must o'ertop yours;
For time is like a fashionable host
That slightly shakes his parting guests by the hand,
And with his arms outstretch'd, as he would fly,
Grasps in the corner: welcome ever smiles,
And farewell  goes out sighing. O, let not
virtue seek
Remuneration for the thing it was;
For beauty, wit,
High birth, vigour of bone, desert in service,
Love, friendship, charity, are subjects all
To envious and calumniating time.
One touch of nature makes the whole world kin,
That all with one consent praise new-born gawds,
Though they are made and moulded of things past,
And give to dust that is little gilt
More laud than gilt o'er-dusted.
The present eye praises the present object.
Then marvel not, thou great and complete man,
That all the Greeks begin to worship Ajax;
Since things in motion sooner catch the eye
Than what not stirs. The cry went once on thee,
And still it might, and yet it may again,
If thou wouldst not entomb thyself alive
And case thy reputation in thy tent;
Whose glorious deeds, but in these fields of late,
Made emulous missions 'mongst the gods themselves,
And drave great Mars to faction.

THOMAS MORE:  UTOPIA


Thomas More ()

Morus
                      Utopia

Thomas Morus, Titelbild seiner Schrift "Utopia" in der Basler Ausgabe des Joh. Froben, 3. Auflage 1518
Holzschnitt von Ambrosius Holbein (1494-1519)

Vgl. R. Capurro: Hieronymus Bosch - Thomas Morus - Hans Belting.
Gedanken in Anschluss an Hans Belting: Hieronymus Bosch. Garten der Lüste, München 2002


They are very fond of fools [13].
It is a great disgrace to treat them with insult, but there is no prohibition against deriving pleasure from their foolery. The latter, they think, is of so the greatest benefit to the fools themselves. If anyone is so stern and morose that he is not amused with anything they either do or say, they do not entrust him with the care of the fool. They fear that he may not treat him with sufficient indulgence since he would find in him neither use nor even amusement, which is his sole faculty.

[13] As more himself was. Cf. Works, pp. 768, 935; Corresp., p. 529; Eras. Ep., 4, 16

St. Thomas More: Utopia. Edited with Introduction and Notes by Edward Surtz,  S.J. New Haven and London: Yale University Press 1964, Book 2, p. 113.


moriones in delitiis habentur, quos ut affecisse contumelia magno in probro est, ita uoluptatem ab stult
itia capere non uetant. siquidem id morionibus ipsis maximo esse bono censent, cuius qui tam seuerus ac tristis est ut nullum neque factum neque dictum rideat ei tutandum non credunt, ueriti ne non satis indulgenter curetur ab eo, cui non modo nulli usui, sed ne oblectamento quidem—qua sola dote ualet—futurus esset.

Thomas More: De optimo statu reipublicae deque nova insula utopia (1516)

https://www.thelatinlibrary.com/more.html



ERASMUS VON ROTTERDAM


Erasmus von Rotterdam ()

Moriae encomium – Das Lob der Torheit

Moriae

Hans Holbeins gewitzte Zeichnung der Torheit (1515),
als Marginalie in der ersten Edition, eine Kopie, die Erasmus selbst gehörte (Kupferstichkabinett, Basel)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Lob_der_Torheit

 

Porro si quis transformandi rationem requirat, ne id quidem celarim. Ad Lethes nostræ fontem, nam Insulis Fortunatis oritur (siquidem apud Inferos tenuis modo riuulus labitur), eos produco, ut simul atque illic longa potarint obliuia, paulatim dilutis animi curis repubescant. At isti iam delirant, inquiunt, iam desipiunt. Esto sane. Sed istud ipsum est repuerascere. An uero aliud est puerum esse quam delirare, quam desipere? An non hoc uel maxime in ea delectat ætate, quod nihil sapit? Quis enim non ceu portentum oderit, atque exsecretur puerum uirili sapientia? Adstipulatur et uulgo iactatum prouerbium: Odi puerulum præcoci sapientia. Quis autem sustineret habere commercium aut consuetudinem cum eo sene, qui ad tantam rerum experientiam, parem animi uigorem iudiciique acrimoniam adiunxisset? Itaque delirat senex meo munere. Sed tamen delirus iste meus interim miseris illis curis uacat, quibus sapiens ille distorquetur. Interim non illepidus est compotor. Non sensit uitæ tædium, quod robustior ætas uix tolerat. Nonnumquam cum sene Plautino ad tres illas litteras reuertitur, infelicissimus si sapiat: At interim meo beneficio felix, interim amicis gratus, ne congerro quidem infestiuus. Quandoquidem et apud Homerum e Nestoris ore fiuit oratio melle dulcior, cum Achillis sit amarulenta, et apud eumdem, senes in moenibus considentes, tên leirioessan uocem edunt. Quo quidem calculo ipsam etiam superant pueritiam, suauem quidem illam, sed infantem, ac præcipuo uitæ oblectamento, puta garrulitate carentem. Addite huc quod pueris quoque gaudeant impensius senes, ac pueri uicissim senibus delectantur, hôs aiei ton homoion agei theos hôs ton homoion. Quid enim inter illos non conuenit, nisi quod hic rugosior et plures numerat natales? Alioqui capillorum albor, os edentulum, corporis modus minor, lactis appetentia, balbuties, garrulitas, ineptia, obliuio, incogitantia, breuiter omnia cætera congruunt. Quoque magis accedunt ad senectam, hoc propius ad pueritiæ similitudinem redeunt, donec puerorum ritu, citra uitæ tædium, citra mortis sensum emigrant e vita.

 Quelle: https://la.wikisource.org/wiki/Moriae_encomium

 

Wenn jemand von euch mich nach dem Verfahren dieser Verwandlung [ins Reich der Kindheit, RC] fragen sollte, so will ich weniger genau Auskunft geben. Ich führe sie an unseren Strom der Lethe – denn dieser Fluß entspringt auf den Inseln der Seligen, und nur ein kleiner Nebenarm fließt durch die Unterwelt –, damit sie dort völliges Vergessen trinken, allmählich ihren Kummer fahren lassen und wieder jung werden. Aber sie reden irr, sagt man, und sind nicht bei Sinnen. In der Tat ist es so! Jedoch das ist gerade der Weg, wieder jung zu werden. Oder heißt jung sein etwas anderes als irr reden und von sinnen seien? Bezaubert nicht gerade am meisten an der Jugend, daß sie nicht bei Vernunft ist? Denn wer würde ein Kind nicht wie eine Mißgeburt  hassen und verfluchen, wenn es den Verstand eines erwachsenen Mannes besäße? Dem entspricht das auch im Volk sehr verbreitete Sprichwort: "Ich hasse ein altkluges Kind." [27] wer würde Verkehr und Umgang mit einem alten Menschen pflegen, der außer einer großen Lebenserfahrung zugleich noch Verstandeskraft und Urteilsschärfe besitzt? Deshalb ist der Greis durch meine Gunst nicht bei Sinnen. Und mein Wahnwitz befreit somit von all jenen erbärmlichen Plagen, die den Weisen heimsuchen. Im übrigen ist jener kindische Alte kein unangenehmer Zechbruder. Er spürt nicht den Lebensüberdruß, den ein tatkräftiges Alter kaum erträgt. Manchmal wendet er sich wie der Greis bei Plautus sogar erneut den drei Buchstaben zu [28]. Sehr unglücklich wäre er, wenn er genau wüßte, wie es um ihn steht. So aber ist er durch meine Gunst glücklich, im Freundeskreis beliebt und ein gern gesehener Spießgeselle. Eben deshalb ist nach Homer die Rede des Nestor süßer als Honig, dagegen sind die Worte des Achill voll Bitterkeit; nach demselben Dichter sitzen auch die Greise auf den Stadtmauern und plappern lieblichen Unsinn. Bei genauerer Betrachtung erweisen sich sogar die alten Menschen der Jugend überlegen; die Kindheit ist zwar angenehm, aber auch stumm und muß auf jene kindische Schwatzhaftigkeit verzichten, die ein so bevorzugter Zeitvertreib im Leben ist. Nicht unerwähnt bleiben sollte, daß alte Menschen an Kindern besondere Freude haben, gleichzeitig aber auch Kinder Greisen zugetan sind, "wie doch ein Gott immer gleiches mit gleichem verbindet." [29] Denn welcher Unterschied besteht zwischen ihnen, außer daß der Greis ein runzeliges Gesicht hat und auf eine größere Zahl von Geburtstagen zurücksieht? Beiden gemeinsam ist das weiße Haar, der Durst nach Milch, das Stottern, die Schwatzhaftigkeit, die Albernheit, das schlechte Gedächtnis, die Gedankenlosigkeit – kurz alles übrige. Je mehr sich ein Mensch dem Greisenalter nähert, um so ähnlicher wird er wieder dem Kind, bis er die Welt verläßt, ganz in der Art eines Kindes, ohne den Überdruß des Lebens und den Schmerz des Todes zu spüren.

[27] Apulejus, Apologia 85.

[28] Mit den drei Buchstaben ist das Wort "amo" (Ich Liebe") gemeint. Angespielt wird auf die 3. Szene des 2. Aktes in der Komödie "Casina" (der Greis Stalino hält eine Lobrede auf den Reiz der Liebe).
http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A1999.02.0035%3Aact%3D2%3Ascene%3D3

STALINO

to himself . I do believe that love excels all things and delights that are exquisite. It is not possible for anything to be mentioned, that has more relish and more that's delicious in it. Really, I do much wonder at the cooks, who employ sauces so many, that they don't employ this one seasoning, which excels them all. For where love shall be the seasoning, that I do believe will please every one; nor can there be anything relishing or sweet, where love is not mixed with it. The gall which is bitter, that same it will make into honey; a man from morose into one cheerful and pleasant. This conjecture do I form rather from myself at home than from anything I've heard; who, since I've been in love with Casina, more than in my young days have excelled Neatness herself in neatness; I give employment to all the perfumers; wherever an unguent is excellent, I perfume myself, that I may please her. And I do please her, as I think. But inasmuch as she keeps living on, my wife's a torment. Catches sight of his WIFE, and speaks in a low voice. I espy her standing there in gloominess. This plaguy baggage must be addressed by me with civility. Going towards her. My own wife and my delight, what are you about? Takes hold of her.

Lysidamvs

Omnibus rebus ego amorem credo et nitoribus nitidis antevenire,
nec potis quicquam commemorari quod plus salis plusque leporis hodie
habeat; cocos equidem nimis demiror, tot qui utuntur condimentis,
eos eo condimento uno non utier, omnibus quod praestat.
nam úbi amor condiméntum inerit, cuivís placituram escam crédo;
neque sálsum neque suave ésse potest quicquam, úbi amor non admíscetur:
fel quód amarumst, id mél faciet, hominem éx tristi lepidum ét lenem.
hanc égo de me coniécturam domi fácio magis quam ex aúditis;
qui quóm amo Casinam, mágis niteo, mundítiis munditiam ántideo:
myropólas omnes sollicito, ubicúmque est lepidum unguéntum, unguor,
ut illí placeam; et placeo, út videor. sed uxór me excruciat, quía vivit.
tristem ástare aspició. blande haec mihi mála res appellánda est.
uxór mea meaque amoénitas, quid tu agis?

[29] vgl. Homer, Odyss. XVII, 218: "Wie gesellet doch Gott beständig Gleiche zu Gleichen" (nach J.H. Voß). 

Quelle: Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Frankfurt a.M. 1979, S. 25 , 58-59.


Widmungsschreiben
des Erasmus von Rotterdam
an seinen Freund
Thomas Morus

Als ich vor einiger Zeit von Italien wieder nach England reiste, wollte ich die lange Zeit, die ich zu Pferde saß, nicht mit belanglosen und ungeistigen Gesprächen verbringen, sondern es gefiel mir, das eine oder andere Erlebnis unserer gemeinsamen Studien noch einmal vor mein geistiges Auge zu rufen und mich der Erinnerung an jene so gelehrten und liebenswürdigen Freunde hinzugeben, die ich damals zurückgelassen hatte. Von allen aber kamst du, Morus, mir am häufigsten in den Sinn. Deiner habe ich, während ich fern von dir war, nicht weniger herzlich gedacht, als mir damals, da wir noch persönlich zusammen waren, der Umgang mir dir Freude bereitete. Diese Begegnung, das schwöre ich, ist der Höhepunkt meines Lebens gewesen.

Da ich also bereit war, irgend etwas zu tun, andererseits die Gelegenheit zu ernstem Nachdenken wenig geeignet schien, kam ich auf den Gedanken, ein Loblied auf die Torheit zu singen. Welche Pallas, so wirst du fragen, hat dich auf diesen Gedanken gebracht? Zunächst brachte mich dein Familienname darauf, der dem Wort Moria [Moría - die Torheit; morus - närrisch, albern] so ähnlich ist, wie du selbst der Bedeutung dieses Wortes unähnlich bist. Größere Gegensätze – darüber gibt es nicht den geringsten Zweifel – sind gar nicht denkbar. Ferner, so nahm ich an, werde ein solches Spiel, das ganz im Geiste unserer gemeinsamen Gesinnung entstand, dein Gefallen finden, da dich Scherze dieser Art, die nicht ganz geistlos und – wenn  ich mich nicht täusche – auch nicht ganz mißlungen in ihrer gelehrten Anspielung sind, besonders erfreuen und du wie Demokrit das ganze Leben der Sterblichen verlachst. Wenngleich du dich durch die seltene Klarheit deines Geistes von dem einfachen Volk unendlich unterscheidest, besitzt du doch zugleich eine unvorstellbare Gefälligkeit und Leichtigkeit des Umgangs, wodurch es dir möglich ist und auch noch Vergnügen macht, dich zu jeder Stunde mit jedem Menschen über jede Angelegenheit zu verständigen.

Nimm diese kleine Stilübung deshalb wohlwollend auf – sie ist dem Gedächtnis unserer Freundschaft gewidmet – und stelle sie auch unter deinen Schutz, denn ich da ich sie dir zugeeignet habe, gehört sie mir schon nicht mehr, sondern dir. [...]

Auf dem Lande, 9. VI. 1508

Quelle: Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Frankfurt a.M. 1979, S. 9-12

 
ERASMVS ROT. THOMAE MORO SVO S. D. [salutem dicit]

Superioribus diebus cum me ex Italia in Angliam recepissem, ne totum hoc tempus quo equo fuit insidendum amusois et illitteratis fabulis tereretur, malui mecum aliquoties uel de communibus studiis nostris aliquid agitare, uel amicorum, quos hic ut doctissimos ita et suauissimos reliqueram, recordatione frui. Inter hos tu, mi More, uel in primis occurrebas; cuius equidem absentis absens memoria non aliter frui solebam quam presentis presens consuetudine consueueram; qua dispeream si quid unquam in uita contigit mellitius. Ergo quoniam omnino aliquid agendum duxi, et id tempus ad seriam commentationem parum uidebatur accommodatum, uisum est Moriæ Encomium ludere.

Que Pallas istuc tibi misit in mentem? inquies. Primum admonuit me Mori cognomen tibi gentile, quod tam ad Moriæ uocabulum accedit quam es ipse a re alienus; es autem uel omnium suffragiis alienissimus. Deinde suspicabar hunc ingenii nostri lusum tibi precipue probatum iri, propterea quod soleas huius generis iocis, hoc est nec indoctis, ni fallor, nec usquequaque insulsis, impendio delectari, et omnino in communi mortalium uita Democritum quendam agere. Quanquam tu quidem, ut pro singulari quadam ingenii tui perspicacitate longe lateque a uulgo dissentire soles, ita pro incredibili morum suauitate facilitateque cum omnibus omnium horarum hominem agere et potes et gaudes. Hanc igitur declamatiunculam non solum lubens accipies ceu mnemosunon tui sodalis, uerum etiam tuendam suscipies, utpote tibi dicatam iamque tuam non meam. [...]

Quelle: https://la.wikisource.org/wiki/Moriae_encomium

 


ADAGIA


Erasmus
                      Adagia

Ausgabe der Adagia von Aldus Manutius, Venedig, 1508
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Adagia

Adagia: Gesamttext (Latein)


Festina lente

Σπεῦδε βραδέως, i.e.. Festina lente Proverbium hoc non invenustam aenigmatais speciem prae se fert, propterea quod constant ex verbis inter sese pugnantibus. Ideoque referendum est ad eam formam, quam in operis hujus initio demonstravimus, nimirum eorum, quae per enantiosin, i.e. contrarietatem efferuntur. Quod genus est illud, dusdáimon eudaimonía, i.e. infelix felicitas. Nec absurde mihi conjectasse videatur, si quis effictum existimet ex eo, quo est apud Aristophanem in Equitibus, speude tacheos, i.e. Propera propere, ut allusor, quisquis is fuit, ten anadíplosin in enantíosin commutarit. Ad hunc autem figurae colorem, atque ad hanc allusionis facetiam, non mediocrem gratiam adjungit tam commoda, tamque absoluta brevitas, quae et ipsa velut in gemmis, itidem et in adagiis, nescio quo modo paeculiariter decere mihi videtur, et ad precii miraculum facere.

[...]

Nunc vero in Aldum Manutium Romanum, ceu tertium haeredem, devenit:

Haus equidem sine mente reor, sine numine Divum.

Nam hujus eadem, quae quondam Tito Vespasiano placuerunt, celebrantur insignia, non notissima modo, verum etiam gratissima quibuscunque ubivis terrarum bonae literae vel notae sunt vel charae. Neque vero symbolum hoc tum illustrius fuisse crediderim, cum inscalptum imperatorio nomismati, negotiatorum manibus terendum circumferretur, quam nun, cum ubique gentium, vel ultra Christiani imperii terminos, una cum omnigenis utriusque linguae voluminibus propagatur, agnoscitur, tenetur, celebratur ab omnibus, qui liberalium studiorum colunt sacra: praesertim iis, qui fastidia barbara ista pinguique doctrina, ad veram atque antiquam aspirant eruditionem, ad quam restituendam vir is quasi natus, et ab ipsis, ut ita dixerim, fatis factus, scalptusque videtur: tam ardentibus votis unum hoc optat, tam infatigabili molitur studio, usque adeo nullum refugit laborem, ut literaria supellex et integra, et syncera, puraque bonis ingeniis restituatur. Quam quidem ad rem quantum jam attulerit momenti, tametsi fatis, pene dixerim, invitis, res ispa nimirum indicat. Quod si pulcherrimis planeque regiis Aldi nostri votis Deus aliquis bonis literis amicus adspiraverit, et si quem numina laeva sinant, intra paucos annos illud futurum polliceor studiosis, ut quicquid est bonorum auctorum in quattuor linguis, Latina, Graeca, Hebraica, Chaldaica, tum autem in omni genere disciplinarum, id unius huius opera, et plenum habeant et emendatum, nullamque jam literariae supellectilis  partem quisquam desideret. Quod simul atque contigerit, tum vero palam fiet, quantum adhuc bonorum codicum in abdito sit, vel retrusum ob negligentiam, vel suppressum quorundam ambitione, quibus hoc unum cordi est, ut soli sapere videantur. Tum denique cognitum erit, quam prodigioisis mendis scateant auctores etiam hi, qui nunc satis emendati putantur. Cujus rei si cui libebit, velut ex degutatione conjecturam facere, Plinianas epistolas, quae propediem ex Aldina officina prodibunt in lucem, cum vulgatis exemplaribus conferat, quodque ibi deprehenderit, idem in aliis exspectet auctoribus. Herculanum mehercule facinus, ac regio quodam animo dignum, rem tam divinam, quasi funditus collapsam, orbi restituere, latentia pervestigare, eruere retrusa, recocare exstincta, sarcire mutila, emendare tot modis depravata, praecipue vulgarium istorum excusorum vitio, quibus unius etiam aureoli luccelum antiquis est, quam vel universa res literaria
Adde iis, quod quantumlibet exaggeres eoru
m laudem, qui respublicas sua virtute vel tuentur, vel etiam augent, in re certe prophana, tum angustis circumscripta spatiis versantur. At qui literas collapsas vindicat, nam id pene difficilius quam genuisse, primum rem sacram molitur et immortalem, tum non unius alicujus provinciae, sed omnium ubique gentiuim, omnium seculorum negocium agit. Postremo quondam principum hoc munus erat, inter quos praecipua Ptolomaei gloria. Quanquam hujus bibliotheka domesticis et angustis parietibus continebatur. Aldus bibliothecam molitur, cujus non alia septa sint, quam ipsius orbis.
In hanc disgressiunculam non abs re mihi videor exspatiatus, nempe quo studiosi hoc impensius his insigniis et faveant, et delectentur, postea quam cognoverint a tam inclytis auctoribus fluxisse: praeterea quid sibi velint, intellexerint. Denique cum meminerint quantum bonae rei Delphinus ille polliceatur, si quis modo Deus pulcherrimis conatibus dexter adfuerit.
[...]
Dicet his aliquis: heus divinator, quid haec ad typographos?
Quia non nullam mali partem invehit horum impunita licentia. Implent mundum libellis, non jam dicam, nugalibus, quales ego forsitan scribo, sed ineptis, indoctis, maledicis, famosis, rabiosis, impiis ac seditiosis, et horum turba facit, ut frugiferis etiam libellis suus pereat fructus. Provolant quidam absque titulis, aut titulis quod est sceleratius, fictis. Deprehensi respondent, detur unde alam familiam, desinam tales libellos excudere. Aliquanto meliore fronte respondeat fur, impostor aut leno, da qui vivam, et desinam his artibus uti: nisi forte levius crimen est, clam minuere rem alienam, quam palam eripere famam alienam, aut sive vi adquaestum abuti tuo alienove corpore, quam vitam alterius ac famam vita quoque chariorem impetere.


Eile mit Weile

Aldus

Druckerzeichen der Alduspresse
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Aldus_Manutius


σπεῦδε βραδέως (speude bradéos), d.h. Festina lente
Eile mit Weile. Dieses hübsche Sprichwort hat einen rätselhaften Charakter, weil es aus einander widersprechenden Worten besteht. Es muß deshalb zu jenen Wendungen gezählt werden, die wir zu Beginn dieses Werkes erwähnt haben, d.h. zu solchen, die durch ihre enantíosis, d.h. ihre Gegensätzlichkeit auffallen. Zu dieser Art gehört das Wort von der dusdaímon eudaimonía, d.h. Glück im Unglück. Die Vermutung, daß es aus dem Wort des Aristophanes in den Rittern speude tachéos, d.h. Spute dich schnell! [2], entstanden sei, scheint mir gar nicht so dumm. Wer auch der Witzbold gewesen sein mag, er hat so ten anadíplosin (Verdoppelung) in enantíosin (Gegensätzlichkeit) umgewandelt. Die bequeme und vollendete Kürze bringt zu dieser farbigen Bildhaftigkeit der Wendung und zum Witz der Anspielung ein erhebliches Maß an Eingängigkeit, eine gute Dosis Charme. Das aber, meine ich, gehört irgendwie besonders zu sprichwörtlichen Redensarten genau so wie zu geschnittenen Steinen und macht sie besonders schätzenswert. (S. 165-166)

[...]

Heute treffen wir es bei dem Römer Aldus Manutius, gleichsam dem dritten Erben, an:

Allerdings, meine ich, nicht ohne Sinn und göttliche Fügung. [14]

Denn dessen (Drucker-)Zeichen, ein Zeichen das einst dem Titus Vespasian gefiel, ist bei den Anhängern und Freunden der bonae literae (schönen Künste) in aller Welt in höchstem Grade geschätzt. Ich möchte auch keineswegs glauben, daß dieses Symbol damals, als es auf einer kaiserlichen Münze eingeprägt war und durch die Hände von Geschäftsleuten ging, berühmter war als heute, wo es überall in der Welt auch über die Grenzen der Christenheit hinaus, auf allen möglichen Büchern in beiden Sprachen bevorzugt, erworben und allgemein verehrt wird, wo das Studium der freien Künste wichtig erscheint. Das gilt besonders für alle, denen grobschlächtige und barbarische Gelehrsamkeit zuwider ist, die nach der wahrhaften Bildung der Alten Verlangen haben und glauben, daß dieser Mann ganz dazu ausersehen sei, ja, wenn ich es sagen darf, vom Schicksal selbst dazu berufen und geschaffen erscheine. Er hat nur den inständigen Wunsch, müht sich mit unablässigen Eifer und scheut überhaupt keine Mühe, literarische Editionen als Arbeitsgrundlage für anspruchsvolle Geister ebenso unverfälscht, unverderbt und klar herzustellen. Wieviel Wichtigeres er schon zu dem Gegenstand beigetragen hat, und das unter widrigen Umständen, wenn ich es so sagen darf, liegt offen zutage. Wenn Gott unserem Aldus bei dem, was er zweifellos Unvergleichbares, Hervorragendes vorhat, gnädig ist, er also im Aufwind für die schönen Künste steht und ihn ein gnädiges Geschick dazu kommen läßt, dann verspreche ich den wissenschaftlich Arbeitenden, daß in wenigen Jahren dank seinem Bemühen alle wertvollen Autoren in den vier Sprachen Latein, Griechisch, Hebräisch, Chaldäisch, und zwar auf allen Wissensgebieten, vollständig und revidiert zur Verfügung stehen werden und daß niemand irgendein literarisches Hilfsmittel vermissen wird. Wenn das geschehen ist, wird man sehr wohl erkennen, wie viele gute Codices (Handschriften) bis jetzt unzulänglich sind, entweder, weil sie aus Achtlosigkeit übergangen oder aus Geltungsdrank gewisser Leute, de nur darauf sind, allein im Geruch der Weisheit zu stehen, (der Öffentlichkeit) vorenthalten wurden. Dann wird deutlich, von wieviel verhängnisvollen Fehlern auch die Autoren strotzen, die man heute für ausreichend emendiert hält. Wenn jemand an einer Kostprobe einen Einblick gewinnen will, soll er die Plinius-Briefe, die in den nächsten Tagen bei der Aldinischen Offizin herauskommen werden, mit den greifbaren Ausgaben vergleichen und was er dort feststellt, mag er dann auch bei anderen Autoren erwarten. Es ist, weiß der Himmel, eine herkulische Tat und schon eines hochgemuten Geistes würdig, einen so hervorragenden, fast völlig entstellten Gegenstand für alle Welt wiederherzustellen, Verborgenes aufzuspüren, Mißachtetes hervorzurücken, Ausgelöschtes wieder ins Leben zu rufen, Verstümmeltes zu ergänzen und zu verbessern, was durch die Schuld hauptsächlich von Allerweltssdruckern verfälscht ist, für die der Gewinne auch nur eines Goldstücks wichtiger ist als die ganze Welt der Literatur.
Bedenke ebenso, wenn du lang und breit das Lob der Leute singst, die den Staat in ihrer Obhut halten oder sogar mehren, daß sie sich damit doch um Profanes kümmern bzw. sich in einem engen Feld bewegen und es mit einem Gegenstand von begrenzter Reichweite zu tun haben. Wer sich dagegen vornimmt, die darniederliegende Bildung zu erneuern, was beinahe schwieriger ist als etwas Neues zu schaffen, hat es einmal mit einem erhabenen, unsterblichen Gegenstand zu tun, dann aber mutet er sich eine Aufgabe innerhalb eines begrenzten Bereiches zu, aber im Angesicht der Weltöffentlichkeit und für alle Zeiten. Schließlich war dies einst das Vorrecht der Fürsten und unter diesen vor allem die Ruhmestat des Ptolomäus. Doch dessen Bibliothek war von den engen Wänden eines Gebäudes umfaßt. Aldus baut eine Bibliothek auf, die keine anderen Begrenzungen haben soll als die Enden der Welt selbst.
Diese kleine Abschweifung habe ich mir nicht ohne Grund erlaubt, damit nämlich die Studierenden sich um so inniger mit diesem Druckerzeichen verbunden fühlen, wenn sie einmal wissen, daß man es bei erlauchten Autoren findet, und wenn sie erkennen, was es bedeutet, schließlich, wenn sie daran denken, was Gutes jener Delphin verheißt, wenn nur ein gnädiger Gott den hochgemuteten Unternehmungen zur Seite steht.
(S. 185-189)
[...]
Hier mag jemand einwenden: Ach du ahnungsvoller Engel, was hat das mit Druckern zu tun? Deren ungestrafte Willkür verursacht doch gerade so manches Übel. Sie überfluten die Welt mit Druckschriften, ich will sagen: mit possenhaften Druckschriften, wie ich sie möglicherweise schreibe, doch mit läppischen, ungebildeten, verleumderischen, lästerlichen, ausfälligen, gottlosen und aufrührerischen, und dieser Haufen bringt es dahin, daß sogar gehaltvolle Bücher an Wirkung einbüßen. Manche kommen ohne Titel heraus oder, was noch ruchloser ist, unter irreführenden Titeln. Ertappt man sie dabei, erklären sie: Man gebe mir etwas, womit ich meine Familie unterhalte, und ich höre auf solche Bücher zu drucken. Weniger frech mag ein Dieb, ein Betrüger oder Kuppler sagen: Gib mir etwas zum Leben, und ich mache Schluß mit diesen Praktiken, wenn es nicht etwa ein geringeres Vergehen ist, heimlich sich am fremden Eigentum zu vergehen, als in aller Öffentlichkeit einen andern um seinen Ruf zu bringen, oder ohne Gewaltanwendung dein oder das Leben eines anderen zum Erwerb zu gebrauchen, als zugleich mit dem Leben den Ruf eines anderen, der noch teurer ist als das Leben, anzugreifen. (S. 197)

[2] Aristophanes, Ritter, 495.
[14] Vergil, Aeneis V, 56; Aldus Manutius, 1449-1515, venetianischer Drucker, aus Bassiano.

Quelle: Erasmus von Rotterdam: Adagia (Lateinisch / Deutsch). Stuttgart: Reclam 1983.

„Anfang des Jahres 1508 begann Aldus mit dem Druck und Erasmus mit der endgültigen Zusammenstellung des Materials. ‚Das war leichtsinnig von mir‘, pflegte er später zu sagen, sooft er auf jene acht Monate fieberhafter Arbeit zurückblickte, während welcher ihn zu allem Überfluß auch noch Nierensteine plagten. Aldus druckte täglich ‚zwei Ternionen‘, und unterdessen bereitete Erasmus, unbeirrt vom Lärm und Getriebe der Druckerei, pausenlos kollationierend, übersetzend und kommentierend das Druckmanuskript für den folgenden Tag vor. Er fühlte sich wohl in dieser Atmosphäre, bei dieser Arbeit, die für unsere Begriffe etwas Journalistisches an sich hat, und er betrachtete die Druckerpresse als ein ‚beinah göttliches Instrument‘, von dem er sich, zumal in Verbindung mit einem Verlagsprogramm wie dem des Aldus, für die Verbreitung der bonae litterae und damit jeglicher Kultur wahre Wunderdinge versprach.“

In: Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften. Band 7. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1972
Zitat nach: :https://de.wikipedia.org/wiki/Adagia#cite_note-

Aldus
                      Manutius

Erasmus
Erasmus porträtiert von Hans Holbein dem Jüngeren (1523)




PLUTARCH

Plutarch

Plutarch (46-125 n.Chr.)
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29341420



How to Tell a Flatterer from a Friend

Πῶς ἄν τις διακρίνοιε τὸν κόλακα τοῦ φίλου

Quomodo adulator ab amico internoscatur



Sources:
English: Introduction and translation Frank Cole Babbit, 1927
Greek: Gregorius N. Bernadakis, 1888

 

Introduction

Plutarch's [AD 46-119] essay on flatterers is addressed to C. Julius Antiochus Philopappus, a descendant of the kings of Commagene, whose monument still stands on the Museum Hill at Athens. He was a patron of art and literature, and on friendly terms with Plutarch.

The essay is not concerned with the impecunious and dependent adherents (parasites) of the rich, but with the adroit flatterers of a higher standing, who worm their way into the confidence of great men, and exercise a pernicious influence upon them. That Philopappus may have stood in need of such a warning may readily be inferred.

The essay, at the close, digresses into a disquisition on frank speech (παρρησία) that might easily have been made into a separate treatise, but which is developed naturally from the attempt to distinguish the genuineness of a friend from the affectation of a flatterer. Frank speech was regarded in classical times as the birthright of every Athenian citizen, but under the political conditions existent in Plutarch's day it was probably safer to cultivate it as a private virtue.

Cf. Moralia, 628 b, which gives a brief account of a great dinner given by King Philopappus at which both he and Plutarch were present.

 

1

PLATO is of opinion that it is very pardonable in a man to acknowledge that he has any extraordinary passion for himself; and yet the humor is attended with this ill consequent, besides several others, that it renders us incapable of making a right judgment of ourselves. For our affections usually blind our discerning faculties, unless we have learned to raise them above the sordid level of things congenial and familiar to us, to those which are truly noble and excellent in themselves. And hence it is that we are so frequently exposed to the attempts of a parasite, under the disguise and vizard of a friend. For self-love, that grand flatterer within, willingly entertains another from without, who will but soothe up and second the man in the good opinions he has conceived of himself. For he who deservedly lies under the character of one that loves to be flattered is doubtless sufficiently fond of himself: and through abundance of complaisance to his own person, not only wishes but thinks himself master of all those perfections which may recommend him to others. And though indeed it be laudable enough to covet such accomplishments, yet is it altogether unsafe for any man to fancy them inherent in him.

Now, if truth be a ray of the divinity, as Plato says it is [Nomoi 731 d-e], and the source of all the good that derives upon either Gods or men, then certainly the flatterer must be looked upon as a public enemy to all the Gods, and especially to Apollo; for he always acts counter to that celebrated oracle of his, Know thyself, endeavoring to make every man his own cheat, by keeping him ignorant of the good and ill qualities that are in him; whereupon the good never arrive at perfection, and the ill grow incorrigible.


4

Against whom, then, must we be on our guard ? Against the man who does not seem to flatter and will not admit that he does so, the man who is never to be found hanging round the kitchen, never caught noting the shadow on the sun-dial to see if it is getting towards dinner-time, never gets drunk and drops down in a heap on the floor ; he is usually sober, he is always busy, and must have a hand in everything ; he has a mind to be in all secrets, and in general plays the part of friend with the gravity of a tragedian and not like a comedian or a buffoon. For as Plato [Republic, 361a] says, ‘it is the height of dishonesty to seem to be honest when one is not,’ and so the flattery which we must regard as difficult to deal with is that which is hidden, not that which is openly avowed, that which is serious, not that which is meant as a joke.

For such flattery infects even true friendship with distrust, unless we give heed, for in many respects it coincides with friendship. Now it is true that Gobryas, having forced his way into a dark room along with the fleeing Magian, and finding himself engaged in a desperate struggle, called upon Darius, who had stopped beside them and was in doubt what to do, to strike even though he should pierce them both [Herodotus, iii. 78]; but we, if we can by no means approve the sentiment, ‘Down with a foe though a friend go too,’ [Nauck, Trag. Graec. Frag., Adesp. No. 362] have great cause to fear in seeking to detach the flatterer, who through many similarities is closely interlocked with the friend, lest in some way we either cast out the useful along with the bad, or else, in trying to spare what is close to our hearts, we fall upon what is injurious.

So, I think, when wild seeds which have a shape and size approximating to wheat have got mixed with it, the process of cleaning is difficult (for either they do not pass out through a finer sieve, or else they do pass out through a coarser, and the wheat along with them) ; in like manner, flattery which blends itself with every emotion, every movement, need, and habit, is hard to separate from friendship.


5

For the very reason, however, that friendship is the most pleasant thing in the world, and because nothing else gives greater delight, the flatterer allures by means of pleasures and concerns himself with pleasures. And just because graciousness and usefulness go with friendship (which is the reason why they say that a friend is more indispensable than fire and water), the flatterer thrusts himself into services for us, striving always to appear earnest, unremitting, and diligent. And inasmuch as that which most especially cements a friendship begun is a likeness of pursuits and characters, and since to take delight in the same things and avoid the same things is what generally brings people together in the first place, and gets them acquainted through the bond of sympathy, the flatterer takes note of this fact, and adjusts and shapes himself, as though he were so much inert matter, [ὥσπερ ὕλην τινὰ ῥυθμίζει καὶ σχηματίζει] endeavouring to adapt and mould himself to fit those whom he attacks through imitation; and he is so supple in changes and so plausible in his copyings that we may exclaim :

    Achilles' self thou art and not his son. [Nauck, Trag. Graec. Frag., Adesp. No. 363]

But the most unprincipled trick of all that he has is this : perceiving that frankness of speech [παρρησίαν], by common report and belief, is the language of friendship especially (as an animal has its peculiar cry), and, on the other hand, that lack of frankness is unfriendly and ignoble, he does not allow even this to escape imitation, but, just as clever cooks employ bitter extracts and astringent flavourings to remove the cloying effect of sweet things, so flatterers apply a frankness which is not genuine or beneficial, but which, as it were, winks while it frowns, and does nothing but tickle. For these reasons, then, the man is hard to detect, as is the case with some animals to which Nature has given the faculty of changing their hue, so that they exactly conform to the colours and objects beneath them. And since the flatterer uses resemblances to deceive and to wrap about him, it is our task to use the differences in order to unwrap him and lay him bare, in the act, as Plato [Phaedrus, 239 D] puts it, of ‘adorning himself with alien colours and forms for want of any of his own.’


6

Let us, then, consider this matter from the beginning. We have previously said that with most people the beginning of friendship is their congenial disposition and nature, which welcomes the same habits and traits, as nearly as may be, and takes delight in the same pursuits, activities, and avocations ; on the subject of this it has also been said:

An old man hath the sweetest tongue for old, And child for child, and woman suits her kind, A sick man suits the sick ; misfortune's thrall Hath charms for him who hath just met mischance.
[Nauck, Trag. Graec. Frag., Adesp. No. 364, and Kock, Comm. Att. Frag. iii. 606]

So then the flatterer, knowing that when people take delight in the same things it is only natural that they find enjoyment and satisfaction in each other's company, adopts this course in making his first attempts to approach each victim and to secure a lodgement near him; he acts as though the man were some animal running at large in a pasture, [Plato, Republic 493a] and by affecting the same pursuits, the same avocations, interests and manner of life, he gradually gets close to him, and rubs up against him so as to take on his colouring, until his victim gives him some hold and becomes docile and accustomed to his touch : he is ever disapproving actions and lives and persons which he perceives his victim to dislike, while if anything pleases the other he commends, not with moderation, but so as plainly to outdo him in amazement and wonder, and at the same time he stoutly maintains that his affection and hatred are the result of judgement rather than of emotion.


7

What, then, is the method of exposing him, and by what differences is it possible to detect that he is not really like-minded, or even in a fair way to become like-minded, but is merely imitating such a character?
[πῶς οὖν ἐλέγχεται καὶ τίσιν ἁλίσκεται διαφοραῖς
οὐκ ὢν ὅμοιος οὐδὲ γιγνόμενος ἀλλὰ μιμούμενος ὅμοιον;][52a]


In the first place, it is necessary to observe the uniformity and permanence of his tastes, whether he always takes delight in the same things, and commends always the same things, and whether he directs and ordains his own life according to one pattern, as becomes a free-born man and a lover of congenial friendship and intimacy ; for such is the conduct of a friend.
[παράδειγμα τὸν ἑαυτοῦ βίονὥσπερ ἐλευθέρῳ φιλίας
ὁμοιοτρόπου
καὶ συνηθείας ἐραστῇ προσήκειτοιοῦτος γὰρ  φίλος.][52 a]

But the flatterer, since he has no abiding-place of character to dwell in, and since he leads a life not of his own choosing but another's, moulding and adapting himself to suit another, is not simple, not one, but variable and many in one, and, like water that is poured into one receptacle after another, he is constantly on the move from place to place, and changes his shape to fit his receiver.
 
[ δὲ κόλαξ ἅτε δὴ μίαν ἑστίαν ἤθους οὐκ ἔχων μόνιμον οὐδ᾽ ἑαυτῷ
βίον ζῶν αἱρετόνἀλλ᾽ ἑτέρῳ καὶ πρὸς ἕτερον πλάττων καὶ προσαρμόττων ἑαυτόν,
οὐχ ἁπλοῦς οὐδ᾽ εἷς ἀλλὰ παντοδαπός ἐστι καὶ ποικίλος,
εἰς ἄλλον ἐξ ἄλλου τόπον ὥσπερ τὸ μετερώμενον ὕδωρ περιρρέων ἀεὶ
καὶ συσχηματιζόμενος τοῖς ὑποδεχομένοις][52 a-b]


The capture of the ape, as it seems, is effected while he is trying to imitate man by moving and dancing as the man does : but the flatterer himself leads on and entices others, not imitating all persons alike, but with one he joins in dancing and singing, and with another in wrestling and getting covered with dust; if he gets hold of a huntsman fond of the chase, he follows on, all but shouting out the words of Phaedra:

Ye gods, but I yearn to encourage the hounds,
As I haste on the track of the dapple deer
.

πρὸς θεῶν ἔραμαι κυσὶ θωΰξαι
βαλιαῖς ἐλάφοις ἐγχριπτόμενος᾿

[Euripides, Hippolytus, 218.]

He does not trouble himself in regard to the quarry, but he goes about to net and ensnare the huntsman himself. But if he is on the track of a scholarly and studious young man, now again he is absorbed in books, his beard grows down to his feet, the scholar's gown is the thing now and a stoic indifference, and endless talk about Plato's numbers and right-angled triangles. At another time, if some easy-tempered man fall in his way, who is a hard drinker and rich,

Then stands forth the wily Odysseus stripped of his tatters;
αὐτὰρ ὁ γυμνώθη ῥακέων πολύμητις Ὀδυσσεύς [Homer, Od. xxii. 1].

off goes the scholar's gown, the beard is mowed down like an unprofitable crop; it's wine-coolers and glasses now, bursts of laughter while walking in the streets, and frivolous jokes against the devotees of philosophy.

Just so at Syracuse, it is said, after Plato had arrived, and an insane ardour for philosophy laid hold on Dionysius, the king's palace was filled with dust by reason of the multitude of men that were drawing their geometrical diagrams in it: but when Plato fell out of favour, and Dionysius, shaking himself free from philosophy, returned post-haste to wine and women and foolish talk and licentiousness, then grossness and forgetfulness and fatuity seized upon the whole people as though they had undergone a transformation in Circe's house.

A further testimony is to be found in the action of the great flatterers and the demagogues, of whom the greatest was Alcibiades. At Athens he indulged in frivolous jesting, kept a racing-stable, and led a life full of urbanity and agreeable enjoyment; in Lacedaemon he kept his hair cropped close, he wore the coarsest clothing, he bathed in cold water ; in Thrace he was a fighter and a hard drinker : but when he came to Tissaphernes, he took to soft living, and luxury, and pretentiousness.

So by making himself like to all these people and conforming his way to theirs he tried to conciliate them and win their favour. Not of this type, however, was Epameinondas or Agesilaus, who, although they had to do with a very large number of men and cities and modes of life, yet maintained everywhere their own proper character in dress, conduct, language, and life. So, too, Plato in Syracuse was the same sort of man as in the Academy, and to Dionysius he was the same as to Dion.


8

The changes of the flatterer, which are like those of a cuttle-fish, may be most easily detected if a man pretends that he is very changeable himself and disapproves the mode of life which he previously approved, and suddenly shows a liking for actions, conduct, or language which used to offend him. For he will see that the flatterer is nowhere constant, has no character of his own, that it is not because of his own feelings that he loves and hates, and rejoices and grieves, but that, like a mirror, he only catches the images of alien feelings, lives and movements. For he is the kind of man, who, if you chance to blame one of your friends before him, will exclaim, ‘You've been slow in discovering the man's character; for my part I took a dislike to him long ago.’ But if, on the next occasion, you change about again and commend the man, then you may be sure the flatterer will avow that he shares your pleasure and thanks you for the man's sake, and that he believes in him. If you say that you must adopt some other sort of life, as, for example, by changing from public life to ease and quietness, then he says, ‘Yes, we ought long ago to have secured release from turmoils and jealousies.’ But again if you appear to be bent on public activity and speaking, then he chimes in, ‘Your thoughts are worthy of you; ease is a pleasant thing, but it is inglorious and mean.’ Without more ado we must say to such a man :

Stranger, you seem to me now a different man than aforetime.
[53b] ἀλλοῖός; μοι , ξεῖνε, φάνης νέον ἠὲ πάροιθεν  [Homer, Odyssey, xvi. 181].

I have no use for a friend that shifts about just as I do and nods assent just as I do (for my shadow better performs that function), but I want one that tells the truth as I do, and decides for himself as I do. This is one method, then, of detecting the flatterer.

[οὐ δέομαι φίλου συμμεθισταμένου καὶ συνεπινεύοντος γὰρ σκιὰ ταῦτα ποιεῖ μᾶλλον,
ἀλλὰ συναληθεύοντος καὶ συνεπικρίνοντος;
εἷς μὲν οὖν τῶν ἐλέγχων τρόπος τοιοῦτός ἐστιν]


21

Let us come without more ado to the topic of services and ministrations ; for it is in these that the flatterer brings about a great confusion and uncertainty in regard to the difference between himself and the friend, because he appears to be brisk and eager in everything and never to make an excuse. For the character of a friend, like the ‘language of truth,’ is, as Euripides [ἁπλοῦς ὁ μῦθος τῆς ἀληθείας, Euripides, Phoenissae, 469, 472] puts it, ‘simple,’ plain, and unaffected, whereas that of the flatterer, in very truth Self-sick, hath need of dextrous remedies, and of a good many too, I venture to affirm, and of an uncommon sort.

Take the case of one person meeting another: a friend sometimes, without the exchange of a word, but merely by a glance and a smile, gives and receives through the medium of the eyes an intimation of the goodwill and intimacy that is in the heart, and passes on. But the flatterer runs, pursues, extends his greeting at a distance, and if he be seen and spoken to first, he pleads his defence with witnesses and oaths over and over again.

It is the same with actions: friends omit many of the trifling formalities, not being at all exacting or officious in this respect, not putting themselves forward for every kind of ministration ; whereas the flatterer is in these matters persistent, assiduous, and untiring, giving to no one else place or space for a good office, but he is eager for orders, and if he receives none he is nettled, or rather he is utterly dispirited and gives way to lamentations.


De Garrulitate - On Talkativeness


IT is a troublesome and difficult task that philosophy undertakes in going about to cure the disease, or rather itch, of intemperate rating. For that words, which are the sole remedy against it, require attention; but they who are given to prate will hear nobody, as being a sort of people that love to be always talking themselves. So that the principal vice of loquacious persons is this, that their ears are stopped to every thing else but their own impertinencies; which I take to be a wilful deafness in men, controlling and contradicting Nature, that has given us two ears, though but one tongue. Therefore it was that Euripides spoke very right to a certain stupid hearer of his:
Impossible it is to fill that brain,
That in a moment lets out all again;
'Tis but the words of wisdom to unfold
Unto a fool, whose skull will nothing hold.
1

More justly and truly might I say to an idle prate-too-fast, or rather concerning such a fellow:

In vain I seek to fill thy sieve-like brain,
That in a moment lets out all again;
Infusing wisdom into such a skull
As leaks so fast, it never will be full.

Much more may he be said to spill his instructions over (rather than pour them into) a man, who is always talking to those that do not hear, and never hears when others [p. 221] talk. For so soon as a wise man has uttered any thing, be it never so short, garrulity swallows it forthwith like the sea, and throws it up again threefold, with the violence of a swelling tide. Such was the portico at Olympia, called Heptaphonos, by the reverberation of one single voice causing no less than seven distinct echoes. And in like manner, if the least word light into the ears of an impertinent babbler, presently all the room rings with it, and he makes such a din,

That soon the jangling noise untunes the strings
Of minds sedately fixt on better things.

Insomuch that we may say, that the conduits and conveyances of their hearing reach not to the souls, but only to their tongues. Therefore it is that other people retain what is spoken to them; whereas, whatever is said to talkative people runs through them as through a cullender; and then they run about from place to place, like empty vessels void of sense or wit, but making a hideous noise.

1 Euripides, Frag. 891.

Source (engl. W.D. Helmbold): Plutarch: De Grarrulitate
Greek text.
See also here.



ERASMUS VON ROTTERDAM
 
an Heinrich VIII. von England

[1491-1547; König 1509-1547]


9. September 1517, Antwerpen


... Unter den unzähligen, wahrhaft königlichen und heroischen Gaben Deines Geistes, in denen Du Deinem vielgerühmten Vater Heinrich VII [1457-1509] nicht nur gleiche, sondern ihn übertriffst, wird jeder vielleicht etwas anderes bewundern und preisen. Mir, der ich manches schätze, gefällt besonders, daß Du bei Deinem außergewöhnlichen persönlichen Scharfsinn doch Freude hast an traulichem Gespräch mit klugen, gebildeten, insbesondere solchen Männern die nicht nach dem Munde reden können, wie wenn Du irgendwo das Wort des Sophokles gelesen hättest
Du hast es zweifellos gelesen "Könige werden weise durch den Verkehr mit weisen Männern." Zumal unter den vielen Reichsgrafen, ja, Welthändeln, mit denen Du zu tun hast, kaum ein Tag vorübergeht, an dem Du nicht etwas Zeit auf Bücherlesen verwendest und gerne mit jenen alten Weisen ins Gespräch kommst, die am allerwenigsten nach dem Munde reden, und vorab mit solchen Büchern, von denen Du verständiger, besser und Deinem Reiche nutzbringender geworden, scheidest. Ganz anders als die da meinen, vortreffliche Fürsten müßten von nichts mehr fernbleiben als von Büchern und dem Studium der Philosophie, oder wenn sie Bücher anrühren, dürften es nur lächerliche, kaum der Weiber würdige Märlein und törichter und lasterhafter Kitzel sein. Wie wenn das sich ausschließende Gegensätze wären, weise sein und Fürst sein, wo doch beides so zusammenhängt, daß ohne das andere nur der bloße Fürstentitel übrigbleibt, wie auf einem Grabmal, das außen nur Namen und Ahnentafel zeigt und innen leer ist. Wie ein verständiger und frommer Fürst an alle denkt, für alle wacht, für alle insgemein sorgt, da er ein öffentliches Amt hat, kein privates, so ziemt es sich, daß jeder an seinem Teile nach Kräften diese Sorgen und Mühen zu unterstützen sucht. Je umfassender sein Reich ist, desto mehr bedarf er dieser Art Pflichtleistung. Ein Monarch ist etwas Herrliches unter den Menschenkindern und geradezu wie eine Gottheit, und doch ist er ein Mensch.

Da ich an meinem Teile nur meine kleinen wissenschaftlichen Studien den Königen diese Pflicht leisten kann, habe ich vorlängst die Schrift des Plutarch "Über Art und Weise, einen Schmeichler von einem Freund zu unterscheiden", aus dem Griechischen ins Lateinische übertragen und Deiner Majestät gewidmet durch den hochverehrten Kardinal [Thomas Wolsey 1475?-1530], der für Dich bei der Regierung dasselbe bedeutet, wie einst Theseus dem Herkules oder Achates dem Äneas [Theseus half dem Herkules bei seinem Zuge gegen die Amazonen, Achates war der Gefährte des Äneas auf der Flucht aus Troja]. Doch da damals ein allgemeines und für die Christenheit verhängnisvolles Unwetter Dich mitten in Kriegsstürme plötzlich hineinriß, hattest Du, glaube ich, nicht genügend Zeit für die Wissenschaften, die Waffen hatten das Wort. Darum schicke ich jetzt dasselbe Buch, wenn es auch schon allgemein bekannt ist und in dritter Auflage erscheint, an Deine Hoheit, nicht ohne Zins; denn ich habe ein Lobgedicht auf König Philipp von Kastilien [1478-1506] beigefügt, dessen Andenken Dir, wie ich weiß, heilig ist, da Du ihn in seiner Jugend einst als Knabe wie einen Bruder geliebt hast; Dein vortrefflicher Vater hatte ihn nicht nur dem Namen nach als Sohn angenommen. Weiter habe ich den Fürstenspiegel beigefügt, den ich neulich dem katholischen Könige Karl [1500-1558, als Carlos I, König von Spanien 1516] zu seinem Regierungsantritt darbot [...]

In: Erasmus von Rotterdam: Briefe. Verdeutscht und herausgegeben von Walther Köhler. Wiesbaden 1947, 177-178.


MARTIN LUTHER ERASMUS VON ROTTERDAM



LUTHER AN ERASMUS


luther
Luther als Augustinermönch (Lucas Cranach der Ältere, 1520)
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Luther#/media/Datei:Luther_Cranach_the_Elder_BM_1837-0616.363.jpg


Quelle: Dr. Martin Luthers Briefe, Senderschreiben und Bedenken

28. März

No. CXXIX
An Erasmus von Rotterdam
S. 247

Jesus.

Salutem. Toties tecum fabulor, et tu mecum, Erasme, decus nostrum et spes nostra, nec dum mutuo nos cognoscimus: nonne monstri hoc simillimum? imo non monstrum, sed plane quotidianum opus. Quis enim est, cujus penetratia nos penitus occupet Erasmus, quem non doceat Erasmus, a quo non regnet Erasmus? De iis loquor, qui literas recte amant. Nam satis gaudeo, quod inter caetera dona Christi etiam hoc numeratur, quod multis displices: quo ergo argumento soleo discernere dona clementis Dei a donis irati. Atque tibi gratulor, quod dum summe omnibus bonis places, non minus displices iis, qui soli omnium summi esse et summe placere volunt.

Sed ego stultus, qui te talem virum, sic illotis manibus absque reverentiae et honoris praefatione, veluti familiarissimum aggredior, ignotum ignostus: verum dabis hoc, pro tua humanitate, meae vel charitati, vel imperitiae: quadoquidem ego, inter sophistas consumta aetate, nec tantum didici ut eruditum virum possim per literas salutare, alioquin quantis jam dudum literis te fatigassem, nec passus fuissem ut perpetuo tu mihi solus loquereris in cubiculo meo.

Nunc quando ex optimo Fabricio Capitone intellexi, pe(?)nugas illas indulgentiarum nomen meam tibi cognitum, tum ex praefatione Enchiridii tua recentissima, non modo tibi visa esse, sed et accepta mea fabulamenta; cogor agnoscere vel barbarissimis literis egregium tuum spiritum, mei et omnium locupletatorem. Quanquam scio, te prorsus porre minima habiturum, quod literis amantem et gratum me exhibeo: qui abunde contentus es, quod occulta et apud Deum gratitudine et charitate animus in te fervet, sicut et nos sat habemus, quod ignorantes, tuum animum et officia in literis habemus sine literis et corporis tui conversatione: non tamen patitur et pudor et conscientia non gratificari et verbis, praesertim postquam coepit et nomen meum non latere: nec malignum cuiquam videri possit et pessima speciei silentium.

Ita, mi Erasme, vir amabilis, si ita tibi visum fuerit, agnosce et hunc fraterculum in Christo, tui certe et studiosissimum et amantissimum, caeterum pro inscitia sua nihil meritum, quam ut in angulo sepultus, communi etiam coelo et soli ignotus esset: quod et non segni affectu semper optavi, ut qui essem mihi belle conscius meae suppelectilis: sed nescio, quo fato, longe in contrarium res abiit, ut cogar multo pudore pati, meas ignominias et infelicem inscitiam etiam coram doctis versari et jactari.

Philippus Melanthon prospere agit, nisi quod vis tantum efficere possumus omnes, ne literarum nimia insanis valetudinis acceleret jacturam: ardet pro aetatis calore omnia  omnibus simul fieri et facere. Tu officium federis si per literas hominem monueris, ut se nobis et bonis literis servet. Nam hoc capite salvo, nescio quid majus spe nobis pollicemur.

Salutat te Andreas Carolostadius, totus Christum in te veneratus. Ipse Dominus Jesus servet te in aeternum, optime Erasme. Amen. Verbosus fui, sed cogitabis non semper eruditas oportere legi epistolas, aliquando cum infirmis in firmandum tibi est. Wittembergae, 5. Calend. Aprilis, anno MDXIX.

F. Martinus Lutherus.

 
 
28. März 1519

So oft plaudere ich mit Dir und Du mit mir, lieber Erasmus, unsere Zierde und unsere Hoffnung, und doch kennen wir uns gegenseitig noch nicht; ist dies etwas ganz Seltsames? Doch nein, nicht etwas Seltsames, sondern etwas was gewiß täglich vorkommt. Denn wen gibt es, dessen Herz Erasmus nicht ganz einnimmt, den Erasmus nicht belehrt, in dem Erasmus nicht herrscht? Ich rede von denen, welche die Wissenschaft recht lieben. Denn ich freue mich sehr, daß unter die übrigen Gaben Christi auch die gerechnet wird, daß Du vielen mißfällst. Durch dieses Kennzeichen pflege ich die Gaben des gnädigen Gottes von denen des zürnenden zu unterscheiden. Deshalb wünsche ich Dir Glück, daß, während Du allen edlen Menschen aufs höchste gefällst, Du denen nicht weniger mißfällst, welche allein von allen die angesehensten sein und aufs höchste gefallen wollen.

Doch ich bin töricht, daß ich Dich, einen so großen Mann, so unvorbereitet, ohne Ehrerbietung und ohne ehrende Einleitung gleichsam als einen ganz vertrauten Freund anspreche, ein Unbekannter den Unbekannten. Aber Du wirst  das in Deiner Menschlichkeit entweder meiner Liebe oder meiner Unerfahrenheit zugute halten, der ich zwar mein Leben unter Sophisten zugebracht, aber doch nicht so viel gelernt habe, daß ich einen gelehrten Mann brieflich begrüßen könnte. Sonst würde ich Dich schon mit wer weiß wie vielen Briefen belästigt haben, und ich hätte es nicht ausgehalten, daß Du immer nur in meinem Kämmerlein mit mir redest.

Da ich nun von dem verehrten Fabricius Capito erfahren habe, daß Dir mein Name durch den nichtsnutzigen Ablaßhandel bekannt ist, dann auch aus der Vorrede zu Deinem ganz kürzlich erschienenen Enchiridion, daß Du meine belanglosen Äußerungen nicht bloß gesehen, sondern auch gebilligst hast, so fühle ich mich genötigt, in einem, wenn auch ganz ungebildet geschriebenen Briefe, Deinen hervorragenden Geist anzuerkennen, der meinen und den Geist aller bereichert. Ich weiß, du wirst Dir nur sehr wenig daraus machen, daß ich Dir brieglich meine Liebe und meinen Dank ausdrücke. Du bist damit völlig zufrieden, daß Dir das herz in verborgener Dankbarkeit und Liebe vor Gott zugetan ist. Auch wir haben daran genug, daß  wir  Deine Liebe und Deinen Dienst in Schriften besitzen, ohne Dich zu kennen, ohne brieflichen Verkehr und persönlichen Umgang mit Dir. Trotzdem duldet es weder der Anstand noch das Gewissen, diese Dankbarkeit nicht auch in Worten auszudrücken, besonders da auch mein Name bekannt zu werden beginnt, damit niemand meine, das Schweigen sei böswillig und sehr häßlicher Natur.

Demnach, mein lieber Erasmus, wenn es Dir so gut dünkt, so erkenne auch diesen geringen Bruder in Christus, der Dir ganz zugetan ist und Dich völlig liebt, der übrigens wegen seiner Unwissenheit nichts anderes verdient hätte, als daß er, im Winkel begraben, aller Welt ganz unbekannt wäre. Das habe ich auch immer mit großem Verlangen gewünscht, da ich mir meines Unvermögens sehr wohl bewußt bin. Und ich weiß nicht, durch welches Geschick gerade das Gegenteil eingetreten ist, so daß ich es zu meiner großen Beschämung dulden muß, daß meine Schande und bedauernswerte Unwissenheit auch vor gelehrte Leute kommt und von ihnen besprochen wird.

Philipp Melanchthon [1497-1560] geht es gut, nur können wir alle es kaum verhindern, daß nicht durch sein Übermaß an wissenschaftlichem Eifer auch seine Gesundheit Schaden leide. Denn bei seiner Jugendhitze brennt er vor Verlangen, allen alles zugleich zu werden und zu tun. Du würdest uns einen Dienst leisten, wenn Du diesen Mann brieflich ermahnen wolltest, daß er sich uns und der Wissenschaft erhalte. Denn wenn er uns erhalten bleibt, dann weiß ich nicht, was mehr wir uns erhoffen können.

Andreas Karlstadt, der in Dir Christus hoch ehrt, läßt Dich grüßen. Der Herr Jesus selbst erhalte Dich in Ewigkeit, liebster Erasmus. Ich habe viel Worte gemacht, doch bedenke, daß man nicht immer gelehrte Briefe lesen kann; bisweilen mußt Du auch schwach sein mit den Schwachen.

Quelle: https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00044658_00057.html?zoom=1.50

 


ERASMUS AN LUTHER

erasmus dürer

Portrait von Erasmus, gezeichnet von Albrecht Dürer um 1520
https://de.wikipedia.org/wiki/Erasmus_von_Rotterdam


30 Mai 1519, Löwen

Herzlichen Gruß, in Christus geliebtester Bruder. Dein Brief war mir sehr willkommen, er verriet Schärfe des Geistes und ein christliches Herz. Mit Worten könnte ich nicht sagen, welchen Sturm Deine Bücher hier hervorgerufen haben. Noch immer läßt sich der vollkommen falsche Verdacht nicht ausrotten, daß man meint, Deine Schriften seien mit meiner Hilfe geschrieben, ich sei der Bannerträger dieser Partei, wie sie sagen. Sie glaubten eine Handhabe bekommen zu haben, die guten Wissenschaften zu unterdrücken, die sie von Grund aus hassen als Verdunkelung der theologischen Majestät, die sie sehr viel höher schätzen als Christus, und zugleich mich zu unterdrücken, dem sie einige Bedeutung für die Belebung der Studien beimessen. Die ganze Sache ging in Schreierei, Unverfrorenheit, Ränken, Eifersüchteleien, Verleumdungen vor sich; hätte ich es nicht selbst gesehen, ja, gefühlt, ich würde nie einem Menschen geglaubt haben, daß die Theologen so den Verstand verloren haben. Man möchte von einer verhängnisvollen Pest sprechen. Und doch hat sich das Gift dieses Übels von den wenigen, bei denen es anfing, auf mehrere heimlich weiter verbreitet, so daß ein großer Teil der hiesigen Universität von der Ansteckung durch diese nicht seltene Krankheit besessen scheint.

Ich habe bezeugt, daß Du mir völlig unbekannt bist, ich Deine Bücher noch nicht gelesen habe; infolgedessen mißbillige und billige ich nichts. Nur habe ich gemahnt, man solle nicht, ohne Deine Bücher gelesen zu haben, so gehässig vor dem Volke schreien; das Urteilen über Deine Schriften sei Sache derer, auf deren Urteil man größten Wert legen müsse. Man solle auch erwägen, ob es gut sei, vor dem gewöhnlichen Volke Dinge preiszugeben die besser in Büchern widerlegt oder zwischen Gebildeten verhandelt würden, zumal man einstimmig das Leben des Verfassers rühme. Nichts habe ich erreicht; bis auf den heutigen Tag sind sie besessen von ihren zweideutigen, ja berüchtigten Disputationen. Wir oft haben wir uns friedlich geeinigt! Wie oft haben jene aus einem unüberlegt aufgegriffenen kleinen Verdacht neue Unruhen erregt! Und das wollen Theologen sein! Die Theologen sind hier bei Hofe verhaßt; das setzen sie auch auf mein Konto. Die Bischöfe sind mir sämtlich sehr gewogen. Auf Bücher geben jener nichts, nur von Verleumdungen erhoffen sie Sieg. Die verachte ich, im Vertrauen auf mein gutes Gewissen. Dir gegenüber werden sie etwas milder. Bei mir fürchten sie die Feder, denn sie haben ein schlechtes Gewissen; ich würde sie schildern, wie sie es verdienen, wenn nicht Christi Lehre und Beispiel mir anderes geböten. Wilde Tiere werden zahm durch Freundlichkeiten, jene dürften durch Wohltaten hochmütig werden.

In England gibt es einige – und zwar sehr Hochstehende – die von Deinen Schriften die beste Meinung haben. Auch hier hast Du Freunde, darunter der Bischof von Lüttich [Erhard v.d. Marck 1472-1538]. Soviel wie möglich halte ich mich neutral (integrum), um desto mehr dem Wiederaufblühen der Wissenschaft nützlich zu sein. Meines Erachtens kommt man mit bescheidenem Anstand weiter als mit Sturm und Drang. Auf diese Weise hat Christus sich die Welt unterworfen oder Paulus das jüdische Gesetz abgeschafft, in dem er alles allegorisch deutete. Es empfiehlt sich mehr, laut gegen die aufzutreten, die die päpstliche Autorität mißbrauchen, als gegen die Päpste selbst, ich glaube, so muß man es auch bei den Königen machen. Die Schulen soll man nicht sowohl verachten, als sie zu vernünftigen Studien zurückrufen. Bei Dingen, die so fest eingewurzelt sind, daß man sie nicht plötzlich aus den Herzen reißen kann, muß man lieber mit beständigem und wirksamen Argumenten disputieren als schroffe Behauptungen aufstellen. Giftige Streitereien gewisser Leute sollte man mehr verachten als widerlegen. Immer muß man sich davor hüten, anmaßend oder parteiisch zu reden oder zu handeln; so, glaube ich, ist es dem Geiste Christi angenehm. Inzwischen muß man sich ein Herz bewahren, das durch Zorn oder Haß oder Ruhm nicht verdorben werden kann, denn mitten im Streben nach Frömmigkeit drohen Fußangeln.

So mahne ich nicht, damit Du nach meinen Grundsätzen handelst, vielmehr damit Du bei Deinem Handeln beständig bleibst. Ich habe von Deinem Psalmenkommentar etwas gelesen; er gefällt mir sehr (degustavi) und wird hoffentlich großen Nutzen schaffen. In Antwerpen ist der Prior des Augustinerklosters [Jakob Probst 1486-1562], ein Christ ohne Falsch, der Dich ganz besonders liebt, einst Dein Schüler, wie er sagt. Er predigt fast allein von allen Christus, die übrigen predigen nahezu nur Menschenfabeln oder zu eigenem Nutzen. An Melanchthon habe ich geschrieben. Der Herr Jesus möge Dir täglich mehr von seinem Geiste mitteilen, zu seiner Ehre und zum allgemeinen Nutzen! Während ich dies schrieb, hatte ich Deinen Brief nicht zur Hand.

 
Quelle: Erasmus von Rotterdam. Briefe. Verdeutscht und herausgegeben von Walther Köhler. Wiesbaden: Dieterich'sche Verlagsbuchandlung 1947, 245-247.

 

LUTHERS PSALTERVORREDEN

1. Vorrede zum Psalter von 1524

 

W.A.D.B. 10 I, 94-96:

Es ist die hebräische Sprache so reich, daß keine Sprache ihr gleichkommen kann. Denn sie hat viele Wörter für singen loben preisen ehren freuen betrüben, da wir kaum eins haben. Und besonders in göttlichen heiligen Sachen ist die so reich mit Worten, daß sie wohl zehn Namen hat, damit sie Gott benennt, wo wir nicht mehr haben als das einzige Wort Gott, sodaß sie wohl billig eine heilige Sprache heißen kann. Derhalben kann keine Verdolmetschung so frei dahergehen als es im Hebräischen lautet, von den verblümten Worten noch ganz abgesehen, die man Figuren nennt, worin sie alle Sprachen übertrifft. Jedoch, damit der Psalter an etlichen Orten desto heller werde, will ich etliche Wörter hier ausführlicher behandeln.

Im Psalter und sonst hin und wieder begegnen oft diese zwei Worte beieinander: Barmherzigkeit und Wahrheit. Dieselben sind von etlichen wild und wüst gebraucht. Die hab ich verdeutsch: Güte und Treue. Es ist eigentlich das, was wir in freiem Deutsch nennen: Liebe und Treue, wenn wir z.B. zu sagen pflegen: er hat mir Lieb und Treu bewiesen. Aber ich habs nicht dürfen wagen, so frei zu verdeutschen. Denn das hebräische Wort 'chesed ', das andere mit Barmherzigkeit, ich aber mit Güte verdeutscht habe, ist eigentlich das, was man jemand Freundschaft, Liebe oder Wohltat erzeigt, wie es Christus in Mt. 12 (,7) aus Hosea (6, 6) selbst deutet und spricht: ich habe Lust an der Barmherzigkeit und nicht am Opfer d.h. ich will, daß man Freundschaft Liebe und Wohltat lieber erzeige als Opfer.

So heißt Wahrheit und Treue, daß man sich auf einen verlassen und Zuflucht zu ihm haben darf und derselbe hält, was er geredet hat und wessen man sich zu ihm versieht. So läßt sich auch Gott allenthalben in der Schrift gegen uns rühmen, daß er barmherzig und treu sei d.h. daß er Liebe und Treue beweist und uns alle Freundschaft und Wohltat erzeigt und wir uns tröstlich auf ihn verlassen können, daß er treulich tut und hält, wessen man sich zu ihm versieht. Solche Treu und Wahrheit heißt hebräisch 'emeth'. Daher kommt auch das hebräischen 'emuna', welches Paulus selbst aus Habakuk (2,4) mit Glaube verdolmetscht hat (Röm. 1,17): der Gerechte lebt seines Glaubens. Es wird im Psalter oft zu Gott gesagt: dein Glaube oder: in deinem Glauben, darum weil er solchen Glauben gibt und man auf seine Treue baut. Die zwei Worte Wahrheit und Glaube sind im Hebräischen fast gleich und wird schier das eine für das andere genommen, wie wir auch auf Deutsch sagen: der hält Glauben, der wahrhaftig und treu ist; umgekehrt, wer mißtraut, den hält man für falsch und ungläubig.

Darnach kommen die zwei Worte Gericht und Gerechtigkeit, welche wir auch nicht gut übersetzen können. Denn wenn das wörtlich Gericht allein steht, heißt es manchmal Richteramt, z.B. Psalm 7 (,7): erwecke das Gericht, das du geboten hast. Richten heißt dann regieren. Manchmal heißt es Gottes Gebot, z.B. Psalm 119 (,108): lehre mich deine Gerichte. Auch heißt es Gewohnheit oder Recht, z.B. 2. Mose 21 (,9): er soll mit ihr tun nach dem Gericht der Tochter d.h. nach dem Tochterrecht oder wie man einer Tochter zu tun pflegt. Wenns aber bei dem Wort Gerechtigkeit steht, so ist es die Hälfte des Gerichtswerks, nämlich das Urteil, mit dem man das Gottlose und Unrecht verurteilt haßt und straft. Gerechtigkeit heißt dann die andere Hälfte, womit die Unschuld beschirmt, erhalten und gefördert wird. Dieses alles wollt ich auf Deutsch gerne nennen recht und redlich, wie man spricht: er hat die Sache recht und redlich gewonnen. Aber ich durfte nicht so weit von den Worten gehen.

Wenn nu im Psalter oder sonst vorkommt, daß er nicht allgemein von Gericht und Gerechtigkeit, sondern von Gottes Gericht und Gerechtigkeit redet oder zu Gott spricht: dein Gericht und deine Gerechtigkeit, – dann mußt du unter Gerechtigkeit den Glauben verstehen und unter Gericht die Tötung des alten Adams. Denn Gott tut durch sein Wort beides. Er verurteilt verdammt sraft und tötet, was Fleisch und Blut ist, rechtfertigt aber und macht unschuldig den Geist durch den Glauben. Das heißt dann Gottes Gericht und Gerechtigkeit. Das Gericht übt  er durchs Wort seines Gesetzes, wie Röm. 7 (,11) geschrieben steht: das Gesetz tötet; die Gerechtigkeit übt er durchs Wort des Evangeliums, welche der Geist durch den Glauben annimt nach Röm. 1 (,16 f.), wie das Fleisch die Tötung durch Geduld leiden muß. Dergleichen mehr wird mit der Zeit der Übung selbst klar und erkennbar machen.

Quelle: https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00044680_00007.html?zoom=1.50
(D. Martin Luthers Werke : kritische Gesamtausgabe; Weimarer Ausgabe)

Mt. 12 ,7
εἰ δὲ ἐγνώκειτε τί ἐστιν· ἔλεος θέλω καὶ οὐ θυσίαν, οὐκ ἂν κατεδικάσατε τοὺς ἀναιτίους
si autem sciretis quid est misericordiam volo et non sacrificium numquam condemnassetis innocentes. (Vulgata)
Wenn ihr aber wüsstet, was das heißt (Hosea 6,6): »Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer«, dann hättet ihr die Unschuldigen nicht verdammt. (Luther Übers.)

Hosea 6,6
Biblia Hebraica
διότι ἔλεος θέλω καὶ οὐ θυσίαν καὶ ἐπίγνωσιν θεοῦ ἢ ὁλοκαυτώματα
. (Septuaginta)
quia misericordiam volui et non sacrificium et scientiam Dei plus quam holocausta. (Vulgata)
Denn ich habe Lust an der Liebe und nicht am Opfer, an der Erkenntnis Gottes und nicht am Brandopfer (Luther Übers.)

Habakuk 2,4
Biblia Hebraica

ἐὰν ὑποστείληται, οὐκ εὐδοκεῖ ἡ ψυχή μου ἐν αὐτῷ· ὁ δὲ δίκαιος ἐκ πίστεώς μου ζήσεται. (Septuaginta)
ecce qui incredulus est non erit recta anima eius in semet ipso iustus autem in fide sua vivet. (Vulgata)
Siehe, wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben, der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben. (Luther Übers.)

Römer 1,17
νυνὶ δὲ οὐκέτι ἐγὼ κατεργάζομαι αὐτὸ ἀλλ’ ἡ οἰκοῦσα ἐν ἐμοὶ ἁμαρτία.
nunc autem iam non ego operor illud sed quod habitat in me peccatum. (Vulgata)
So tue nun ich dasselbe nicht, sondern die Sünde. (Luther Übers.)


Psalm 7,7
Biblia Hebraica

ἀνάστηθι, κύριε, ἐν ὀργῇ σου,
ὑψώθητι ἐν τοῖς πέρασι τῶν ἐχθρῶν μου·
ἐξεγέρθητι, κύριε ὁ θεός μου, ἐν προστάγματι, ᾧ ἐνετείλω
(Septuaginta)
surge Domine in furore tuo elevare indignans super hostes meos et consurge ad me iudicio quod mandasti (Vulgata)
Steh auf, HERR, in deinem Zorn,
erhebe dich wider den Grimm meiner Feinde!
Wache auf, mir zu helfen,
der du Gericht verordnet hast (Luther Übers.)

Psalm 119 (118), 108
Biblia Hebraica

τὰ ἑκούσια τοῦ στόματός μου εὐδόκησον δή, κύριε,
καὶ τὰ κρίματά σου δίδαξόν με. (Septuaginta)

voluntaria oris mei conplaceant tibi Domine et secundum iudicia tua doce me (Vulgata)
Lass dir gefallen, HERR, das Opfer meines Mundes
und lehre mich deine Ordnungen. (Luther Übers.)


2 Mose 21, 9
Biblia Hebraica

ἐὰν δὲ τῷ υἱῷ καθομολογήσηται αὐτήν, κατὰ τὸ δικαίωμα τῶν θυγατέρων ποιήσει αὐτῇ. (Septuaginta)
sin autem filio suo desponderit eam iuxta morem filiarum faciet illi. (Vulgata)

Hat er sie aber für seinen Sohn bestimmt, so soll er nach dem Recht der Töchter an ihr tun. (Luther Übers.)

Röm. 7, 11
ἡ γὰρ ἁμαρτία ἀφορμὴν λαβοῦσα διὰ τῆς ἐντολῆς ἐξηπάτησέν με καὶ δι’ αὐτῆς ἀπέκτεινεν.
nam peccatum occasione accepta per mandatum seduxit me et per illud occidit. (Vulgata)
Denn die Sünde nahm Ursache am Gebot und betrog mich und tötetet mich durch dasselbe Gebot. (Luther Übers.)

Röm. 1, 16-17
Οὐ γὰρ ἐπαισχύνομαι τὸ εὐαγγέλιον, δύναμις γὰρ θεοῦ ἐστιν εἰς σωτηρίαν παντὶ τῷ πιστεύοντι, Ἰουδαίῳ τε πρῶτον καὶ Ἕλληνι.
δικαιοσύνη γὰρ θεοῦ ἐν αὐτῷ ἀποκαλύπτεται ἐκ πίστεως εἰς πίστιν, καθὼς γέγραπται· ὁ δὲ δίκαιος ἐκ πίστεως ζήσεται.
non enim erubesco evangelium virtus enim Dei est in salutem omni credenti Iudaeo primum et Graeco.

iustitia enim Dei in eo revelatur ex fide in fidem sicut scriptum est iustus autem ex fide vivit. (Vulgata)
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.
Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht (Habakuk 2,4): »Der Gerechte wird aus Glauben leben.« (Luther Übers.)


ANMERKUNGEN
von Shaked Spier (Berlin)
auf meine Anfrage (25. August 2020)

Chesed wird in einem eher traditionellen/religiösen Kontext verwendet z.B. “Chesed Elohim” ist die Barmherzigkeit oder Gnade Gottes, aber auch wenn es in Umgangssprache verwendet wird, hat es eine implizite religiöse Referenz z.B. wenn jemand außerordentlich talentiert ist wird gesagt dass sein Talent “in Chesed” ist, impliziert dass es wie ein Geschenk von Gott.
Emet wird im Sinne von Wahrheit verwendet. Auch in aktuellen Zusammenhängen, wie z.B. Post-Truth (“post-emet”), was mit Netanyahu und Trump ja wirklich allgegenwärtig ist.
Emuna wird, wie du schon geschrieben hast, als Glaube verwendet.


Erasmus vs. Luther


Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen (1519)


Erasmus: De libero arbitrio (1524)

Luther: De servo arbitrio (1525)


Vgl. Jörg Noller, Georg Sans SJ (Hrsg.): Luther und Erasmus über Freiheit. Rezeption und Relevanz eines gelehrten Streits. Alber 2020.


Ein Streit, der auch nach 500 Jahren nichts von seiner Aktualität verloren hat.
Die Beiträge des Sammelbandes widmen sich aus theologisch-philosophischer Perspektive der historischen Rezeption und der systematischen Relevanz des Freiheitsstreits zwischen Martin Luther und Erasmus von Rotterdam. Im systematischen Zentrum steht das jeweilige freiheitstheoretische Verständnis des Menschen, seiner epistemischen und voluntativen Vermögen und seines metaphysischen Ortes innerhalb der Schöpfung, besonders sein Verhältnis zu Gott. Aus historischer Perspektive wird die Rezeption von Luthers Freiheitsbegriff durch Leibniz, Kant, Hegel, Schelling und in der analytischen Philosophie untersucht.

Mit Beiträgen von Christine Axt-Piscalar, Frank Dettinger, Thomas Frisch, Volker Gerhardt, Friedrich Hermanni, Amit Kravitz, Jörg Noller, Wolfhart Pannenberg, Birgit Recki, Georg Sans SJ, Ruben Schneider und Gunther Wenz.


Vgl. v.Vf.: Wille zur Freiheit. Die Frage nach der Freiheit in Calderóns Drama "La vida es sueño" (1976/77):

In anthropologischer Hinsicht unterschied die Scholastik und mit ihr die spanische Philosophie der Renaissance, zwischen "libertas a coactione extrinseca" einerseits, d.h. die Freiheit von einem äußeren Zwang, z.B. Gefangenschaft, Armut, usw., und "libertas a necessitate intrinseca" andererseits, d.h. die Willensfreiheit, die auch "libertas arbitrii", "libertas indifferentiae" oder einfach "libertas" genannt wurde. Bei den von Augustinus beeinflußten Denkern, z.B. Suárez, wurde zwischen "liberum arbitrium" bzw. Willensfreiheit und "libertas" als die Freiheit die erst erreicht ist, wenn der Mensch bei Gott ist, unterchieden.
Gegenüber dem "liberum arbitrium" gab es zwei Lehren, die es bestritten: der Fatalismus und der Determinismus. Der Fatalismus wurde von der griechisch-römischen Denktradition ("ananke", "moira", "fatum", "destino") sowie von den Gründern der Reformation (Luther, Calvin, Jansenius) vertreten. Der Determinismus fand in den Wissenschaften, insbesondere in der Astrologie seine Verfechter.

Vgl. v. Vf.: Praktiken der Selbstformung.

Eine besonders eindrucksvolle Formel für die christliche Problematik des Zusammenwirkens menschlichen und göttlichen Handelns, das die Mitte der Formung einr christlichen Existenz ausmacht, findet man in einem Ignatius von Loyola zugeschriebenen Ausspruch. Er lautet: "Vertraue so auf Gott, als ob der Erfolg der Dinge ganz von dir, nicht von Gott abhinge; wende dennoch dabei alle Mühe so an, als ob du nichts, Gott allein alles tun werde." (6) Diese Haltung des Gottesvertrauens als Selbstvertrauen bei gleichzeitigem menschlichen Tun als Gottes Tat, ist insofern eine mystische Haltung, als sie beides vereint, ohne die Differenz zu annullieren. Sie ist vom Quietismus und vom Aktivismus gleich weit entfernt.

Die Einübung dieser Haltung, das "Gott suchen in allen Dingen", liegt der Ignatianischen Indifferenz zugrunde. Zu Beginn seiner Exerzitien schreibt Ignatius:

"Unter diesem Namen geistliche Übungen ist jede Weise, das Gewissen zu erforschen, sich zu besinnen, zu betrachten, mündlich und geistig zu beten, und anderer geistlicher Betätigungen zu verstehen, wie weiter unten gesagt wird. Denn wie das Umhergehen, Wandern und Laufen leibliche Übungen sind, genauso nennt man geistliche Übungen jede Weise, die Seele darauf vorzubereiten und einzustellen, alle ungeordneten Anhänglichkeiten von sich zu entfernen und, nachdem sie entfernt sind, den göttlichen Willen inder Einstellung des eigenen Lebens zum Heil der Seele zu suchen und zu finden" (Ignatius von Loyola 1988: 11 vgl. Jalics 1994).

(6) Die lateinische Fassung lautet: "Sic Deo fide, quasi rerum successus omnis a te, nihil a Deo penderet; ita tamen iis operam omnem admove, quasi tu nihil, Deus omnia solus sit facturus." Eine ebenfalls tradierte, aber vereinfachte Version dieser Formel lautet, daß man Gott vertrauen sollte, als ob der Erfolg der Dinge ganz von ihm abhinge, und die Mittel einsetzen sollte, als ob Gott nichts, sondern der Mensch allein alles tun werde (Thesaurus spiritualis Societatis Iesu 1950: 317)



STEFAN ZWEIG - ERASMUS VON ROTTERDAM


Stefan Zweig

Stefan Zweig (1881-1942)


Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam

Köln: Anaconda 2016, 108-124; 190-191

Erschien zuerst 1935 bei Herbert Reichner in Wien.

 

Der große Gegner

[...]

Dieser ersten Begegnung zwischen Luther und Erasmus im geistigen Weltraum ist Zeit ihres Lebens niemals eine persönliche im irdischen Raum gefolgt; aus Instinkt sind von der ersten bis zur letzten Stunde diese beiden Männer einander ausgewichen, die in unzähligen Schriften und auf zahllosen Kupferstichen Bild an Bild und Name an Name als die Befreier vom römischen Joch, als die ersten redlichen deutschen Evangelisten gemeinsam gefeiert wurden. Die Geschichte hat uns damit um einen großen dramatischen Effekt gebracht, denn welche versäumte Gelegenheit, diese beiden großen Gegenspieler einander Auge in Auge und Stirn gegen Stirn zu betrachten! Selten hat das Weltschicksal zwei Menschen charakterologisch und körperlich so sehr zu vollkommenen Kontrast herausgearbeitet wie Erasmus und Luther. In Fleisch und Blut, in Norm und Form, in Geisteshaltung und Lebenshaltung, vom äußeren Leib bis zum innersten Nerv gehören sie gleichsam verschiedenen, feindgeborenen Charakterrassen an: Konzilianz gegen Fanatismus, Vernunft gegen Leidenschaft, Kultur gegen Urkraft, Weltbürgertum gegen Nationalismus, Evolution gegen Revolution.

Dieser Gegensatz tritt schon im Körperlichen sinnlich zutage: Luther, Bergmannssohn und Bauernnachfahr, gesund und übergesund, bebend und geradezu gefährlich bedrängt von seiner gestaunten Kraft, vital und mit aller groben Lust an dieser Vitalität – "Ich fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher" –, ein prallvolles und übervolles, ein fast berstendes Stück Leben, Wucht und Wildheit eines ganzen Volkes, gesammelt in einer Überschussnatur. Wenn er seine Stimme erhebt, dröhnt eine ganze Orgel in seiner Sprache, jedes Wort ist schmackhaft und derb gesalzen wie braunes frisch gebackenes Bauernbrot, alle Elemente der Natur spürt man darin, die Erde mit ihrem Ruch und Quell, mit ihrer Jauche und ihrem Dung,– wie Gewittergewalt wild und zerstörend, stürmt diese Feuerrede über das deutsche Land. Luthers Genie liegt tausendmal mehr in dieser seiner vollsinnlichen Vehemenz als in seiner Intellektualität; so wie er Volkssprache spricht, aber mit einem ungeheuren Zuschuss an bildnerischer Kraft, so denkt er unbewusst aus der Masse heraus und stellt ihren Willen in einer bis zum höchsten Leidenschaftsgrad gesteigerten Potenz dar. Seine Person ist gleichsam der Durchbruch alles Deutschen, aller protestierenden und rebellierenden deutschen Instinkte ins Bewusstsein der Welt, und indem die Nation auf seine Ideen eingeht, geht er gleichzeitig ein in die Geschichte seiner Nation. Er gibt seine elementare Urkraft zurück an das Element.

Blickt man von diesem stämmigen, grobfleischigen, hartknochigen, vollblütigen Erdenkloß Luther, diesem Mann, dem von der niedern Stirn drohend die geballten Buckel des Willens vorspringen, gemahnen an die Moseshörner Michelangelos, blickt man von diesem Blutmenschen hinüber zum Geistmenschen Erasmus, zu dem pergamentfarbenen, feinhäutigen, dünnen, gebrechlichen, behutsamen Menschen, blickt man die beiden nur körperlich an, so weiß das Auge schon vor dem Verstand: Zwischen solchen Antagonisten wird dauernde Freundschaft oder Verständnis niemals möglich sein. Immer kränklich, immer fröstelnd im Schatten seines Zimmers, immer in seine Pelze gehüllt, eine ewige Untergesundheit, wie Luther eine fast schmerzhaft drängende Übergesundheit, hat Erasmus von allem zu wenig, was jener zu viel; ständig muss diese zarte Natur ihr armes, blasses Blut mit starkem Burgunder in Wärme halten, während – die Gegensätze im Kleinen sind die anschaulichsten – Luther täglich sein stark wirttenbergisch Bier" braucht, um seine hitzig und rotschwellenden Adern abends zu guten schwarzen Schlaf abzudämpfen. Wenn Luther spricht, so donnert das Haus, bebt die Kirche, schwankt die Welt, aber auch bei Tisch unter Freunden kann er gut und dröhnen lachen, und gerne hebt er, nächst der theologia der musica am meisten zugetan, die Stimme zu männlich sonorem Gesang. Erasmus wiederum redet schwach und zart wie ein Brustkranker, künstlich schleift und rundet er die Sätze und spitzt sie zu feinen Pointen, während jenem die Rede strömt und auch die Feder vorstürmt "wie ein blind Pferd". Von Luthers Person geht Gewalt atmosphärisch aus: Alle, die um ihn sind, Melanchthon, Spalatin und die Fürsten sogar, hält er durch sein herrisch-männliches Wesen in einer Art dienstbarer Hörigkeit. Erasmus' Macht dagegen äußert sich am stärkstem, wo er selbst unsichtbar bleibt: in der Schrift, im Brief, im geschriebenen Wort. Er dankt nichts seinem kleinen, armen vernachlässigten Leibe und alles nur seiner hohen, weiten, seiner weltumfassenden Geistigkeit.

***

Aber auch die Geistigkeit dieser beiden stammt aus ganz verschiedenen Rassen der Dankwelt. Erasmus ist zweifellos der Weitsichtigere, der Vielwissendere, kein Ding des Lebens bleibt ihm fremd. Klar und farblos wie Tageslicht dringt sein abstrakter Verstand durch alle Ritzen und Fugen der Geheimnisse und erhellt jeden Gegenstand. Luther wiederum besitzt unendlich weniger Horizont als Erasmus, aber mehr Tiefe; seine Welt ist enger, unermesslich enger als die erasmische, aber jedem seiner Gedanken, jeder seiner Überzeugungen weiß er den Schwung seiner Persönlichkeit zu geben. Er reißt alles nach innen und hitzt es dort in seinem roten Blut, er schwängert jede Idee mit seiner vitalen Kraft, er fanatisiert sie, und was er einmal erkannt und bekannt hat, das lässt er niemals los; jede Behauptung verwächst mit seinem ganzen Wesen und gewinnt von ihm ungeheure dynamische Stärke. Dutzende Male haben Luther und Erasmus die gleichen Gedanken ausgesprochen, aber was bei Erasmus bloß einen feinen geistigen Reiz auf die Geistigen ausübt, eben das Gleiche wird bei Luther dank seiner mitreißenden Art sofort Parole, Feldruf, plastische Forderung, und diese Forderungen peitscht er so grimmig wie die biblischen Füchse mit ihren Feuerbränden in die Welt, dass sie das Gewissen der ganzen Menschheit entzünden. Alles Erasmische zieht im letzten auf Ruhe und Befriedung des Geistes, alles Lutherische auf Hochspannung und Erschütterung des Gefühls; darum ist Erasmus, der "Skeptikus", dort am stärksten, wo er am klarsten, am  nüchternsten, am deutlichsten redet, Luther wiederum, der "Pater exstaticus", wo der Zorn und Hass ihm am wildesten von der Lippe springt.

***

Ein solcher Gegensatz muss organisch zu Gegnerschaft selbst bei gleichem Kampfziel führen. Am Anfang wollen Luther und Erasmus dasselbe, aber ihr Temperament will es auf so völlig gegensätzliche Art, dass es an ihrem Wesen zum Widerspruch wird. Die Feindseligkeiten gehen von Luther aus. Von allen genialen Menschen, welche die Erde getragen, war Luther vielleicht der fanatischste, der unbelehrbare, unfügsamste und unfriedsamste. Er konnte nur Jasager um sich brauchen, um ihrer sich zu bedienen, und Neinsager, um seinen Zorn an ihnen zu entzünden und sie zu zermalmen. Für Erasmus wieder war Nichtfanatismus geradezu Religion geworden, und der harte diktatorische Ton Luthers – gleichgültig, was immer er sagte – schnitt ihm wie ein böses Messer in die Seele. Ihm war dieses Faustaufschlagen und Mitschäumendem-Munde-Reden, ihm, dem weltbürgerliche Verständigung zwischen geistigen Naturen als höchstes Ziel galt, einfach körperlich unerträglich und die Selbstsicherheit Luthers (die dieser seine Gottessicherheit nannte) erschien ihm als aufreizende und beinahe blasphemische Überheblichkeit in unserer, dem Irrtum und Wahn doch notwendig immer wieder verfallenden Welt. Selbstverständlich musste Luther seinerseits wieder das Laue und Unentschiedene in Glaubensdingen an Erasmus hassen, dies Sich-nicht-entscheiden-Wollen, das Glatte, Nachgiebige, Glitschige einer Überzeugung, die niemals eindeutig festzulegen war, und gerade das ästhetische Vollkommene, die "künstliche Rede" statt des klaren Bekennens erregte seine Galle. Im tiefsten Wesen des Erasmus war etwas, das Luther, und im tiefsten Wesen Luther etwas, das Erasmus elementar aufreizen musste. Töricht darum die Auffassung, es hätte nur an Äußerlichkeiten und Zufällen gelegen, dass diese beiden ersten Apostel der neuen evangelischen Lehre, dass Luther und Erasmus sich nicht zu gemeinsamen Werk verbanden. Selbst das Ähnlichste musste bei so verschiedenem Farbstoff ihres Bluts und ihres Geistes andersfarbig werden, denn ihre Verschiedenheit war organisch. Sie drang von der Oberwelt des Hirns bis ins Geflecht des Instinkts und durch die Kanäle des Bluts in jene Tiefe, die der bewusste Denkwille nicht mehr beherrscht. Darum konnten sie aus Politik und um der gemeinsamen Sache willen einander lange schonen, sie konnte wie zwei Baumstämme eine Zeit lang nebeneinander in derselben Strömung schwimmen, aber an der ersten Biegung und Wegwende mussten sie schicksalhaft gegeneinanderschmettern: Dieser welthistorische Konflikt war ein unausweichlicher.

***

[...] Für Luther war das Religiöse das Wichtigste auf Erden, für Erasmus das Humane.

***

Aber in diesen Jahren steht Luther nicht mehr allein. Ohne es zu wünschen, ohne es vielleicht ganz zu begreifen, ist er mit seinen nur geistig gemeinten Forderungen Exponent der vielfältigsten irdischen Interessen geworden, der Rammbock der deutschen nationalen Sache, ein wichtiger Stein im politischen Schachspiel zwischen Papst, Kaiser und den deutschen Fürsten. Ganz fremde und durchaus unevangelische Nutznießer seines Erfolgs beginnen um seine Person zu werben, um sie für ihre eigenen Zwecke auszubeuten. Allmählich bildet sich um den einzelnen Mann schon der nucleus einer zukünftigen Partei, eines kommenden religiösen Systems. Aber lange ehe die große Massenarmee des Protestantismus gesammelt ist, hat sich, entsprechend dem Organisationsgenie der Deutschen, schon ein politischer, theologischer, juridischer Generalstab rings um Luther geschart: Melanchthom, Spalatin, Fürsten, Adelsherren und Gelehrte. Neugierig blicken die fremden Gesandten nach Kursachsen hinüber, ob aus diesem harten Mann nicht ein Keil zu schnitzen wäre, den sie in das mächtige Imperium treiben könnten: Eine feinmaschige, politische Diplomatie verwebt ihre Fäden mit Luthers rein sittlich gedachten Forderungen. Gerade sein engster Kreis sucht nach Bundesgenossen, und Melanchthon, der wohl weiß, welcher Tumult sich ereheben muss, wenn erst einmal Luthers Schrift "An den Adel deutscher Nation" erschienen sein wird, drängt und drängt, man möge die so wichtige Autorität des unparteiischen Erasmus für die evangelische Sache gewinnen. Endlich gibt Luther nach und wendet sich am 28. März 1519 zum ersten Mal persönlich an Erasmus

Zum Wesen des humanistischen Briefes gehört unerlässlich die schmeichlerische Höflichkeit, die geradezu chinesisch übertreibliche Selbstherabsetzung. Es hat deshalb nichts besonderes zu besagen, wenn Luther seinen Brief hymnisch beginnt: "Wen gibt es dessen Denken nicht von Erasmus erfüllt wäre? Wer ist nicht von ihm belehrt, wer ist nicht von ihm beherrscht?", wenn er sich als plumpen Burschen darstellt, mit ungewaschenen Händen, der noch nicht gelernt habe, wie man sich brieflich an einen wahrhaft hochgelehrten Mann wendet. Aber da er gehört habe, dass dem Erasmus sein Name durch die "nichtige" Bemerkung über den Ablass bekannt geworden sei, könnte ein weiteres Stillschweigen zwischen ihnen beiden missverständlich ausgelegt werden. "Anerkenne also, Du gütiger Mann, wenn es Dir genehm ist, auch diesen kleinen Bruder in Christo, der freilich nur würdig ist, mit seiner Unwissenheit in einem dunklen Winkel vergraben und nicht unter demselben Himmel und unter der gleichen Sonne bekannt zu sein." Um dieses einen Satzes willen ist der ganze Brief geschrieben. Er enthält alles, was Luther von Erasmus erhofft: Einen Brief der Zustimmung, irgendein seiner Lehre freundliches (wir würden sagen: publizistisch verwertbares) Wort. Die Stunde ist dunkel und entscheidungsvoll für Luther, er hat einen Krieg gegen den Mächtigsten der Erde eröffnet, schon liegt die Bannbulle in Rom bereit; Erasmus in solchem Kampf als moralischen Nothelfer zu haben, wäre bedeutsam und vielleicht siegentscheidend für die lutherische Sache, denn dieser Name gilt durch seine Unbestechlichkeit. Immer ist der parteilose Mensch für die Parteimenschen die wichtigste und beste Flagge.

Aber Erasmus will niemals eine Verpflichtung übernehmen und am wenigsten Bürge sein für eine noch gar nicht errechenbare Schuld. Denn Luther jetzt offen bejahen heißt im Voraus schon Jasagen zu einem maßlosen und unmäßigen Menschen, dessen "gewaltsame und aufrührerische Schreibart" Erasmus, der Harmoniker, in innerster Seele peinlich berührt. Un dann, was ist Luthers Sache? Was ist sie heute, 1519, was wird sie morgen sein? Für einen Menschen Partei nehmen, sich verpflichten, heißt ein Stück seiner eigenen sittlichen Freiheit aufgeben, für Forderungen einstehen, deren Tragweite man nicht überblicken kann, und nie wird Erasmus sich in seiner Freiheit einschränken lassen. Vielleicht auch spürt die feinwitternde Nase dese alten Klerikers einen leichten Ketzergeruch aus den Schriften Luthers. Und sich überflüssig zu kompromittieren, war nie des vorsichtigen Erasmus Tugend und Kraft.

So biegt er aufs Sorgfältigste in seiner Antwort einem klaren Ja oder Nein aus. Zunächst erbaut er sich geschickt ein Schanzwerk, indem er nach rechts und links hin erklärt, er habe Luthers Schriften gar nicht richtig gelesen. In der Tat ist es ja dem Buchstaben nach Erasmus als katholischem Priester untersagt, ohne ausdrückliche Erlaubnis seiner Vorgesetzten kirchenfeindlichen Bücher zu lesen: Mit äußerster Vorsicht wendet der gewiegte Briefschreiber Erasmus dies als Entschuldigung ein, um an einer entscheidenden Aussage vorbeizureden. Er dankt dem "Bruder in Christo", berichtet von der ungeheuren Erregung, die Luthers Bücher in Löwen hervorgerufen, und wie hässlich sich die Gegner darüber hermachen – damit drückt er umwegig eine gewisse Sympathie aus. Aber mit welcher Meisterschaft weicht der leidenschaftlich Unabhängige jedem deutlich zustimmenden Wort aus, auf das man ihn festlegen und verpflichten könnte! Ausdrücklich betont er, Luthers Psalmenkommentar bloß "angeblättert" (degustavi), also nicht gelesen zu haben, und dass er "hoffe", dieser werde vom großen Nutzen sein – abermals ein umschreibender Wunsch statt eines Urteils; und um sich ja nur von Luther zu distanzieren, verspottet er angebliche Gerüchte, als sei er selber an der Abfassung von Luthers Schriften beteiligt, als töricht und böswillig. Klipp und klar erklärt er, nicht zu wünschen, in die ganze leidige Streitsache hineingezogen zu werden: "Ich verhalte mich, soweit ich kann, neutral (integrum), um besser die wiederaufblühenden Wissenschaften fördern zu können, und glaube, dass durch klug gehandhabte Zurückhaltung mehr erreicht wird als durch heftige Einmengung." Dringlich ermahnt er dann noch Luther zur Mäßigung und endet den Brief mit dem frommen und unverbindlichen Wunsch, Christus möge Luther täglich mehr von seinem Geiste verleihen.
(S. 108-124)


***


Was Erasmus, dieser enttäuschte und doch  nicht zu enttäuschende alte Mann, mitten im Wirrsal der Kriege und der europäischen Verzwistung als Vermächtnis hinterließ, war nichts als der erneute uralte Wunschtraum aller Religionen und Mythen von einer kommenden und unaufhaltsamen Vermenschlichung der Menschheit, und von einem Triumph der klaren und gerechten Vernunft über die eigensüchtigen und vergänglichen Leidenschaften: Mit unsicherer und oft verzagter Hand zum ersten Mal pragmatisch hingezeichnet, hata dieses Ideal mit immer wieder neuer Hoffnung den Blick von zehn und zwanzig Generationen Europas belebt. Nichts was klaren Geistes und aus reiner sittlicher Kraft jemals gedacht und gesagt wurde, ist völlig vergeblich; auch von schwacher Hand und nur unvollkommen geformt, regt es den sittlichen Geist zu immer wieder erneuter Formung an. Es wird der Ruhm des im irdischen Raum besiegten Erasmus bleiben, dem Humanitätsgedanken literarisch den Weg in die Welt gewiesen zu haben, diesem einfachsten und zugleich ewigen Gedanken, dass es höchste Aufgabe der Menschheit sei, immer humaner, immer geistiger, immer verstehender zu werden. Nach ihm spricht sein Schüler Montaigne, dem die "Unmenschlichkeit das schlimmste aller Laster" bedeutet, "que ie n'ay point le courage de concevoir sans horreur" [vgl. hier], die Botschaft der Einsicht und Nachsicht weiter. Spinoza fordert statt der blinden Leidenschaften den "amor intellectualis", Diderot, Voltaire und Lessing, Skeptiker und Idealisten zugleich, sie kämpfen gegen jene Eingeschränktheit der Gesinnung zugunsten einer allverstehenden Toleranz. In Schiller ersteht die Botschaft des Weltbürgertums dichterisch beschwingt, in Kant die Forderung des ewigen Friedens, immer wieder bis zu Tolstoi, Gandhi und Rolland verlangt der Geist die Verständigung mit logischer Kraft sein sittliches Recht neben dem Faustrecht der Gewalt. Immer wieder bricht der Glaube an eine mögliche Befriedung der Menschheit gerade in den Augenblicken eifervollster Verzwistung durch, denn die Menschheit wird nie und niemals leben und schaffen können ohne diesen tröstlichen Wahn eines Aufstiegs ins Sittliche, ohne diesen Traum einer letzten und endlichen Verständigung. Und mögen die klugen und kalten rechner immer wieder von Neuem die Aussichtslosigkeit des Erasmischen erweisen und mag die Wirklichkeit ihnen abermals und abermals recht zu geben scheinen: Immer werden jene vonnöten sein, die auf das Bindende zwischen den Völkern jenseits des Trennenden hindeuten und im Herzen der Menschheit den Gedanken eines kommenden Zeitalters höherer Humanität gläubig erneuern. In diesem Vermächtnis wirkt schöpferisch eine große Verheißung. Denn nur was den Geist über den eigenen Lebensraum ins Allmenschliche weist, schenkt dem einzelnen Kraft über seine Kraft. Nur an den überpersönlichen und kaum erfüllbaren Forderungen fühlen Menschen und Völker ihr wahres und heiliges Maß.
(S. 190-191)


FEDERICO GARCÍA LORCA


Garcia Lorca

Federico García Lorca (1898-1936)
https://es.wikipedia.org/wiki/Federico_Garc%C3%ADa_Lorca
 

El poeta dice la verdad

 

Quiero llorar mi pena y te lo digo

para que tú me quieras y me llores

en un anochecer de ruiseñores,

con un puñal, con besos y contigo.

 

Quiero matar al único testigo

para el asesinato de mis flores

y convertir mi llanto y mis sudores

en eterno montón de duro trigo.

 

Que no se acabe nunca la madeja

del te quiero me quieres, siempre ardida

con decrépito sol y luna vieja.

 

Que lo que no me des y no te pida

será para la muerte, que no deja

ni sombra por la carne estremecida.


En: Sonetos del amor oscuro


JOÂO GUIMARÂES ROSA


Guimaraes

João Guimarães Rosa (1908-1967)

Quando escrevo, repito o que já vivi antes. E para estas duas vidas, um léxico só não é suficiente. Em outras palavras, gostaria de ser um crocodilo vivendo no rio São Francisco. Gostaria de ser um crocodilo porque amo os grandes rios, pois são profundos como a alma de um homem. Na superfície são muito vivazes e claros, mas nas profundezas são tranqüilos e escuros como o sofrimento dos homens.


Fuente: Entrevista a Giinter Lorenz, em janeiro de 1965, citado em "Uma cantiga de se fechar os olhos --": mito e música em Guimarães Rosa - Página 74, de Gabriela Reinaldo - Publicado por Annablume, 2005 ISBN 8574195693, 9788574195698 - 239 páginas
En:
https://citacoes.in/citacoes/121769-joao-guimaraes-rosa-quando-escrevo-repito-o-que-ja-vivi-antes-e-para/




XENOPHON

xenophon

Xenophon (ca. 434 v.Chr. - ca 354 v.Chr.)



Excerpts from: http://www.capurro.de/xenophon.html

PERI OIKONOMIAS

Greek-English-German Quotes

Source (Creative Commons):  Xenophon Economics. Xenophontis opera omnia, vol. 2, 2nd ed. Oxford, Clarendon Press. 1921 (repr. 1971) (transl. E.C. Marchant).

Xenophon, "Oikonomikós" in: Gert Audring, Kai Brodersen (Hrsg. u. Übersetzer): Oikonomika. Quellen zur Wissenschaftstheorie der griechischen Antike. Darmstadt 2008.


Book 1

[1]
οἰκονομία
estate management
Haushaltsführung


[2]
εὖ οἰκεῖν
to manage well
ein guter Haushaltsvorstand

οἰκονόμου ἀγαθοῦ εἶναι εὖ οἰκεῖν τὸν ἑαυτοῦ οἶκον

the business of a good estate manager is to manage his own estate well

[Es scheint wohl, antortete Kritobulos] das Bestreben eines guten Haushaltsvorstandes zu sein, das eigene Haus gut zu leiten.

[3]
εἰ ἐπιτρέποι
if put in charge
wenn es ihm jemand anvertraute

[4]
χρήματα ἔχων
to earn money
[kein] Vermögen besäße

πολύν μισθόν
good salary
einen hohen Lohn


[5]
πάντα τοῦ οἴκου εἶναι ὅσα τις κέκτηται


everything a man possesses is part of his estate

[scheint]  alles zum Haus zu gehören, was jemand besitz


[7]
τὰ
 δέ γε βλάπτοντα ζημίαν ἔγωγε νομίζω μᾶλλον  χρήματα

but what is harmful I regard as loss rather than wealth

Das Schädliche halte ich wenigstens eher für Verlust als für Vermögen

[9]
τὰ μὲν ὠφελοῦντα χρήματα ἡγῇ, τὰ δὲ βλάπτοντα οὐ χρήματα


what is profitable is wealth, what is harmful is not wealth

[Du betrachtest also, wie es scheint, das Nützliche als Besitztum, das Schädliche dagegen nicht

[12]
οὐδὲ τὸ ἀργύριόν ἐστι χρήματαεἰ μή τις ἐπίσταιτο χρῆσθαι αὐτῷ

even money isn't wealth to one who doesn't know how to use it

daß auch das Geld kein Besitztum ist, wenn jemand nicht mit ihm umzugehen weiß

[14]
οἱ δὲ φίλοι, ἄν τις ἐπίστηται αὐτοῖς χρῆσθαι ὥστε ὠφελεῖσθαι ἀπ᾽ αὐτῶν, τί φήσομεν αὐτοὺς εἶναι;

χρήματα νὴ Δί᾽, ἔφη ὁ Κριτόβουλος, καὶ πολύ γε μᾶλλον ἢ τοὺς βοῦς, ἂν ὠφελιμώτεροί γε ὦσι τῶν βοῶν.


But how about friends? If one knows how to make use of them so as to profit by them, what are they to be called?

Wealth, of course, and much more so than cattle, if it be true that they are more profitable than cattle.

Die Freunde aber 
— wenn jemand mit ihnen so umzugehen versteht, daß er von ihnen Nutzen hat, was werden wir von ihnen sagen? Daß sie bei Zeus ein Besitztum sind, antwortete Kriboulos, und viel wervoller als die Rinder, falls sie nützlicher als die Rinder sind.

[16]
μὴ θέλοντας
 
ποιεῖν
unwilling to work
daß sie absichtlich nicht tun

Book 2

[4]
εἰς δὲ τὸ σὸν σχῆμα ὃ σὺ περιβέβλησαι καὶ τὴν σὴν δόξαν
to keep up the style you are living in and to support your reputation
Für die Pracht aber, mit der du dich umgibst, und für dein Ansehen

[10]

ὁρῶ γάρ σεἔφη Σώκρατεςἕν τι πλουτηρὸν ἔργον ἐπιστάμενον περιουσίαν ποιεῖν.
τὸν οὖν ἀπ᾽ ὀλίγων περιποιοῦντα ἐλπίζω ἀπὸ πολλῶν γ᾽ ἂν πάνυ ῥᾳδίως πολλὴν περιουσίαν 
ποιῆσαι.


Well, Socrates, I see that you understand one process by which wealth is created—how to create a balance.

So a man who saves on a small income can, I suppose, very easily show a large surplus with a large one.

Ich sehe doch, Sokrates, sagte er, daß du dich auf ein bestimmtes, Reichtum schaffendes Mittel verstehst: Überschuß zu erzielen.
Wer schon aus Wenigem etwas gutmacht, der wird, hoffe ich, aus Vielem sehr leicht großen Übesrchuß erzielen.


[11]

ὅτι
 τῷ μὴ ἐπισταμένῳ ἵπποις χρῆσθαι οὐκ εἴη χρήματα οἱ ἵπποι
οὐδὲ
  γῆ οὐδὲ τὰ πρόβατα οὐδὲ ἀργύριον οὐδὲ ἄλλο οὐδὲ ἓν ὅτῳ τις μὴ ἐπίσταιτο χρῆσθαι

that if a man doesn't know how to manage horses, his horses are not wealth to him
, nor his land, sheep, money or anything else, if he doesn't know how to manage them?

daß für denjenigen, der mit Pferden nicht umzugehen versteht, Pferde kein Besitztum seien, auch nicht Land, Schafe, Geld und anderes, was jeman nicht zu gebrauchen versteht?

[12]
ὅμως εἶναί τις ἐπιστήμη οἰκονομίας

there is such a thing as a science of household management

[Es schien uns doch...] dennoch ein Fachwissen von der Haushaltsführung zu geben

[18]
παρ᾽ ὧν ἂν καὶ σὲ οἶμαιεἰ βούλοιομαθόνταεἴ σοι  θεὸς μὴ ἐναντιοῖτο
πάνυ
 ἂν δεινὸν χρηματιστὴν γενέσθαι.

I think that if you would elect to learn from these, you too with God's favour
would turn out a clever man of business.

Ich glaube, daß auch du, wenn du von diesen lernen willst und der Gott sich dir nicht entgegenstellt, ein sehr tüchtiger Geschäftsmann wirst.


Book 3

[1]
τί οὖν, ἔφη ὁ Σωκράτης, ὦ Κριτόβουλε, ἄν σοι ἀποδεικνύω πρῶτον μὲν
οἰκίας τοὺς μὲν ἀπὸ πολλοῦ ἀργυρίου ἀχρήστους οἰκοδομοῦντας,
τοὺς δὲ ἀπὸ πολὺ ἐλάττονος πάντα ἐχούσας ὅσα δεῖ,
ἦ δόξω ἕν τί σοι τοῦτο τῶν οἰκονομικῶν ἔργων ἐπιδεικνύναι; 


Well then, said Socrates, what if I prove to your satisfaction, Critobulus, to begin with,
that some men spend large sums in building houses that are useless,
while others build houses perfect in all respects for much less?

Will you think that I am putting before you one of the operations that constitute estate management?

Was meinst du, Kritobulos, fragte Sokrates, wenn ich dir zuerst zeigte, daß die einen mit viel Geld unbrauchbare Häuser bauen, die anderen aber mit viel geringeren Mittel solche, die alles haben, was notwendig ist

[4]
τί οὖν, ἄν σοι, ἔφη, 
καὶ οἰκέτας αὖ ἐπιδεικνύω ἔνθα μὲν πάντας ὡς εἰπεῖν δεδεμένους, 
καὶ τούτους θαμινὰ ἀποδιδράσκοντας, 

ἔνθα δὲ λελυμένους καὶ ἐθέλοντάς τε ἐργάζεσθαι καὶ παραμένειν, οὐ καὶ τοῦτό σοι δόξω ἀξιοθέατον τῆς οἰκονομίας ἔργον ἐπιδεικνύναι;
ναὶ μὰ Δί᾽, ἔφη ὁ Κριτόβουλος, καὶ σφόδρα γε.

Then what if I show you besides that in some households nearly all the servants are in fetters and yet continually try to run away, whereas in others they are under no restraint and are willing to work and to stay at their posts?
Won't you think that here too I am pointing out to you a notable effect of estate management?

Yes, of course; very much so.

[7]
οὐκοῦν χρὴ θεώμενον σαυτοῦ ἀποπειρᾶσθαι εἰ γνώσῃ. 
νῦν δ᾽ ἐγὼ σὲ σύνοιδα ἐπὶ μὲν κωμῳδῶν θέαν 
καὶ πάνυ πρῲ ἀνιστάμενον καὶ πάνυ μακρὰν ὁδὸν βαδίζοντα καὶ ἐμὲ ἀναπείθοντα προθύμως συνθεᾶσθαι: 
ἐπὶ δὲ τοιοῦτον οὐδέν με πώποτε ἔργον παρεκάλεσας. 
οὐκοῦν γελοῖός σοι φαίνομαι εἶναι, ὦ Σώκρατες.
σαυτῷ δὲ πολὺ νὴ Δί᾽, ἔφη, γελοιότερος.

Then you must watch, and try by experiment whether you are capable of understanding. At present I observe that when a comedy is to be seen, you get up very early and walk a very long way and press me eagerly to go to the play with you. But you have never yet invited me to see a drama of real life like this.
You think me ridiculous, don't you, Socrates?
You think yourself far more so, I am sure.

Du mußt also, indem du sie beobachtest, mit dir selbst einen Versuch anstellen, ob du es erkennen wirst. Nun weiß ich aber, daß du, um Komödien zu sehen, sehr früh aufstehst, einen sehr weiten Weg gehst und mich eifrig überredest, mit ins Theater zu kommen; zu einem solchen Unternehmen hast du mich aber noch nie aufgefordert
Ich komme dir wohl lächerlich vor, Sokrates.
Dir selbst aber noch viel lächrlicher, bei Zeus, entgegnete er.


[15] νομίζω δὲ γυναῖκα κοινωνὸν ἀγαθὴν οἴκου οὖσαν πάνυ ἀντίρροπον εἶναι τῷ ἀνδρὶ ἐπὶ τὸ ἀγαθόν.
ἔρχεται μὲν γὰρ εἰς τὴν οἰκίαν διὰ τῶν τοῦ ἀνδρὸς πράξεων τὰ κτήματα ὡς ἐπὶ τὸ πολύ,
δαπανᾶται δὲ διὰ τῶν τῆς γυναικὸς ταμιευμάτων τὰ πλεῖστα:
καὶ εὖ μὲν τούτων γιγνομένων αὔξονται οἱ οἶκοι,
κακῶς δὲ τούτων πραττομένων οἱ οἶκοι μειοῦνται.


I think that the wife who is a good partner in the household contributes just as much as her husband to its good; because the incomings for the most part are the result of the husband's exertions, but the outgoings are controlled mostly by the wife's dispensation. If both do their part well, the estate is increased; if they act incompetently, it is diminished.

Ich glaube aber, daß eine Frau, die eine gute Partnerin bei der Leitung des Haushalts ist, dem Mann gleichwertig ist im Streben nach dem Guten. Die Besitztümer kommen zwar meist durch die Tätigkeiten des Mannes in das Haus, ausgegeben werden sie aber größtenteils nach den haushälterischen Einteilung der Frau, und wenn diese gut ist, vergrößern sich die Häuser, wenn sie aber schlecht vorgenommen wird, nehmen die Häuser ab.


MICHEL DE MONTAIGNE


Montaigne

Michel de Montaigne (1533-1592)


De la vanité

 

L'autre cause qui me convie à ces promenades, c'est la disconvenance aux mœurs présentes de notre État. Je me consolerai aisément de cette corruption pour le regard de l'intérêt public.

        pejoraque sæcula ferri
Temporibus, quorum sceleri non invenit ipsa
Nomen, et à nullo posuit natura metallo,

[Juvénal, Satire XIII: "Siècles pires que l'âge de fer, pour le crime desquels la nature elle-même n'a pu trouver de nom, ni de métal pour les désigner."]

mais pour le mien, non. J'en suis en particulier trop pressé [accablé]. Car en mon voisinage, nous sommes tantôt, par la longue licence de ces guerres civiles, envieillis en une forme d'État si débordée,

Quippe ubi fas versum atque nefas.

[Virgile, Géorgiques, chant I: "Où se confondent le juste et l'injuste."]

qu'à la vérité c'est merveille qu'elle se puisse maintenir.

Armati terram exercent, sempérque recentes
Connectare juvat prædas et vivere rapto.

[Virgile, Éneide, chant VII: "On laboure la terre, tout armé et sans cesse on ne pense qu'à faire de nouveaux brigandages, et à vivre de rapines."]

Enfin je vois par notre exemple que la société des hommes se tient et se coud, à quelque prix que se soit. En quelque assiette qu'on les couche, ils s'appilent et se rangent en se renuant et s'entassant, comme des corps mal unis qu'on empoche sans ordre trouvent d'eux-mêmes la façon de se joindre et d'emplacer les uns parmi les autres, souvent mieux que l'art ne les eût su disposer. Le roi Philippe fit un amas des plus méchants hommes et incorrigibles qu'il pût trouver, et les logea tous en une ville qu'il leur fit bâtir, qui en portait le nom.[23] J'estime qu'ils dressèrent des vices mêmes une contexture politique entre eux et une commode et juste société.

Je vois, non une action, ou trois, ou cent, mais des mœurs en usage commun et reçu si monstrueuses en inhumanité surtout et déloyauté, qui est pour moi la pire espèce des vices, que je n'ai point le courage de les concevoir sans horreur; et les admire quasi autant que je les déteste. L'exercice de ces méchancetés insignes porte marque de vigueur et force d'âme autant que d'erreur et dérèglement. La nécessité compose les hommes et les assemble. Cette couture fortuite se forme après en lois; car il en a été d'aussi farouches qu'aucune opinion humaine puisse enfanter, qui toutefois ont maintenu leurs corps avec autant de santé et longueur  de vie que celles de Platon et Aristote sauraient faire.


[23] Souvenir de Plutarque, De la curiosité, chap. X: "Philippus fit un amas des plus méchants et plus incorrigibles des hommes qui fussent de son temps, lesquels il logea ensemble dans une ville qu'il fit bâtir, et l'appela Ponerapolis [sic], c'est-à-dire la Ville des Méchants."

Source: Michel de Montaigne: Essais. Gallimard 1965, Livre troisième, chapitre IX, p. 223-224. Cf. texte original

Πονηρόπολις

https://fr.wiktionary.org/wiki/Poneropolis

(Géographie) Ancien nom de Philippopolis.

eodem sunt in tractu Sialetae, Priantae, Dolongae, Thyni, Coelaletae maiores Haemo, minores Rhodopae subditi. inter quos Hebrus amnis, oppidum sub Rhodope Poneropolis antea, mox a conditore Philippopolis, nunc a situ Trimontium dicta. Haemi excelsitas VI passuum subitur. aversa eius et in Histrum devexa Moesi, Getae, Aedi, Scaugdae Clariaeque et sub iis Arraei Sarmatae, quos Aretas vocant, Scythaeque et circa Ponti litora Moriseni Sitonique, Orphei vatis genitores, optinent. — (Pline le JeuneNaturalis Historia, IV)

dans la même région sont les Sellètes, les Priantes, les Dolonques, les Thynes, les grands Coelètes, placés au-dessous de l'Hémus; les petits Coelètes, placés au-dessous du Rhodope. Ces contrées sont traversées par l'Hèbre; au pied du Rhodope est la ville appelée jadis Ponéropolis, puis Philippopolis, du nom de son fondateur; enfin Trimontium, à cause de sa situation. La pente de l'Hémus est de 6.000 pas: son revers opposé, tourné du côté du Danube, est habité par les Moesiens, les Gètes, les Aorses, les Gaudes, les Clariens, et, au-dessous d'eux, les Arréen Sarmates, qu'on appelle Aréates, les Scythes, et, autour du Pont-Euxin, les Morisènes et les Sithoniens, pères du poète Orphée. — (traduction)



MICHEL DE CERTEAU


Certeau

Michel de Certeau (1925 - 1986)


Extase blanche


Comment vous expliquer? dit le moine Syméon à son visiteur, qui arrivait de Panoptie (un pays lointain, Syméon n'aurait pu dire où c'était, il ne connaissait que ses montagnes). Comment décrire le but exorbitant de la marche millénaire, plusieurs fois millénaire, des voyageurs qui se sont mis en route pour voir Dieu? Je suis vieux et je ne sais toujours pas. Nos auteurs en parlent pourtant beaucoup. Ils racontent des merveilles, qui vous sembleront peut-être plus inquiétantes qu'éclairantes. D'après ce qu'ils écrivent – je répète ce qu'ils ont eux-mêmes reçu, disent-ils, d'une tradition ancienne qui remonte à qui? allez savoir! –, la vision coïncide avec l'épanouissement des choses vues. Ils séparent ce qui nous paraît ne faire qu'un: l'acte de voir et les choses vues; que l'une croît à mésure que les autres s'effacent. Nous supposons, nous, que la vue s'améliore en conquérant des objets. Pour eux, elle se parfait en les perdant. Voir Dieu, c'est finalement ne rien
voir, c'est ne percevoir aucune chose particulière, c'est participer à une visibilité universelle qui ne comporte plus le découpage de scènes singulières, multiples, fragmentaires et mobiles dont sont faites nos perceptions. 

Vous allez peut-être penser que le paradoxe opposant "voir" aux objets vus a des airs de tromperie et qu'en réalité une meilleure vision doit nécessairement diminuer le nombre des choses qu'on ne voit pas. Pour ces auteurs, cela ne fait pas de différence, car les objets ne s'aperçoivent qu'en se distinguant de ce qui est invisible. Supprimez ce que vous ne voyez pas, et vous supprimez aussi ce que vous voyez. Alors se crée un grand éblouissement aveugle, extinction des choses vues.

Voir est dévorant. Les choses que nous voyons sont moins les emblèmes de ses victoires que des limites à son expansion. Elles nous protègent, tels des esquifs dont les bords fragiles arrêtent – mais pour combien de temps? – son océanique avancée. Les peintres savent le danger. Ils jouent avec ce feu. Vous devez connaître aussi, chez vous, ceux qui entourent d'un trait lumineux certains objets opaques, à la manière dont la blancheur d'une vague limite sur le rivage d'une terre l'omnipotence solaire de la mer. Il y a ceux qui combattent la clarté en y jetant des ombres. Mais parmi les peintres, il y a également les captifs de la passion de voir; ils livrent les choses à la lumière et ils les perdent, naufragées dans la visibilité. Au fond, nous sommes tous des peintres, même si nous ne construisons pas des théatres où se déroule cette lutte entre le voir et les choses. Certains résistent à cette fascination vorace; d'autres n'y cèdent qu'un moment, saisis d'une vision qui ne sait plus ce qu'elle perçoit; beaucoup se hâtent – inconscients? – vers l'extase qui sera la fin de leur monde.

Vous semblez surpris, C'est vrai, il est terrible de voir. L'Écriture dit qu'on ne peut voir Dieu sans mourir. Elle signifie sans doute par là que voir suppose l'anéantissement de toute chose vue. Dois-je vous avouer que je suis, moi aussi, pris de crainte? Avec l'âge, avec la mesquinerie que le grand âge apprend, je m'attache de plus en plus aux secrets, aux détails têtus, aux taches d'ombre qui défendent les choses, et nous-mêmes, contre une transparence universelle. Je me retiens à ces minuscules débris de nuit. Les misères mêmes que multiplie la vieillesse deviennent précieuses parce qu'elle freinent, elles aussi, la marche de la lumière. Je ne parle pas de la douleur, car elle n'est à personne. Elle éclaire trop. Souffrir éblouit. C'est déjà voir, tout comme il n'y a des visionnaires que privés de soi et des choses par la fascination des malheurs qui visitent le pays. Non, je parle d'intimités bizarres, là au ventre, ici à la tête, le tremblé, la crispation, la difformité, la brusquerie bête d'un corps inconnu d'autrui. Qui oserait les livrer? Qui voudrait nous en désapproprier? Elles nous préservent d'étranges retraites. Ce sont nos bribes d'histoire, des rites secrets, des ruses et des habitudes avec des ombres tapis en des lieux cachés du corps. Mais vous êtes trop jeune pour connaître les usages de ce temps clandestin.

Revenons à nos auteurs. Il  ne mâchent pas les mots. Ils savent, disent-ils, de quoi il est question: c'est un nivellement de l'histoire, une eschatologie blanche, qui supprime et "confond" tous les secrets. Au "tohu-bohu" initial qui précédait toute distinction d'après le premier chapitre de la Genèse, ils semblent opposer un effacement ultime de toutes choses en la lumière, "universelle et confuse", de la vision. Pour la désigner, ils utilisent plutôt le verbe "voir", qui nomme un acteur toujours opérant. Par exemple, ils diront: Dieu est Voir. D'où leur manière de s'exprimer, un peu étrange pour nous. D'après leurs explications, le sujet et le complément de ce verbe ne sont pas stables; ils tournent autour de lui. On peut dire: "Nous voyons Dieu", ou: "Dieu nous voit". Cela revient au même. Le sujet et l'objet se remplacent, interchangeables et inassurés, aspirés par un verbe dominateur. Qui voit? Qui est vu? On ne sait plus. Seul demeure l'acte, delié, absolu. Il fusionne en lui sujets voyants et objets vus. Comment pourrait-il en être autrement? La différence entre voyant et vu ne tient plus si aucun secret ne met le voyant à distance de ce qu'il voit, si aucune obscurité ne lui sert de refuge d'où constituer devant lui une scène, s'il n'y a plus de nuit dont se détache une représentation.

Voilà ce que serait l'éblouissement de la fin: une absorption des objets et des sujets dans l'acte de voir. Aucune violence, mais le seul déploiement de la présence. Ni pli ni trou. Rien de caché et donc rien de visible. Une lumière sans limites, sans différence, neutre en quelque sorte et continue. Il n'est possible d'en parler que relativement à nos chères activités, qui s'y anéantissent. Il n'y a plus de lecture là où les signes ne sont plus éloignés et privés de ce qu'ils désignent. Il n'y a plus d'interprétation si aucun secret ne la soutient et ne l'appelle. Il n'y a plus de paroles si aucune abscence ne fonde l'attente qu'elle articulent. Nos travaux s'engloutissent doucement dans cette extase silencieuse. Sans catastrophe et sans bruit, simplement devenu vain, notre monde, immense appareil né de nos obscurités, finit.

Il est compréhensibe que la peur se mêle à la fascination chez les marcheurs partis en quête de la vision. Quel pressentiment les précipite vers la clarté? Je suis partagé et je ne sais pas bien que dire. Tantôt j'ai des pensées mauvaises. Je m'imagine que ces pélerins cherchent ce qu'ils sont assurés de ne pas trouver. Et puis, voilà, un beau jour, un jour aveuglant, ça leur arrive. S'ils s'en tirent, ils portent désormais cette mort éblouie, muets d'avoir vu à leur insu. Tantôt je me laisse prendre moi-même au désir de voir, comme tout le monde je suppose. J'oublie les avertissements de nos auteurs, car tout comte fait, en écrivant sur cette chose ultime et terrible, ils s'en protégeaient et ils nous mettent en garde. Alors s'insinue la captation de ce qui est sans nous, la blancheur qui excède tout division, l'extase qui tue la conscience et éteint les spectacles, une mort illuminée – un "heureux naufrage", disent les Anciens.

J'ai connu cela en mon pays, dit enfin le visiteur. L'expérience dont vous parlez y est banale. Tout y est déjà gagné par la clarté. Je voyageais en espérant découvrir un lieu, un temple, un ermitage où loger la vision. Mon pays se serait aussitôt mué en une terre des secrets, par le seul fait d'être éloigné de la manifestation. Mais vos doutes me renvoient à ma plaine sans ombre. Il n'y a pas d'autre fin du monde.

In: Michel de Certeau: La faiblesse de croire. Texte établi et présenté par Luce Giard. Seuil 1987, 315-318.

"En conclusion, "Extase blanche", in Traverses, no. 29 intitulé l'Obscène, octobre 1983, p. 16-18. Ce texte court, écrit d'un trait, l'auteur hésita à le publier. Il me le donna à lire, je fus saisie d'une évidence: ce poème mystique annonçait la venue proche de l'ange de la mort. Plus tard, je compris que l'introït de la Fable mystique le disait déjà d'une autre manière: "Cette clarté (...) serait peut-être l'éclat même d'un désir venu d'ailleurs. Mais elle ne se donne pas au travail ni à l'âge. Elle est testamentaire: c'est un baiser de la mort. " Luce Giard: Cherchant Dieu. In: Michel de Certeau, op.cit. xix.

Cf. R.Capurro: "Pas Sans" / "Nicht ohne".


 Bosch
                        Visions

Hieronymus Bosch: Visions de l'au-delà ca. 1505-1515
Montée des bienheureux vers l'empyrée
https://fr.wikipedia.org/wiki/Visions_de_l%27au-del%C3%A0


NELSON MANDELA WINNIE MANDELA


Mandela
                    Silsulu

Nelson Mandela (1918-2013) and Walter Sisulu on Robben Island

Mandela Cell

Mandela's Cell on Robben Island

Winnie
                    Mandela


Incidentally, you may find that the cell is an ideal place to learn to know yourself, to search realistically and regularly the process of your mind and feelings.
In judging our progress as individuals we tend to concentrate on external factors such as one's social position, influence and popularity, wealth and standard of education. There are, of course, important in measuring one's success in material matters and it is perfectly understandable if many people exert themselves mainly ot achieve all these. But internal factors may be even more crucial in assessing one's development as a human being. Honesty, sincerity, simplicity, humility, pure generosity, absence of vanity, readiness to serve others – qualities which are within easy reach of every soul – are the foundation of one's spiritual life. Development in matters of this nature is inconceivable without serious introspection, without knowing yourself, your weaknesses and mistakes. At least, if for nothing else, the cell gives you the opportunity  to look daily into your entire conduct, to overcome the bad and develop whatever is good in you. Regular meditation, say about 15 minutes a day before you turn in, can be very fruitful in this regard. You may find it difficult at first to pinpoint the negative features in your life, but the 10th attempt may yield rich rewards. Never forget that a saint is a sinner who keeps on trying.

From a letter to Winnie Mandela in Kroonstad Prison, Dated 1 February 1975. In: Nelson Mandela: Conversations with Myself. London 2010, 211-212.
Vgl. v.Vf..: Nelson Mandela as Information Ethicist (2020)


KARL MARX


karl marx

Karl Marx (1818-1883)


FRÜHE SCHRIFTEN

Erster Band
Hsg. H-J. Lieber und Peter Furth
Darmstadt 19662/1980, S. 607-8

ÖKONOMISCH-PHILOSOPHISCHE MANUSKRIPTE

ZUR KRITIK DER NATIONALÖKONOMIE


III. Privateigentum und Kommunismus

Du kannst mir erwidern: Ich will nicht das Nichts der Natur etc. setzen; ich frage dich nach ihrem Entstehungsakt, wie ich den Anatom nach den Knochenbildungen frage, etc.

Indem aber für den sozialistischen Menschen die ganze sogenannte Weltgeschichte nichts anderes ist als die Erzeugung des Menschen durch die menschliche Arbeit, als das Werden der Natur für den Menschen, so hat er also den anschaulichen, unwiderstehlichen Beweis von seiner Geburt durch sich selbst, von seinem Entstehungsprozeß. Indem die Wesenhaftigkeit des Menschen in (MEGA, Dietz, Thier: und der Natur) der Natur, indem der Mensch für den Menschen als Dasein der Natur und (Landshut: in der Natur; Ms. wie oben) die Natur für den Menschen als Dasein des Menschen praktisch, sinnlich, anschaubar geworden ist, ist die Frage nach einem fremden Wesen, nach einem Wesen über der Natur und dem Menschen
eine Frage, welche das Geständnis von der Unwesentlichkeit der Natur und des Menschen einschließt praktisch unmöglich geworden. Der Atheismus, als Leugnung dieser Unwesentlichkeit, hat keinen Sinn mehr, denn der Atheismus ist eine Negation des Gottes und setzt durch diese Negation das Dasein des Menschen; aber der Sozialismus als Sozialismus bedarf einer solchen Vermittlung nicht mehr; er beginnt von dem theoretisch und praktisch sinnlichen Bewußtsein des Menschen und der Natur als des Wesens. Er ist positives, nicht mehr durch die Aufhebung der Religion vermitteltes Selbstbewußtsein des Menschen, wie das wirkliche Leben positiv, nicht mehr durch die Aufhebung des Privateigentums, den Kommunismus, vermittelte Wirklichkeit des Menschen ist. Der Kommunismus ist die Position als Negation der Negation, darum das wirkliche, für die nächste geschichtliche Entwicklung notwendige Moment der menschlichen Emanzipation und Wiedergewinnung. Der Kommunismus ist die notwendige Gestalt und das energische Prinzip der nächsten Zukunft, aber der Kommunismus ist nicht als solcher das Ziel der menschlichen Entwicklung die Gestalt der menschlichen Gesellschaft.

(Hier folgt im Ms. das erste Stück des Hegelexkurses, den wir unter dem Titel: Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt ans Ende gestellt haben, d. S. 637).



DER ACHTZEHNTE BRUMAIRE DES LOUIS NAPOLEON


Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen [1]. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. Caussidière für Danton, Louis Blanc für Robespierre, die Montagne von 1848–1851 für die Montagne von 1793–1795, der Neffe für den Onkel. Und dieselbe Karikatur in den Umständen, unter denen die zweite Auflage des achtzehnten Brumaire herausgegeben wird! Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszene aufzuführen. So maskierte sich Luther als Apostel Paulus, die Revolution von 1789-1814 drapierte sich abwechselnd als römische Republik und als römisches Kaisertum, und die Revolution von 1848 wußte nichts besseres zu tun, als hier 1789, dort die revolutionäre Überlieferung von 1793-1795 zu parodieren. So übersetzt der Anfänger, der eine neue Sprache erlernt hat, sie immer zurück in seine Muttersprache, aber den Geist der neuen Sprache hat er sich nur angeeignet, und frei in ihr zu produzieren vermag er nur, sobald er sich ohne Rückerinnerung in ihr bewegt und die ihm angestammte Sprache in ihr vergißt. (S. 111)

[1] „Durch diesen merkwürdigen Irrtum befangen, ermordeten Brutus, ein höchst edles Individuum, und Cassius, tatkräftiger als Cicero, den Mann, dessen Tugenden sie schätzten. Unmittelbar darauf aber zeigte es sich, daß nur einer den römischen Staat leiten könne, und nun mußten die Römer daran glauben; wie denn überhaupt eine Staatsumwälzung gleichsam im Dafürhalten der Menschen sanktioniert wird, wenn sie sich wiederholt. So ist Napoleon zweimal unterlegen, und zweimal vertrieb man die Bourbonen. Durch die Wiederholung wird das, was im Anfang nur als zufällig und möglich erschien, zu einem Wirklichen und Bestätigten.“, Georg Friedrich Wilhelm Hegel: Vorlesungen über Philosophie der Geschichte, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1973 (Werke 12), Seite 380.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Marxismus/Zitate/28

 

Quelle: Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Napoleon. In: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, Band 8, 111-207 Dietz Verlag, Berlin/DDR, 1960. http://www.mlwerke.de/me/me08/me08_111.htm

Vgl. v.Vf. http://www.capurro.de/quaestiones.html#KARL_MARX



IGNACIO DE LOYOLA - CARLOS MEHARU - MICHEL DE CERTEAU

Ignatius Loyola

Ignacio de Loyola 1491-1556


exercitia


[1] ANNOTACIONES PARA TOMAR ALGUNA INTELIGENCIA EN LOS EXERCICIOS SPIRITUALES QUE SE SIGUEN, Y PARA AYUDARSE, ASÍ EL QUE LOS HA DE DAR, COMO EL QUE LOS HA DE RESCIBIR.

1ª annotación. La primera annotación es, que por este nombre, exercicios spirituales, se entiende todo modo de examinar la consciencia, de meditar, de contemplar, de orar vocal y mental, y de otras spirituales operaciones, según que adelante se dirá. Porque así como el pasear, caminar y correr son exercicios corporales; por la mesma manera, todo modo de preparar y disponer el ánima para quitar de sí todas las afecciones desordenadas y, después de quitadas, para buscar y hallar la voluntad divina en la disposición de su vida para la salud del ánima, se llaman exercicios spirituales.

[...]

[21] EXERCICIOS ESPIRITUALES PARA VENCER A SÍ MISMO Y ORDENAR SU VIDA, SIN DETERMINARSE POR AFFECCIÓN ALGUNA QUE DESORDENADA SEA.

PROSUPUESTO

[22] Para que así el que da los exercicios espirituales, como el que los rescibe, más se ayuden y se aprovechen: se ha de presuponer que todo buen christiano ha de ser más prompto a salvar la proposición del próximo, que a condenarla; y si no la puede salvar, inquira cómo la entiende, y, si mal la entiende, corríjale con amor; y si no basta, busque todos los medios convenientes para que, bien entendiéndola, se salve.


[23] PRINCIPIO Y FUNDAMENTO.

El hombre es criado para alabar, hacer reverencia y servir a Dios nuestro Señor y, mediante esto, salvar su ánima; y las otras cosas sobre la haz de la tierra son criadas para el hombre, y para que le ayuden en la prosecución del fin para que es criado. De donde se sigue, que el hombre tanto ha de usar dellas, quanto le ayudan para su fin, y tanto debe quitarse dellas, quanto para ello le impiden. Por lo qual es menester hacernos indiferentes a todas las cosas criadas, en todo lo que es concedido a la libertad de nuestro libre albedrío, y no le está prohibido; en tal manera, que no queramos de nuestra parte más salud que enfermedad, riqueza que pobreza, honor que deshonor, vida larga que corta, y por consiguiente en todo lo demás; solamente deseando y eligiendo lo que más nos conduce para el fin que somos criados.

[...]

[175] TRES TIEMPOS PARA HACER SANA Y BUENA ELECCIÓN EN CADA UNO DELLOS.

1º tiempo. El primer tiempo es quando Dios nuestro Señor así mueve y atrae la voluntad, que sin dubitar ni poder dubitar, la tal ánima devota sigue a lo que es mostrado; assí como San Pablo y San Matheo lo hicieron en seguir a Christo nuestro Señor. [176]

2º tiempo. El segundo: quando se toma asaz claridad y cognoscimiento, por experiencia de consolationes y dessolaciones, y por experiencia de discreción de varios espíritus. [177]

3º tiempo. El tercero tiempo es tranquilo, considerando primero para qué es nascido el hombre, es a saber, para alabar a Dios nuestro Señor y salvar su ánima, y esto deseando elije por medio una vida o estado dentro de los límites de la Iglesia, para que sea ayudado en servicio de su Señor y salvación de su ánima. Dixe tiempo tranquillo quando el ánima no es agitada de varios spíritus y usa de sus potencias naturales líbera y tranquilamente.

[...]

[230] CONTEMPLACIÓN PARA ALCANZAR AMOR.

Nota. primero conviene advertir en dos cosas: La primera es que el amor se debe poner más en las obras que en las palabras.

[231] La 2ª, el amor consiste en comunicación de las dos partes, es a saber, en dar y comunicar el amante al amado lo que tiene o de lo que tiene o puede, y así, por el contrario, el amado al amante; de manera que si el uno tiene sciencia, dar al que no la tiene, si honores, si riquezas, y así el otro al otro. Oración. Oración sólita.
 

Fuente: http://biblio3.url.edu.gt/Libros/Ejercicios_espirituales.pdf



INTEGRAR PARA CRECER


Una vez estaba pasando por un momento muy conflictivo, y tuve la ocasión de hacer los Ejercicios Espirituales bajo la guía de Carlos Meharu, en Montevideo. Después de varios días de escucharme e interiorizarse de mi situación, me dice cuatro palabras: “lúcidos, fuertes, buenos, libres”. Luego pasó a explicarlas:

“mantente lúcido frente a todas las cosas, tal como son;
como verás la cruda realidad, se fuerte;
para que la fuerza no te endurezca, se bueno;
para no condescender por exceso de bondad, se libre.
Y así libre podrás ser más lúcido”
.


Además de unificarme interiormente frente al conflicto, Meharu me enseñó a complementar actitudes, buenas en sí, pero necesitadas de otras para no caer en sus propios desbordes. Más adelante comprendí que esta sabiduría podría llamarse “integración”. 
Para llegar a ser yo mismo, yo misma, debemos transitar la vida enhebrando las muchas polaridades que nos constituyen: cuerpo y mente, materia y espíritu, afecto e intelecto, individual y colectivo, masculino y femenino, sexualidad y trascendencia, ciencia y fe, etc. “Integrar” es, según el diccionario de la Real Academia, “completar un todo con las partes que faltan; hacer que algo o alguien pase a formar parte de un todo”. Viene del griego “hólos”: entero, completo; y su raíz latina “tangere” (tocar) nos remite a lo “no tocado”, lo que aún está completo. Jesús de Nazaret, “rostro humano de Dios, rostro divino del hombre”, nos regala una maravillosa integración. La encarnación del Verbo responde a esa gran necesidad nuestra de ser plenamente humanos sin dejar de abrirnos a lo divino, y la necesidad de retornar al origen fontal de nuestra existencia, sin alienarnos del mundo al que pertenecemos.

Según John O’Malley, S.J., lo que hizo de los Ejercicios Espirituales una fecunda herramienta para los primeros jesuitas, “no fueron temas concretos o su manera de articularlos. Fue, más bien, la coordinación de las partes en una totalidad integral y novedosa”. Creemos que su pedagogía del encuentro con Jesús mediante la contemplación ignaciana, conduce gradualmente a la integración de tantas polaridades que nos atraviesan. Desde la integración de las sombras y el oscuro pasado (1ª semana), pasando por la integración de una Presencia que me habita, seduce y atrae mi libertad (2ª semana), hasta hacerse uno conmigo en su existencia pascual (3ª y 4ª semana). En la Contemplación para alcanzar Amor (EE 230) que abre “la 5ª semana”, Ignacio ofrece la máxima integración de Dios conmigo y con el cosmos (cosmoteándrica), y desde aquí aparece una nueva perspectiva: el volverse uno mediante el amor. “En Dios no hay dualidad. En Dios todo es uno. Todo tiene lugar en Él”.


 Agustín Rivarola Sj


Fuente: https://jesuitasaru.org/integrar-para-crecer/

R. Capurro: Praktiken der Selbstformung
R. Capurro: Meine Exerzitien




20 Aux frontières de l'acte analytique


[...]

L'idée fondamentale de Beirnaert est de relire Ignace à la lumière de Freud et de Lacan [18]. À cet égard, il se situe, comme il le dit lui même, "aux frontières de l'acte psychanalytique [19]", dans une position transversale semblable à celle de Certeau. L'objet de ses recherches est la "vérité du désir" telle qu'on peut l'attester dans le champ de la mystique ignatienne comme dans la pratique analytique: "À chaque avancée de Lacan, il retourne à la Bible comme aux textes ignatiens, en entreprend une nouvelle lecture, et en dégage de nouvelles perspectives [20]." On retrouve chez Beirnaert ce rapport si intense de Certeau à l'itinérance, enraciné dans l'exploration spirituelle. Beirnaert évoque la délocalisation du sacré que vit Ignace qui doit renoncer à Jérusalem, mais d'une certaine manière à Rome qui ne peut être un lieu d'arrivée: "Louis Beirnaert s'engage dans un nouvel "aller de par le monde" où il rencontre les autres... admettant qu'à travers leurs dires se dévoile quelque chose de la vérité de leur désir [21]." Il exhume donc chez Ignace, dans la lignée de la quête spirituelle qui caractérise le projet de Christus, tout ce qui fait excès, tout ce qui déborde d'un discours transformé lui-même, le "comment", comme le dit Paul Daman, que Beirnaert fait porter sa lecture de la réouverture du désir chez Ignace pour lequel ce qui est décisif, est l' "engendrement du sujet [22]".


La lecture que donne de son côté Certeau des Exercises entre en totale résonance avec celle de Beirnaert [23]. Il montre en effet en quoi Ignace a mis au point un dispositif séquentiel articulé sur les lieux, mais à partir d'un non-lieu, conçu comme fondement même du mouvement qu'il permet de l'expression des voix du désir. Les analogies avec la cure analytique sont largement pratiquées par un "principe de fondement" qui consiste essentiellement à ouvrir un espace au désir, à laisser parler le sujet du désir [24]." Ce fondement n'est pas une assise ontologique, mais se donne à voir au contraire comme ligne de fuite par rapport à toute chose, puisqu'il est à chaque fois question de délocaliser, de débusquer le désir investi pour "accepter d'entendre la rumeur de la mer [25]". Évidemment, l'expérience est déstabilisante, plongeant le sujet dans un espace qui privilégie les bords, les seuils, les moments de transit, de passage d'un lieu l'autre: "C'est dans les coupures que ça parle [26]". Ce sont ces manques provoqués par ces séparations, comme autant de simulations de la mort, qui relancent le désir et font advenir la parole, ce que Rilke qualifiait de "langage de l'absence". Cette pratique conduit à des trajectoires singulières dont le tracé est signifiant en tant qu'il exprime un vouloir: "Aussi la tactique ignatienne ramène-t-elle le retraitant à l'indéterminé de ce vouloir en vue d'une nouvelle détermination de ses objets [27]."

18. L. Beirnaert, "Relire Ignace après Freud, Lacan et quelques autres...", L'Expérience du désir et la naissance du sujet, Média-Sèvres, No. 18, 1989, p. 7-20.
19. L. Beirnaert, Expérience chrétienne et psychologie, op.cit., rééd. 1966, p. 15.
20. A. Lehmann, sur le livre de Louis Bernaert intitulé Aux frontières de l'acte analytique, in L. Bernaert, L'Expérience du désir et la naissance du sujet, op.cit., p. 35.
21. P. Daman,  "La question du comment", ibid., p. 39.
22. Ibid., p. 42.
23. M. de Certeau, "L'espace du désir ou le "fondement" des Exercices Spirituels", Christus, No. 77, t. 20, janvier 1973, p. 118-128.
24. Ibid., p. 120.
25. Ibid., p. 121.
26. Ibid., p. 123.
27. Ibid., p. 125.

Source: François Dosse: Michel de Certeau. Le marcheur blessé. Paris 2002, 321-322.


ANDONI LUIS ADURIZ DANIEL INNERARITY

Andoni - Inneraity

Daniel Innerarity - Andoni Luis Aduriz (fuente)

Mugaritz


Andoni Luis Aduriz

Pensamientos de un cocinero

Se puede comer sin reflexionar, de la misma manera que se puede vivir sin pensar. Pero lo cierto es que no es igual comerse un huevo sin pedigrí que comerse el huevo de una gallina que corretea por un prado, bebe agua de manantial, se alimenta de maíz biológico y ha sido criada en total libertad. Tampoco sabe y sienta igual un bonito atrapado en su punto óptimo con artes de pesca ancestrales ejercitadas en su punto óptimo durante cientos de años por pescadores del Cantábrico, frente a otro túnido capturado con artes pelágicas —de arrastre— por un barco factoría sin escrúpulos. Y mucho menos sienta igual llevarse a la boca un trozo de queso de montaña elaborado por un pastor con leche cruda de ovejas alimentadas con pasto tierno, como se acostumbra desde milenios, que un pedazo de otro queso igual en apariencia, sí, pero elaborado con animales estabulados y procedimientos industriales. En el momento en que el individuo reflexiona y explora lo que se ingiere se reconoce la responsabilidad de la elección, y el alimento adquiere una dimensión distinta.

El gesto de comer modifica nuestro cuerpo, seamos conscientes o no, y dibuja nuestro entorno, nuestra cultura y sus relaciones. ¿Por qué, cómo y para qué comemos, tal y como lo hacemos? Son algunas de las preguntas claves que nos colocan frente al inevitable "de dónde venimos, qué, cómo somos y hacia dónde nos dirigimos".

Escribe la antropóloga Mary Douglas, "la comida es una especie de microcosmos que nos descubre cómo es una sociedad. Lo que se come, la forma de comer, con quién y dónde se come, son datos que indican las relaciones de los grupos, las tradiciones y la naturaleza de esa sociedad".

Hace poco, yo mismo reflexionaba alrededor de la conocida frase ilustrada "Somos lo que comemos" y concluí que se trata de una máxima incompleta a la que le falta subrayar el compromiso propio que conlleva el hecho de comer. Si se sentenciara con un "Y también somos como comemos", adquiriría una dimensión mucho más precisa y efectiva. ¡Qué importantes son los gestos!

Llevo años martilleando en la cocina a mis colaboradores con la idea de que consideren importante lo que hacemos, sí, pero también que tengan muy presente de qué forma concretamos nuestro trabajo. Hago mucho hincapié en que observen los detalles claves que considero imprescindibles para lograr la excelencia. "La suma de los detalles es lo verdaderamente importante", vengo repitiéndoles a lo largo de estos años. Y es que no sirve de nada teatralizar una sensibilidad o un interés por los detalles y cuando termina el trabajo mudar la piel "sensible" para convertirnos en seres impermeables al mundo. No puedo entender el ejercicio de mi vida y profesión de otra forma, pues los valores humanos son fractales, como lo es una preciosa coliflor. Es decir, presentan en cualquier porción la misma pauta de variación, sea cual sea la escala a la que se observen, y quizá sea ese el motivo por el que en el hecho culinario, entendido como labor cotidiana y completa, se manifiesten tan bien.

Sé por experiencia que mi cocina es un laboratorio con delantal y las mesas a las que se sientan nuestros comensales se convierten, así, en probetas de ensayos sociales y emocionales. Existe la idea preconcebida al respecto de que la cocina ha avanzado mucho en los últimos años gracias a las tecnologías y las técnicas con que se trabaja. Es cierto que este hecho ha facilitado e incluso ha aportado una nueva dimensión a la labor de los profesionales del fogón, pero el verdadero progreso se produce, sin lugar a dudas, en la ingente transferencia de ideas aportadas por personas como Daniel Innerarity, que plantean sus preguntas y resuelven mis dudas desde una perspectiva de conocimiento distinta a la visión apasionada y subjetiva del gourmet, como viene siendo habitual

Comemos cultura, saboreamos leyes, ingerimos propósitos, bebemos artesanía y paladeamos razonamientos que, además, nos hacen sentirnos vivos. ¿Con qué sentidos nos acercamos a la comida? ¿Son los adecuados? ¿Qué condiciona su utilización?

La historia nos recuerda que lo último que pierden los pueblos conquistados y sometidos son sus costumbres alimenticias; podrán perder su idioma, o incluso la tierra que pisaron sus antepasados, sustituir a las divinidades antes las que rinden sus cuentas elementales, pero la alimentación y sus hábitos perdurarán contra viento y marea. Sin embargo, hoy en día los individuos que se integran en comunidades avanzadas pierden los hábitos alimentarios que antaño otros conservaron incluso tras librar duras batallas. ¿Qué es tan poderoso como para que se desmorone un aspecto cultural e identitario tan fuerte?

Nos encontramos en un mundo globalizado, en el que los mercados, los comensales e incluso el factor tiempo y las estaciones se han desdibujado. ¿Cómo nos vemos afectados? Y sobre todo ¿cómo lo estaremos en el futuro? La cultura gastronómica se ha convertido en una manifestación clasista. Ahora decimos, modificando el aforismo clásico, "dime dónde y qué comes y te diré quien eres". Y el aspecto físico también ha modificado su lógica evolución: hoy los pobres son gordos y delgados los ricos. Paradojas.

Este ensayo trata de reflexionar sobre todo ello. Desafortunadamente, no para dar respuestas y soluciones a complejos problemas que necesitan de la conformidad general, pero sí para aportar un granito de arena. Buen provecho.
(p. 15 - 18)


Daniel Innerarity

Un filósofo en la cocina

Los filósofos son gente acostumbrada a que se les dirija con frecuencia la vieja pregunta "¿qué hace una persona como tú en un lugar como este?", especialmente cuando se interrogan por asuntos de la vida, corrientes, que parecen alejados de la abstracción de la teoría. Esa sorpresa al ver que puedan interesarnos no sólo los centauros o la metafísica se debe sin duda a lo mal que hemos explicado la naturaleza peculiar de nuestro oficio y a una cierta pose de distancia frente a las urgencias de la vida que ha sido cultivada con esmero durante muchos siglos. Pero si la filosofía es una reflexión sobre la realidad —sobre "lo que interesa a todo el mundo" decía Kant— no puede dejar de sentirse intelectualmente atraída, e incluso fascinada, por realidades humanas que, como las cosas del comer, contienen vida a raudales, enigmas de primer orden y que son muy reveladoras de nuestra naturaleza humana y su condición social.

También es cierto que muchos filósofos, desde que Sócrates decretó que no era problema de ellos preocuparse de los placeres del comer y del beber, han supuesto una incompatibilidad entre su ocupación racional y los asuntos culinarios. Han pensado que la forma de beber y comer de los humanos no es un tema con relevancia filosófica. Esta tradición inaugurada por Sócrates ha entendido el comer como algo simplemente instrumental, como mera alimentación, como hecho biológico sin más. Hay una larga historia de desprecio hacia los placeres culinarios, antropología dualista, espiritualismo mecanicista e ideología patriarcal.

Algunos filósofos, y pienso en Nietzsche o en Feuerbach, lo vieron de otra manera y acertaron a entender que en el fenómeno de la comida se juega todo el dilema de lo humano. Pero fue fundamentalmente a partir de los años ochenta del siglo xx cuando se convirtió en un tema de relevancia intelectual, no sólo para la filosofía, sino también para la antropología, los estudios culturales e incluso la teoría feminista y la economía. Parece que hemos acertado a comprender que en nuestra comida cotidiana se pone en juego un interesantísimo complejo de actividades culturales y sociales, un entrabado de ritos, convenciones y funciones biológicas, un espacio de tensión ética y política y hasta una concreción de las realidades globales. [...]
(p. 21-22)


Andoni Luis Aduriz y Daniel Innerarity: Cocinar, comer, convivir. Recetas para pensar con los cinco sentidos. Barcelona: Ed. Destino, 2012.
Ver Recetas Caseras.


FRIEDRICH HÖLDERLIN

Hölderlin

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_H%C3%B6lderlin


Grund zum Empedokles


[...] So sollte also Empedokles ein Opfer seiner Zeit werden. Die Probleme des Schicksals, in dem er erwuchs, sollten in ihm sich scheinbar lösen, und diese Lösung sollte sich als eine scheinbare temporäre zeigen, wie mehr oder weniger bei allen tragischen Personen, die alle in ihren Charakteren und Äußerungen mehr oder weniger Versuche sind, die Probleme des Schicksals zu lösen, und alle sich insofern und in dem Grade aufheben, in welchem sie nicht allgemein gültig sind, wenn nicht anders ihre Rolle, ihr Charakter und seine Äußerungen sich von selbst als etwas Vorübergehendes und Augenblickliches darstellen, so daß also derjenige, der scheinbar das Schicksal am vollständigsten löst, auch sich am meisten in seiner Vergänglichkeit und im Fortschritte seiner Versuche am auffallendsten als Opfer darstellt.

Wie ist nun dies bei Empedokles der Fall?

Je mächtiger das Schicksal, die Gegensätze von Kunst und Natur waren, um so mehr lag es in ihnen, sich immer mehr zu individualisieren, einen festen Punkt, einen Halt zu gewinnen, und eine solche Zeit ergreift alle Individuen so lange, fodert (sic) zur Lösung auf, bis sie eines findet, in dem sich ihr unbekanntes Bedürfnis und ihre geheime Tendenz sichtbar und erreicht darstellt, von wo aus dann erst die gefundene Auflösung ins Allgemeine übergehen muß.
So individualisiert sich seine Zeit in Empedokles, und jemehr sie sich in ihm individualisiert, je glänzender und wirklicher und sichtbarer in ihm das Rätsel aufgelöst erscheint, um so notwendiger wird sein Untergang.

1) Schon der lebhafte allesversuchende Kunstgeist seines Volks überhaupt mußte in ihm sich aorgischer kühner unbegrenzter erfinderisch wiederholen, so wie von der andern Seite der glühende Himmelsstrich und die üppige Sizilianische Natur gefühlter, sprechender für ihn und in ihm sich darstellen mußte, und wenn er einmal von beiden Seiten ergriffen war, so mußte immer die eine Seite, die tätigere Kraft seines Wesens, die andere als Gegenwirkung verstärken, so wie sie von dem empfindenden Teile seines Gemüts der Kunstgeist nähren und weiter treiben mußte.

2) Unter seinen hyperpolitischen, immer rechnenden und berechnenden Agrigentinern, unter den fortstrebenden immer sich erneuernden gesellschaftlichen Formen seiner Stadt mußte ein Geist, wie der seinige war, der immer nach Erfindung eines vollständigen Ganzen strebte, nur zu sehr zum Reformatorsgeiste werden, so wie die anarchische Ungebundenheit, wo jeder seiner Originalität folte, ohne sich um die Eigentümlichkeit der andern zu kümmern, ihn mehr, als andre, bei seiner reichen selbgenügsamen Natur und Lebensfülle, ungeselliger einsamer, stolzer und eignere machen mußte, und auch diese beiden Seiten seines Charakters mußten sich wechselseitig erheben und übertreiben.

3) Eine freigeisterische Kühnheit, die sich dem Unbekannten, außerhalb des menschlichen Bewußtseins und Handelns  liegenden, immer mehr entgegengesetzt, je inniger ursprünglich die Menschen sich im Gefühle mit jenem vereiniget fanden und durch einen natürlichen Instinkt getrieben wurden, sich gegen den zu mächtigen, zu tiefen freundlichen Einfluß des Elements, vor Selbstvergessenheit und gänzlicher Entäußerung zu verwahren, die freigeisterische Kühnheit, dieses negative Räsonieren, Nichtdenken des Unbekannten, das bei einem übermütigen Volke so natürlich ist, mußte bei Empedokles, der in keinem Falle zur Negation gemacht war, um einen Schritt weiter gehen, er mußte des Unbekannten Meister zu werden suchen, er mußte sich seiner versichern wollen, sein Geist mußte der Dienstbarkeit so sehr entgegenstreben, daß er die überwältigende Natur zu umfassen, durch und durch zu verstehen, und ihrer bewußt zu werden suchen mußte, wie er seiner selbst bewußt und gewiß sein konnte, er mußte nach Identität mit ihr ringen, so mußte also sein Geist im höchsten Sinne aorgische Gestalt annehmen, von sich selbst und seinem Mittelpunkte sich reißen, immer sein Objekt so übermäßig penetrieren, daß er in ihm, wie in einem Abgrund, sich verlor, wo dann hingegen das ganze Leben des Gegenstandes das verlaßne durch die grenzenlose Tätigkeit des Geistes nur unendlicher empfänglich gewordene Gemüt ergreifen, und bei ihm zu Individualität werden mußte, ihm seine Besonderheit geben, und diese in eben dem Grade durchgängiger nach sich stimmen mußte, als er sich geistig tätig dem Objekte hingegeben hatte, und so erschien das Objekt in ihm in subjektiver Gestalt, wie er die objektive Gestalt des Objekts angenommen hatte. Er war das Allgemeine, das Unbekannte, das Objekt das Besondere. Und so schien der Widerstreit der Kunst, des Denkens, des Ordnens des bildenden Menschencharakters und der bewußtloseren Natur gelöst, in den höchsten Extremen zu Einem und bis zum Tauschen der gegenseitigen unterscheidenden Form vereiniget. Dies war der Zauber, womit Empedokles in seiner Welt erschien. Die Natur, welche seine freigeisterischen Zeitgenossen mit ihrer Macht und ihrem Reize nur um so gewaltiger beherrschte, je unerkenntlicher sie von ihr abstrahierten, sie erschien mit allen ihren Melodien im Geiste und Munde dieses Mannes und so innig und warm und persönlich, wie wenn sein Herz das ihre wäre, und der Geist des Elements in menschlicher Gestalt unter den Sterblichen wohnte. Dies gab ihm seine Anmut, seine Furchtbarkeit, seine Göttlichkeit, und alle Herzen, die der Sturm des Schicksals bewegte, und Geister, die in der rätselhaften Nacht der Zeit unstät und ohne Leiter hin und wieder irrten, flogen ihm zu, und je menschlicher, näher ihrem eignenen Wesen er sich ihnen zugestellte, je mehr er, mit dieser Seele, ihre Sache zu seiner machte, und nachdem sie einmal in seiner Göttergestalt erschienen war, nun wieder in ihrer eigenen Weise ihnen wiedergegeben wurde, um so mehr war er der Angebetete. Dieser Grundton seines Charakters zeigte sich in allen seinen Verhältnissen. Sie nahmen ihn alle an. So lebte er in seiner höchsten Unabhängigkeit, in dem Verhältnisse, das ihm, auch ohne die objektiveren, und geschichtlichern, seinen Gang vorzeichnete, so daß die äußeren Umstände, die ihn denselben Weg führten, so wesentlich und unentbehrlich sie sind, um das zium Vorschein und zur Handlung zu bringen, was vielleicht nur Gedanke bei ihm geblieben wäre, dennoch, trotz alles Widerstreits, in dem er in der Folge mit ihnen zu stehen scheint, doch seiner freiesten Stimmung und Seele begegnen, was denn auch kein Wunder ist, da eben diese Stimmung auch der innerste Geist der Umstände ist, da alle Extreme in diesen Umständen von eben diesem Geiste aus und wieder auf ihn zurückgingen. In seinem unabhängigsten Verhältnis löst sich das Schicksal seiner Zeit im ersten und letzten Problem auf. So wie diese scheinbare Lösung von hier aus wieder sich aufzuheben anfängt, und damit endet.
In diesem unabhängigen Verhältnisse lebt er, in jener höchsten Innigkeit, die den Grundton seines Charakters macht, mimt den Elementen, indes die Welt um ihn hierin gerade im höchsten Gegensatze lebt, in jenem freigeisterischen Nichtdenken, Nichtanerkennen des Lebendigen von seiner Seite, von der andern in der höchsten Dienstbarkeit gegen die Einflüsse der Natur. In diesem Verhältnisse lebt er 1) überhaupt als fühlender Mensch, 2) als Philosoph und Dichter, 3) als ein Einsamer, der seine Gärten pflegt. Aber so wäre er noch keine dramatische Person, also muß er das Schicksal nicht bloß in allgemeinen Verhältnissen, und durch seinen unabhängigen Charakter, er muß es in besonderen Verhältnissen und in der besondersten Veranlassung und Aufgabe lösen. Aber in so innigem Verhältnisse, wie er mit dem Lebendigen der Elemente steht, stehet er auch mit seinem Volke. Er war des negativen gewaltsamen Neuerungsgeistes nicht fähig, der gegen das trotzige anarchische Leben, das keinen Einfluß, keine Kunst dulden will, nur durch Gegensatz anstrebt, er mußte um einen Schritt weiter gehen, er mußte, um das Lebendige zu ordnen, es mit seinem Wesen im Innersten zu ergreifen streben, er mußte mit seinem Geiste des menschlichen Elements und aller Neigungen und Triebe, er mußte des Unwillkürlichen in ihnen mächtig zu werden suchen, eben dadurch mußte sein Wille, sein Bewußtsein, sein Geist, indem er über die gewöhnliche und menschliche Grenze des Wissens und Wirkens ging, sich selber verlieren, und objektiv werden, und was er geben wollte, das mußte er finden, da hingegen das Objektive desto reiner tiefer in ihm widerklang, je offener sein Gemüt eben dadurch stand, daßa der geistig tätige Mensch sich hingegeben hatte, und dies im Besonderen, wie im Allgemeinen.
So verhielt er sich als religiöser Reformator, als politischer Menschen, und in allen Handlungen, die er um ihrer willen tat gegen sie, mit dieser stolzen schwärmerischen Ergebenheit, und löste sich, dem Scheine nach, schon durch den Ausdruck dieser Vertauschung des Objekts und des Subjekts, alles Schicksal auf. Aber worin kann dieser Ausdruck bestehen? welches ist derjenige, der, in einem solchen Verhältnisse, demjenigen Teile genügt, der zuerst der unglaubige ist? und an diesem Ausdruck liegt alles, denn, darum muß das Einigende untergehen, weil es zu sichtbar und sinnlich erschien, und dies kann es nur dadurch, daß es in irgend einem bestimmtesten Punkte und Falle sich ausdrückt. Sie müssen das Einige, das zwischen ihnen und dem Manne ist, sehen, wie können sie das? dadurch, daß er ihnen bis ins Äußerste gehorcht? aber worin? in einem Punkte, wo sie über die Vereinigung der Extreme, in denen sie leben, im zwiefelhaftesten sind. Bestehen nun diese Extreme aber im Zwiste von Kunst und Natur, so muß er die Natur gerade darin, wo sie die Kunst am unerreichbarsten ist, vor ihrem Augen mit der Kunst versöhnen.
Von hier aus entspinnt sich die Fabel. Er tut es mit Liebe und Widerwillen [denn die Furcht, positiv zu werden, muß seine größte, natürlicherweise, sein, aus dem Gefühle, daß Er, je wirklicher er das Innige ausdrückt, desto sicherer untergeht.], legt seine Probe ab, nun glauben sie alles vollendet. Er erkennt sie daran. Die Täuschung, in der er lebte, als wäre er Eines mit ihnen, hört nun auf. Er zieht sich zurück, und sie erkalten gegen ihn. Sein Gegner benützt dies, bewirkt die Verbannung. Sein Gegner, groß in natürlichen Anlagen, wie Empedokles, sucht die Probleme der Zeit auf andere, auf negativere Art zu lösen. Zum Helden geboren, ist er nicht sowohl geneigt, die Extreme zu vereinigen, als sie zu bändigen, und ihre Wechselwirkung an ein Bleibendes und Festes zu knüpfen, das zwischen sie gestellt ist, und jedes in seiner Grenze hät, indem es jedes sich zu eigen macht. Seine Tugend ist der Verstand, sine Göttin die Notwendigkeit. Er ist das Schicksal selber, nur mit dem Unterschiede, daß die streitenden Kräfte in ihm an ein Bewußtsein, an einen Scheidepunkt festgeknüpft sind, der sie klar und sicher gegenüberhält, der sie an einer (negativen) Idealität befestiget und ihnen eine Richtung gibt. Wie sich Kunst und Natur bei Empedokles im Extreme des Widerstreits dadurch vereinigen daß das Tätige im Übermaß objektiv wird, und die verlorene Subjektivität durch die tiefe Einwirkung des Objekts ersetzt wird: so vereinigen sich Kunst und Natur in seinem Gegner dadurch, daß ein Übermaß von Objektivität und Außer-sich-sein, und Realität, (in solchen Klima, in solchem Getümmel von Leidenschaften und Wechsel der Originalität, in solcher herrischer Furcht des Unbekannten) bei einem mutig offnen Gemüte, die Stelle des Tätigen und Bildenden vertreten muß, da hingegen das Subjektive mehr die passive Gestalt des Duldens, des Ausdauerns, der Festigkeit, der Sicherheit gewinnt, und wenn die Extreme entweder durch die Fertigkeit im Ausdauern derselben, oder auch von außen die Gestalt der Ruhe und des Organischen annehmen, so muß das Subjektivtätige nun das Organisierende, es muß zum Elemente werden, so auch hierin das Subjektive und Objektive ihre Gestalt verwechseln, und Eines werden in einem.

Aus: Grund zum Empedokles. Werke: Inselverlag 1969, 578-583.


Hyperion an Diotima


Ich habe gezaudert, gekämpft. Doch endlich muß es sein. Ich sehe, was notwendig ist, und weil ich es sehe, so soll es auch werden. Mißdeute mich nicht! verdamme mich nicht! ich muß dir raten, daß du mich verlässest, meine Diotima. Ich bin für dich nichts mehr, du holdes Wesen! Dies Herz ist dir versiegt, und meine Augen sehen das Lebendige nicht mehr. O meine Lippen sind verdorrt; der Liebe süßer Hauch quillt mir im Busen nicht mehr.

Ein Tag hat alle Jugend mir genommen; am Eurotas hat mein Leben sich müde geweint, ach! am Eurotas, der in rettungsloser Schmach an Lacedämons Schutt vorüberklagt, mit allen seinen Wellen. Da, da hat mich das Schicksal abgeerntet. – Soll ich deine Liebe, wie ein Almosen, besitzen? – Ich bin so gar nichts, bin so ruhmlos, wie der ärmste Knecht. Ich bin verbannt, verflucht, wie ein gemeiner Rebell und mancher Grieche in Morea wird von unsern Heldentaten, wie von einer Diebsgeschichte, seinen Kindeskindern künftighin erzählen.

Ach! und Eines hab ich lange dir verschwiegen. Feierlich verstieß mein Vater mich, verwies mich ohne Rückkehr aus dem Hause meiner Jugend, will mich nimmer wieder sehen, nicht in diesem, noch im andern Leben, wie er sagt. So lautet die Antwort auf den Brief, worin ich mein Beginnen ihm geschrieben.

Nun laß dich nur das Mitleid nimmer irre führen. Glaube mir, es bleibt uns überall noch eine Freude. Der echte Schmerz begeistert. Wer auf sein Elend tritt, steht höher. Und das ist herrlich, daß wir erst im Leiden recht der Seele Freiheit fühlen. Freiheit! wer das Wort versteht – es ist ein tiefes Wort, Diotima. Ich bin so innigst angefochten, bin so unerhört gekränkt, bin ohne Hoffnung, ohne Ziel, bin gänzlich ehrlos, und doch ist eine Macht in mir, ein Unbezwingliches, das mein Gebein mit süßen Schauern durchdringt, so oft es rege wird in mir.

Auch hab ich meinen Alabanda noch. Der hat so wenig zu gewinnen, als ich selbst. Den kann ich ohne Schaden mir behalten! Ach! der königliche Jüngling hätt ein besser Los verdient. Er ist so sanft geworden und so still. Das will mir oft das Herz zerreißen. Aber einer erhält den andern. Wir sagen uns nichts; was sollten wir uns sagen? aber es ist denn doch ein Segen in manchem kleinen Liebesdienste, den wir uns leisten.

Da schläft er und lächelt genügsam, mitten in unsrem Schicksal. Der Gute! er weiß nicht, was ich tue. Er würd es nicht dulden. Du mußt an Diotima schreiben, gebot er mir, und mußt ihr sagen, daß sie bald mit dir sich aufmacht, in ein leidlicher Land zu fliehn. Aber er weiß nicht, daß ein Herz, das so verzweifeln lernte, wie seines und wie meines, der Geliebten nichts mehr ist. Nein! nein! du fändest ewig keinen Frieden bei Hyperion, du müßtest untreu werden und das will ich dir ersparen.

Und so lebe denn wohl, du süßes Mädchen! lebe wohl! Ich möchte dir sagen, gehe dahin, gehe dorthin; da rauschen die Quellen des Lebens. Ich möcht ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen: dahin rette dich! Aber o Himmel! könnt ich dies, so wär ich auch ein andrer und so müßt ich auch nicht Abschied nehmen – Abschied nehmen? Ach! ich weiß nicht, was ich tue. Ich wähnte mich so gefaßt, so besonnen. Jetzt schwindelt mir und mein Herz wirft sich umher, wie ein ungeduldiger Kranker. Weh über mich! ich richte meine letzte Freude zu Grunde. Aber es muß sein und das Ach! der Natur ist hier umsonst. Ich bins dir schuldig, und ich bin ja ohnedies dazu geboren, heimatlos und ohne Ruhestätte zu sein. O Erde! o ihr Sterne! werde ich nirgends wohnen am Ende?

Noch Einmal möcht ich wiederkehren an deinen Busen, wo es auch wäre! Aetheraugen! Einmal noch mir wieder begegnen in euch! an deinen Lippen hängen, du Liebliche! du Unaussprechliche! und in mich trinken dein entzückend heiligsüßes Leben – aber höre das nicht! ich bitte dich, achte das nicht! Ich würde sagen, ich sei ein Verführer, wenn du es hörtest. Du kennst mich, du verstehst mich. Du weißt, wie tief du mich achtest, wenn du mich nicht bedauerst, mich nicht hörst.

Ich kann, ich darf nicht mehr – wie mag der Priester leben, wo sein Gott nicht mehr ist? O Genius meines Volks! o Seele Griechenlands! ich muß hinab, ich muß im Totenreiche dich suchen.

Aus: Hyperion, Zweiter Band, Erstes Buch, Werke: Inselverlag 1969, S. 400-401


 

PAULINHO DA VIOLA


Para ver as meninas

 

Silêncio por favor

Enquanto esqueço um pouco

a dor no peito

Não diga nada

sobre meus defeitos

não me lembro mais

quem me deixou assim

Hoje eu quero apenas

Uma pausa de mil compassos

Para ver as meninas

E nada mais nos braços

Só este amor

assim descontraído

Quem sabe de tudo não fale

Quem não sabe nada se cale

Se for preciso eu repito

Porque hoje eu vou fazer

Ao meu jeito eu vou fazer

um samba sobre o infinito



MERCEDES SOSA

Mercedes Sosa


Canción de Violeta Parra

Violeta
                    Parra

Gracias A La Vida: Video

 

Gracias a la vida, que me ha dado tanto

Me dio dos luceros, que cuando los abro

Perfecto distingo, lo negro del blanco

Y en el alto cielo su fondo estrellado

Y en las multitudes el hombre que yo amo

 

Gracias a la vida, que me ha dado tanto

Me ha dado el sonido del abecedario

Con él las palabras que pienso y declaro

Madre amigo hermano

Y luz alumbrando, la ruta del alma del que estoy amando

 

Gracias a la vida, que me ha dado tanto

Me ha dado la marcha de mis pies cansados

Con ellos anduve ciudades y charcos

Playas y desiertos, montañas y llanos

Y la casa tuya, tu calle y tu patio

 

Gracias a la vida, que me ha dado tanto

Me dio el corazón, que agita su marco

Cuando miro el fruto, del cerebro humano

Cuando miro el bueno tan lejos del malo

Cuando miro el fondo de tus ojos claros

 

Gracias a la vida que me ha dado tanto

Me ha dado la risa y me ha dado el llanto

Así yo distingo dicha de quebranto

Los dos materiales, que forman mi canto

Y el canto de ustedes que es el mismo canto

Y el canto de todos que es mi propio canto

Gracias a la vida, gracias a la vida

Gracias a la vida, gracias a la vida


MILTON NASCIMENTO - MERCEDES SOSA


milton nascimento


Volver a los diecisiete: Video

Canción de Violeta Parra

Violeta
                    Parra


Volver a los diecisiete después de vivir un siglo

Es como descifrar signos sin ser sabio competente

Volver a ser de repente tan frágil como un segundo

Volver a sentir profundo como un niño frente a dios

Eso es lo que siento yo en este instante fecundo

 

Se va enredando, enredando

Como en el muro la hiedra

Y va brotando, brotando

Como el musguito en la piedra

Como el musguito en la piedra, ay si, si, si

 

Mi paso retrocedido cuando el de ustedes avanza

El arco de las alianzas ha penetrado en mi nido

Con todo su colorido se ha paseado por mis venas

Y hasta la dura cadena con que nos ata el destino

Es como un diamante fino que alumbra mi alma serena

 

Se va enredando, enredando

Como en el muro la hiedra

Y va brotando, brotando

Como el musguito en la piedra

Como el musguito en la piedra, ay si, si, si

 

Lo que puede el sentimiento no lo ha podido el saber

Ni el más claro proceder, ni el más ancho pensamiento

Todo lo cambia al momento cual mago condescendiente

Nos aleja dulcemente de rencores y violencias

Solo el amor con su ciencia nos vuelve tan inocentes

 

Se va enredando, enredando

Como en el muro la hiedra

Y va brotando, brotando

Como el musguito en la piedra

Como el musguito en la piedra, ay si, si, si

 

El amor es torbellino de pureza original

Hasta el feroz animal susurra su dulce trino

Detiene a los peregrinos, libera a los prisioneros

El amor con sus esmeros al viejo lo vuelve niño

Y al malo sólo el cariño lo vuelve puro y sincero

 

Se va enredando, enredando

Como en el muro la hiedra

Y va brotando, brotando

Como el musguito en la piedra

Como el musguito en la piedra, ay si, si, si

 


PLATO AND MADHYAMAKA


Plato
Plato


 

Excerpt from: Thomas McEvilley: The Shape of Ancient Thought: Comparative Studies in Greek and Indian Philosophies, New York: Allworth Press 2002, Chapter Sixteen: Early Greek Philosophy and Madhyamaka: Plato and Madhyamaka, 432-434.

 
It was Plato, or Socrates as presented by Plato, who made the term "dialectic" prominent. Dialectic, of course, was a principal concern of Plato, and at different periods of his life he used it for different purposes—at times metaphysical and absolutist, at times critical and skeptical. Because in some later dialogues Plato tried, more or less unsuccessfully, to develop a positive or constructive logic (laying the groundwork for Aristotle's more successful completion of the task), scholars in general have regarded him as more sympathetic to Aristotelian than to Zenonian types of thinking. Yet in all the early dialogues and several of the most prominent middle and late ones (including the Republic, the Theatetus and the Parmenides), Plato used an essentially Eleatic dialectic. This appears primarily in the conversations of Socrates, a highly ambiguous figure who foreshadowed modern linguistic philosophy and his aporetic or unresolved discussions in which knowledge claims and reality models are criticized by close attention to language use.

In the famous Socratic elenchus, or "trial" a central theme of the early dialogues, Socrates attacks the blind spots of his interlocutors' discourses without offering a teaching of his own. This element of Socratic method was an adaptation of the Eleatic elenchus, in which all ordinary opinions about reality—such as that change and motion exist—were reduced to absurdity. In applying the elenchus Socrates operates only negatively, deducing from the cherished beliefs of the interlocutor contradictory consequences and then proposing no solutions. His purpose in this activity is not altogether clear.

For Protagoras, Pyrrhon, and others in the tradition of Democritus, the purpose of the dialectic was probably the attainment of ataraxia, or imperturbability, through withdrawing from the war of opinions to a position of suspended judgement and emotional indifference. In the dialogues of his middle period, such as the Republic, Plato spells out in unusual detail detail the other purpose, inherited from Parmenides, of destroying opinions in order to attain an absolute which is beyond them. The "mere opinions" which are to be destroyed seem to include the constructive metaphysics parts of what is called Platonism, such as the theory of Ideas, on the grounds that they are not ultimetately real. In their place a supraconceptual knowledge which transcends  both sense impressions and mental concepts is to be induced by a kind of staged preparation.

This staged preparation is outlined in books VI and VII of the Republic. First the belief in the reality of sense impressions is attacked. Asceticism is prescribed to withdraw one from passionate involvement in sense impressions, and the study of mathematics and astronomy to lift one's mind above sense data to a more abstract and purely formal world. Finally, belief in and attachment to these systems of abstraction must be destroyed also, for "they merely dream about reality but cannot see it with waking eyes because they use mere hypothesis" (Rep. 533b). "Hypotesis" here means more or less what vikalpa means to Madhyamika thinkers—a subjective partial truth arising from a process of personality projection through the mediation of linguistic categories. This moment of rejecting the final tools is the mysterious point at which fallible hypothetical opinion, up to and including mathematics, is to be replaced with an infallible unhypothesized knowledge. The transition, Plato's Socrates says, is to be effected by the dialectic.

This is the point at which Platon habitually pulls down the veil or modulates into myth or metaphor. Only a moment before, Glaucon had asked, "Tell me, what is the nature of this dialectic, what are its ways?" And Socrates replied, "You would not be able, dear Glaucon, to follow me further, though on my part there would be no lack of good will" (532e-533a). The veil is coming down—but before it is lowered completely Plato has made, through the character of Socrates, one statement which alone in all the dialogues seems actually to describe how this transition to perfect wisdom is to be effected.

Then, said I, the dialectical method alone proceeds by its method of destroying the hypothesis [τὰς ὑποθέσεις ἀναιροῦσα tàs hypothéseis anairoûsa] back to the very beginning, in order to obtain confirmation. It gently pulls and draws upward the eye of the soul that it literally buried in a sort of Philistine filth, using the sciences we have detailed [i.e., mathematics and astronomy] as its assistants in the conversion. "Knowledge," we often called them owing to custom; but they need another name, clearer than opinion but less clear than "knowledge"." (533c-d; emphasis added)

The key phrase is "destroying the hypothesis." Socrates has just finished saying that geometry and such, though higher than sense-impressions, are nevertheless merely "hypothetical." Now, at the final stage of education, the dialectic, which for Plato as for Zeno meant primarily the use of  reductio ad absurdum refutations, will enter and "destroy the hypotheses," going beyond them back to the unhypothesized beginning. That the dialectical method proceeds "back to the beginning" means, in terms of the general tenor of the thought of Plato's middle period, that the mind ascends the great chain of being to the direct vision of what Plato sometimes calls the Good, at other times the One, which is more or less a correlate of Parmenides' unchanging and absolute Being. The mind is drawn, by the negative dialectic, beyond the hypothetical realms of mathematics and astronomy, which it destroys in passing.

Plato expresses this process with the metaphor of the "wisdom eye" or eye of the soul. The wisdom eye, he feels, at the beginning of philosophical practice, is befouled with beliefs in the reality of sense impressions. Nonsensory tools such Pythagorean mathematics are brought in to break the belief in the sense world. The mind rises in its study through ever "higher," meaning less sense-related, hypothesis, the number of rejected hypothesis—and with each a multitude of sense-related beliefs—continually increasing. This is a progressive cleaning of the wisdom eye. Finally the eye is befouled only by the tool themselves—the highest known hypothesis of Pythagorean mathematics and astronomy. Now one's teacher takes the sword of dialectic—of dichotomy-and-dilemma-refutation—and annihilates these tools too. Now the wisdom eye sees, and the light of knowledge, which, like the sun shining on a shuttered window, had always been right there waiting, shines in. The soul knows its own nature, now that it has dialectically negated everything adventitious to it (including the Ideas). This is the outcome of the elenchos or "trial," a sort of savage shamanic intuition of the mind.

Most western scholars have had difficulty with this aspect of Plato, whom they prefer to regard as a constructive metaphysician rather than an absolutist dialectician. Various attempts have been made to read this passage of the Republic as a description of some method of additive thought. Some emend the text to remove the key phrase "destroying the hypothesis." Other just reject the obvious meaning of the phrase out of hand. One scholar, for example said: "Certainly the phrase ['destroying the hypotheses'] cannot have its most obvious meaning of 'refuting.' Plato cannot be thinking of proving an hypothesis to be fals (although that is what Aristotle meant by the phrase, EE 1222b28) for he implies that dialectic destroys all, or at least all relevant hypothesis, and he surely would not think that every hypothesis mooted would by some strange accident turn out to be false, that we should never hit upon a true one." [Richard Robinson, Plato's Earlier Dialectic, (Ithaca, New York: Cornell University Press, 1941, p. 166]

But the "strange accident" is at the very center of what Plato means. He has repeatedly told us that the ultimate real, which he calls the Good or the One or the unhypothesized source, is beyond words, which is to say that it is beyond the reach of any and all hypotheses—that it is, like the emptiness (sunyata) of Candarakirti or the brahman of Yajnavalkya, devoid of all qualities of which either sense impressions or intellectual conceptions have the ability to tell us. It is no "strange accident" that we should have to reject all our hypotheses; it is the inevitable result of Plato's postulation or his inheritance from Parmenides, of an absolute reality more ultimate than then Ideas. [As Socrates says a little later in the same passage: "if a man cannot by his account separate and distinguish the idea of the good from all else, and persevere through everything in the battle of refutation, eager to refute in reality and not in appearance, and go through all these things without letting his argument be overthrown, you will not say he knows the good itself or any other good; but, if he is somehow grasping some copy of it, he is grasping it by opinion and not by knowledge; his present life then is a dreaming and dozing, and before he wakes up here he will have gone to Hades and be completely asleep. (534-d; trans. as in ibid. p. 157)] This passage has resonances in Madyamika texts.

Compare, for example, Nagarjuna: "Negation of all views is the path to enlightenment" (MK  XIII.i), and these encapsulations of the Chinese Three-Treatise (Madhyamika) school: "Refutation—and refutation only—can lead to ultimate truth"; [Junjiro Takakuso, The Essentials of Buddhist Philosophy, ed. Wing-Tsit Chan and Charles A. Moore, 3rd. ed. (Delhi: Motilal Banarsidass, 1975), p.110.] "Refutation of all erroneous views is essential for and indeed identical with the elucidation of right views." [Wing-Tsit Chan, ed., A Source Book of Chinese Philosophy (Princeton, New Jersey: Princeton University Press, 1963), p. 359.] Surely it does not stretch the imagination that this is what the author of the Parmenides may actually have meant

It is, finally, the Parmenides which is most problematic to the view of Plato as a constructive metaphysician. In that dialogue Plato offers a more massive demonstration of dialectical virtuosity than that of Gorgias (though probably inspired by it), employing the dichotomy-and-dilemma pattern to turn the contraries Being/non-Being, one/not-one, same/not-same against one another. The argument is put into the mouth of Parmenides, suggesting an absolutist purpose behind it, yet it does not, like Parmenides' own argument, neglect to reduce both sides of its dilemma. Its concluding sentences reads:

Whether the One is or is not, it and the others, in relation both to themselves and to each other, both are and are not, and both appear and do not appear, everything is every possible way.

Plotinus (and some modern commentators) [J. N. Findlay, Plato: The Written and Unwritten Doctrines (London, Routledge and Kegan Paul, 1974), pp. 229-254.] received the Parmenides as a demonstration of the semantic collapse that must necessarily attend any attempt to express the absolute. On this view the Parmenides, as summed up by its final sentence, is a kind of grandly expanded version of Dionysodorus's "Both and neither!" which in turn can be seen as very close to what Yajnavalkya meant by his two "great sayings"—"this, that" and "not this, not that." In terms of the western tradition, the Parmenides joins Zeno's perception of the negativity of infinity with the negative theology of Plotinus, which was to become a central expressive method of European thinkers from Aquinas to Eckhardt to Heidegger.

[Yet other scholars, also unwilling to accept the "strange accident" of the "battle of refutations," have seen both Gorgias's book, On Nature, or On Non-being, and the Parmenides in elaborate quasi-musical games (paignia) in which ontological concepts appear, give place, transform, and reappear like philosophical lightmotifs in an otherwise empty virtuoso display (See, for example, Guthrie, History of Greek Philosophy, vol. 5, p. 53).]


AESCHYLOS - CHRISTA WOLF


Aeschylos

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PROMETHEUS BOUND

Oceanus
Do you not know then, Prometheus, that [380] words are the physicians of a disordered temper?

Prometheus
If one softens the soul in season, and does not hasten to reduce its swelling rage by violence.

Oceanus
What lurking mischief do you see when daring joins to zeal? Teach me this.

Prometheus
[385] Lost labor and thoughtless simplicity.

Oceanus
Leave me to be affected by this, since it is most advantageous, when truly wise, to be deemed a fool.

Prometheus
This fault will be seen to be my own.

Oceanus
Clearly the manner of your speech orders me back home.

Prometheus
[390] So that you won't win enmity for yourself by lamenting for me.

Oceanus
In the eyes of the one who is newly seated on his omnipotent throne?

Prometheus
Beware lest the time come when his heart is angered with you.

Oceanus
Your plight, Prometheus, is my instructor.

Prometheus
Go away, depart, keep your present purpose.

Oceanus
[395] Your urging meets my eagerness; for my four-footed winged beast fans with his wings the smooth pathway of the air; and truly he will be glad to rest his knees in his stall at home.Exit

(Engl. Herbert Weir Smyth, 1926)


Okeanos: Hast Du, Prometheus, nie bemerkt, wie Worte doch
ein rechter Arzt sind für ein zorngereiztes Herz?

Prometheus: Wenn man zur rechten Stunde sänftigt das Gemüt,
Das Schwellende Herz nicht wider Willen niederdrückt.

Okeanos: Wenn man aber so Teilnahme sich bemüht, ja wagt,
Siehst du darin Gefahr der Strafe? Sag es mir.

Prometheus: Verlorne Arbeit und ein leeres gutes Herz!

Okeanos: An dieser Krankheit laß mich kranken; gern erträgt's
Der Treugesonnene, daß er unbesonnen scheint.

Prometheus: Es würde mein auch diese Schuld geheißen sein.

Okeanos: Hinweg nach Hause weist mich deutlich dieses Wort.

Prometheus: Damit dir dein Mitleid für mich nicht Haß erzeugt.

Okeanos: Des neuen Königs auf dem allgewaltgen Thron?

Prometheus: Sehr hüte dich, niemals zu kränken seinen Sinn!

Okeanos: Dein Los, Prometheus, soll mir ewge Lehre sein!

Prometheus: Geh! Fahre wohl! Bewahre stets so weisen Sinn!

Okeanos: Bereits zur Abfahrt rüstend hör ich deinen Rat;
Denn des weiten Äthers Pfade schlägt mein Vogelroß
Schon wild mit seinen Flügeln; er verlangt ihn auch,
Daheim den müden Huf zu ruhen auf weicher Streu.

(Dt.Übersetzung: Johann Gustav Droysen, Berlin 1832)


Ὠκεανός

οὔκουν, Προμηθεῦ, τοῦτο γιγνώσκεις, ὅτι
380ὀργῆς νοσούσης εἰσὶν ἰατροὶ λόγοι;

Προμηθεύς

ἐάν τις ἐν καιρῷ γε μαλθάσσῃ κέαρ
καὶ μὴ σφριγῶντα θυμὸν ἰσχναίνῃ βίᾳ.

Ὠκεανός

ἐν τῷ προθυμεῖσθαι δὲ καὶ τολμᾶν τίνα
ὁρᾷς ἐνοῦσαν ζημίαν; δίδασκέ με.

Προμηθεύς

385μόχθον περισσὸν κουφόνουν τ᾽ εὐηθίαν.

Ὠκεανός

ἔα με τῇδε τῇ νόσῳ νοσεῖν, ἐπεὶ
κέρδιστον εὖ φρονοῦντα μὴ φρονεῖν δοκεῖν.

Προμηθεύς

ἐμὸν δοκήσει τἀμπλάκημ᾽ εἶναι τόδε.

Ὠκεανός

σαφῶς μ᾽ ἐς οἶκον σὸς λόγος στέλλει πάλιν.

Προμηθεύς

390μὴ γάρ σε θρῆνος οὑμὸς εἰς ἔχθραν βάλῃ.

Ὠκεανός

ἦ τῷ νέον θακοῦντι παγκρατεῖς ἕδρας;

Προμηθεύς

τούτου φυλάσσου μή ποτ᾽ ἀχθεσθῇ κέαρ.

Ὠκεανός

ἡ σή, Προμηθεῦ, συμφορὰ διδάσκαλος.

Προμηθεύς

στέλλου, κομίζου, σῷζε τὸν παρόντα νοῦν.

Ὠκεανός

395ὁρμωμένῳ μοι τόνδ᾽ ἐθώυξας λόγον.
λευρὸν γὰρ οἷμον αἰθέρος ψαίρει πτεροῖς
τετρασκελὴς οἰωνός: ἄσμενος δέ τἂν
σταθμοῖς ἐν οἰκείοισι κάμψειεν γόνυ.


 

Chorus
I have come, Clytaemestra, in obedience to your royal authority; for it is fitting to do homage to the consort of a sovereign prince [260] when her husband's throne is empty. Now whether the news you have heard is good or ill, and you do make sacrifice with hopes that herald gladness, I wish to hear; yet, if you would keep silence, I make no complaint.

Clytaemestra
As herald of gladness, with the proverb, [265] may Dawn be born from her mother Night! You shall hear joyful news surpassing all your hopes—the Argives have taken Priam's town!

Chorus
What have you said? The meaning of your words has escaped me, so incredible they seemed.

Clytaemestra
I said that 
Troy is in the hands of the Achaeans. Is my meaning clear?

Chorus
[270] Joy steals over me, and it challenges my tears.

Clytaemestra
Sure enough, for your eye betrays your loyal heart.

Chorus
What then is the proof? Have you evidence of this?

Clytaemestra
I have, indeed; unless some god has played me false.

Chorus
Do you believe the persuasive visions of dreams?

Clytaemestra
[275] I would not heed the fancies of a slumbering brain.

Chorus
But can it be some pleasing rumor that has fed your hopes?

Clytaemestra
Truly you scorn my understanding as if it were a child's.

Chorus
But at what time was the city destroyed?

Clytaemestra
In the night, I say, that has but now given birth to this day here.

Chorus
[280] And what messenger could reach here with such speed?

 

Clytaemestra

Hephaestus, from Ida speeding forth his brilliant blaze. Beacon passed beacon on to us by courier-flame: Ida, to the Hermaean crag in Lemnos; to the mighty blaze upon the island succeeded, third, [285] the summit of Athos sacred to Zeus; and, soaring high aloft so as to leap across the sea, the flame, travelling joyously onward in its strength

* the pinewood torch, its golden-beamed light, as another sun, passing the message on to the watchtowers of Macistus. [290] He, delaying not nor carelessly overcome by sleep, did not neglect his part as messenger. Far over Euripus' stream came the beacon-light and signalled to the watchmen on Messapion. They, kindling a heap of [295] withered heather, lit up their answering blaze and sped the message on. The flame, now gathering strength and in no way dimmed, like a radiant moon overleaped the plain of Asopus to Cithaeron's ridges, and roused another relay of missive fire. [300] Nor did the warders there disdain the far-flung light, but made a blaze higher than their commands. Across Gorgopus' water shot the light, reached the mount of Aegiplanctus, and urged the ordinance of fire to make no delay. [305] Kindling high with unstinted force a mighty beard of flame, they sped it forward so that, as it blazed, it passed even the headland that looks upon the Saronic gulf; until it swooped down when it reached the lookout, near to our city, upon the peak of Arachnaeus; and [310] next upon this roof of the Atreidae it leapt, this very fire not undescended from the Idaean flame.

 

Such are the torch-bearers I have arranged, completing the course in succession one to the other; and the victor is he who ran both first and last.1 [315] This is the kind of proof and token I give you, the message of my husband from Troy to me.

 

Chorus

Lady, my prayers of thanksgiving to the gods I will offer soon. But as I would like to hear and satisfy my wonder at your tale straight through to the end, so may you tell it yet again.


(...)

Herald

An auspicious day one should not mar with a tale of misfortune
—the honor due to the gods keeps them apart.

When a messenger with gloomy countenance reports
to a people dire disaster of its army's rout—
[640] one common wound inflicted on the State,
while from many a home many a victim is devoted to death
by the two-handled whip beloved of Ares, destruction double-armed,
a gory pair—when, I say, he is packed with woes like this,
[645] he should sing the triumph-song of the Avenging Spirits.
But when one comes with glad news of deliverance to a city rejoicing
in its happiness—how shall I mix fair with foul in telling of the storm,
not unprovoked by the gods' wrath, that broke upon the Achaeans?

 




Χορός

 

ἥκω σεβίζων σόν, Κλυταιμήστρα, κράτος:

δίκη γάρ ἐστι φωτὸς ἀρχηγοῦ τίειν

260γυναῖκ᾽ ἐρημωθέντος ἄρσενος θρόνου.

σὺ δ᾽ εἴ τι κεδνὸν εἴτε μὴ πεπυσμένη

εὐαγγέλοισιν ἐλπίσιν θυηπολεῖς,

κλύοιμ᾽ ἂν εὔφρων: οὐδὲ σιγώσῃ φθόνος.

 

Κλυταιμήστρα

 

εὐάγγελος μέν, ὥσπερ ἡ παροιμία,

265ἕως γένοιτο μητρὸς εὐφρόνης πάρα.

πεύσῃ δὲ χάρμα μεῖζον ἐλπίδος κλύειν:

Πριάμου γὰρ ᾑρήκασιν Ἀργεῖοι πόλιν.

 

Χορός

 

πῶς φής; πέφευγε τοὔπος ἐξ ἀπιστίας.

 

Κλυταιμήστρα

 

Τροίαν Ἀχαιῶν οὖσαν: ἦ τορῶς λέγω;

 

Χορός

 

270χαρά μ᾽ ὑφέρπει δάκρυον ἐκκαλουμένη.

 

Κλυταιμήστρα

 

εὖ γὰρ φρονοῦντος ὄμμα σοῦ κατηγορεῖ.

 

Χορός

 

τί γὰρ τὸ πιστόν; ἔστι τῶνδέ σοι τέκμαρ;

 

Κλυταιμήστρα

 

ἔστιν: τί δ᾽ οὐχί; μὴ δολώσαντος θεοῦ.

 

Χορός

 

πότερα δ᾽ ὀνείρων φάσματ᾽ εὐπιθῆ σέβεις;

 

Κλυταιμήστρα

 

275οὐ δόξαν ἂν λάβοιμι βριζούσης φρενός.

 

Χορός

 

ἀλλ᾽ ἦ σ᾽ ἐπίανέν τις ἄπτερος φάτις;

 

Κλυταιμήστρα

 

παιδὸς νέας ὣς κάρτ᾽ ἐμωμήσω φρένας.

 

Χορός

 

ποίου χρόνου δὲ καὶ πεπόρθηται πόλις;

 

Κλυταιμήστρα

 

τῆς νῦν τεκούσης φῶς τόδ᾽ εὐφρόνης λέγω.

 

Χορός

 

280καὶ τίς τόδ᾽ ἐξίκοιτ᾽ ἂν ἀγγέλων τάχος;


Κλυταιμήστρα

 

Ἥφαιστος Ἴδης λαμπρὸν ἐκπέμπων σέλας.

φρυκτὸς δὲ φρυκτὸν δεῦρ᾽ ἀπ᾽ ἀγγάρου πυρὸς

ἔπεμπεν: Ἴδη μὲν πρὸς Ἑρμαῖον λέπας

Λήμνου: μέγαν δὲ πανὸν ἐκ νήσου τρίτον

285Ἀθῷον αἶπος Ζηνὸς ἐξεδέξατο,

ὑπερτελής τε, πόντον ὥστε νωτίσαι,

ἰσχὺς πορευτοῦ λαμπάδος πρὸς ἡδονὴν

 

*

†πεύκη τὸ χρυσοφεγγές, ὥς τις ἥλιος,

σέλας παραγγείλασα Μακίστου σκοπαῖς:

290ὁ δ᾽ οὔτι μέλλων οὐδ᾽ ἀφρασμόνως ὕπνῳ

νικώμενος παρῆκεν ἀγγέλου μέρος:

ἑκὰς δὲ φρυκτοῦ φῶς ἐπ᾽ Εὐρίπου ῥοὰς

Μεσσαπίου φύλαξι σημαίνει μολόν.

οἱ δ᾽ ἀντέλαμψαν καὶ παρήγγειλαν πρόσω

295γραίας ἐρείκης θωμὸν ἅψαντες πυρί.

σθένουσα λαμπὰς δ᾽ οὐδέπω μαυρουμένη,

ὑπερθοροῦσα πεδίον Ἀσωποῦ, δίκην

φαιδρᾶς σελήνης, πρὸς Κιθαιρῶνος λέπας

ἤγειρεν ἄλλην ἐκδοχὴν πομποῦ πυρός.

300φάος δὲ τηλέπομπον οὐκ ἠναίνετο

φρουρὰ πλέον καίουσα τῶν εἰρημένων:

λίμνην δ᾽ ὑπὲρ Γοργῶπιν ἔσκηψεν φάος:

ὄρος τ᾽ ἐπ᾽ Αἰγίπλαγκτον ἐξικνούμενον

ὤτρυνε θεσμὸν μὴ χρονίζεσθαι πυρός.

305πέμπουσι δ᾽ ἀνδαίοντες ἀφθόνῳ μένει

φλογὸς μέγαν πώγωνα, καὶ Σαρωνικοῦ

πορθμοῦ κάτοπτον πρῶν᾽ ὑπερβάλλειν πρόσω

φλέγουσαν: ἔστ᾽ ἔσκηψεν εὖτ᾽ ἀφίκετο

Ἀραχναῖον αἶπος, ἀστυγείτονας σκοπάς:

310κἄπειτ᾽ Ἀτρειδῶν ἐς τόδε σκήπτει στέγος

φάος τόδ᾽ οὐκ ἄπαππον Ἰδαίου πυρός.

τοιοίδε τοί μοι λαμπαδηφόρων νόμοι,

ἄλλος παρ᾽ ἄλλου διαδοχαῖς πληρούμενοι:

νικᾷ δ᾽ ὁ πρῶτος καὶ τελευταῖος δραμών.

315τέκμαρ τοιοῦτον σύμβολόν τέ σοι λέγω

ἀνδρὸς παραγγείλαντος ἐκ Τροίας ἐμοί.

 

Χορός

 

θεοῖς μὲν αὖθις, ὦ γύναι, προσεύξομαι.

λόγους δ᾽ ἀκοῦσαι τούσδε κἀποθαυμάσαι

διηνεκῶς θέλοιμ᾽ ἂν ὡς λέγοις πάλιν.


(...)

Κῆρυξ


εὔφημον ἦμαρ οὐ πρέπει κακαγγέλῳ 
γλώσσῃ μιαίνειν: χωρὶς ἡ τιμὴ θεῶν. 
ὅταν δ᾽ ἀπευκτὰ πήματ᾽ ἄγγελος πόλει 
στυγνῷ προσώπῳ πτωσίμου στρατοῦ φέρῃ, 
640πόλει μὲν ἕλκος ἓν τὸ δήμιον τυχεῖν, 
πολλοὺς δὲ πολλῶν ἐξαγισθέντας δόμων 
ἄνδρας διπλῇ μάστιγι, τὴν Ἄρης φιλεῖ, 
δίλογχον ἄτην, φοινίαν ξυνωρίδα: 
τοιῶνδε μέντοι πημάτων σεσαγμένον 
645πρέπει λέγειν παιᾶνα τόνδ᾽ Ἐρινύων. 
σωτηρίων δὲ πραγμάτων εὐάγγελον 
ἥκοντα πρὸς χαίρουσαν εὐεστοῖ πόλιν, 
πῶς κεδνὰ τοῖς κακοῖσι συμμείξω, λέγων 
χειμῶν᾽ Ἀχαιοῖς οὐκ ἀμήνιτον θεῶν;

 

Christa Wolf


Cassandra
Kassandra
Kassandra (Mitte) zieht mit der rechten Hand Lose und sagt in Gegenwart des Priamos den Untergang Trojas voraus.
(Fresko aus Pompeji, Archäologisches Nationalmuseum Neapel)

Mycenae
Mycenae, The Lion Gate

Schon wieder schüttelt mich der gliederlösende Eros,
bittersüß, unbezähmbar, ein dunkles Tier.
Sapho

Hier war es. Da stand sie. Diese steinernen Löwen, jetzt kopflos, haben sie angeblickt. Diese Festung, einst uneeinnehmbar, ein Steinhaufen jetzt, war das letzte, was sie sah. Ein lange vergessener Feind und die Jahrhunderte, Sonne, Regen, Wind haben sie geschleift. Unverändert der Himmel, ein tiefblauer Block, hoch, weit. Nah die zyklopisch gefügten Mauern, heute wie gestern, die dem Weg die Richtung geben: zum Tor hin, unter dem kein Blut hervorquillt. Ins Finstere. Ins Schlachthaus. Und allein.

Mit der Erzählung geh ich in den Tod.

Hier ende ich, ohnmächtig, und nichts, nichts was ich hätte tun oder lassen, wollen oder denken können, hätte micht an ein andres Ziel geführt. Tiefer als von jeder andren Regung, tiefer selbst als von meiner Angst, bin ich durchtränkt, geätzt, vergiftet von der Gleichgültigkeit der Außerirdischen gegenüber uns Irdischen. Gescheitert das Wagnis, ihrer Eiseskälte unsre kleine Wärme entgegenzusetzen. Vergeblich versuchen wir, uns ihren Gewalttaten zu entziehen, ich weiß es seit langem. Doch neulich nachts, auf der Überfahrt, als aus jeder Himmelsrichtung die Wetter unser Schiff zu zerschmettern drohten, niemand sich hielt, der nicht festgezurrt war; als ich Marpessa betraf, wie sie heimlich die Knoten löste, die sie und die Zwillinge einander und an den Mastbaum fesselten; als ich, an längerer Leine hängend als die anderen Verschleppten, bedenkenlos, gedankenlos mich auf sie warf; sie also hinderte, ihr und meiner Kinder Leben den gleichgültigen Elementen zu lassen, und sie statt dessen wahnwitzigen Menschen überantwortete; als ich, vor ihrem Blick zurückweichend, wieder auf meinem Platz neben dem wimmernden, speienden Agamemnon hockte - da mußte ich mich fragen, aus was für dauerhaftem Stoff die Stricken sind, die uns ans Leben binden. Marpessa, sah ich, die, wie einmal schon, mit mir nicht sprechen wollte, war besser vorbereitet, auf was wir nun erfahren, als ich, die Seherin; denn ich zog Lust aus allem, was ich sah - Lust; Hoffnung nicht! - und lebte weiter, um zu sehn.



Voraussetzungen einer Erzählung: Kassandra. 2008, 14-15

Am nächsten Vormittag, in der leeren Wohnung, in die kein Anruf, kein Brief sich mehr verirrte, begann ich die "Orestie" des Aischylos zu lesen. Ich konnte mir noch zusehen, wie ein panisches Entzücken sich in mir ausbreitete, wie es anstieg und seinen Höhepunkt erreichte, als eine Stimme einsetzte:

Oh! Oh! Ach!
Apollon! Apollon!

Kassandra. Ich sah sie gleich. Sie, die Gefangene, nahm mich gefangen, sie, selbst Objekt fremder Zwecke, besetzte mich. Später würde ich danach fragen, wann, wo und von wem die nötigen Übereinkünfte getroffen waren: Der Zauber wirkte sofort. Ihr glaubte ich jedes Wort, das gab es noch, bedingungsloses Vertrauen. Dreittausend Jahre - weggeschmolzen. So bewährte sich die Sehergabe, die ihr der Gott verlieh, nur schwand sein Richtspruch, daß ihr niemand glauben werde. Glaubwürdig war sie mir in einem andern Sinn: Mir schien, daß sie als einzige in diesem Stück sich selber kannte.



GANDHI

Ghandi

https://en.wikipedia.org/wiki/Mahatma_Gandhi

Introduction by Aruh Tripathi (Benares): BHU founder Pandit Madan Mohan Malaviya had invited Gandhiji to speak on the occasion of the opening of the Banaras Hindu University. Lord Hardinge, the Viceroy, had come specially to lay the foundation-stone of the University. To protect his life extra precautions were taken by the police. They were omnipresent and all houses along the route were guarded. Banaras was, so to say, in a state of siege]. Eminent persons from all over India had come. Many of them delivered addresses. On February 4, 1916 it was Gandhiji’s turn to address the audience, mostly consisting of impressionable youths. A galaxy of princes, bedecked and bejeweled, had occupied the dias. The Maharaja of Darbhanga was in the chair. Gandhiji who was clad in a short, coarse dhoti, Kathiawadi cloak and turban rose to speak. The police precautions and the luxury around him hurt him deeply. Turning to the audience, Gandhiji said that he wanted to think audibly-speak without reserve:

I wish to tender my humble apology for the long delay that took place before I was able to reach this place. And you will readily accept the apology when I tell you that I am not responsible for the delay nor is any human agency responsible for it. The fact is that I am like an animal on show, and my keepers in their over kindness always manage to neglect a necessary chapter in this life, and that is, pure accident. In this case, they did not provide for the series of accidents that happened to us-to me, keepers, and my carriers. Hence this delay.
Friends, under the influence of the matchless eloquence of Mrs. Besant who has just sat down, pray, do not believe that our University has become a finished product, and that all the young men who are to come to the University, that has yet to rise and come into existence, have also come and returned from it finished citizens of a great empire. Do not go away with any such impression, and if you, the student world to which my remarks are supposed to be addressed this evening, consider for one moment that the spiritual life, for which this country is noted and for which this country has no rival, can be transmitted through the lip, pray, believe me, you are wrong. You will never be able merely through the lip, to give the message that India, I hope, will one day deliver to the world. I myself have been fed up with speeches and lectures. I accept the lectures that have been delivered here during the last two days from this category, because they are necessary. But I do venture to suggest to you that we have now reached almost the end of our resources in speech-making; it is not enough that our ears are feasted, that our eyes are feasted, but it is necessary that our hearts have got to be touched and that out hands and feet have got to be moved.

We have been told during the last two days how necessary it is, if we are to retain our hold upon the simplicity of Indian character, that our hands and feet should move in unison with our hearts. But this is only by way of preface. I wanted to say it is a matter of deep humiliation and shame for us that I am compelled this evening under the shadow of this great college, in this sacred city, to address my countrymen in a language that is foreign to me. I know that if I was appointed an examiner, to examine all those who have been attending during these two days this series of lectures, most of those who might be examined upon these lectures would fail. And why? Because they have not been touched.

I was present at the sessions of the great Congress in the month of December. There was a much vaster audience, and will you believe me when I tell you that the only speeches that touched the huge audience in Bombay were the speeches that were delivered in Hindustani? In Bombay, mind you, not in Benaras where everybody speaks Hindi. But between the vernaculars of the Bombay Presidency on the one hand and Hindi on the other, no such great dividing line exists as there does between English and the sister language of India; and the Congress audience was better able to follow the speakers in Hindi. I am hoping that this University will see to it that the youths who come to it will receive their instruction through the medium of their vernaculars. Our languages are a reflection of ourselves, and if you tell me that our languages are too poor to express the best thought, then say that the sooner we are wiped out of existence the better for us. Is there a man who dreams that English can ever become the national language of India? Why this handicap on the nation? Just consider for one moment what an equal race our lads have to run with every English lad.
I had the privilege of a close conversation with some Poona professors. They assured me that every Indian youth, because he reached his knowledge through the English language, lost at least six precious years of life. Multiply that by the numbers of students turned out by our schools and colleges, and find out for yourselves how many thousand years have been lost to the nation. The charge against us is that we have no initiative. How can we have any, if we are to devote the precious years of our life to the mastery of a foreign tongue? We fail in this attempt also. Was it possible for any speaker yesterday and today to impress his audience as was possible for Mr. Higginbotham? It was not the fault of the previous speakers that they could not engage the audience. They had more than substance enough for us in their addresses. But their addresses could not go home to us. I have heard it said that after all it is English educated India which is leading and which is leading and which is doing all the things for the nation. It would be monstrous if it were otherwise. The only education we receive is English education. Surely we must show something for it. But suppose that we had been receiving during the past fifty years through our vernaculars, what should we have today? We should have today a free India, we should have our educated men, not as if they were foreigners in their own land but speaking to the heart of the nation; they would be working amongst the poorest of the poor, and whatever they would have gained during these fifty years would be a heritage for the nation. Today even our wives are not the sharers in our best thought. Look at Professor Bose and Professor Ray and their brilliant research. Is it not a shame that their research is not the common property of the masses?

Let us now turn to another subject.

The Congress has passed a resolution about self-government, and I have no doubt that the All-India Congress Committee and the Muslim League will do their duty and come forward with some tangible suggestions. But I, for one, must frankly confess that I am not so much interested in what they will be able to produce as I am interested in anything that the student world is going to produce or the masses are going to produce. No paper contribution will ever give us self-government. No amount of speeches will ever make us fit for self-government. It is only our conduct that will fit for us. And how are we trying to govern ourselves?

I want to think audibly this evening. I do not want to make a speech and if you find me this evening speaking without reserve, pray, consider that you are only sharing the thoughts of a man who allows himself to think audibly, and if you think that I seem to transgress the limits that courtesy imposes upon me, pardon me for the liberty I may be taking. I visited the Vishwanath temple last evening, and as I was walking through those lanes, these were the thoughts that touched me. If a stranger dropped from above on to this great temple, and he had to consider what we as Hindus were, would he not be justified in condemning us? Is not this great temple a reflection of our own character? I speak feelingly, as a Hindu. Is it right that the lanes of our sacred temple should be as dirty as they are? The houses roundabout are built anyhow. The lanes are tortuous and narrow. If even our temples are not models of roominess and cleanliness, what can our self-government be? Shall our temples be abodes of holiness, cleanliness and peace as soon as the English have retired from India, either of their own pleasure or by compulsion, bag and baggage?

I entirely agree with the President of the Congress that before we think of self-government, we shall have to do the necessary plodding. In every city there are two divisions, the cantonment and the city proper. The city mostly is a stinking den. But we are a people unused to city life. But if we want city life, we cannot reproduce the easy-going hamlet life. It is not comforting to think that people walk about the streets of Indian Bombay under the perpetual fear of dwellers in the storeyed building spitting upon them. I do a great deal of railway traveling. I observe the difficulty of third-class passengers. But the railway administration is by no means to blame for all their hard lot. We do not know the elementary laws of cleanliness. We spit anywhere on the carriage floor, irrespective of the thoughts that it is often used as sleeping space. We do not trouble ourselves as to how we use it; the result is indescribable filth in the compartment. The so-called better class passengers overawe their less fortunate brethren. Among them I have seen the student world also; sometimes they behave no better. They can speak English and they have worn Norfolk jackets and, therefore, claim the right to force their way in and command seating accommodation.

I have turned the searchlight all over, and as you have given me the privilege of speaking to you, I am laying my heart bare. Surely we must set these things right in our progress towards self-government. I now introduce you to another scene. His Highness the Maharaja who presided yesterday over our deliberations spoke about the poverty of India. Other speakers laid great stress upon it. But what did we witness in the great pandal in which the foundation ceremony was performed by the Viceroy? Certainly a most gorgeous show, an exhibition of jewellery, which made a splendid feast for the eyes of the greatest jeweler who chose to come from Paris. I compare with the richly bedecked noble men the millions of the poor. And I feel like saying to these noble men, “There is no salvation for India unless you strip yourselves of this jewellery and hold it in trust for your countrymen in India.” I am sure it is not the desire of the King-Emperor or Lord Hardinge that in order to show the truest loyalty to our King-Emperor, it is necessary for us to ransack our jewellery boxes and to appear bedecked from top to toe. I would undertake, at the peril of my life, to bring to you a message from King George himself that he accepts nothing of the kind.

Sir, whenever I hear of a great palace rising in any great city of India, be it in British India or be it in India which is ruled by our great chiefs, I become jealous at once, and say, “Oh, it is the money that has come from the agriculturists.” Over seventy-five per cent of the population are agriculturists and Mr. Higginbotham told us last night in his own felicitous language, that they are the men who grow two blades of grass in the place of one. But there cannot be much spirit of self-government about us, if we take away or allow others to take away from them almost the whole of the results of their labour. Our salvation can only come through the farmer. Neither the lawyers, nor the doctors, nor the rich landlords are going to secure it.

Now, last but not the least, it is my bounden duty to refer to what agitated our minds during these two or three days. All of us have had many anxious moments while the Viceroy was going through the streets of Banaras. There were detectives stationed in many places. We were horrified. We asked ourselves, “Why this distrust?” Is it not better that even Lord Hardinge should die than live a living death? But a representative of a mighty sovereign may not. He might find it necessary to impose these detectives on us? We may foam, we may fret, we may resent, but let us not forget that India of today in her impatience has produced an army of anarchists. I myself am an anarchist, but of another type. But there is a class of anarchists amongst us, and if I was able to reach this class, I would say to them that their anarchism has no room in India, if India is to conqueror. It is a sign of fear. If we trust and fear God, we shall have to fear no one, not the Maharajas, not the Viceroys, not the detectives, not even King George.

I honour the anarchist for his love of the country. I honour him for his bravery in being willing to die for his country; but I ask him-is killing honourable? Is the dagger of an assassin a fit precursor of an honourable death? I deny it. There is no warrant for such methods in any scriptures. If I found it necessary for the salvation of India that the English should retire, that they should be driven out, I would not hesitate to declare that they would have to go, and I hope I would be prepared to die in defense of that belief. That would, in my opinion, be an honourable death. The bomb-thrower creates secret plots, is afraid to come out into the open, and when caught pays the penalty of misdirected zeal.

I have been told, “Had we not done this, had some people not thrown bombs, we should never have gained what we have got with reference to the partition movement.” (Mrs. Besant: ‘Please stop it.’) This was what I said in Bengal when Mr. Lyon presided at the meeting. I think what I am saying is necessary. If I am told to stop I shall obey. (Turning to the Chairman) I await your orders. If you consider that by my speaking as I am, I am not serving the country and the empire I shall certainly stop. (Cries of ‘Go on.’) (The Chairman: ‘Please, explain your object.’) I am simply. . . (another interruption). My friends, please do not resent this interruption. If Mrs. Besant this evening suggests that I should stop, she does so because she loves India so well, and she considers that I am erring in thinking audibly before you young men. But even so, I simply say this, that I want to purge India of this atmosphere of suspicion on either side, if we are to reach our goal; we should have an empire which is to be based upon mutual love and mutual trust. Is it not better that we talk under the shadow of this college than that we should be talking irresponsibly in our homes? I consider that it is much better that we talk these things openly. I have done so with excellent results before now. I know that there is nothing that the students do not know. I am, therefore, turning the searchlight towards ourselves. I hold the name of my country so dear to me that I exchange these thoughts with you, and submit to you that there is no room for anarchism in India. Let us frankly and openly say whatever we want to say to our rulers, and face the consequences if what we have to say does not please them. But let us not abuse.

I was talking the other day to a member of the much-abused Civil Service. I have not very much in common with the members of that Service, but I could not help admiring the manner in which he was speaking to me. He said : “Mr. Gandhi, do you for one moment suppose that all we, Civil Servants, are a bad lot, that we want to oppress the people whom we have come to govern?” “No,,” I said. “Then if you get an opportunity put in a word for the much-abused Civil Service.” And I am here to put in that word. Yes, many members of the Indian Civil Service are most decidedly overbearing; they are tyrannical, at times thoughtless. Many other adjectives may be used. I grant all these things and I grant also that after having lived in India for a certain number of years some of them become somewhat degraded. But what does that signify? They were gentlemen before they came here, and if they have lost some of the moral fiber, it is a reflection upon ourselves.

THIS IS BRILLIANT: Just think for yourselves, if a man who was good yesterday has become bad after having come in contact with me, is he responsible that he has deteriorated or am I? The atmosphere of sycophancy and falsity that surrounds them on their coming to India demoralizes them, as it would many of us. It is well to take the blame sometimes. If we are to receive self-government, we shall have to take it. We shall never be granted self-government. Look at the history of the British Empire and the British nation; freedom loving as it is, it will not be a party to give freedom to a people who will not take it themselves. Learn your lesson if you wish to from the Boer War. Those who were enemies of that empire only a few years ago have now become friends. . . .

(At this point there was an interruption and a movement on the platform to leave. The speech, therefore, ended here abruptly.)


Mahatma, pp. 179-84, Edn. 1960.
Source: This speech is taken from selected works of Mahatma Gandhi Volume-Six
The Voice of Truth Part-I Some Famous Speeches page 3 to 13

https://www.mkgandhi.org/speeches/bhu.htm



ZHAO Tingyang

Zhao

https://www.berggruen.org/people/zhao-tingyang/


Exzerpt aus: Alles unter dem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung, Berlin: Surhkamp 2021, 199-200.


Die am schwersten zu schlichtenden, sogar unversöhnlichen Konflikte entstehen häufig aus kulturellen Konflikten, die mit der Daseinskonkurrenz in keinem direkten oder überhaupt keinem Zusammenhang stehen. Das erinnert an die Ansichten Huntingtons. Fremdkulturen bzw. zivilisatorisches Außen sind von ihrem Wesen her betrachtet keine tödliche Bedrohungen der eigenen Existenz. Kulturelle Differenzen bedeuten unterschiedliche spirituelle Welten, und spirituelle Differenzen sind kein Nullsummenspiel. Sie können sich wechselseitig nicht füreinander interessieren, zumindest nach dem Prinzip "Jeder soll nach seiner Fasson selig werden" verfahren, sie können sogar ohne jeglichen gegenseitigen Verkehr unbehelligt existieren. Offensichtlich ist Unduldsamkeit gegenüber dem Außen einer Fremdkultur ausschließlich ein menschliches Konstrukt, d.h. Fremdkullturen gehören nicht zur natürlichen, sondern ausschließlich zur konstruierten Externalität. In der Frühzeit der Geschichte hatten manche Kulturen aufgrund geogafischer Entfernung keinen Kontakt zueinander, doch sobald sich Gelegenheit zur Kontaktaufnahme bot, war nutzbringende Interaktion zwischen Kulturen die natürlichste Sache der Welt, sei es in Form gegenseitiger Beeinflussung oder Verschmelzung. Man kann sagen, die Kulturen der Frühzeit kannten grundsätzlich keine kulturellen Grenzen, sie besaßen einen offensichtlich fließenden und evolutionären Charakter. Wie es dann dazu kam, dass die Beziehungen zwischen den Kulturen in wechselseitige Feindseligkeit umschlugen, ist eine zu klärende Frage.

Jede Kultur ist eine spirituelle Welt, die zugleich ein Interpretationssystem der Schöpfung darstellt. Unteschiedliche spirituelle Welten bieten naturgemäß unterschiedlichen Interpretationen, aber diese Differenzen haben mit richtig oder falsch nichts zu tun, sie ruhen selbstgenügsam in ihren Kulturen. Es besteht keine Notwendigkeit, die Interpretationen anderer Kulturen feindselig zu betrachten, sie lassen sich gegenseitig unberührt. Selbst im Zustand des Misstrauens zwischen Kulturen müssen kulturelle Differenzen keine Kriege auslösen. Feindseligkeit gegenüber Fremdkulturen benötigt zumindest zwei Elemente der Abstoßung des Anderen:

1. Dogmatismus. Gemeint ist der Glaube, dass die spirituelle Welt der eigenen Kultur die einzig wahre ist und alle anderen falsch sind. Diese epistemologische Täuschung (epistemological fallacy) missbraucht den Begriff der Wahrheit für den Bereich der Wertvorstellungen.

2. Das Recht auf alleinige Verehrung. Ausgehend davon, dass die eigene spirituelle Welt die einzig wahre ist, muss man die Entscheidungsgewalt im Bereich der Werte beanspruchen und das Recht, andere spirituelle Welten zu ersetzen, bzw. hat man die Mission, sie zu konvertieren.



PETER SLOTERDIJK

Sloterdijk

Peter Sloterdijk in Karlsruhe, bei einer Lesung aus seinem Buch
"Du mußt dein Leben ändern", Juni 2009
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Sloterdijk


Der mystische Imperativ


Exzerpt aus: Peter Sloterdijk: Der mystische Imperativ. In: ders.: Nach Gott. Suhrkamp 2012, 294-299. Vorwort zu: Mystische Weltliteratur, gesammelt von Martin Buger, München 2017.

Mystische Zustände sind empirisch in zwei Gruppen zusammenzusfassen: Es gibt eine Mystik der Ausnahmezustände, die das Subjekt in Augenblicken außerordentlicher Verklärung und wundersamer Berührtheit aus seiner Normalverfassung herausversetzen und ihm die Verlegenheit bereiten, die mit ihm geschehene Verrückung nachträglich zu kommunizieren; daneben existiert eine Mystik der Kontinuität, in der jeder wache Mmoment im Leben der Subjekte durchzogen ist von der Einstrahlung einer gleichbleibenden Ununterschiedenheit.

Diese Zweiheit soll nicht zum Gegenstand eines Streits über "echte oder unechte Mystik" gemaacht werden; für die Anthropologie des Mystischen ist das Vorkommen beider Phänomene informativ. Soll die Gedächtnistheoretische Deutung der Mystik die gewünschte Erklärungsstärke erreichen, so wäre es ein Vorzug der Theorie, wenn sie beide Typen des mystischen Gehirns
das in den Ausnahmezustand kippende und das kontinuierlich indifferenzfähige auf einer gemeinsamen Skala ansiedeln kann. Somit brauchen wir sowohl ein Kontinuum-Konzept der mystischen Erinnerung, d.h. an den Zustand des Gehirns vor der Einschreibung radikaler Differenzen, als auch ein Katastrophen-Konzept der ekstatischen und plötzlichen Erinnerung an den anderen Zustand.
[Dazu gehört das nicht hinreichend geklärte Phänomen, daß es ein "Publikum" für mystische Texte gibt, bestehend aus Individuen, die weder die kleinen noch die großen Tode der Mystik aus eigener Erfahrung kennen und die dennoch m.E. zu recht versichern, sich von der Schwingung solcher Mitteilungen angesprochen zu fühlen.]


Diese Forderungen werden am ehesten erfüllt von einer Theorie des Menschen, die in homo sapiens sapiens nicht nur ein lernendes und irgendwie erwachsen werdendes Tier erkennt, sondern auch ein elementwechselndes Wesen: ein Tier, das durch sein Gattungsschicksal, dazu bestimmt ist, vom Flüssigen zum Festen überzugehen. [Über Elementwechsel und menschliche Tiefenbewegtheit im Sinn von Zur-Welt-Kommen vgl. P. Sloterdijk, Weltfremdheit, Frankfurt am Main 1993.] Die primäre Lernrichtung, vom Meer ans Festland, schlägt sich gattungsweit in der Aufrichtung relativ fester Ich-Strukturen nieder. In den Mythen der Hochkullturen repräsentieren Helden den typischen Kampf der Gattungsmitglieder um Selbstbehauptung auf einem "Festland", das sich in geschichtlicher Zeit als Schauplatz von Krieg und Arbeit erweist. Welt ist die Arena unausweichlicher Passionen. Das An-Land-Gehen-Müssen aus der kindlichen Flüssigkeit wird für die Heranwachsenden hochkultureller Zeiten typischerweise zu einer Härteschule. "Dasein heißt eine Rolle spielen"
– die "Rolle" ist die von konfliktfähigen, cum grano salis heroischen Subjekten bei ihren "großen Arbeiten" und in ihren unvermeidbaren Kämpfen um Lebenschancen. Im Gehirn solcher Individuen etabliert sich ein Zustand, der geprägt ist vom permanenten Präsenthalten des Konfliktschauplatzes und der eigenen Stellung auf demselben. Den Menschen in der Arena gilt das innere Bild vom Stand des Konflikts als die Welt selbst; für sie wäre es eine unerhörte Neuigkeit, wenn jemand aufträte, der die These vertritt, die Landkarte sei nicht das Land – das Weltbild nicht die Welt, das Selbstbild nicht das Selbst. Eine solche message käme der Aufforderung gleich, aus der Arena zu steigen und den Krieg der kämpfenden Ich-Träger zu beenden. Wer eine solche Botschaft übergringen will, muß den Beweis dafür antreten, die Welt sei "eigentlich" keine Arena und kein Kriegsschauplatz, den wir in optimaler Ich-Rüstung betreten sollten; er hätte darzulegen, daß das Etwas, in dem wir leben, allen festländischen Arenaillusionen zum Trotz, ein homogener Fluß geblieben ist, ein ozeanisches Kontinuum, in das Unterschiede sich nicht eindrucksvoller einprägen als Schriftzüge auf Wasser.
[Nicht umsonst wird die große mystische Doktrin Indiens, die Bhagavadgita, auf einem Kriegsschauplatz vor der Schlacht übermittelt
– freilich nicht mit der moralischen Pointe, aus deem Krieger einen friedlichen Yogi zu machen, sondern um den Zögerer in den Kämpfer zu verwandeln, der den Trost der Indifferenz für sich hat, wenn er in der Schlacht seine Angehörigen tötet. Das Festbleiben in der Ununterschiedenheit inmitten blutiger Turbulenz gilt vor allem in der Frühzeit mystischer Botschaften als wichtiger Beweis für Erleuchtung, d.h. Permanenz des anderen Zustands; daher auch das besondere Augenmerk auf den gelassenen Tod der Meister.]
Ebendies wäre die mystische Botschaft
– nun nicht mehr als Nachricht aus einem positiven Jenseits im Sinne einer Zwei-Welten-Ontologie, vielmehr als elementare anthropologische Information. Mystiker sind die kontra-heroischen Informanten des Menschen; sie leisten nicht Beihilfe zur Ich-Behauptung in der arenischen Realität. Sie versuchen, die Arena-Ontologie als solche zu entkräften. Sie tun dies, indem sie zeigen, daß Etwas, in dem wir uns "aufhalten", in Wahrheit ein unmarkierter Raum ist, in dem wir kein Unterschied, der einen Unterschied macht, in Kraft sein kann – erst recht kein Unterschied, der Kämpfe um Leben und Tod auf der Linie der Ich-Positions-Gefechte rechtfertigt.

Der unmarkierte Raum trug bei seinen historisch eindrucksvollsten Zeugen Namen, die zu den großen Vexieerbildern der Menschheit gehören: Paradies, Reich Gottes, Weißes Land
– in Elentarsprachen: Himmel und Ozean. Diese Bezeichnungen werden ihre Würde behalten, wenn kühlere Beschreibungen an ihre Stelle getreten sind. Der mystische Zustand, anders gefaßt, erweist sich als die Erinnerung des Gehirns an seinen Zustand vor seinem Kampf um die Identifizierung des Etwas, in dem es zum Aufenthalt bestimmt ist. Das schwebende In-etwas-Sein des kampflosen Gehirns erinnert gleichsam sich selbst an den flüssigen Anfang seiner Geschichte. Wer es erlebt, kennt sich im Nu im anderen Zustand aus, mag er auch erschüttert sein von der Evidenz, daß es "trotz allem" möglich ist. Darum wird Mystik um so imposanter, je kraftvoller der Bestand an reifen Erwachsenenbewußtsein ist, dem zum Trotz sie sich geltend macht. "Mystik für Anfänger" ist trivial, weil Anfänger nichts anders als Mystiker sein können – jeder Fötus wird dies bestätigen. Eindrucksvoll wird die mystische Erinnerung, wenn ihr Subjekt ein Erwachsener unter voller Belastung ist. Dann wird das Individuum zur Inkarnation des Unwahrscheinlichen, daß die Mitgift des ältesten Inneren noch auf der Spitze der zivilizatorischen Spannungen so lebendig sein kann wie in der intrauterinen Höhle. Im fötalen Originalzustand hieß "Existenz" enstatisches
[Der Begriff "Enstase" dient in der Religionswissenschaft dazum eine bestimmte Art
vor allem yogischer – Trance zu bezeichnen.]
Lauschen auf den "Klang der Welt"
[Vgl. Alfred Tomatis, Der Klang des Lebes. Vorgeburtliche Kommunikation
die Anfänge der seelischen Entwicklung, Reinbek b. Hamburg 1987.] und Wachsen in der Flut des Doppelblutkreislaufs von Kind und Mutter.
"[Die pathologischen Störungen des fötalen und frühen symbiotischen Lebens können sich in den dunklen Versionen mystischen Erlebens spiegeln, in Indien wie im Westen gibt es einen Typus isolierender Mystik, deren suizidale Komponente kaum übersehbar ist; sie destilliert einen die Welt total distanzierenden Superzeugen oder Nur-Beobachter heraus, der den Kosmos als eine monströse indifferente Leben-Tod-Maschine erfährt, zu der zugehörig zu sein nicht in Betracht kommt. Die Stimmung des totalmeditativen Blicks auf das Fremde Ganze schwankt zwischen den Grenzwerten "großes Theater" und "Todeslandschaft der Seele". Dies enspricht der Mystik der Schizoiden, der gleichsam schon im Mutterleib Verstorbenen und dort Fixierten – man denkt hierbei  unwillkürlich an bedeutetende mystische Logiker von Shankara bis Wittgenstein. Zum Begriff "isolierende Mystik" im Gegensatz zur All-Einheitsmystik vgl. R.C. Zaehner, Mystik, religiös und profan. Eine Untersuchung über verschiedene Arten von außernatürlicher Erfahrungen. Stuttgart e.J. S. 185 ff.]
Daß zusätzliche Nachklänge dieser Seinsweise auch in hinereichend festen Erwachsenen wiederkehren, das ist der psychologische Skandal der mystisch begabten Gattung. Wenn Erinnerungen ans alte Innerste in einer weltverkehrsfähigen Psyche aufsteigen können und in ihr wie ein Seligkeitskompaß Auswege aus der Verstrickung anzeigen: So gibt uns das einen Begriff davon, was von einem idealtypischen spirituell Erwachsenen in der Hochkultur zu fordern war. Dem Weichen im Festen Struktur geben
– für das Formlose eine Form sein – mit solchen und ähnlichen Formeln haben mystische Lehrer im Osten wie im Westen eine Norm für erwachsene Erleuchtungen aufgerichtet. Die Mystik als bloße "Regression" des Subjekts auf  vorichhafte Zustände zu erklären wäre selbst regressiv – eine Kapitulation vor den kulturellen Tendenzen, die den Innenraum reduzieren und schließen.
[Daher laufen Ken Wilbers scharfsinnig wirkende Überlegungen über die "Prä-Tans-Verwechslung", d.h. die mangelnde Unterscheidung von Transzendenz und Regression, in der spirituellen Psychologie des sog. New Age ins Leere. Das Auftauchenkönnen der "Erinnerung" an den Zustand vor den Erfahrungen, die Unterschiede machen, ist gerade nicht regressiv, sondern setzt bedeutende Persönlichkeits- und Kulturleistungen voraus. Die Sorge Wilbers, das Transzendieren des Ich vom Regredieren vor das Ich scharf zu trennen, ist ein Reflex  seines evolutionistischen Positivismus. Bei ihm soll der menschliche Geist alle Schulklassen vom Fötalen zum Göttlichen durchlaufen
– wenn er nicht beim subtilen Ego sitzenbleibt. Eine weniger naive Psychologie der Transzendenz würde eine Theorie der progressiven Regression und eine Logik der späten Emergenz des Frühesten voraussetzen. Vgl. Ken Wilber, Die trügerische Verwechslung von "Prä" und "Trans", in: ders., Die drei Augen der Erkenntnis. Auf dem Weg zu einem neuen Weltbild, München 1988, S. 119-172.]
Was an der Mystik, gerade in einer immer mehr verwahrlosenden Gesellschaft, zu denken gibt, ist die progressive Heraufhebung der extremen "Erinnerung" in das entfaltete Wirklichkeitsbewußtsein. Vielleicht liefert das einen Begriff von dem, was Erziehung in einer Welt von kaum noch Erziehbaren heißen könnte.


Exzerpt aus: Peter Sloterdijk: Domestikation des Seins. Die Verdeutlichung der Lichtung. In: ders.: Nicht gerettet. Versuche nach Heidegger, Suhrkamp 2001, S. 217-.228.

Sloterdijk

4. Der operable Mensch. Zur Einführung des Konzepts Homöotechnik


Mit Hegels Werk ist nun
wie Günther suggestiv darlegt zum erstenmal ein logisches Instrumentarium geschaffen worden, das den Status von Artifizien zu bestimmen erlaubt: an sie wird der ontologische Titel "objektiver Geist" vergeben; objektiv heißt hier, was weder subjektiv noch absolut ist. Diese großartige Anregung mußte aufgrund ihrer vorwiegend geist- und kulturtheoretischen Ausrichtung während des 19. und des größten Teils des 20. Jahrhunderts blockieert bleiben, bis endlich die Kybernetik als Theorie und Praxis intelligenter Maschinen und die moderne Biologie als Studium von System-Umwelt-Einheiten eine Neubeschreibung des "Künstlichen" wie des "Natürlichen" erzwangen. Unter dem Druck der neuen Verfahren wandelt sich das Konzept "objektiver Geist" zu dem Prinzip Information. Dieses tritt als dritter Wert zwischen den Reflexionspol und den Dingpol, den Geist und die Materie, die Gedanken und die Sachen. Die intelligenten Maschinen wie die kulturgeschaffenen Artifizien im ganzen nötigen das traditionelle Denken auf breiter Front zur Anerkennung des Sachverhalts, daß da unleugbar "Geist" oder Reflexion oder Denken in Sachbestände eingeflossen sind und in diesen auf wiederauffindbare und weiterbearbeitbare Weise verharren. Maschinen und Artifizien lassen sich nur verstehen als real existierende Verneinungen der Zustände vor der Einprägung der in-formatio in den Träger. Sie sind Speicher ihrer Produktionsgeschichten oder dinggebundene Gedächtnisse. Man kann sie als materialisierte oder objektiv gewordene Reflexionen bezeichnen. Sie weisen hierin eine Verwandschaft mit Personen auf, die im Maße ihrer "Bildung" ebenfalls Agenturen und Zustände des "objektiven Geistes" darstellen. Um dies zu denken, braucht man eine zwei- oder mehrwertige Ontologie in Verbindung mit einer mindestens dreiwertigen Logik, also ein Instrumentarium, mittels dessen artikuliert werden kann, daß es real existierende bejahte Verneinungen und verneinte Bejahungen gibt beziehungsweise das seiende Nichts und das nichsangereicherte Seiende. Der Satz: "Es gibt Information" besagt letzlich nur dieses. Um seine Ermöglichung und Konsolidierung geht es in dem Gigantenkampf des Denkens im abgelaufenen Jahrhundert, in dessen Ausgang Autoren wie Günther, Adorno, Bloch, Deleute, Derrida und Luhmann (neben ihnen auch Klaus Heinrich, Michel Serres, Bruno Latur, Heinz von Förster und andere) mit spürbaren Folgen eingegriffen haben. Sie alle arbeiten daran das tertium datur zu erobern.

Von dem Satz "Es gibt Information" hängen Sätze ab wie: "Es gibt Systeme, es gibt Gedächtnisse, es gibt Kulturen, es gibt künstliche Intelligenz" (63). Auch der Satz: "Es gibt Gene" läßt sich nur als ein Ausfluß der neuen Situation verstehen
– er zeigt den Übersprung des Prinzips Information in die Sphäre der Natur an.
(...)
Im Gang der technischen Aufklärung
– diese geschieht de facto durch Maschinenbau und Prothetik – stellt sich heraus, daß diese Einteilung unhaltbar ist, weil sie, wie Günther betont, dem Subjekt und der Seele eine Überfülle von Eigenschaften und Fähigkeiten zuspricht, die in Wahrheit auf die Seite des Mechanismus gehören. Zugleich spricht sie den Dinken oder Materialien eine Fülle von Eigenschaften ab, die sie bei näherem Zuschauen unleugbar besitzen. Werden diese traditionellen Fehler nach beiden Seiten hin korrigiert, entsteht eine radikal neue Sicht auf kulturelle und natürliche Objekte. Man beginnt zu verstehen, daß und wieso die "informierte Materie" oder der höhere Mechanismus parasubjektive Leistungen erbringen können – bis hin zum Schein von plannender Intelligenz, Dialogfähigkeit, Sponteneität und Flexibilität. Umgekehrt wird sichtbar, daß zahlreiche Manifestationen der traditionell aufgefaßten Instanzen von Subjektivität und Seele nur überinterpretierte Mechanismen darstellen.
(...)
Die Grundlage für den von Ängsten umwitterten Einbruch der Technik ins imaginäre Feld des "Subjekts" oder der "Person" ist darin zu suchen, daß auch auf der Seite des sogenannten Objekts, in der materiellen Basisstruktur des Lebendigen, wie sie in Genen vorliegt, kaum noch etwas Dinghaftes im Sinne der alten Stoffontologie angetroffen wird, sondern eine auf das materielle Minimum reduzierbare Form von informierter und informierender Information
– Gene sind, wie Bio-Informatiker sagen, nichts anderes als "Befehl" für die Synthese von Eiweißmoleküllen. (Was sie "in Wirklichkeit" sind, läßt sich nicht mehr beobachterunabhängig bestimmen, da sich erst im Zugriff des Interpreten entscheidet, ob er es allein mit biochemischen Kausalmechanismen oder mit an einen stofflichen Träger gebundenen Informationen zu tun hat.)
(...)
Wenn "es" den Menschen "gibt", dann nur, weil eine Technik ihn aus der Vormenschheit hervorgebracht hat. Sie ist das eigentlich Menschen-Gebende oder der plan, auf dem der Satz "Es gibt Menschen" wahr sein kann. Daher geschieht den Menschen nichts Fremdes, wenn sie sich weiterer Hervorbringungen und Manipulationen aussetzen. Sie tun nichts Perverses oder ihrer "Natur" Widerstreitendes, wenn sie sich autotechnisch verändern. Jedoch müßten diese Eingriffe und Hilfen auf einer so hohen Ebene von Einsicht in die biologische und kulturelle "Natur" des Menschen geschehen, daß sie als authentische gewinnende Koproduktionen mit dem evolutionären Potential wirksam werden.

Diese Erkenntnis hat Karl Rahner in einer christlichen Sprache artikuliert, als er betonte, "der Mensch der heutigen Autopraxis" mache von einer Freiheit der "kategorialen Selbstmanipulation" Gebrauch, die aus der christlichen Befreiung vom numinosen Naturzwang entsprungen sei. Nach der Aussage des Jesuiten Rahner gehört es zum Ethos des mündigen Menschen, sich selbstmanipulativ gestalten zu sollen und wollen:
"Er muß der operable Mensch sein wollen, auch wenn Ausmaß und gerechte Weise dieser Selbstmanipulation noch weithin dunkel sind... Aber es ist wahr: die Zukunft der Selbstmanipulation des Menschen hat schon begonnen." (68)
Man kann dieselbe Einsicht in der Diktion einer radikalisierten historischen Anthropologie ausdrücken, indem man die menschliche Situation durch ihren Hervorgang aus einer autoplastischen Luxusentwicklung interpretiert. Ihretwegen bleibt Plastizität eine Grundwirklichkeit und eine unausweichliche Aufgabe. Man muß sich jedoch davor hüten, die neuerdings möglich gewordenen anthropoplastischen Operationen, von der aktuellen Organtransplantation bis zu einer künftigen Gentherapie, weiterhin unter der Optik falscher Einteilungen aufzufassen – etwa als wollte immer noch ein subjektivistischer Herr eine objektivistische Materie versklaven – oder, schlimmer noch, sich selbst zu einem Überherren weiterbilden, der eine noch tiefer unterworfener Materie tyrannisiert.
(...)
Auf der Stufe des Satzes "Es gibt Information" verliert das überlieferte Bild von Technik als Heteronomie und Versklavung von Materien und Personen zunehmend seine Plausibilität. Wir werden Zeugen dessen, daß mit den intelligenten Technologien eine nicht-herrrische Form von Operativität im Entstehen ist, für die wir den Namen Homöotechnik vorschlagen. Diese kann ihrem Wesen nach nichts ganz anderes wollen als das, was "die Sachen selbst" von sich aus sind oder werden können. Die "Materien" werden im komplexen Denken von ihrem Eigensinn her konzipiert und aufgrund ihrer maximalen Eignungen in Operationen einbezogen
– sie hören damit auf, das zu sein, was traditionell als "Rohstoff" bezeichnet zu werden pflegte. Rohstoffe gibt es nur dort, wo herrische Subjekte im Sinne der Überlieferung, wir würden hier besser sagen: Rohstoffsubjekte, entsprechende Rohtechniken auf sie anwenden. Die Homötechnik hingegen kommt, weil sie es mit real existierender Information zu tun hat, nur noch auf dem Weg der Nicht-Vergewaltigung des Vorliegenden voran; sie greift Intelligenz intelligent auf und erzeugt neue Zustände von Intelligenz; sie kann nur als Nicht-Ignoranz gegen verköperte Information Erfolg haben. Sie muß selbst wo sie zunächst so egoistisch und regional eingegrenzt wird wie jede konventionelle Technik, auf ko-intelligente, ko-informative Strategien zurückgreifen. Eher hat sie den Charakter von Kooperation als den von Herrschaft, auch bei asymmetrischen Beziehungen.
(...)
Einen der stärksten Beiträge für die Annahme, daß die argwöhnische Gestimmtheit auch in Zukunft die realitätsgerechte bleibt, haben die US-amerikanischen Kriegsherrn im August 1945 gelieert, als sie es nicht unterließen, die äußerste allotechnische Waffe, die Atombombe, unmittelbar gegen Menschen einzusetzen. Sie haben damit dem für die moralische Lage der Moderne charakteristischen Argwohn gegen die Allianz von Höchsttechnologie und Vulgärsubjektivität in die Hand gegeben. Wegen Hiroshima und Nagasaki haben die Menschen in aller Welt einen starken Grund mehr, an die prinzipielle Hemmungslosigkeit von Technologen zu glauben, sie halten sich im Blick auf das Geschehene für berechtigt, eventuellen Oppenheimern und Trumans der Genetik zu mißtrauen. Diese Eigennamen verkörpern das Resümee des Sachverhalts, daß ein Weltalter lang Rohsubjekte und Allotechniken wie Hände und Griffe zueinander gepaßt haben.

(63) Nach der kritischen Seite hin entsprechen dem Nietzsches, Heideggers und Derridas ontologische Thesen: "die Wüste wächst"; "das Ge-Stell greift um sich", "Dekonstruktion geschieht".
(68) Karl Rahner, Experiment Mensch. Theologisches über die Selbstmanipulation des Menschen, in. Die Frage nach dem Menschen. Aufriß einer philosophischen Anthropologie, Festschrif für Max Müller zum 60. Geburtstag, Freiburg/München 1966, S.53. Ich danke Rafael Capurro für den Hinweis auf diesen Text.

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PETER SLOTERDIJK:  SEELENRAUMTEILER ENGEL –  ZWILLINGE  DOPPELGÄNGER

Exkurs: Über den Unterschied zwischen einem Idioten und einem Engel

Sphären I, 6, Frankfurt a.M., 1998, 479-85



Es ist das gemeinsame Verdienst von Dostojewskij und Nietzsche, in den modernen Religionsdiskurs den Begriff des Idioten eingeführt zu haben. Was mit diesem Ausdruck geleistet ist, wird begreiflich, sobald man ihn gegen den des Engels abhebt, als dessen Gegensatz und Kontrastmittel er seinen Wert gewinnt. Was eine Engel-Erscheinung sei, und wie sie ins profane Leben eingreife: dies hat die alteuropäische religiöse Tradition in tausendfältigen Wendungen ihrer Neugier und Bildgier ausgearbeitet; daß es aber auch eine Idioten-Erscheinung gibt, die das Menschenleben affiziert, dies zu begreifen blieb dem größten Romanpsychologen des 19. Jahrhunderts und dem Autor des Antichrist vorbehalten. Für beide trägt das Wort Idiot eine christologische Ladung, denn beide gehen das Wagnis ein, mit dem Prädikat idiotisch  auch wenn die Vorzeichen gegensätzliche sind – an das typologishe Geheimnis des Erlösertums zu rühren. Darin liegt religionspsychologischer Explosivstoff, denn alle überlieferten Versuche, das Auftreten von Erlöserfiguren herzuleiten, hatten sich unvermeidlich am Engel- oder Boten-Modell orientiert, also an der Vorstellung, daß ein Gesandter mit einer transzendenten Botschaft bei den Sterblichen vorstellig wird und diese als Retter-Heros aus physischer Not und moralischer Verlorenheit befreit. Der Erlöser ist folglich zunächst nur eine potenzierte Form des Boten  wobei erst die hellenisierte Christologie den Kategoriensprung einführte, nach dem der Bote nicht mehr nur die Nachricht bringt, sondern die Nachricht ist. Das Boten- oder Engel-Schema war in seiner Blütezeit offenkundig mächtig genug, um die Erlöserlehre mitzutragen. Immerhin, um den Erlöser als Boten aller Boten durchzusetzen, mußten die christlichen Theologen diesen zum Sohn der Substanz machen und ihn als einziges volladäquates Zeichen des Seins [206] ausrufen. Es spricht für die Leistungsfähigkeit des angeletischen Modells, daß es dieser Beanspruchung gewachsen war. Die klassische Christologie zeigt die Gesandten- und Botschaftsmetaphysik auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Sie gehört einer Welt- und Theoriesituation an, die durch das Dogma des starken Absenders charakterisiert ist. ja vielleicht ist die diskursive Struktur, die wir Metaphysik zu nennen gewohnt waren, nur ein Reflex der Unterwerfung des Denkens unter die Vorstellung von einem Sein, das als absoluter Absender alle Throne, Mächte und Gewalten mitsamt ihren Ausflüssen an Zeichen und Vermittlern monopolisiert. In diesem unbedingten Absender-Sein konnte der Gott der Bibel und der Gott der Philosophen konvergieren.

Verständigt man sich für das weitere auf die Formel, daß die Neuzeit ein Informationsprozeß ist, der die Krise der Absender-Metaphysik erzwingt, so hält man auch schon das Mittel in der Hand, zu begreifen, wieso eine zeitsensible Theologie nach Gutenberg mit einer angeletischen [207] Lehre vom Erlöser als Gesandten nicht mehr durchkommt. In der neuzeitlichen Vermehrung der Absender-Mächte und in der Boteninflation auf dem freien Nachrichtenmarkt kann ein Hyperbote vom Typus Erlösergott, vergegenwärtigt durch apostolische Vertreter, seine feudale Vorranstellung nicht behaupten. Wer auf die Menschen in einem spezifischen Sinn befreiend einwirken möchte, darf in Zukunft nicht mehr so sehr ein Bote mit einer transzendenten message sein, sondern muß als ein menschliches Wesen erscheinen, dessen unmittelbar auffällige Andersheit in realer Gegenwart den Überbringer einer Botschaft von drüben vollständig ersetzt. Es bezeichnet Dostojewskijs religionsphilosophische Genialität, daß er die Chance, die Christologie von der Angeletik auf die Idiotik umzustellen, als erster erkannt und bis zum äußersten durchdacht hat.[208] Gerade weil die moderne Welt überfüllt ist vom Lärm der Machtpartei-Boten und vom Kunstgetöse der Genies, die auf ihre Werke und Wahnsysteme aufmerksam machen, läßt sich die religiöse Differenz nicht länger im Modus des Botschafterwesens überzeugend markieren. Nicht als Bote kann der präsente Gottmensch die Sterblichen erreichen, sondern nur noch als Idiot. Der Idiot ist ein Engel ohne Botschaft  ein distanzloser intimer Ergänzer aller zufällig begegnenden Wesen. Auch sein Auftritt ist erscheinungshaft, aber nicht, weil er im Diesseits einen transzendenten Gott vergegenwärtigte, sondern weil er inmitten einer Gesellschaft von Rollenspielern und Ego-Strategen eine unerwartbare Naivität und ein entwaffnendes Wohlwollen verkörpert. Wenn er redet, dann niemals mit Autorität, sondern immer nur mit der Kraft seiner Offenheit. Obwohl ein Fürst der Abstammung nach, ist er ein Mensch ohne Statuszeichen –  er gehört hierin vorbehaltlos der modernen Welt an, denn wenn zum Engel die Hierarchie gehört, dann zu Idioten der egalitäre Zug. (Engelhierarchien verstehen sich von selbst, während Idiotenhierarchien verblüffen.) Er bewegt sich zwischen den Menschen der hohen und niederen Gesellschaft wie ein großes Kind, das es nie gelernt hat, den eigenen Vorteil zu berechnen.

Von diesem modernen religions-ästhetischen Befund aus  man vergesse nicht, daß Dostojewskij die Figur des Idioten als einen Versuch angelegt hatte, den "vollkommen schönen Menschen" und sein unumgängliches Scheitern an der Menschenhäßlichkeit darzustellen –  zog Nietzsche in seiner Kampfschrift Der Antichrist von 1888 die religions-psychologischen Konsequenzen. Für ihn ist schon der historische Jesus selbst typologisch auf einen dostojewskijschen Nenner zu bringen   er ist, in Nietzsches Terminologie, die Inkarnation eines décadent ante litteram.
"Man hätte zu bedauern, dass nicht ein Dostoiewsky in der Nähe dieses interessanten décadant gelebt hat, ich meine Jemand, der gerade den ergreifenden Reiz einer solchen Mischung von Sublimen, Krankem und Kindlichem zu empfinden wusste..." (Der Antichrist, § 29)
Ungeeignet sind folglich alle Charakterisierungen, die auf den historischen Jesus die Sprache des Heroismus und der Geniekultur projizieren wollten – ebenso wie die Sprache des Fanatismus und der apostolisch-apologetischen Arroganz. In all dem drücken sich nur Vertreterwut und Nachfolgerambitionen aus. Was den konkreten Typus des evangelischen Erlösers angeht, so sollte endlich mit der einzig zuständigen medizinischen Kategorie an ihn herangetreten werden. "Mit der Strenge des Physiologen gesprochen, wäre hier ein ganz anderes Wort eher noch am Platz: das Wort Idiot." (Der Antichrist, § 29)
Das Sublime, das Kindliche, das Kranke – wie es möglich wäre, daß diese Aspekte in einem einzigen Qualifikativ  idiotisch  zusammenfielen , dieses Rätsel zu entwirren nimmt sich Nietzsche in seiner turbulenten Polemik gegen das Christentum keine Zeit, zum großen Nachteil für die Religionswissenschaft und die allgemeine Psychologie. Wollte man die Intuitionen Dostojewskijs und Nietzsches über die Gleichung von Idiotologie und Erlöserlehre geduldig zusammensetzen, so ergäbe sich eine tiefreichende Revision der tradierten Auffassungen vom religiösen Prozeß.

In den üblichen angeletischen Systemen tritt der Erlöser den Menschen als metaphysischer Informant gegenüber und bewegt sie, aus der Haltung absendergedeckter Stärke, durch seine penetrierende Botschaft. Im idiotische System hingegen ist der Erlöser ein Niemand, der keinen hohen Mandanten hinter sich hat. Seine Äußerungen werden von den Anwesenden als kindliche Nichtigkeiten und seine Gegenwart als eine nicht-verpflichtende Beiläufigkeit wahrgenommen. Dostojewskij läßt gerade an diesem Zug keinen Zweifel; von einer der Figuren des Romans, Ganja, heißt es: "Vor dem Fürsten genierte er sich nicht im mindesten, als wäre er allein in seinem Zimmer, denn er achtete ihn glattweg für nichts." [209] Nichtsdestoweniger ist die Präsenz des Fürsten Myschkin für alle Vorgänge, die in seiner Nähe geschehen, eine auslösende Bedingung; er katalysiert auf entscheidende Weise die Charaktere und Schicksale derer, die ihm begegnen. Gerade als Nicht-Bote löst er mit einer undurchschauten Methode ds Problem des Zugangs zum Inneren seiner Gegenspieler. Weder Sirene noch Engel, schließt er die Ohren und psychischen Regungszentren seiner Gesprächspartner auf. Es ist auch nicht seine Kindlichkeit im durchschnittlichen Wortsinn,die ihm seinen besonderen Zugang zu den Menschen eröffnet, es sei denn, man gäbe dem Ausdruck kindlich einen heterodoxen Sinn: kindlich könnte die Bereitschaft heißen, im Umgang mit anderen nicht das eigene Selbst auszuspielen, sondern sich als Ergänzer des andere zur Verfügung zu halten. Wenn eine so verstandene Möglichkeit von Kindlichkeit zur Haltung gerinnt, liegt vor, was Dostojewskij mit dem Wort Idiotie artikuliert hat  ein Ausdruck, der offenkundig nur im oberflächlichsten Gebrauch denunziatorisch klingen sollte. Mit dem Titel Idiot markiert Dostojewskij als Religionsphilosoph und Subjektivitätskritiker eine Ich-Position, die ihm nobel und  zumindest in bezug auf andere  heilswirksam erscheint, obwohl sie in keiner Weise auf eine angeletische Potenz zurückgeführt werden kann. Das idiotische Subjekt ist offenbar jenes, das sich verhalten kann, als sei es nicht so sehr es selber als vielmehr der Doppelgänger seiner selbst und potentiell der intime Ergänzer jedes begegenenden Anderen. Es gibt in einigen Schweizer Kantonen die unzarte Redensart: bei dir haben sie wohl statt Kind die Nachgeburt aufgezogen –, und es spricht manches dafür, dies für eine psychologische Entdeckung zu nehmen. Der Idiot plazentalisiert sich selber, indem er jedem, der seinen Weg kreuzt, wie ein intrauterines Kissen eine unerklärliche Nähe-Erfahrung anbietet  eine Art von unvordenklicher Verbundenheit, die zwischen Personen, die sich zum ersten Mal sehen, eine Offenheit stiftet, wie sie nur beim Jüngsten Gericht oder im wortlosen Austausch zwischen Fötus und Plazenta gegeben sein mag. In der Gegenwart des Idioten wird harmlose Gutmütigkeit zu verwandelnden Intensität; seine Mission scheint es zu sein, keine Botschaft zu haben, sondern eine Nähe zu stiften, in der sich konturierte Subjekte entgrenzen und neu fassen können. Seine Moral ist seine Unfähigkeit, zurückzuschlagen. Dieser Zug ist es, der Nietzsche an der vermuteten jesuanischen Idiotie interessieren mußte, weil er auf eine infantile Weise das Ideal des vornehmen, ressentimentfreien Lebens inkarniert  freilich nicht von der Seite des aktiven Selbst her, sondern von der des Begleiters, des Förderers, des Ergänzers. Es gäbe demnach eine vornehme Idiotie, die sich in einer vormenschlich-übermenschlichen Verfügbarkeit und Dienstbereitschaft äußerte. Der idiotische Erlöser wäre jener, der nicht als Hauptperson der eigenen Geschichte sein Leben führte, sondern der mit seiner Nachgeburt den Platz getauscht hätte, um für sie, als sie selbst, ein In-der-Welt-Sein- einzuräumen. Handelt es sich um einen krankhaften Exzeß an Loyalität? Um einen Fall von vorgeburtlicher Nibelungentreue? Um einen Dotter- und Kissenwahn,  in dem das Subjekt sich mit dem archaischen Förderer und Nähe-Geist verwechselt? Vielleicht ist es die Weisheit des Idioten, daß er zu seinem intimen Abfall, der plazentalen Schwester, in ihre Verlorenheit hinabsteigt? Zieht er es vor, eher ihr Leben weiterzuleben, als die gemeinsamen Anfänge im ergänzten Zusammenschweben zu verraten? "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder..."" Möglicherweise hätte es heißen sollen: Wenn ihr nicht werdet wie dieses idiotisch freundliche Ding...?


[206] Über Zeichen des Seins vgl. Sphären II, 7. Kapitel, Wie durch reine Medien die Sphärenmitte in die Ferne wirkt. Zur Metaphysik der Telekommunikation.
[207] Den Ausdruck "angeletisch" verdanken wir Rafael Capurro; zur Begriffsgeschichte von angelia vgl. dessen Buch, Leben im Informationszeitalter, Berlin 1995, siebtes Kapitel "Genealogie der Information", S. 97-114.
[208] Allenfalls Herman Melville könnte den Anspruch erheben, in seiner Erzählung Bartleby, publiziert 1856, die Wende vonder Angeletik zur Idiotik antizipiert zu haben, die Dostojewskij Roman 1868/69 dann spektakulär volllzieht.
[209] Fjodor M. Dostojewskij, Der Idiot. Übertragen von Arthur Luther, München 1976/1990, S. 115.




AUGUSTIN BERQUE

Berque

Source: https://fr.wikipedia.org/wiki/Augustin_Berque

Entre les deux ailes de la pensée mondiale



Extract from: Augustin Berque: Postface. Entre les deux ailes de la pensée mondiale. In: YAMAUCHI Tokuryu. Logos et lemme. Pensée occidentale, pensée orientale. Paris: CNRS Ed. 1974, 478-482.

C'est dire qu'à tel ou tel objet de l'environement, chaque espèce a un accès particulier, lequel fait exister cet objet en tant que quelque chose (als etwas, dira Heidegger), qui est propre à son milieu et donc irréductible à l'environnement objectif. Toute la question de l'existence est dans ces en-tant-que (soku) ces opérateurs existentiels d'où nait la réalité des étants. Ils ne sont ni l'en-soi de l'objet, ni un simple pour-soi qui serait pur fantasme de la part de l'animal. Or ils évoquent irrésistiblement des "portes" (mon) dont Yamanauchi parle à la suite de Xuanzang. Ces en-tant-que, ce sont les portes de la réalité, mais il ne sont pas le Réel, dont l'être ne suppose nulle interprétation. L'être est, point. Mais pour exister – pour ek-sister hors de la langue de son en-soi, et nous devenir accessible comme réalité empirique –, il doit en passer par les portes de l'en-tant-que – par les portes du soku.

Un autre rapprochement s'impose. Dans Logos et Lemme, curieusement, Yamauchi n'a pas un mot por ce que Bachelard, dès 1934, qualifiat de "nouvel esprit scientifique" [Gaston Bachelard, Le Nouvel esprit scientifique, Paris, PUF, 1934], et qui l'a poussé à mettre en avant une "philosophie du non"
[Id., La Philosophie du non. Essai d'une philosophie du nouvel esprit scientifique, Paris, PUF, 1940. La physique a certes progressé depuis, mais sans nullement changer la problématique de fond, comme on pourra s'en persuader en lisant Bernard d'Espagnat, Traité de physique et de philosophie, Paris, Fayard, 2002.]
Pourtant, faire du tiers lemme (la binégation) le nœud de la lemmique, n'est-ce pas à la lettre une philosophie du non? Prouver expérimentalement qu'une même particule peut être, selon le dispositif de l'expérience, à la fois A ou non-A, une onde ou un corpuscule, n'est-ce pas une magnifique illustration de la validité du quart lemme, la biaffirmation? Et le dispositif de l'expérience, n'est-ce pas justement la porte qui fait exister la particule en tant qu'onde ou en tant que corpuscule?

Le quantique, avec les méthodes que seul le logos a rendues possibles, a ainsi prouvé que la lemmique est à l'œuvre au plus profond de la matière, de même qu'en biologie à la même époque, Uexküll prouvait que l'en-tant-que foctionne au cœur de la réalité du vivant. Regrettons que Logos et lemme ait négligé de faire ces rapprochements avec la science; car sont la physique et la biologie elles-mêmes, à la pointe de ce que Yamauchi appelle une des ailes de la pensée mondiale – l'aile du logos et non celle du lemme – qui nous somment aujourd'hui de reconnaître que le lemme pourrait bien fonder le logos lui-même; c'est-à-dire exactement ce qui était le propos de Logos et lemme!

Et les sciences sociales, dans tout cela? D'elles non plus, Yamauchi ne se préoccupe guère; il se borne en la matière à de exemples de sens commun, tel le rapport parent/enfant pour illustre la coattente. Mais n'accusons pas un historien de la pensée de n'avoir pas été de qu'il n'était pas – un anthropologue ou un géographe, par exemple. La mésologie quant à elle, en tant que perspective épistémologique générale, n'en doit pas moins établir des liens qu'on ne trouvera pas dans Logos et Lemme, lequel pourtant regorge d'occasions magnifiques pour ce faire. C'est particulièrement le cas du concept de sesetsu, qui fait l'objet de tout un chapitre. Je l'ai traduit par "agencement", mais c'était seulement pour ne pas provoquer d'assimilation anachronique au vocabulaire d'auteurs modernes et contemporains. Du point de vue de la mésologie, en effet, un agencement, c'est l'ensemble des en-tant-que – des portes, dirait Xuanzang – qui, dans un certain milieu, font exister les choses en tant que la réalité propre à ce milieu-là; ce qui donc, par définition, n'est pas le Réel en soi mais quelque chose de trajectif. C'est ce qui, dans un milieu, fait que toute chose existe sous un certain jour propre à ce milieu-là. Et ici, un rapprochement s'impose avec ce que Marx appelait Produktionsverhältnisse (rapports de production), Heidegger Gestell (dispositif), Foucault dispositif, etc., et dont Agamben a plus récement proposé une interprétation générale
[Giorgio Agamben, Qu'est-ce qu'un dispositif?, Paris, Payot & Rivages, 2007 [Che cos'è un dispositivo?, 2006]]

Or aucun des ces auteurs n'a défini la logique propre à des tels "dispositifs". Serait-ce une lemmique? C'est Heidegger qui s'en raproche le plus lorsqu'il parle, dans son séminaire de 1929-1930 de l'"être-ouvert prélogique (vorlogische Offenheit)"
[Martin Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt-Endlichkeit-Einsamkeit (Les concepts fondamentaux de la métaphysique. Monde-finitude-solitude), Frankfort-sur le-Main, Klostermann, 1983, p. 498] que serait "l'évidence de l'étant (Offenbarkeit des Seienden) [Op.cit., p. 409]
dans la "structure d'en-tant-que (die 'als' – Struktur) "propre au "phénomène du monde (Weltphänomen) [Op.cit., p. 450])." Heidegger, toutefois, ne va pas plus loin du point de vue de la logique. Notamment, il ne parlera pas de la "logique du prédicat" (jutsugo no ronri), dite aussi "logique du lieu (basho no ronri)", mise en avant à la même époque par Nishida Kitarô [Sur ce thème d'un point vue générale (liant philosophie, sciences sociales et litttérature), v. Augustin Berque (dir.), Logique du lieu et dépassement de la modernité, 2 vol., Bruxelles, Ousia, 2000.],
et dont pourtant il a certainement entendu parler un jour ou l'autre par ses nombreux visiteurs nippons. Comme on l'a vu plus haut, il s'aggissant là de substituer le principe de l'identité du prédicat à celui de l'identité du sujet, qui caractérise  la logique aristotélicienne
[C'est celle qui s'exprime dans le syllogisme classique "1. Tous les hommes son mortels; 23. or Socrate est un homme, 3. donc Socrate est mortel". Socrate, le sujet mineur, est compris dans le sujet majeur "tous les hommes": il y a identité du sujet, lequel a donc le même prédicat: être mortel.]
Nakamura Yûjirô a plus tard montré [Dans son Nishida Kitarô, Tokyo, Iwanami, 1983] que le principe de l'identité du prédicat relève de ce que le psychiatre Silvano Arieti appelait "paléologique", et a mis en évidence chez les schizophrènes. Tout illogique qu'elle soit, néamoins, cette paléologique est non seulement ce qui est à l'œuvre dans notre inconscient comme dans la métaphore en général, mais se trouve mise couramment à profit dans la réalité sociale. C'est bien par exemple le principe de l'identité du prédicat qu'utilise systemématiquement la pub dans ses paléo-syllogismes du genre " 1. George Clooney boit du Nespressso; 2. or je bois du Nespresso (i.e. en achetant une machine à Nespresso); 3. donc je suis George Clooney."
[Je singe ici l'exemple d'une jeune schizophrène, patiente d'Arieti, qui se prenait pour la Sainte Vierge, et dont Nakamura, p. 204, analyse le "raisonnement" sous la forme de ce paléo-syllogisme: "1. La Sainte Vierge est vierge; 2. or je suis vierge; 3. donc je suis la Sainte Vierge". La Sainte Vierge et la jeune fille ayant le même prédicat (être vierge), la jeune fille fille s'identifie à la Sainte Vierge.]

Comme cet exemple le montre, la paléologique est illogique, mais elle fonctionne. C'est même la condition de toute pensée, comme, combibnant linguistique et sciences cognitives, Lakoff et Johnson l'ont montré en poussant plus l'analyse de ce que Merleau-Ponty qualifiait de pensée préréflexive ou antéprédicative.
[George Lakoff et Mark Johnson, Philosophy in the flesh. The embodied mind and its challenge to Western thought, New York, Basic Books, 1999].
Il s'agit là pour eux d'un "inconscient cognitif", enraciné dans la chair, lequel en outre structure ce qui est partie consciente de la pensée, et la rend donc possible comme telle; cela sur la base de quelques centaines de "métaphores primaires" comme: "Affection is warmth, Important is big, Happy is up, Intimacy is closeness, Bad is stinky...", etc. Ces métaphores vont d'une source qui est le domaine sensori-moteur vers une cible qui est l'expérience subjetive, la source étant en position de prédicat (par example "chaleur" dans "affection est chaleur"). [Op.cit., p. 50 sq.]

Être la condition de toute pensée, toutefois, ce n'est pas être toute pensée. La conscience à son tour interprète la chair dans ses propres termes et selon ses propres règles. En l'oubliant, Lakoff et Johnson commettent à mon sens une erreur homologue à celle que Nishida commit en absolutisant le prédicat, identifié ou néant absolu (zettai mu). Inutile de préciser que cette façon de voir devait beaucoup au zen, que Nishida pratiquait depuis sa jeunesse. Et c'est derechef une erreur homologue que Yamauchi commet en absolutisant le tiers et le quart lemme en tant que "Sens Vainqueur" (shogi). Cette absolutisation est un bond mystique, un bond non seulement permis mais requis par la pensée religieuse, celle-là qui fit dire à Tertullien son fameux Credo quia absurdum. Quant à elles, ni la philosophie, ni a fortiori  la science ne peuvent se le permettre. En revanche, elles peuvent et doivent, comme la physique et la mésologie l'ont fait au XXe siècle, montrer la pregnance des dispositifs – fussent-ils ceux des expériences de la physique
[Pensons par exemple aux "chaînes de von Neumann", dont d'Espagnat (op.cit.) parle page 128], ce sont tous des sesetsu  – qui produisent la réalité, laquelle à jamais sera donc pour nous la réalité [C'est-à-dire, en termes logiques, S en tant que P, et non pas l'en-soi de S (le Réel).], non pas le Réel [C'est l'essence de la philosophie que d'Espagnat – qui était physicien – tire du quantique (op.cit.). Comme exemple de dispositif (sesetsu) quantique, v. entre autres ce qui est dit p. 128 des "chaînes de von Neumann".]

[...]

Cette langue [le japonais, RC] fonctionne plutôt selon une ternarité concrète S-I-P, où I est l'interprète pour qui justement, S peut être P. [J'ai dévéloppé cette question dans Poétique de la Terre, op.cit, p.25 sq. On peut également à ce propos évoquer la distinction que les linguistes font entre langue et discours.]. Autrement dit, cette langue a une affinité structurelle avec le propos même de Yamanauchi: montrer que, selon l'être concerné, il est diverses portes (P, P', P''....) à un même objet (S), et qu'ainsi, la réalité concrète empirique n'est jamais que S en tant que P pour I. Elle n'est donc jamais, comme l'écrirait d'Espagnat, qu'un réel voilé, ou comme l'écrirait Meillassoux, elle est toujours correlationnelle. [Lequel pour sa part, dans Après la finitude. Essais sur la nécesité de la contingence, Paris, Seuil, 2006, postule, en se fondant sur les  mathématiques (en l'occcurrence le non-Tout cantorien), que la pensée peut néamoins penser des étants absolus, i.e. "pensables comme indifférents à la pensée pour exister" (p. 189).]

Or cela, c'est le principe même de la mésologie [Pus de détails là-dessus dans mon La Mésologie, pourquoi et pour quoi faire? Nanterre-La Défense, Presses universitaires de Paris Ouest, 2014.] et c'est pourquoi, bien que Yamauchi lui-même ait conclu sur d'autres perspectives – celles d'un bond mystique absolutisant le tiers et le quart lemmes –, les références foisonnantes qu'il donne à son propos font de Logos et Lemme, comme il l'ambitionnait, une passerelle entre Orient et Occident.



LOUISE LABÉ

Lyon 1524 – Parcieux-en-Dombes 1566


Louise Labé, portrait par Pierre Woeiriot (1555)

https://fr.wikipedia.org/wiki/Louise_Lab%C3%A9


Poème

Je vis, je meurs

1555

Sonnet VIII

Je vis, je meurs ; je me brûle et me noie ;
J'ai chaud extrême en endurant froidure :
La vie m'est et trop molle et trop dure.
J'ai grands ennuis entremêlés de joie.

Tout à un coup je ris et je larmoie,
Et en plaisir maint grief tourment j'endure ;
Mon bien s'en va, et à jamais il dure ;
Tout en un coup je sèche et je verdoie.

Ainsi Amour inconstamment me mène ;
Et, quand je pense avoir plus de douleur,
Sans y penser je me trouve hors de peine.

Puis, quand je crois ma joie être certaine,
Et être au haut de mon désiré heur,
Il me remet en mon premier malheur.

Cfr. Louise Labé: Œuvres complètes. Ed. de Mireille Huchon, Gallimard/La Pléiade 2022.




Devotions Upon Emergent Occasions


MEDITATION XVII.

N
UNC LENTO SONITU DICUNT, MORIERIS.

Now this bell tolling softly for another,
says to me, Thou must die.


PERCHANCE he for whom this bell tolls may be so ill as that he knows not it tolls for him.  And perchance I may think myself so much better than I am, as that they who are about me, and see my state, may have caused it to toll for me, and I know not that.  The church is catholic, universal, so are all her actions; all that she does, belongs to all.  When she baptizes a child, that action concerns me; for that child is thereby connected to that head which is my head too, and ingraffed into that body, whereof I am a member.  And when she buries a man, that action concerns me; all mankind is of one author, and is one volume; when one man dies, one chapter is not torn out of the book, but translated into a better language; and every chapter must be so translated; God employs several translators; some pieces are translated by age, some by sickness, some by war, some by justice; but God's hand is in every translation, and his hand shall bind up all our scattered leaves again, for that library where every book shall lie open to one another; as therefore the bell that rings to a sermon, calls not upon the preacher only, but upon the congregation to come; so this bell calls us all: but how much more me, who am brought so near the door by this sickness.

There was a contention as far as a suit (in which, piety and dignity, religion and estimation, were mingled) which of the religious orders should ring to prayers first in the morning; and it was determined, that they should ring first that rose earliest.  If we understand aright the dignity of this bell, that tolls for our evening prayer, we would be glad to make it ours, by rising early, in that application, that it might be ours as well as his, whose indeed it is.  The bell doth toll for him, that thinks it doth; and though it intermit again, yet from that minute, that that occasion wrought upon him, he is united to God.  Who casts not up his eye to the sun when it rises?  But who takes off his eye from a comet, when that breaks out? who bends not his ear to any bell, which upon any occasion rings?  But who can remove it from that bell, which is passing a piece of himself out of this world?

No man is an island,  entire of itself; every man is a piece of the continent, a part of the main; if a clod be washed away by the sea, Europe is the less, as well as if a promontory were, as well as if a manor of thy friend's or of thine own were;  any man's death diminishes me, because I am involved in mankind, and therefore never send to know for whom the bell tolls; it tolls for thee.

Neither can we call this a begging of misery, or a borrowing of misery, as though we were not miserable enough of ourselves, but must fetch in more from the next house, in taking upon us the misery of our neighbors.  Truly it were an excusable covetousness if we did; for affliction is a treasure, and scarce any man hath enough of it.  No man hath afflicion enough, that is not matured and ripened by it, and made fit for God by that affliction.  If a man carry treasure in bullion or in a wedge of gold, and have none coined into current moneys, his treasure will not defray him as he travels.  Tribulation is treasure in the nature of it, but it is not current money in the use of it, except we get nearer and nearer our home, heaven, by it.  Another may be sick too, and sick to death, and this affliction may lie in his bowels, as gold in a mine, and be of no use to him; but this bell that tells me of his affliction, digs out, and applies that gold to me: if by this consideration of another's danger, I take mine own into contemplation, and so secure myself, by making my recourse to my God, who is our only security.

Source: The Works of John Donne, vol. III. Henry Alford ed. London, 1839. 574-575


Witchcraft by a Picture

 

I fix mine eye on thine, and there

Pity mi picture burning in thine eye,

My picture drowned in a transparent tear,

When I look lower I espy;

Hadst thou the wicked skill

By pictures made and marred, to kill,

How many ways mightst thou perform thy will?

 

But now I have drunk thy sweet salt tears,

And though thou pour more I’ll depart;

My picture vanished, vanish fears,

That I can be endamaged by that art;

Though thou retain of me

One picture more, yet that will be,

Being in thine own heart, from all malice free.


Source: John Donne: The Major Works. Oxford World Classics, 1990, p. 117



NICOLAS BERDIAEFF


De l’esclavage et de la liberté de l‘homme

Paris, Aubier 1946, p. 239-247

Traduction du russe par S. Jankelevitch

 
 
Berdiaeff

https://fr.wikipedia.org/wiki/Nicolas_Berdiaev

(1874 -1948)


Chapitre III

2. b) Le collectivisme et sa séduction. Le collectivisme source d'esclavage. La séduction des utopies. Le double aspect du socialisme

5.

Une société divisée en classes repose sur l’injustice et est une négation de la dignité personnelle. Le personnalisme nie la société divisée en classes, il exige une société sans classes. C’est en cela que consiste la vérité du socialisme et celle du communisme. Mais en voulant être exclusivement prolétarien et en cherchant à fonder une société prolétarienne, le socialisme montre qu’il ne s’est pas affranchi des survivances de la société fondée sur la division en classes.

Le socialisme personnaliste doit être, non un socialisme de classe, mais un socialisme populiste et humain, c’est-à-dire libre de toute distinction de classe, de tout ce qui pourrait faire de lui une source d’un nouvel esclavage. Les classes créent entre les hommes des distinctions et des inégalités fondées, non sur les mérites, des qualités et des dons personnels, mais sur des privilèges tenant à la naissance, au sang, à la fortune, à l’argent. C’est là un principe de classification inhumain, contraire à l’humanité. La différenciation est un fait social nécessaire, mais la différentiation ne doit pas s’effectuer dans le sens d’une division en classes sociales. Les différences, les inégalités, les diversités doivent être humaines, personnelles, et non des différences impersonnelles, des différences de classe ou sociales. Il y avait jadis de grandes différences et inégalités entre les nobles, mais chaque noble avait sa dignité de noble et était socialement l’égal de tout autre noble.

C’est de même que toute la société doit se composer de nobles, quelles que soient leurs différences personnelles. La distinction en classe bourgeoise et classe ouvrière est fausse, inhumaine, impersonnelle, et doit disparaître. Le processus de nivellement social ne doit pas être conçu comme un processus de dépersonnalisation mais, au contraire, comme un processus de différenciation et de diversification, destiné à ne mettre en évidence que les différences qualitatives que la société fondée sur la division en classes empêche de se manifester. La société sans classes, loin d’être une utopie, est une réalité inéluctable; tant que la société se composera de classes, il ne pourra pas être question de son humanisation. Les sociétés aristocratiques ne niaient pas l’existence de classes, qu’elles appelaient états, et défendaient par principe toutes les inégalités, aussi bien celles de classe que celles de races et de familles ; et c’est en cela que consistait la sincérité, la franchise des sociétés aristocratiques.

Les sociétés bourgeoises, au contraire, ne veulent pas avouer l’existence de classes, et leurs idéologues que là où il y a égalité civile il n’y a pas de classes; ils accusent les socialistes d’avoir inventé et l’existence de classes et celle de la lutte de classes. Et c’est en cela que consiste l’insincérité, le manque de franchise des sociétés bourgeoises. Les classes existent, et la lutte de classes se poursuit avec acharnement non seulement du côté des ouvriers, mais aussi du côté des bourgeois. L’existence d’hommes de classe, le primat de la classe sur l’homme sont le grand mal de la société en général, des sociétés modernes en particulier. La supériorité du prolétariat consiste en ce qu’il cherche à se supprimer comme tel, pour devenir partie intégrante de l’humanité, son incarnation pour ainsi dire.

Telle est également l’idée du socialisme marxiste. Mais, dans la pratique, le prolétariat s’affirme, au contraire, comme classe et crée ainsi un obstacle à la formation de la nouvelle société. Toute psychologie de classe est condamnable, et la dignité de l’homme consiste justement à la dépasser. Mais lorsque c’est la bourgeoisie qui demande au prolétariat de dépasser sa psychologie de classe et de mettre fin à la lutte de classes, elle fait preuve d’hypocrisie et a recours à une ruse de guerre. Une société vraiment, authentiquement humaine est une société fraternelle, où il n’existe aucune hiérarchie de classes, où les critères, où les meilleurs, ceux qui possèdent les qualités les plus hautes, se reconnaissent, non d’après leurs droits, mais d’après leurs devoirs. Toutefois une société fraternelle, elle ne peut se composer que d’hommes d’un niveau spirituel élevé. Et il ne faudra jamais juger des qualités personnelles d’après les avantages économiques.

A la base de la meilleure société personnaliste se trouve, non l’idée du citoyen ou du producteur, non une idée politique ou économique, mais l’idée spirituelle de l’homme complet, de la personne. Ceci signifie le primat de l’esprit sur le politique et l’économique. L’idée de citoyen, celle de producteur sont des abstractions, obtenues par la fragmentation de l’homme complet. La plénitude réside toujours dans l’homme, et non dans la société. Les privilèges d’une minorité qualitative, d’une élite spirituelle n’ont rien de commun avec les privilèges de classe, ne se prêtent pas à une objectivation sociale. Il y aura toujours dans les sociétés des groupes qualitativement différents, en rapport avec les professions, les vocations, les talents, le niveau de culture, mais ces différences n’ont rien de commun avec les différences de classe. Les classes doivent avant tout être remplacées par des professions.

La société ne peut pas être une masse dépourvue de différences qualitatives. Dans toute société organisée, il existe une tendance à l’inégalité, et l’égalité par le bas est domination de la plèbe qui ne représente pas le peuple. Mais le personnalisme n’admet pas l’humiliation de l’homme pour des raisons de hiérarchie et de classe. L’élévation de l’homme doit être avant tout spirituelle; amis au point de vue matériel, l’homme doit chercher mais à s’élever qu’a réaliser son égalité avec les autres. Dans la société capitaliste, l’instruction était accessible mains aux plus doués qu’aux plus fortunés. Il est vrai que le socialisme a souvent eux pour corollaire une basse de niveau de la culture, une subordination du spirituel à l’économique, une certaine méfiance de la hauteur humaine et du génie humain. Mais c’étaient là des effets, non du système économique et social du socialisme. L’esclavage qu’engendre le communisme provient de la fausse orientation de l’esprit, mais non de l’économique comme tel. Même la négation de l’esprit est une manifestation de l’esprit, quoique mal dirigée.

On n’a pas encore réussi à concilier le problème social et le problème spirituel, et cela par la faute aussi bien des uns que des autres. Au XIXe siècle, Herzen en Russie et Proudhon en France se sont bien rapprochés du socialisme personnaliste, mais leur philosophie était mauvaise; certaines idées du jeune Marx, convenablement développées, auraient bien pu conduire au socialisme personnaliste mais elles ont suivi, dans leur développement, une direction opposée.
(...)
La fraternité humaine, qui est un problème spirituel, qu'aucune organisation sociale ne saurait résoudre, constitue un rapprochement et une union, non dans le général abstrait, mais dans l'individuel concret. La fraternité suppose l'individualité des hommes et des peuples. Le personnalisme comporte également la décentralisation et le fédéralisme, une lutte contre les monstres centralisés. Contrairement à ce que proclament la pluplart des idéologies de notre époque: communisme, fascisme, démocratie parlamentaire, la question sociale ne peut
être résolue par la conquête du pouvoir, qui signifie le primat de la politique et l'étatisme sous une forme ou sous une autre. Ce n'est qu'en tant que fiction que la politique maintient, tout comme cette autre fiction qu'est l'argent, son pouvoir sur la vie humaine. La solution de la question sociale ne peut être que l'aboutissement de processus moléculaires qui, s'accomplissant dans la vie d'un peuple, régénèrent pour ainsi dire le tissu et la structure intime de la société; elle sera trouvée par en bas, et non par en haut, c'est-à-dire en partant de la liberté, et non de l'autorité. La solution de la question sociale, obtenue par la politique ayant assumé un caractère absolu, par l'autorité du pouvoir, n'est en grande partie qu'une solution fictive, qui laisse intacts les tissus dont se compose la société. Il est vrai que la réalisation de la justice exige des mesures de contrainte sociale, mais la communauté fraternelle des hommes, la fraternité communautaire ne peut être qu'une création de la liberté, le résultat de profonds processus moléculaires. La solution réelle de la question sociale ne peut être obtenue par le mensonge démagogique. Le personnalisme ne peut être fondé que sur la vérité. Le monde moderne connaît l'apothéose socialiste du travail. Mais, fait bizarre, cette apothéose ne nous apprend rien sur le sens du travail, elle tend surtout à libérer l'ouvrier, à l'empêcher de plier sous le lourd poids du travail. Sur ce point on se heurte dans le socialisme à une contradiction due au caractère borné de la conception du monde socialiste. L'affranchissement de l'ouvrier du pouvoir asservissant du travail, affranchissement conforme aux exigences de la justice, pose le problème des loisirs qu'on ne sait avec quoi remplir. La rationalisation et la méchanisation de la vie économique dans le régime capitaliste engendrent le chômage, qui constitue la plus impitoyable condamnation de ce régime. Certaines organisations sociales, plus justes et plus humaines, peuvent bien abréger la durée du travail, rendre celui-ci moins pénible et créer ainsi des loisirs remplis de "jeux innocents et de danses".

Mais peut-on dire que la suppression totale du travail pénible et la transformation de l'existence en une suite de loisirs ininterrompus constituent le but de la vie sociale? C'est là une fausse concéption de la vie humaine, la négation du té sérieux et profond de la vie de l'homme sur la terre. Le travail doit être affranchi de l'esclavage et de l'oppression, mais affranchir complètement l'homme du travail est une tâche impossible. Le travail est la plus grande réalité de la vie humaine dans ce monde, la réalité primaire. La politique, l'argent ne sont pas des réalités primaires, ce sont des fictions. Et c'est à la réalité du travail qu'on doit accorder la première place. Le travail implique à la fois la vérité de l'expiation ("c'est à la sueur de ton front que tu gagneras ton pain") et celle de l'activité créatrice et organsatrice. Ces deux vérités sont immanentes au travail. Le travail humain humanise la nature, il témoigne de la grande mission dévolue à l'homme dans la nature. Mais le péché et le mal ont détourné le travail de sa mission, ce qui a eu pour effet une déshumanisation du travail, une aliénation de la nature humaine chez le travailleur. C'est en cela que consistent le mal et l'injustice aussi bien de l'esclavage de l'antiquité que de celui du régime capitaliste de nos jours. L'homme a voulu s'assurer non seulement la domination sur la nature, mais aussi le pouvoir sur l'homme, sur ses frères, et il l'a fait en asservissant le travail. Ceci répresente l'objectivation extrême de l'existence humaine. C'est ce que nous voyons, par exemple, dans ce que Marx appelle le "fétichisme des marchandises".

Mais si le travail doit être affranchi, il de doît pas être divinisé, transformé en idole. La vie humaine ne se réduit pas tout entière au travail, à l'activité laborieuse, elle est également contemplation. L'activité doit alterner avec la contemplation qu'il est impossible d'éliminer de la vie humaine. Une vie trop absorbée par l'activité laborieuse peut asservir l'homme aux flux du temps, alors que par la contemplation l'homme peut se soustraire au pouvoir du temps et s'élancer dans l'éternité. La contemplation est, elle aussi, création, mais elle l'est autrement que le travail. D'après la conception du monde bourgeois, le travail ne connaît d'autre mobile que l'intérêt personnel. Les ouvriers ne fourniraient un travail productif et ne se montreraient disciplinés que sous la menace de perdre leur travail et d'être acculés, eux et leurs familles, à la faim. Or, c'est bien en celaa que consiste l'asservissement au travail. La bourgeoisie objecte au socialisme que la productivité de l'économie repose sur l'intérêt personnel. Mais puisque les ouvriers travaillent dans une économie qui n'est pas la leur, à laquelle ils ne sont pas intéressés personnellement, il en résulte que la productivité économique repose sur la crainte servile des ouvriers d'être jetés à la rue. C'est l'esclavage qui constitue la base du travail dans la société capitaliste. L'initiative personnelle dans la vie économique ne se confond nullement avec l'initiative du capitaliste, possesseur des moyens de production, cette initiative pouvant même manquer. L'initiative et la direction d'une entreprise économique peuvent appartenir à un ingénieur spécialiste qui n'est pas le propriétaire, qui n'y est interessé qu'en tant qu'homme remplissant une mission sociale, se livrant à une activité créatrice. L'initiative créatrice personnelle ne disparaîtra jamais de la vie économique. C'est toujours une personne qui est le sujet de l'économie, ce qui n'équivaut nullement à la possession des moyens d'asservissement.

Quoi qu'il en soit le personnalisme ne saurait admettre la prédominance de l'intérêt personnel et de la concurrence dans la vie économique, c'est-à-dire la transformation de la société humaine en une société des loups. Néamoins même dans la société capitaliste, tout ne repose pas sur l'interêt personnel. Ceux qui l'affirment se font de la vie économique et sociale une conception trop rationelle. En fait, les instincts  subconscients, qu'il ne faut pas confondre avec les intérêts personnels, y jouent un rôle très important. Dans leur luttes sociales, les classes bourgeoises obéissent plus souvent à ces instincts sub-conscients, aux prejugés irrationels, qu'à des interêts rationnels et conscients. Dans son égocentrisme, l'homme va souvent jusqu'à agir en dépit de la raison. C'est par exemple, l'amour du lucre qui le pousse à préparer des guerres qui doivent amener sa perte. Les rêves jaillissant de l'inconscient, et même le délire proprement dit, jouent dans la vie sociale un rôle dont il ne faut pas minimiser l'importance. C'est dans la politique, et surtout dans la politique internationale, que le délire joue un grand rôle. Les hommes courent à leur perte, se soumettent à la fatalité. C'est ce qui se produit surtout dans les sociétés mourantes, dans les sociétés en voie de désagrégation. 

Pour créer un monde nouveau, pour édifier un régime social nouveau, il faut passer par une sévère ascèse. C'est une erreur de croire que l'ascèse n'est réalisable que dans la vie personnelle, et qu'elle n'a rien à voir avec la vie sociale et historique. Pour vaincre la tentation et l'esclavage social, il faut que le sujet diminue le tribut qu'il paie au monde objectif. Il faut que la personne ait assez de force pour résister aux tentations entraînant l'esclavage de la personne. En outre, la personne doit être plus sociale au bon sens du mot, et moins sociale au mauvais, autrement dit elle doit être sociale, en s'inspirant de la liberté, et non contrainte par le déterminisme et l'esclavage. Le monde doit se composer de communautés de travailleurs rattachées les unes aux autres par les liens spirituels et unies en une fédération.


SOKRATES

Sokrates


Theätet 161a

φιλόλογός γ᾽ εἶ ἀτεχνῶς καὶ χρηστός,  Θεόδωρε, ὅτι με οἴει λόγων τινὰ εἶναι θύλακον καὶ ῥᾳδίως ἐξελόντα ἐρεῖν ὡς οὐκ αὖ ἔχει οὕτω ταῦτα:
τὸ δὲ γιγνόμενον οὐκ ἐννοεῖς, ὅτι οὐδεὶς τῶν λόγων ἐξέρχεται παρ᾽ ἐμοῦ ἀλλ᾽ ἀεὶ παρὰ
τοῦ ἐμοὶ προσδιαλεγομένου, ἐγὼ δὲ οὐδὲν ἐπίσταμαι πλέον πλὴν βραχέος, ὅσον λόγον παρ᾽ ἑτέρου σοφοῦ λαβεῖν καὶ ἀποδέξασθαι μετρίως.
καὶ νῦν τοῦτο παρὰ τοῦδε πειράσομαι, οὔ τι αὐτὸς εἰπεῖν
.

You are truly fond of argument, Theodorus, and a very good fellow to think that I am a sort of bag full of arguments and can easily pull one out and say that after all the other one was wrong;
but you do not understand what is going on: none of the arguments comes from me, but always from him who is talking with me. I myself know nothing, except just a little, enough to extract an argument from another man who is wise and to receive it fairly. And now I will try to extract this thought from Theaetetus, but not to say anything myself.


Philebos 53e

Πρώταρχος
τὸ τρίτον ἔτ᾽ ἐρῶ; λέγε σαφέστερον, ὦ Σώκρατες, ὅτι λέγεις.

Σωκράτης
οὐδέν τι ποικίλον, ὦ Πρώταρχε: ἀλλ᾽ ὁ λόγος ἐρεσχηλεῖ νῷν, λέγει δ᾽ ὅτι τὸ μὲν ἕνεκά του τῶν ὄντων ἔστ᾽ ἀεί, τὸ δ᾽ οὗ χάριν ἑκάστοτε τὸ τινὸς ἕνεκα γιγνόμενον ἀεὶ γίγνεται.

Πρώταρχος
μόγις ἔμαθον διὰ τὸ πολλάκις λεχθῆναι.


Protarchus
Must I say it a third time? Please tell your meaning more plainly, Socrates.

Socrates
It is no riddle, Protarchus; the talk is merely jesting with us and means that one part of existences always exists for the sake of something, and the other part is that for the sake of which the former is always coming into being.

Protarchus
I can hardly understand after all your repetition.


Philebos 66a

Σωκράτης

πάντῃ δὴ φήσεις, ὦ Πρώταρχε, ὑπό τε ἀγγέλων πέμπων καὶ παροῦσι φράζων, ὡς ἡδονὴ κτῆμα οὐκ ἔστι πρῶτον οὐδ᾽ αὖ δεύτερον,
ἀλλὰ πρῶτον μέν πῃ περὶ μέτρον καὶ τὸ μέτριον καὶ καίριον καὶ πάντα ὁπόσα χρὴ τοιαῦτα νομίζειν, τὴν †ἀίδιον ᾑρῆσθαι
 
Socrates
Then you will proclaim everywhere, Protarchus, by messengers to the absent and by speech to those present,
that pleasure is not the first of possessions, nor even the second, but first the eternal nature has chosen measure, moderation, fitness, and all which is to be considered similar to these.


EURIPIDES

Euripides

Alcestis,
328-368

Admetos

It shall be so, fear not, it shall be so. While you lived you were my wife, and in death [330] you alone will bear that title. No Thessalian bride will ever speak to me in place of you: none is of so noble parentage or so beautiful as that. And of children I have enough. I pray to the gods [335] that I may reap the benefit of them, as I have not of you. I shall mourn you not a year only but as long as my life shall last, hating her who bore me and loathing my father. For their love was in word, not deed. [340] But you sacrificed what is most precious so that I might live. Do I not have cause to mourn when I have lost such a wife as you?

I shall put an end to revels and the company of banqueters and to the garlands and music which once filled my halls. [345] I shall never touch the lyre, or lift my heart in song to the Libyan pipe. For you have taken all the joy from my life. An image of you shaped by the hand of skilled craftsmen shall be laid out in my bed. [350] I shall fall into its arms, and as I embrace it and call your name I shall imagine, though I have her not, that I hold my dear wife in my arms, a cold pleasure, to be sure, but thus I shall lighten my soul's heaviness. And perhaps you will cheer me [355] by visiting me in dreams. For even in sleep it is pleasant to see loved ones for however long we are permitted

If I had the voice and music of Orpheus so that I could charm Demeter's daughter or her husband with song and fetch you from Hades, [360] I would have gone down to the Underworld, and neither Pluto's hound nor Charon the ferryman of souls standing at the oar would have kept me from bringing you back to the light alive. But now wait for me to arrive there when I die and prepare a home where you may dwell with me. [365] For I shall command my children here to bury me in the same coffin with you and to lay out my body next to yours. Never, even in death, may I be parted from you, the woman alone has been faithful to me!

Engl. David Kovacs

On Alcestis see here.


Ἄδμητος
ἔσται τάδ᾽, ἔσται, μὴ τρέσῃς: ἐπεὶ σ᾽ ἐγὼ
καὶ ζῶσαν εἶχον, καὶ θανοῦσ᾽ ἐμὴ γυνὴ
330μόνη κεκλήσῃ, κοὔτις ἀντὶ σοῦ ποτε
τόνδ᾽ ἄνδρα νύμφη Θεσσαλὶς προσφθέγξεται.
οὐκ ἔστιν οὕτως οὔτε πατρὸς εὐγενοῦς
οὔτ᾽ εἶδος ἄλλως ἐκπρεπεστάτη γυνή.
ἅλις δὲ παίδων: τῶνδ᾽ ὄνησιν εὔχομαι
335θεοῖς γενέσθαι: σοῦ γὰρ οὐκ ὠνήμεθα.
οἴσω δὲ πένθος οὐκ ἐτήσιον τὸ σὸν
ἀλλ᾽ ἔστ᾽ ἂν αἰὼν οὑμὸς ἀντέχῃ, γύναι,
στυγῶν μὲν  μ᾽ ἔτικτεν, ἐχθαίρων δ᾽ ἐμὸν
πατέρα: λόγῳ γὰρ ἦσαν οὐκ ἔργῳ φίλοι.
340σὺ δ᾽ ἀντιδοῦσα τῆς ἐμῆς τὰ φίλτατα
ψυχῆς ἔσωσας. ἆρά μοι στένειν πάρα
τοιᾶσδ᾽ ἁμαρτάνοντι συζύγου σέθεν;

παύσω δὲ κώμους συμποτῶν θ᾽ ὁμιλίας
στεφάνους τε μοῦσάν θ᾽  κατεῖχ᾽ ἐμοὺς δόμους.
345οὐ γάρ ποτ᾽ οὔτ᾽ ἂν βαρβίτου θίγοιμ᾽ ἔτι
οὔτ᾽ ἂν φρέν᾽ ἐξάραιμι πρὸς Λίβυν λακεῖν
αὐλόν: σὺ γάρ μου τέρψιν ἐξείλου βίου.
σοφῇ δὲ χειρὶ τεκτόνων δέμας τὸ σὸν
εἰκασθὲν ἐν λέκτροισιν ἐκταθήσεται,
350 προσπεσοῦμαι καὶ περιπτύσσων χέρας
ὄνομα καλῶν σὸν τὴν φίλην ἐν ἀγκάλαις
δόξω γυναῖκα καίπερ οὐκ ἔχων ἔχειν:
ψυχρὰν μέν, οἶμαι, τέρψιν, ἀλλ᾽ ὅμως βάρος
ψυχῆς ἀπαντλοίην ἄν. ἐν δ᾽ ὀνείρασιν
355φοιτῶσά μ᾽ εὐφραίνοις ἄν: ἡδὺ γὰρ φίλους
κἀν νυκτὶ λεύσσειν, ὅντιν᾽ ἂν παρῇ χρόνον.

εἰ δ᾽ Ὀρφέως μοι γλῶσσα καὶ μέλος παρῆν,
ὥστ᾽  κόρην Δήμητρος  κείνης πόσιν
ὕμνοισι κηλήσαντά σ᾽ ἐξ Ἅιδου λαβεῖν,
360κατῆλθον ἄν, καί μ᾽ οὔθ᾽  Πλούτωνος κύων
οὔθ᾽ οὑπὶ κώπῃ ψυχοπομπὸς ἂν Χάρων
ἔσχον, πρὶν ἐς φῶς σὸν καταστῆσαι βίον.
ἀλλ᾽ οὖν ἐκεῖσε προσδόκα μ᾽, ὅταν θάνω,
καὶ δῶμ᾽ ἑτοίμαζ᾽, ὡς συνοικήσουσά μοι.
365ἐν ταῖσιν αὐταῖς γάρ μ᾽ ἐπισκήψω κέδροις
σοὶ τούσδε θεῖναι πλευρά τ᾽ ἐκτεῖναι πέλας
πλευροῖσι τοῖς σοῖς: μηδὲ γὰρ θανών ποτε
σοῦ χωρὶς εἴην τῆς μόνης πιστῆς ἐμοί.


MARCUS AURELIUS


Marcus
                      Aurelius

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Aurel


Selbstbetrachtungen, VII, 68


Ungehindert kannst du dein Leben in größter Seelenruhe hinbringen, wenn auch alle Menschen nach Herzenslust ein Geschrei wider dich erheben, ja wenn selbst die wilden Tiere die schwachen Glieder dieser dich umhüllenden Fleischmasse zerreißen sollten. Denn was hindert deine denkende Seele, trotz alledem sich bei vollständiger Heiterkeit zu erhalten, die Umstände richtig zu beurteilen und die ihr dargebotenen Gelegenheiten erfolgreich zu benutzen? So sagt das Urteil zum Ereignis: Das bist du dem Wesen nach, auch wenn du der Meinung nach anders erscheinst; und die Benutzung spricht zur Gelegenheit: Dich suchte ich eben; denn immer bietet mir die Gegenwart Stoff zur Ausübung einer vernünftigen und staatsbürgerlichen Tugend und soll mir Anlaß geben, meine Pflicht gegen Gott und Menschen zu erfüllen. Steht ja doch jedes Begebnis im innigsten Bezug zu Gott oder zum Menschen und ist mithin nichts Unerhörtes oder schwer zu Behandelndes, sondern vielmehr etwas Bekanntes und Leichtes.
Quelle: https://www.projekt-gutenberg.org/antonius/selbstbe/chap007.htmls

Ἀβιάστως διαζῆσαι ἐν πλείστῃ θυμηδίᾳ, κἂν πάντες κατα βοῶσιν ἅτινα βούλονται, κἂν τὰ θηρία διασπᾷ τὰ μελύδρια τοῦ περιτεθραμμένου τούτου φυράματος. τί γὰρ κωλύει ἐν πᾶσι τούτοις τὴν διάνοιαν σῴζειν ἑαυτὴν ἐν γαλήνῃ καὶ κρίσει [τῇ]περὶ τῶν περιεστηκότων ἀληθεῖ καὶ χρήσει τῶν ὑποβεβλημένων ἑτοίμῃ, ὥστε τὴν μὲν κρίσιν λέγειν τῷ προσπίπτοντι˙ “τοῦτο ὑπάρχεις κατ οὐσίαν, κἂν κατὰ δόξαν ἀλλοῖον φαίνῃ˙” τὴν δὲχρῆσιν λέγειν τῷ ὑποπίπτοντι˙ “σὲ ἐζήτουν˙ ἀεὶ γάρ μοι τὸ παρὸνὕλη ἀρετῆς λογικῆς καὶ πολιτικῆς καὶ τὸ σύνολον τέχνης ἀνθρώπου ἢ θεοῦ˙” πᾶν γὰρ τὸ συμβαῖνον θεῷ ἢ ἀνθρώπῳ ἐξοικειοῦται καὶ οὔτε καινὸν οὔτε δυσμεταχείριστον, ἀλλὰ γνώριμον καὶ εὐεργές.

Quelle: https://el.wikisource.org/wiki/%CE%A4%CE%B1_%CE%B5%CE%B9%CF%82_%CE%B5%CE%B1%CF%85%CF%84%CF%8C%CE%BD/7



W. I. LENIN - THOMAS MEYER

Lenin

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wladimir_Iljitsch_Lenin

Thomas Meyer

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Meyer_(Politikwissenschaftler)
 


Thomas Meyer: W.I. Lenin, Hefte zu Hegels Dialektik, Einleitung (München 1969), S. 69-70:

Die bewußte Reproduktion dieser naturwüchsigen Tätigkeit ist ihr zur Logik, zum selbständig geistigen Verhältnis geronnenes praktisches, so daß "die Praxis des Menschen sich dadurch, daß sie sich milliardenmale wiederholt, im Bewußtsein des Menschen als logische Figuren einprägt". (Lenin, Konspekt zu Hegels 'Wissenschaft der Logik'', S. 107) Dann können die logische Figuren nicht länger den Status reiner Naturgesetze beanspruchen, sondern sind auf die spezifischen Gestalten menschlicher Praxis relativ.

    Dafür hat Lenin in einem anderem Zusammenhang ein sehr schönes Beispiel gegeben; wo er am Beispiel der Frage nach dem Wesen des Glases den Unterschied zwischen 'Eklektizismus' und Dialektik erörtert:

"Ein Glas ist unstreitig sowohl ein Glaszylinder als auch ein Trinkgefäß. Das Glas besitzt aber nicht nur diese zwei Merkmale oder Eigenschaften oder Seiten, sondern eine unendliche Zahl andere Merkmale, Eigenschaften, Seiten, Wechselbeziehungen und 'Vermittlungen' mit der gesamten übrigen Welt. Ein Glas ist ein schwerer Gegenstand, der ein Wurfinstrument sein kann. Ein Glas kann als Briefbeschwerer, als Behälter für einen gefangenen Schmetterling dienen, ein Glas kann von Wert sein als Gegenstand mit künstlerischer Gravierung oder Zeichnung, ganz unabhängig davon, ob es sich zum Trinken eignet, oder es aus Glas gefertigt, ob seine Form zylindrisch oder nicht zylindrisch ist, und so weiter und dergleichen mehr.
Weiter. Brauche ich jetzt ein Glas als Trinkgefäß, so ist es für mich absolut unwichtig zu wissen, ob seine Form ganz zylindrisch und ob es wirklich aus Glas gefertigt ist, dagegen ist es wichtig, daß der Boden keinen Sprung aufweist, daß man sich nicht die Lippen verlezt, wenn man dieses Glas benutzt, usw. Brauche ich dagegen ein Glas nicht zum Trinken, sondern zu einer Verwendung, für die jeder Glaszylinder taugt, so genügt mir auch ein Glas mit einem Sprung im Boden oder sogar ganz ohne Boden." Also "muß die vollständige 'Definition' eines Gegenstandes die ganze menschliche Praxis sowohl als Kriterium der Wahrheit wie auch als praktische Determinante des Zusammenhanges eines Gegenstandes mit dem, was der Mensch braucht, eingehen." In: Noch einmal über die Gewerkschaften, Bd. 32, S. 84 f.

Die Praxis der Menschen bildet mit dem realen Verhältnis von Subjekt und Objekt gleichzeitig einen transzendentalen Rahmen vor, innerhalb dessen den Subjekten Objektivität auch in ihrem theoretischen Verhältnis zu ihr einzig erscheinen kann. Insofern vermittelt Praxis "das Zusammenfallen von Subjekt und Objekt." (Lenin, Konspekt..., S. 240) Dieser Gedanke leitet zu den wichtigsten Einsichten des frühen Marx über.
Zwar führt Lenin auch hier die Kategorie der Geschichte ein. An den stärksten Stellen gibt er jedoch das Dogma von der reinen Objektivität des Gegebenen auf. Er deutet einige Beziehungen der Vermittlung von Subjekt und Objekt durch Praxis an, wie sie in den Pariser Manuskripten, die er nicht kannte, entfaltet sind. In zwar bescheidenem Maße vollzieht er den Schritt vom mechanischen zum dialektischen Materialismus an seiner eigenen Theorie.


GWENDOLINE JARCZYK - G.W.F. HEGEL

Gwendoline Jarczyk

Source: https://fr.wikipedia.org/wiki/Gwendoline_Jarczyk


Source: G. Jarczyk: Au confluent de la mort. L’universel et le singulier dans la philosophie de Hegel. Postface de Pierre-Jean Labarrière. (Voir ici). Paris 2002, pp 239-244.


En ce qu’elle brise le cours de la vie et interrompt le dis-cours de l’existence, la mort est certes marquée d’incommunicabilité. Pour en parler, les Grecs évoquaient l’intervention par laquelle la Parque venait à couper le fil de la vie.

Cette extériorité de la mort par rapport au langage redouble à l’infini ce qui vaut pour toute autre expérience qui aurait trait à un aspect essentiel en l’homme. Si le sujet libre se construit en effet au rythme de ses expériences propres, dans la mesure où leur écriture doit être déchiffrée, lue et assumée comme autant de phases associées d’un parcours/discours, l’on ne tire avantage des expériences d’autrui qu’à condition qu’elles permettent un travail de transposition. Et même alors, rien ne remplace, au sens lourd du terme, la traversée personnelle des événements. (…)

Force est de constater que le jugement qui rapproche l’une de l’autre les termes de mort et d’expérience tente d’approcher deux termes irréductibles et, au sens propre, incommensurables. Ce qui, aux yeux de Hegel, caractérise justement le jugement infini, - par quoi il y aurait pertinence à poser cette question: la mort ne serait-elle pas l’événement qui donne le mieux à pressentir certaine infinité constitutive de la finitude même? Viendrait à ce propos l’admirable mot de Hegel : « Le non-être du fini est l’être de l’absolu. » (WdL GW 11, 29/07 (II 87/13). À condition toutefois que l’on n’en vienne pas à se tromper de réalité en pensant sur ce qu’est la mort: car elle n’est que l’indice d’une absence; ce qui mène à ce paradoxe: Si quelqu’un vous dit qu’il a fait l’expérience de la mort, soyez certain qu’il se trompe et qu’il veut vous tromper; car c’est seulement lorsque l’on sait et dit l’impossibilité de pareille rencontre que l’on peut être habilité à en dire quelque chose. Toujours à l’oblique. (…)

Déceler la mort au cœur même de la vie, consentir au négatif qu’elle implique, qu’elle est et ne cesse d’être, serait faire œuvre proprement positive, de par la découverte des implications intégrantes de toute positivité : c’est prendre en compte le fait que la mort ne serait pas d’abord rupture, et que comme passage d’un état à lui-même comme autre, elle serait à vivre par priorité sous la raison d’une continuité. Une continuité de rupture. Hegel semble en avoir fourni l’expression la plus forte dans sa manière d’entendre la contradiction, lieu par excellence où se dit, dans une tension maximale, la possibilité du mouvement, du procès, en ce qu’il conjugue le positif et le négatif – le positif comme tout autant négatif et le négatif tout autant positif – comme un. Alors que l’absence pure et simple de négation serait elle aussi une mort, une mort de fixité qui abolirait toute possibilité d’un mourir. (…)

Une logique dialectique met de la sorte en évidence l’identité toujours pro-mise entre le positif et le négatif, entre le surgir et le disparaître. La vie à ce compte-là n’est vraie que comme permanence d’une disparition, quelque chose qui se joue du côté de l'abîme où se perdent et d’où renaissent toutes puissances de jugement et de réalisation. Ce qui porte l’exigence d’une continuité de rupture, et oriente l’essentiel du vivre en prise sur le mode à l’épreuve d’une dé-maîtrise essentielle qui est l’autre nom d’une liberté réalisante. Où l’on retrouve l’immense question du détachement eckhartien qui, bien au-delà d’une attitude éthique ou spirituelle, relève du plus radical de ce qui est. L’extrême difficulté de la mort demeure en ce qu’elle dit l’abîme sans détour – l’aller au gouffre.

Ainsi l’expérience de la mort révèle-t-elle le lieu dans lequel s’éprouve la finitude humaine. Une finitude à laquelle, à la présenter sous les seules couleurs d’une négation abstraite, on ne rendrait pas justice. Et cela, pour autant que, selon l’expression magnifique de Hegel : « le non-être du fini est l’être de l’absolu ». (WdL GW 11, 290/7 (II 87/13)). Il n’est guère possible d’exprimer avec plus de force spéculative l’identité du négatif et du positif (Cf. WdL GW12, 201/14 sq. (III 317/25 sq.).), - parce que la vérité n’est que l’acte de venir-à-soi-même par la négativité de l’immédiateté » (Id. 251/38 (III 390/4).). (…)

Finitude, c’est-à dire, é-preuve de la temporalité. La mort, d’expérience justement, s’inscrit sur la ligne du temps comme ce qui, coextensif au devenir d’un être, l’interrompt un jour, ce jour où la Parque vient à trancher le fil de la vie pour inscrire une rupture dans sa continuité. Instant décisif qui partage le monde sous le signe de l’avant et de l’après. Mais comment parler ici de continuité, et plus encore de réveil, comme si l’on supposait qu’un voile se déchire et que l’on puisse alors relire le temps écoulé, l’appréhender enfin sous son vrai jour? Tout idée d’une quelconque prolongation de la vie après la mort est en effet dénuée de sens. Ni dans un autre monde, ni dans cette mémoire des hommes qui ne serait qu’un avatar de l’immortalité. Que tout homme ait à recueillir quelque chose de celui qui le précède pour le mener, s’il est possible, à accomplissement, en cela consiste en son fond l’aventure de la culture. Le monde qui se prépare ne vivra que s’il ressemble ainsi l’expérience de ceux qui ont œuvré à l’impossible comme de ceux qui ont succombé à l’innombrable. (…)

Quoi qu’il en soit, le paradoxe/contradiction consiste justement en ce que, bien qu’inséparable de la vie, bien que constitutive de la vie en quelque sorte, la mort ne saurait être vécue sans masque, à visage nu. Le démasquage incessant, le masque-demasqué qu’elle est, serait donc lui-même partie intégrante de la vie. Ainsi la mort serait-elle vécue.


Hegel

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)

Source: G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes: Vorrede, Frankfurt 1975, S. 35-36.

Das Analysieren einer Vorstellung, wie es sonst getrieben worden, war schon nichts anderes als das Aufheben der Form ihres Bekanntseins. Eine Vorstellung in ihre ursprünglichen Elemente auseinanderlegen, ist das Zurückgehen zu ihren Momenten, die wenigstens nicht die Form der vorgefundenen Vorstellung haben, sondern  das unmittelbare Eigentum des Selbst ausmachen. Diese Analyse kommt zwar nur zu Gedanken, welche selbst bekannte, feste und ruhende Bestimmungen sind. Aber ein wesentliches Moment ist dies Geschiedene, Unwirkliche selbst; denn nur darum, daß das Konkrete sich scheidet und zum Unwirklichen macht, ist es das sich Bewegende. Die Tätigkeit des Scheidens ist die Kraft und Arbeit des Verstandes, der verwundersamsten und größten oder vielmehr der absoluten Macht. Der Kreis, der in sich geschlossen ruht und als Substanz seine Momente hält, ist das unmittelbare und darum nicht verwundersame Verhältnis. Aber daß das von seinem Umfange getrennte Akzidentelle als solches, das Gebundene und nur in seinem Zusammenhange mit anderem Wirkliche ein eigenes Dasein und abgesonderte Freiheit gewinnt, ist die ungeheure Macht des Negativen; es ist die Energie des Denkens, des reinen Ichs. Der Tod, wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen wollen, ist das Furchtbarste, und das Tote festzuhalten das, was die größte Kraft erfordert.

Die kraftlose Schönheit haßt den Verstand, weil er ihr dies zumutet, was sie nicht vermag. Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht ist er nicht als das Positive, welches von dem Negativen wegsieht, wie wenn wir von etwas sagen, dies ist nichts oder falsch, und nun, damit fertig, davon weg zu irgend etwas anderem übegehen; sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die es in das Sein umkehrt. - Sie ist dasselbe, was oben das Subjekt genannt worden, welches darin, daß es die Bestimmtheit in seinem Elemente Dasein gibt, die abstrakte, d.h. nur überhaupt seiende Unmittelbarkeit aufhebt und dadurch die wahrhafte Substanz ist, das Sein oder die Unmittelbarkeit welche nicht die Vermittlung außer ihr hat, sondern diese selbst ist.


THOMAS AQUINAS


Thomas
                  Aquinas

Source: https://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Aquinas



Source: Thomas Aquinas:  De veritate, Question 1: Truth, Article 2 (Engl. transl. with a minor but important change)
Latin text follows: Thomas von Aquin: Von der Wahrheit (ed. A. Zimmermann), Meiner, Hamburg 1986, p. 16.

See my:  Pas sens.


Sed sciendum, quod res aliter comparatur ad intellectum practicum, aliter ad speculativum. Intellectus enim practicus causat res, unde est mensura rerum quae per ipsum fiunt, sed intellectus speculativus, quia accipit a rebus, est quodammodo motus ab ipsis rebus, et ita res mensurant ipsum; ex quo patet quod res naturales, a quibus intellectus noster scientiam accipit, mensurant intellectum nostrum, ut dicitur in X Metaphysicae (c.2, 1053a31), sed sunt mensuratae ab intellectu divino, in quo sunt omnia sicut omnia artificiata in intellectu artificis: sic ergo intellectus divinus est mensurans non mensuratus; res autem naturalis, mensurans et mensurata, sed intellectus noster mensuratus et non mensurans res quidem naturales, sed artificiales tantum.

Res ergo naturalis, inter duos intellectus constituta, secundum adaequationem ad utrumque vera dicitur: secundum enim adaequationem ad intellectum divinum dicitur vera, in quantum implet hoc ad quod est ordinata per intellectum divinum, ut patet per Anselmum in libro De veritate (c.7, p. 56-59) et per Augustinum in libro De vera religione (c.36, p. 230/15-16), et per Avicennam in diffinitione inducta, scilicet "veritas cuiusque rei est proprietas sui esse quod stabilitum est ei"; secundum autem adaequationem ad intellectum <humanum> dicitur res vera, in quantum est nata de se facere veram aestimationem, sicut e contrario falsa dicuntur quae "sunt nata videri quae non sunt, aut qualia non sunt" ut dicitur in V Metaphysicae (c.29, 1024a21).

Prima autem ratio veritatis per prius inest rei quam secunda, quia prius est eius comparatio ad intellectum divinum quam humanum: unde, etiam si intellectus humanus non esset, adhuc res verae dicerentur in ordine ad intellectum divinum; sed si uterque intellectus, rebus remanentibus per impossibile, intelligeretur auferri, nullo modo ratio veritatis remaneret.

1. Responsio ergo ad primum quod, sicut ex iam dictis patet, verum per prius dicitur de intellectu vero et per posterius de re sibi adaequata, et utroque modo convertitur cum ente, sed diversimode, quia secundum quo dicitur de rebus convertitur cum ente per praedicationem, - omne enim ens est adaequatum intellectui divino et potens adaequare sibi intellectum humanum, et e converso -, si autem accipiatur prout dicitur de intellectu, sic convertitur cum ente quod est extra animam non per praedicationem sed per consequentiam, eo quod cuilibet intellectui vero oportet quod respondeat aliquod ens, et e converso.

3. Ad tertium dicendum quod illud quod est in aliquo non sequitur illud in quo est nisi quando causatur ex principiis eius: unde lux, quae causatur in aere ab extrinseco scilicet sole, sequitur motum solis magis quam aerem; similiter et veritas, quae est in anima causata a rebus, non sequitur aestimationem animae sed existentiam rerum "quoniam eo quod res est vel non est, dicitur oratio vera vel falsa", similiter et intellectus.

Note, however, that a thing is referred differently to the practical intellect than it is to the speculative intellect. Sine the practical intellect causes things, it is a measure of what it causes. But, since the speculative intellect is receptive in regard to things, it is, in a certain sense, moved by things and consequently measured by them. It is clear, therefore, that, as is said in the Metaphysics, natural things from which our intellect gets its scientific knowledge measure our intellect. Yet these things are themselves measured by the divine intellect, in which are all created things—just as all works of art find their origin in the intellect of an artist. The divine intellect, therefore, measures and is not measured; a natural thing both measures and is measured; but our intellect is measured, and measures only artifacts, not natural things.

A natural thing, therefore, being placed between two intellects is called true in so far as it conforms to either. It is said to be true with respect to its conformity with the divine intellect in so far as it fulfills the end to which it was ordained by the divine intellect. This is clear from the writings of Anselm and Augustine, as well as from the definition of Avicenna, previously cited: “The truth of anything is a property of the act of being which has been established for it.”

With respect to its conformity with a human intellect, a thing is said to be true in so far as it is such as to cause a true estimate about itself; and a thing is said to be false if, as Aristotle says, “by nature it is such that it seems to be what it is not, or seems to possess qualities which it does not possess.”

In a natural thing, truth is found especially in the first, rather than in the second, sense; for its reference to the divine intellect comes before its reference to a human intellect. Even if there were no human intellects, things could be said to be true because of their relation to the divine intellect. But if, by an impossible supposition, both types of intellect ("uterque" my translation! RC) did not exist and things did continue to exist, then the essentials of truth would in no way remain.

1. As it is clear from the discussion, true is predicated primarily of a true intellect and secondarily of a thing conformed with intellect. True taken in either sense, however, is interchangeable with being, but in different ways. Used of things, it can be interchanged with being through a judgement asserting merely material entity, for every being is conformed with the divine intellect and can be conformed with a human intellect. The converse of this is also true.
But if true is unerstood as used of the intellect, then it can be converted with being outside the soul - not as denominating the same subject, but as expressing conformity. For every true act of understanding is referred to a being, and every being corresponds to a true act of understanding.

3. What is another does not depend on that other unless it is caused by the principles of that other. For example, even though light is in the air, it is caused by something extrinsic, the sun; and it is based on the motion of the sun rather than of air. In the same way, truth which is in the soul but caused by things does not depend on what one thinks  but on the existence of things. For from the fact that a thing is or is not, a statement or an intellect is said to be true or false.


Thomas Aquinas, Summa Theologiae, II, 2, Quaestio LII, art. I

De dono consilii, in quatuor articulos divisa




Source


Deinde considerandum est de dono consilii, quod respondet prudentiae. Et circa hoc quaeruntur quatuor. Primo, utrum consilium debeat poni inter septem dona spiritus sancti. Secundo, utrum donum consilii respondeat virtuti prudentiae. Tertio, utrum donum consilii maneat in patria. Quarto, utrum quinta beatitudo, quae est, beati misericordes, respondeat dono consilii.

Articulus I

Utrum consilium debeat poni inter dona Spiritus Sancti

Ad primum sic proceditur. Videtur quod consilium non debeat poni inter dona spiritus sancti. Dona enim spiritus sancti in adiutorium virtutum dantur; ut patet per Gregorium, in II Moral. Sed ad consiliandum homo sufficienter perficitur per virtutem prudentiae, vel etiam eubuliae, ut ex dictis patet. Ergo consilium non debet poni inter dona spiritus sancti 

Praeterea, haec videtur esse differentia inter septem dona spiritus sancti et gratias gratis datas, quod gratiae gratis datae non dantur omnibus, sed distribuuntur diversis; dona autem spiritus sancti dantur omnibus habentibus spiritum sanctum. Sed consilium videtur esse de his quae specialiter aliquibus a spiritu sancto dantur, secundum illud I Machab. II, ecce Simon, frater vester, ipse vir consilii est. Ergo consilium magis debet poni inter gratias gratis datas quam inter septem dona spiritus sancti.

Praeterea, Rom. VIII dicitur, qui spiritu Dei aguntur, hi filii Dei sunt. Sed his qui ab alio aguntur non competit consilium. Cum igitur dona spiritus sancti maxime competant filiis Dei, qui acceperunt spiritum adoptionis filiorum, videtur quod consilium inter dona spiritus sancti poni non debeat.


Sed contra est quod Isaiae XI dicitur, requiescet super eum spiritus consilii et fortitudinis.

 

Respondeo dicendum quod dona spiritus sancti, ut supra dictum est, sunt quaedam dispositiones quibus anima redditur bene mobilis a spiritu sancto. Deus autem movet unumquodque secundum modum eius quod movetur, sicut creaturam corporalem movet per tempus et locum, creaturam autem spiritualem per tempus et non per locum, ut Augustinus dicit, VIII super Gen. ad Litt. Est autem proprium rationali creaturae quod per inquisitionem rationis moveatur ad aliquid agendum, quae quidem inquisitio consilium dicitur. Et ideo spiritus sanctus per modum consilii creaturam rationalem movet. Et propter hoc consilium ponitur inter dona spiritus sancti.

Ad primum ergo dicendum quod prudentia vel eubulia, sive sit acquisita sive infusa, dirigit hominem in inquisitione consilii secundum ea quae ratio comprehendere potest, unde homo per prudentiam vel eubuliam fit bene consilians vel sibi vel alii. Sed quia humana ratio non potest comprehendere singularia et contingentia quae occurrere possunt, fit quod cogitationes mortalium sunt timidae, et incertae providentiae nostrae, ut dicitur Sap. IX. Et ideo indiget homo in inquisitione consilii dirigi a Deo, qui omnia comprehendit. Quod fit per donum consilii, per quod homo dirigitur quasi consilio a Deo accepto. Sicut etiam in rebus humanis qui sibi ipsis non sufficiunt in inquisitione consilii a sapientioribus consilium requirunt.

Ad secundum dicendum quod hoc potest pertinere ad gratiam gratis datam quod aliquis sit ita boni consilii quod aliis consilium praebeat. Sed quod aliquis a Deo consilium habeat quid fieri oporteat in his quae sunt necessaria ad salutem, hoc est commune omnium sanctorum.

Ad tertium dicendum quod filii Dei aguntur a spiritu sancto secundum modum eorum, salvato scilicet libero arbitrio, quae est facultas voluntatis et rationis. Et sic inquantum ratio a spiritu sancto instruitur de agendis, competit filiis Dei donum consilii.





MARCEL DETIENNE - JEAN-PIERRE VERNANT


Detienne
 Marcel Detienne
Source: https://prosopo.ephe.psl.eu/marcel-detienne

Vernant
Jean-Pierre Vernant
Source: https://fr.wikipedia.org/wiki/Jean-Pierre_Vernant


Source: Marcel Detienne - Jean-Pierre Vernant: Les ruses de l'intelligence. La mètis des Grecs. Paris 1974, p. 236

Mais les problèmes que pose, pour l'histoire de l'intelligence, ce débat autour de la mètis ne se laissent pas enfermer dans les bornes d'une discussion entre deux philosophes du IVe siècle grec. Les options qui ont alors été prises ont si fortement pesé sur le cours de la pensée occidentale qu'elles ont, à l'époque moderne encore, orienté la tradition historique et philologique dans une voie à bien des égards étroite. Si, dans le discours savant tenu sur les Grecs par ceux qui s'en proclamaient les héritiers, le silence a continué si longtemps de se faire autour de l'intelligence rusée, ne serait-ce pas essentiellement pour deux raisons: d'abord, sans doute, parce que, dans la perspective chrétienne, le fossé séparant les hommes des bêtes ne pouvait que se creuser davantage et la raison humaine apparaîtra plus nettement encore que pour les Anciens séparée des aptitudes animales; mais n'est-ce pas aussi et surtout le signe que la Vérite platonicienne, reléguant dans l'ombre tout un plan de l'intelligence avec ses façons propres de comprendre, n'a jamais réellement cessé de hanter la pensée métaphysique de l'Occident?

Cfr. R.Capurro: Pseudangelia - Pseudangelos. On false messages and messangers in Ancient Greece  (2020)

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Source: Jean-Pierre Vernant: L’homme grec. In : Entre mythe et politique. Paris, Seuil 1996, 213-214. (Orig. : Introduction à « L’homme grec », sous la direction de J.-P. Vernant, Paris 1993, 7-29).


Un style particulier d'
être-au-monde

(...) Le monde est beau, comme un dieu. Dès la fin du VIe siècle, le terme qui servira à désigner l'univers dans son ensemble est celui de kosmos; dans les textes plus anciens, il s'applique à ce qui, heureusement ordonné et réglé, a valeur de parure conférant à qui en est orné un surcroît de grâce et de beauté. Uni dans la diversité, permanent à travers le temps qui fuit, harmonieux dans l'agencement des parties qui le composent, le monde est comme un merveilleux joyau, une œuvre d'art, un objet précieux semblable à l'un de ces agalmata que leur perfection qualifie pour servir d'offrande à un dieu dans l'enceinte de son sanctuaire. L'homme contemple et admire ce grand vivant qu'est le tout du monde; il y est englobé. D'emblée, cet univers se découvre et s'impose à lui, dans son irrécusable réalité, comme une donnée première, antérieure à toute expérience qui peut être faite. Pour connaître le monde, l'homme ne saurait situer en lui-même le point de départ de sa démarche comme si, pour aller jusqu'aux choses, il fallait passer par la conscience que nous avons d'elles. Le monde que vise notre savoir n'est pas atteint "dans notre esprit". Rien de plus éloigné de la culture grecque que le cogito cartésien, le "je pense" posé comme condition et fondement de toute connaissance du monde, de soi et de dieu, ou que la conception leibnizienne suivant laquelle chaque individu est une monade isolé, sans porte ni fenêtre, contenant au-dedans d'elle même, comme dans la salle close d'un cinéma, tout le déroulement du film qui raconte son existence. Pour être appréhendé par l'homme le monde n'a pas à subir cette transmutation qui ferait de lui un fait de conscience. Se représenter le monde ne consiste pas à le rendre présent dans notre pensée. C'est notre pensée qui est du monde et présence au monde. L'homme appartient au monde auquel il est apparenté et qu'il conaît par résonance ou connivence. L'être de l'homme, originellement, est un être-au-monde. Si ce monde lui était étranger, comme nous le supposons aujourd'hui, s'il était un pur objet, fait d'étendue et de mouvement, s'opposant à un sujet, fait de jugement et de pensée, l'homme ne pourrait effectivement communiquer avec lui qu'en l'assimilant à sa propre conscience. Mais, pour le Grec, le monde n'est cet univers extérieur chosifié, coupé de l'homme par l'infranchissable barrière qui sépare la matière de l'esprit, le physique du psychique. Avec l'univers animé auquel tout le rattache, l'homme est dans un rapport d'intime communauté.

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Source: ibid. Figures féminines de la mort en Grèce, p, 140-142

Le texte d'Alcman nous ouvre une nouvelle piste [In Poetae Melici Graeci, D. Page (Oxford, 1962) p. 12 (Pap. Ox. 2367), fr. 3, col. II.]. Le poète ne nomme pas himeros le désir qui rompt les membres; il l'appelle Phótos. Platon explique très clairement la différence entre les deux termes. Himeros désigne le désir dirigé vers un partenaire qui est là, le désir prêt à se satisfaire: póthos le désir qui vise un absent, le désir souffrant de ne pouvoir être comblé: le regret, la nostalgie [Platon, Cratyle, 420 ab.]. Sentiment ambigu puisqu'il implique à la fois un élan passionné de tout l'être vers la plénitude d'une présence aimée, et le choc douloureux de l'absence, le constat d'un vide, d'une distance infranchissable.

Phótos est un terme qui appartient au vocabulaire du deuil. Quand un homme vient de mourir, ses proches, avant les funérailles, se privent rituellement du manger, du boire, du sommeil. Habités par le phótos à l'égard du défunt, ils se souviennent sans cesse de lui, se vouant, comme Achille le fait pour Patrocle, à sa constante remémoration, à sa hantise, devrait-on dire. Par un effort tendu d'évocation, ils se le rendent présent mais au moment même où ils le voient devant eux, sous la forme de son eídolon, de son double, où ils lui parlent comme si c'était lui en personne, cette présence insaisissable chaque fois se dérobe. La façon, pour le mort, d'être là enveloppe une irrémédiable absence.

Jeu de l'abscence dans la présence, obsession d'un absent qui occupe tout votre horizon et que pourtant vous n'atteignez jamais parce qu'il appartient au domaine de l'ailleurs. Telle est, dans le deuil, l'expérience qui fait le vivant de son lien avec un défunt, disparu dans l'au-delà; telle aussi, chez l'amoureux, l'expérience du désir dans ce qu'il comporte d'incomplétude, dans son impuissance à avoir toujours pour soi, à faire sien entièrement et à jamais son partenaire sexuel. Phótos funéraire et phótos érotique se répondent exactement. La figure de la femme aimée, dont l'image vous hante et vous échappe, interfère avec celle de la mort. Eschyle évoque dans Les Perses, les femmes barbares dont les maris, partis guerroyer avec Xerxes, sont tombés au loin et ne reviendront plus: "Les lits s'emplissent de larmes par le póthos des époux; chaque femme perse, endeuillée, demeure abandonnée, seule du couple. Elle accompagne son conjoint du póthos des époux qu'elle éprouve pour l'homme." Le même thème est repris dans l'Agamemnon; mais cette fois c'est le phótos amoureux à l'égard d'Hélène qui, régnant en maître dans le cœur de Ménélas, peuple son palais, déserté par l'épouse, des fantômes (phasmata) de l'aimée, de ses apparitions en songe (oneiróphantoi). Rayonnante de charme, obsédante et insaisissable, Hélène est comme un personnage, d'au-delà, dédoublée dès cette vie, sur cette terre, en elle-même et son fantôme, son eídolon. Beauté fatale, suscitée par eux pour perdre les humains, pour les faire s'entre-tuer sous les murs de Troie, elle mérite plus encore que sa sœur Clythemnestre l'appellation de "tueuse de mâles"  [Eschyle, Les perses, 133-139; Agamemnon, 404 sq.; 749; Euripide, Hélène, 52-55; Électre, 1282-1284; Oreste, 1639] La "toute belle", incarne aussi bien l'horrible Érinys, la Kère sauvage et meurtrière. En elle se réunissent, intimement mêlés, le désir et la mort.



MARCEL DETIENNE



Source: Apollon le couteau à la main. Une approche expérimentale du polythéisme grec. Paris 1998, p. 239-240.

Il n'y a pas de mystères d'Apollon, que je sache. L'autre monde ne l'attire pas, et pas davantage le dieu de Delphes ne fonde de thiase ni de confrérie pour ses seuls dévots. Tandis que les initiations et les mystères passionnent Dionysos dont la vocation eschatologique semble la pointe extrême de la transformation radicale qu'il aime opérer en ses fidèles. Par ses connivences avec l'au-delà, Dionysos suggère une représentation de la faute et de la souillure dont seuls l'initiation et le voyage aux enfers après la mort peuvent délivrer complètement. En compagnie du "pur exilé du ciel", le risque de devenir dieu est mince. Apollon, s'il aime tracer les routes et fonder les chemins, n'ouvre pas, semble-t-il, la voie sacrée qu'empruntent dans l'Hadès les initiés et les mystes: celle-là appartient à Dionysos. Apollon lui, est un Olympien de ce monde. Il sait sûrement, comme un autre, que les dieux sont plus forts que les mortels, mais parvenu à Delphes, Apollon semble privilégier le champ de l'action humaine faisant connaître par la parole oraculaire qu'une volonté individuelle peut s'autoriser d'elle-même, faire son chemin, agir et construire, créer durablement, sans ignorer la précarité ni méconnaître la finitude de toute entreprise.

Source: Marcel Detienne: Les jardins d’Adonis. La mythologie des parfums et des aromates en Grèce. Suivi d’une interprétation de Jean-Pierre Vernant et d’une lecture de Claude Lévi-Strauss. Gallimard 2007, Après-propos,  p. 265-266.  

Nul ne sera surpris de la complicité sans faille des mâles, dénonçant imperturbablement, de Platon aux derniers lexicographes de Byzance, la stérilité de cultures, baptisées "sitôt fanées qu'elles ont verdoyé". Fort heureusement, une image d'époque, un vase attique du type "péliké", sauvegardé au British Museum (c'est l'E 819) permet de retrouver de façon plus authentique, comme le souhaitait J. Winkler, le rapport entre sexe et genre dans l'affaire des jardins d'Adonis.

pelike 
Source: https://www.britishmuseum.org/collection/object/G_1865-1118-49

Que nous montre, en effet, la précieuse "péliké"? Je cite la description de son découvreur:

"Une femme au sourire extraordinairement doux et averti entretien un parterre de phallus poussant à ses pieds comme des asperges. Les lignes blanches tombant de sa main droite semblent indiquer qu'elle les arose". (John J. Winkler, The Constraints of Desire. The Anthropology of Sex and Gender in Ancient Greece, New York and London, Routledge, 1990. Trad. Paris 2005, p. 385) (le vase est reproduit en couverture).

Création figurée «plein d'humour», commente aussitôt Winkler. Elle n'est pas nécessairement associée aux Adonies - en effet, les "plantes" ne sont pas encore mises en pots »mais la composition reprend «la même équation culturelle" (ibid.). Laquelle?  

On l'a sûrement compris, mais pour ne laisser subsister aucun doute, Winkler préfère en expliciter le sens: Il s'agit d'une plaisanterie sexuelle, faisant allusion par asperges à pointe phallique interposées, peut-on- dire, à ce que toutes les femmes savent mieux que.... personne, oui, "la pauvre petite chose qui ne tenait guère". "Las, Adonis, las!", comme chantait Sappho en sa maison de Lesbos.

Ainsi donc, par la grâce d'un potier, et pourquoi pas? d'une potière ironique, nous entrevoyons furtivement le regard que les femmes rieuses portaient sur le sexe qui se croit érigé, mais pour combien de temps? Paradoxalement, et Winkler faisait bien de le noter, ce sont les interprètes de type "phallocrate", qui ont été les plus aveugles au phallus végétal porté en fanfare sur les échelles des Adonis. On le voit: l'interprétation sexuelle du petit rituel athénien en sort enrichie, d'autant qu'elle permet d'apprécier avec quel tact la "race des femmes" fait allusion à son antique et permanent pouvoir sur la vie et la reproduction sexuelle.


Source: Marcel Detienne: L'invention de la mythologie, Gallimard 1981, 116-117

Non seulement la mémoire est faible, mais la parole est exposée à la tentation du plaisir, Dans la Guerre du Péloponnèse le verbe est toujours suspect de chercher la pleine satisfaction de son désir, la térpsis (Cf. J. Latacz, Zum Wortfeld "Freude" in der Sprache Homers, Heidelberg, 966, 174-219). Il n'y a qu'une exception: Périclès, l'intelligence au pouvoir, "le seul qui pouvait s'adresser à une assemblée, sans parler en vue de faire plaisir" (Thucydide, II, 65, (hédoné)). Céder au plaisir, c'est pour Thucydide oublier le bien de la cité, obéir à un mobile irrationnel, ou encore faire le choix de l'immédiat (J. de Romilly, "La condamnation du plaisir dans l'oeuvre de Thucydide", Wiener Studien, 79, 1966, 142-148). Le plaisir ne doit donc pas plus intervenir dans les décisions de la cité que dans l'écriture de l'histoire. Et la lettre de Nicias se termine par un éloge de l'écrit insensible à la concupiscence de la bouche et de l'oreille: "J'aurais sans doute d'autres nouvelles plus flatteuses à vous faire savoir, mais de plus utiles, non... Comme, en même temps, je sais votre caractère, curieux du langage qui, avant tout, vous fait plaisir à écouter (tà hedista akoúein), mais exigeant ensuite des coupables quand la suite des événements ne répond pas aux paroles, j'ai trouvé plus sûr de vous mettre la vérité sous les yeux." (Thucydide, VII, 14, 4) La vue au lieu de l'ouïe, et à l'autopsie exigée de l'historien répond, dans l'ombre du grefier lisant à voix haute la lettre de Nicias, le lecteur silencieux qui seul mérite la rigueur de la Guerre du Péloponnèse.

Cfr. La lettre de Nicias: http://www.capurro.de/angeletics_notes_excerpts1a.html#THUCYDIDES
Cfr. J. Lacan "céder sur son désir"



Pindar, Nemean 6

ἓν ἀνδρῶνἓν θεῶν γένοςἐκ μιᾶς δὲ πνέομεν
ματρὸς ἀμφότεροιδιείργει δὲ πᾶσα κεκριμένα
δύναμιςὡς τὸ μὲν οὐδέν δὲ χάλκεος ἀσφαλὲς αἰὲν ἕδος
μένει οὐρανόςἀλλά τι προσφέρομεν ἔμπαν  μέγαν
5νόον ἤτοι φύσιν ἀθανάτοις,
[10] καίπερ ἐφαμερίαν οὐκ εἰδότες οὐδὲ μετὰ νύκτας ἄμμε πότμος
οἵαν τιν᾽ ἔγραψε δραμεῖν ποτὶ στάθμαν.


Ein Stamm: Menschen und Götter; von einer ja atmen wir, von
Einer Mutter wir beiden; doch Macht
(δύναμις) von ganz verschiedener Art
Trennt uns, so daß hier ein Nichts ist, dort der
eherne Himmel ein sicherer Sitz
Bleibt für ewig. Doch kommen in etwas, sei's an hohem Geiste, sei's
Durch Natur, wir den Unsterblichen nah,
Wissen wir auch nicht wohin
wohl, ob es bei Tag ist oder Nacht, das
Schicksal uns zu
Laufen vorschrieb, bis zu was für einem Ziel.

(Deutsche Über. O. Werner. Pindar, München, o.D.)

There is one race of men, one race of gods; and from a single
mother we both draw our breath. But all allotted power
(δύναμις) divides us:
man is nothing, but for the gods the bronze sky endures as a secure home forever.
Nevertheless, we bear some resemblance to the immortals,
either in greatness [5] of mind or in nature, although we do not know,
by day or by night, towards what goal fortune has written that we should run.

(Engl. transl. Diane Arson Svarlien)


Discurso del triunfo de Gabriel Boric
20.12.2021
Fuente: https://interferencia.cl/articulos/discurso-del-triunfo-de-gabriel-boric-completo


BUENAS NOCHES CHILE !

PO NUI , SUMA ARUMA, PUN MAY CHILE !

GRACIAS A USTEDES, A TODAS LAS PERSONAS, A TODOS LOS PUEBLOS DE CHILE

Agradezco en primer lugar a todas las chilenas y chilenos que en este día fueron a votar, honrando su compromiso con la democracia. En el duro y noble norte. En el lluvioso y ventoso sur. En el caluroso y fértil centro. En Rapa Nui, Juan Fernández y la Antártica chilena. En el extranjero.

No importa si lo hicieron por mí o por mi contrincante: lo importante es que lo hicieron, que se hicieron presentes, que mostraron su compromiso con este país que es de todas y todos. También, por supuesto a los miles de personas que quisieron asistir a votar y no pudieron hacerlo por la falta de transporte público. No puede volver a ocurrir que en un día tan importante se prive a la gente de ejercer su derecho a voto.

También a quienes hicieron posible esta hermosa campaña. Independientes, organizaciones sociales y partidos, a todas las personas que en las últimas semanas se han organizado a lo largo de todo Chile y el extranjero, desde Magallanes hasta Arica, desde Visviri a Puerto Toro para levantar una campaña ciudadana que ha permitido este triunfo. El mismo compromiso y entusiasmo será necesario durante los años de nuestro gobierno para que, entre todas y todos, podamos sostener el proceso de cambios que ya hemos empezado a recorrer, paso a paso.

Gracias a mi jefa de campaña, la Dra. Izkia Siches, por haber puesto todo y más en esta candidatura, con tanto amor, tanta energía y tantas ganas. A todos los equipos técnicos que se sumaron a esta propuesta, a cada uno de los independientes y partidos que hicieron posible esta campaña.

Gracias a las mujeres de la patria. Que se organizaron en todo Chile para defender los derechos que tanto les ha costado alcanzar. Desde el derecho a voto hasta el derecho a decidir sobre su propio cuerpo.
Gracias a los niños y niñas que a lo largo de este viaje nos llenaron de cariño y de esperanza, de dibujos hermosos que expresaban con inocencia y esperanza el Chile que sueñan. Un Chile verde y de amor, que cuide la naturaleza y los animales, que recupere las plazas de los barrios para poder jugar, un Chile donde papás y mamás tengan más tiempo para estar con sus hijos y los abuelos y abuelas no estén solos en esta etapa de su vida. Hemos mirado a los ojos de los niños y niñas de Chile y sé que no podemos fallarles.

Gracias a las mujeres de la patria. Que se organizaron en todo Chile para defender los derechos que tanto les ha costado alcanzar. Desde el derecho a voto hasta el derecho a decidir sobre su propio cuerpo.

Desde el derecho a la no discriminación por el tipo de familia que hayan decido formar hasta el reconocimiento por las tareas de cuidado que hoy realizan. Cuenten con nosotros. Ustedes serán protagonistas de nuestro gobierno. También a las disidencias y diversidades que han sido largamente discriminadas y en esta campaña vieron amenazadas los pocos avances que han logrado. En nuestro gobierno la no discriminación y detener la violencia contra diversidades y mujeres junto a las organizaciones feministas será fundamental.

Agradezco también al Servel por su impecable trabajo. Simboliza el Estado que necesitamos: eficaz, imparcial, justo. A los medios de comunicación nacionales y regionales, por llevar la información a los lugares más recónditos. La prensa libre es fundamento esencial de la democracia y ustedes su vehículo.

También a las disidencias y diversidades que han sido largamente discriminadas y en esta campaña vieron amenazadas los pocos avances que han logrado. En nuestro gobierno la no discriminación y detener la violencia contra diversidades y mujeres junto a las organizaciones feministas será fundamental.
Quiero agradecer a todos los candidatos que participaron de esta elección, porque finalmente la democracia la hacemos entre todos, y necesitamos de cada uno. A Yasna Provoste, Sebastián Sichel, Marco Enriquez Ominami, Franco Parisi, Eduardo Artes y a José Antonio Kast. El futuro de Chile nos necesita a todos del mismo lado, del lado de la gente y espero contar con su apoyo, sus ideas y propuestas para comenzar mi gobierno. Sé que más allá de las diferencias que tenemos, en particular con José Antonio Kast, sabremos construir puentes entre nosotros para que nuestros compatriotas puedan vivir mejor. Porque los que si nos une es el amor a Chile y su gente.

Y por cierto, gracias a mi familia, a mi padre y a mi madre, a mis dos hermanos, a mis abuelos que ya no están. A mi compañera de viaje Irina. Son ustedes mis pilares en los días aciagos y los responsables de que hoy esté aquí.

Ya lo saben. Vengo de Magallanes, en el extremo sur de Chile, casi tocando la Antártica. Tengo 35 años.

Y sé que la historia no parte con nosotros. Me siento heredero de una larga trayectoria histórica, la de quienes, desde diferentes posiciones, han buscado incansablemente la justicia social, la ampliación de la democracia, la defensa de los DDHH, la protección de las libertades. Ésta es mi familia grande, a la que me gustaría ver de nuevo reunida en esta etapa que ahora iniciamos.

Agradezco a los medios de comunicación nacionales y regionales, por llevar la información a los lugares más recónditos. La prensa libre es fundamento esencial de la democracia y ustedes su vehículo.
Compatriotas, seré el presidente de todos los chilenos y chilenas. De quienes hoy votaron por este proyecto, de quienes eligieron otra alternativa y también de quienes no concurrieron a votar.

Los tiempos que vienen no serán fáciles. Deberemos hacer frente a las consecuencias sociales, económicas y sanitarias de la peor pandemia que ha vivido nuestro país en más de un siglo. Será difícil, no cabe duda, pero vamos a ir avanzando con pasos cortos, pero firmes, aprendiendo de nuestra historia.

Porque Chile tiene una historia breve como Estado nacional: apenas dos siglos de vida independiente, pero rica en experiencias de logros, de errores, éxitos y frustraciones. De momentos hermosos y también difíciles. Y hemos aprendido de esa experiencia. Hoy podemos estar más seguros que antes de algunas cosas:

Sé que más allá de las diferencias que tenemos, en particular con José Antonio Kast, sabremos construir puentes entre nosotros para que nuestros compatriotas puedan vivir mejor. Porque los que si nos une es el amor a Chile y su gente.
Que un crecimiento económico que se asienta en desigualdad tiene pies de barro: que solo con cohesión social, reencontrándonos y compartiendo un piso común, podremos avanzar hacia un desarrollo verdadero y sostenido, que llegue a cada familia chilena y que incluya también las pymes que con tanto esfuerzo levantan hombres y mujeres honradas a lo largo y ancho del territorio nacional.

Que desestabilizar las instituciones democráticas conduce directamente al reino del abuso, la ley de la selva, y el sufrimiento y desamparo de los más débiles. Vamos a cuidar la democracia, cada día, todos los días.

Que los avances, para ser sólidos, requieren ser fruto de acuerdos amplios. Y que para durar, deben ser siempre peldaño a peldaño, graduales, para no desbarrancar ni arriesgar lo que cada familia ha logrado con su esfuerzo.

Que el respeto a los derechos humanos, siempre y en todo lugar debe ser un compromiso inclaudicable y que nunca, por ningún motivo, un presidente le debe declarar la guerra a su propio pueblo. Verdad, justicia, reparación y no repetición.

Que un crecimiento económico que se asienta en desigualdad tiene pies de barro: que solo con cohesión social, reencontrándonos y compartiendo un piso común, podremos avanzar hacia un desarrollo verdadero y sostenido,
Y son muchos los desafíos que tendremos que enfrentar. Una salud oportuna que no discrimine entre ricos y pobres igualando hacia arriba el acceso, la calidad y los tiempos de respuesta. Pensiones dignas para quienes han trabajado toda su vida haciendo grande a nuestro Chile y no pueden seguir esperando, crecimiento y distribución justa de la riqueza, que deben ir de la mano. El drama de la falta de vivienda y el acceso a servicios básicos que debemos abordar. Fortalecer la educación pública, garantizar los derechos de los trabajadores para construir un país con Trabajo Decente y mejores salarios, crear un sistema nacional de cuidado que reconozca y valore a las mujeres que hoy cuidan, avanzando también en co-responsabilidad y dejando atrás la herencia patriarcal de nuestra sociedad.

La emergencia en seguridad que estamos viviendo, hacer de los barrios lugares más seguros y libres de narcotráfico, poner la cultura en el lugar que merece y no como vagón de cola, dignificando a sus trabajadores, expandir el deporte, fomentar la ciencia, avanzar hacia una nueva relación con los pueblos originarios reconociendo su derecho a mirar el mundo desde otras perspectivas lingüísticas y culturales, y poner especial atención al cuidado del medio ambiente serán parte de nuestras tareas.

Porque el cambio climático, queridos compatriotas, no es una invención. Está acá, y genera efectos directos sobre nuestras vidas y las de futuras generaciones. No es casualidad que sean los jóvenes del mundo los que hayan alzado la voz, desde Greta a Julieta, ante los poderes irracionales. No podemos mirar para el lado cuando nuestros campesinos y agricultores, cuando localidades enteras no tienen agua o cuando se destruyen ecosistemas únicos pudiendo evitarlo.

Que el respeto a los derechos humanos, siempre y en todo lugar debe ser un compromiso inclaudicable y que nunca, por ningún motivo, un presidente le debe declarar la guerra a su propio pueblo. Verdad, justicia, reparación y no repetición.
Desde luego, no todo puede hacerse al mismo tiempo y tendremos que priorizar para ir logrando avances que nos permitan mejorar, paso a paso, la vida de nuestra gente. No será fácil, no será rápido, pero nuestro compromiso es avanzar por esa senda con esperanza y responsabilidad.

Chilenos y chilenas

Hemos llegado hasta acá con un proyecto de gobierno que puede sintetizarse en pocas y simples palabras: avanzar con responsabilidad en los cambios que Chile viene demandando, sin dejar a nadie atrás. Esto significa crecer económicamente; convertir lo que algunos entienden como bienes de consumo en derechos sociales, garantizar una vida más tranquila y segura, profundizar las libertades de todos, y especialmente de todas: en nuestro gobierno las mujeres no retrocederán en los derechos y libertades que han logrado a la largo de la historia.

Nuestro proyecto también significa avanzar en más democracia y, por supuesto y como ya lo hemos dicho acá, cuidar el proceso constituyente, motivo de orgullo mundial y único camino para construir, en democracia y con todos, un país mejor. Por primera vez en nuestra historia estamos escribiendo una Constitución de forma democrática, paritaria, con participación de los pueblos originarios. Cuidemos entre todos este proceso para tener una Carta Magna que sea de encuentro y no de división.

Avanzar hacia una nueva relación con los pueblos originarios reconociendo su derecho a mirar el mundo desde otras perspectivas lingüísticas y culturales, y poner especial atención al cuidado del medio ambiente serán parte de nuestras tareas. Porque el cambio climático, queridos compatriotas, no es una invención.
Vamos a trabajar en equipo con todos los sectores. Los desafíos son demasiado relevantes para quedarnos atados a las trincheras. Aquí todas y todos somos necesarios. Las y los trabajadores que forjan día a día la riqueza de nuestra patria. La cooperación del mundo empresarial, construir alianzas, acercar miradas. Si estamos aquí es para asegurar que la prosperidad alcance a cada rincón de nuestra tierra, y para eso nadie sobra.

En esta noche de triunfo repito el compromiso que hiciéramos durante toda la campaña: expandiremos los derechos sociales y lo haremos con responsabilidad fiscal, lo haremos cuidando nuestra macroeconomía. Lo haremos bien y aquello permitirá mejorar las pensiones y la salud sin que haya que retroceder en el futuro.

Tendremos un Congreso equilibrado, lo que significa a su vez una invitación y una obligación de dialogar. Yo honestamente lo veo como una oportunidad para volver a encontrarnos, para unirnos en grandes gestas por el bienestar de nuestra patria, para lograr amplios y duraderos acuerdos que mejoren la calidad de vida de nuestros compatriotas. Confío en la responsabilidad de todas las fuerzas políticas de mantener las diferencias en el marco de las ideas, poner siempre por delante el bien común y rechazar de manera clara y sin ambigüedades la violencia en política y en nuestra vida en sociedad. Sepan que en mí, encontrarán un presidente abierto a escuchar y a incorporar distintas visiones, siendo también receptivo a las críticas constructivas que nos ayuden a mejorar.

Nuestro proyecto también significa avanzar en más democracia y, por supuesto y como ya lo hemos dicho acá, cuidar el proceso constituyente, motivo de orgullo mundial y único camino para construir, en democracia y con todos, un país mejor.
Chilenos y chilenas

Recibo este mandato con humildad. Sé que en los años que vienen se juega el futuro de nuestro país. Por eso les garantizo desde ya que seré un presidente que cuide la democracia y no la exponga, que escuche más de lo que habla; que busque la unidad de los acuerdos y que atienda, día a día, a las necesidades de las personas; que combata los privilegios y trabaje cada día por la calidad de vida de tu familia.

Hoy es un día de mucha felicidad, pero sobre todo de mucha responsabilidad, el trabajo que tenemos por delante es enorme, y nos necesitamos a todos y a todas. Tenemos que seguir siendo uno, tenemos que seguir encontrándonos para llevar adelante los cambios que el país tanto necesita.

Así lo haremos, gobernando con todas las personas. Sumando ideas, abriendo puertas, tendiendo puentes. Así iremos, paso a paso, construyendo la patria justa poco a poco, día a día.

Por primera vez en nuestra historia estamos escribiendo una Constitución de forma democrática, paritaria, con participación de los pueblos originarios. Cuidemos entre todos este proceso para tener una Carta Magna que sea de encuentro y no de división.
Por eso esta noche debemos celebrar, pero lo haremos con tranquilidad. Vayan a sus casas con la alegría sana de la limpia victoria alcanzada. Les pido que cuidemos este triunfo, que desde mañana tendremos mucho por trabajar para reencontrarnos, sanar heridas, y caminar hacia un futuro mejor.

Con la esperanza intacta.

Con la conciencia de los desafíos que tenemos.

Me despido de ustedes con un abrazo gigante, dejaré lo mejor de mi

Muchas gracias.

Seguimos.


Reiner Schürmann

Reiner Schürmann

Reiner Schürmann: Le principe d’anarchie. Heidegger et la question de l’agir. Paris, Seuil 1982,

p. 62-64

§ 8. Une triple rupture avec l'origine principielle

(...)

1. L'humanisme du jeune Marx s'inscrit entièrement dans la dialectique de la conscience. Mais à commencer avec l'Idéologie allemande, sa compréhension de l'origine se détourne explicitement du réalisme des universaux ainsi que de toute essence, de tout sujet primordial auquel les phénomènes individuels se rapporteraient comme des prédicats. Ici, le texte clef est bien connu, encore que non pas toujours interprété correctement: "Les présuppositions par lesquelles nous commençons ne sont  pas des fondements arbitraires, des dogmes; ce sont des présuppositions réelles dont on ne peut faire abstraction qu'en imagination. Ce sont les individus réels, leur activité et les conditions matérielles de leurs vies... (Les individus) commencent à se distinguer des animaux ausitôt qu'ils commencent à produire leurs moyens de subsistance... Ce qu'ils sont coïncide donc avec leur production." [Karl Marx, "Deutsche Ideologie", Frühe Schriften, éd. H.J. Lieber et P. Furth, t. II, Darmstadt. 1975, p. 66 (souligné par  moi)] Voilà le nouveau point de vue acquis en 1845, le réalisme  de l'individu travaillant. Il s'exprime par l'équation entre réalité et pratique individuelle. Il exige que nous re-situions l'être originaire dans l'activité par laquelle les hommes sustentent leurs vies. Dans ce qu'on a appelé la coupure épistémologique s'accomplit donc un renversement qui ne relève nullement du seul ordre épistémologique. Il s'y passe quelque chose de plus fondamental que la constitution de la "science marxiste". La compréhension de l'origine subit une transmutation telle que Marx peut en effet revendiquer d'avoir mis fin à toutes les philosophies qui rapportent le phénomenal à quelque en-soi nouménal, á un principium métaphysique, à l'homme.

A partir de cette rupture il n'y a plus, à proprement parler, d'origine une qui ordonne l'économie post-moderne des choses, des actions et des mots. Il n'y a pas de référent ultime, mais seulement une profusion d'actions originaires au moyen desquelles les individus satisfont leurs besoins élémentaires. L'origine se fragmente, devient monadique, en accord avec la compréhension monadique de la pratique dans l'Idéologie allemande. Ce réalisme de la pratique individuelle, qui passe au premier plan en 1845, demeure la problématique majeure à travers toutes les oeuvres philosophiques à venir. Plus précisement: elle demeure l'arrière-plan philosophique de tous les écrits ultérieurs contre lequel, seul, ceux-ci deviennent pleinement compréhensibles. Chaque fois que Marx parle d'universaux tels que les classes, il le fait dans le cadre de ce qu'il conviendrait d'appeler des théories régionales, qui dérivent leur intélligibilité de la pratique originaire, la pratique de l'individu travaillant à satisfaire les besoins physiques. Cette pratique originaire est aussi irréductiblement multiple que les pratiques individuelles, et elle échappe à la connaissance. Le contenu (par exemple les moyens de production, les formes de la propriété, les classes, l'Etat, les idéologies, les stratégies du parti) des théories régionales produît de la connaissance, tandis que la pratique originaire peut seulement être pensée. Il est clair que si Marx réduit la pensée à l'idéologie, cela s'explique par sa polémique contra la philosophie de la conscience. L'idéologie constitue la réfraction la plus éloignée de la pratique originaire. On pourrait représenter la découverte par Marx de l'origine plurielle, ainsi que la façon dont celle-ci se rapporte à la théorie; dans celui de l'imagination, plus lointain encore, elle apparait comme idéologie. Marx limite le rôle de la pensé  à ces réfractions idéologiques. Il réduit ainsi la pensée à l'imagination. Structurellement, cependant, l'affaire propre de la pensée serait plutôt la pratique originaire elle-même. Penser, c'est recueillir les pratiques multiples sans en constituer des universaux, qu'ils soient théoriques ou imaginaires. Quoi qu'il en soit, à ce niveau de la pratique originaire, on n'invoque pas, on ne peut pas invoquer la quête humaniste d'identité personnelle, possession de soi par soi, résolution de l'aliénation, etc. L'anti-humanisme de Marx résulte, non de la découverte d'un "continent scientifique" nouveau (Althusser), mais de la pratique originaire et de son allotropie atomiste, monadique."



p. 351

Mobilité. On se souvient que les économies, puisqu’elles assignent à chaque chose son site, peuvent être dites «poétiques», mieux: «poiétiques». Elles arrangent en un ordre les lieux, les places, où chaque phénomène est ce qu’il est. C’est encore en ce sens topologique qu’il faut comprendre l’agir. Sa condition réside dans les constellations qui se font et se défont. C’est dans ce sens enfin qu’il faut entendre la parole de René Char: «Tu es dans ton essence constamment poète». A l’âge de transition – René Char dirait: du «gué» ce faire, cette poiésis des modes de présence, tourne et devient irréductible à quelque figure archique. Alors se lève la question, décisive pour les fondements de la philosophie pratique: «Pourquoi ce gué de la philosophie serait-il une seule pierre?» (1) À l’âge de la clôture, le poiein économique devient multiple, mouvant. Comme tel, il se porte en avant sur l’agir et le détermine: «La poésie ne rythme plus l’action, elle se porte en avant pour lui indiquer le chemin mobile.» (2)

(1) Cette question fut addressé à Heidegger par René Char, voir François
Vezin, « Heidegger parle en France », Nouvelle Revue
française
, no. 284 (août
1976), p. 85.

(2)  René Char, Recherche de la base et du sommet, Paris, 1971, p. 134.



    Reiner Schürmann: Des hégémonies brisées. Trans-Europ-Repress: Mauvezin 1996, p. 37-38

Nul âge avant le nôtre n'a connu la violence planétaire. Nul, par conséquent, n'est mieux placé pour désapprendre la maximisation fantasmatique, apprendre la condition tragique et la retenir. Privilège, qui est lui-même un deinon. La tâche ne sera donc pas exactement sans intérêt de saisir comment la vionlence naît d'un trauma que la pensée s'inflige à elle même.

Les héros d'Eschyle et de Sophocle doivent allégeance à des lois incompatibles. Le genre subsompteur y fait défaut. De ce défaut, ils périssent – du disparate, donc, comme Dionysos "La norme n'est posée dans la tragédie grecque que pour être transgressée ou parce qu'elle est déjà transgressée; c'est en cela que la tragédie grecque relève de Dionysos, dieu de la confusion, dieu de la transgression (47)."


En toute
insertion dans un monde disons, en toute phénoménalité constituée –, notre singularisation à venir nous expulse d'avance. Elle déphénoménalise. Voilà ce qui nous apprend notre savoir des ultimes. Ce savoir se lit aux mieux dans les caractères plus gros qui sont ceux de la loi. La topologie nous apprend alors qu'en toute position normative nous lie, non seulement tel représenté maximisé, mais encore  l'expérience déictique dont il avait été extrait et qui viendra le hanter, le destituer. Les ultimes qui nous font poser le koinon et laisser-être le deiktikon, le vocabulaire de la différence ne les dit pas bien. Si c'est en tant que mortels que nous savons comment le ressac vers le singulier montrable toujours travaille une thèse démontrable, alors les stratégies se croisant dans l'événement entretiennent plutôt un différend.

En philosophie, c'est abdiquer que de ne pas s'interroger sur les conditions qui rendent possible l'expérience ordinaire. Mais c'est s'en remettre à la mégalomanie du désir que de répondre à cette interrogation par thèse: en posant une arché simple. Les conditions de possibilité, l'analytique des ultimes les montre anarchiques parce qu'en dissension avec elles-mêmes.


(47) Jean-Pierre Vernant et Pierre Vidal-Nacquet, Mythe et tragédie en Grèce ancienne, t. II, Paris, 1986, p. 105.


Reiner Schürmann: Reading Marx. On Transcendental Materialism. Zürich: Diaphanes 2021 (ed. M. Fabian Rauch and Nicolas Schneider), p. 54-59.

2. The concept of subjective practice

The first thesis on Feuerbach begins with the following sentence: "The chief defect of all previous materialism is that things (der Gegenstand), reality, the sensible world, are conceived only in the form of objects (Objekt) or of intuition, but not as human sense activity, not as practice, not subjectively" (TF, 67/MEW 3, 5/MECW 5,3)." In other words, in action, as it is understood by Marx, there is no place for seeing, intuiting, there is no object. That is what is meant when Marx says that practice is subjective.

We are far from the Manuscripts of 1844, in which man was objective in as much as he had outside of himself an objective world to which he relates; 'objectively,' there, meant the relation to objects. Now, the subjectivity that Marx opposes to such intuitive objectivity hits objectivity where it is theoretical: that is, the new concept of subjectivity is opposed to any relation between a subject and an object. Marx's concept of subjectivity is, in other words, deliberately anti-dialectic. The way in which he discovers reality excludes intentional otherness and the entire machinery of bridging otherness by noetic acts.

Useless to say that this is an entirely new concept of subjectivity (H I, 325/144-145). It is in this novelty of the concept of subjectivity that Western philosophy finds itself overthrown, displaced, reversed. At least what seems to have been most constant and most apparent in Western metaphysics is now overcome, namely the theorein with its sequel: either intellectual or sensible intuition. It is the very concept of being that undergoes a decisive mutation. Ever since Aristotle raised the question of being, it was raised in regard, in relation, in view (and these three expressions say a lot about the metaphysical character of even ordinary language) of the theoretician, i.e. man as the beholder. The theoretical attitude has remained the unchallenged horizon within which Western philosophy has proceeded. Subjectivity, within this horizon, was conceived as that which allows a thing to appear before the spirit; subjectivity was the objectivity of the object insofar as the object received its being from appearing before the subject. This may still have been hidden in Plato and Aristotle
–but the objective character of subjectivity comes totally to the fore in Descartes. And one can show that Cartesian dualism is laid out with the very discovery of objective laws in nature, in man, in community by Socrates. The subject-object dichotomy is not confined to the realm of modernity: modern philosophy only draws the explicit conclusions that were contained in the Greek notion of theoria. In other words, ever sind Plato and Aristotle, the subject to which the world appears is the condition of possibility of objects. In Descartes, only, this subjectivity is clearly identified as thinking thing. But from Greece to Descartes to Kant, consciousness is transcendental because it gives to things their status of objectivity. The classical premise of metaphysics is that being resides in theory. It is with this presupposition of rationalism–that being is seen, known, knowble, rational–that Marx breaks in 1845.

So, what is meant in the first thesis on Feuerbach is by no means the transition from one concept of matter to another concept of matter
–as if from a static notion Marx stepped to a more dynamic notion, now called practice or action. That would still be a mere transformation of dialectics, since a dynamic materialism, as it is developed so widely in Marxism, is understood to be dynamic in 'matter.' No, the transition that the first thesis speaks of, is that from one notion of subjectivity to another notion of subjectivityreceptive of an object–to a subjectivity that is no longer receptive, i.e., from which any object relation is excluded. So, being is no longer anything that might offer itself us for contemplation, nothing objective or sensible–in an entirely new sense, being is now 'subjective.' Entirely new, because this concept no longer has objectivity as its corollary. It is a subjectivity deprived of its objective pole.

Taken literally, this first sentence of the first thesis is simply and understandable, since it says two irreconciliable things at the same time. On the one hand, it says: The defect of past materialism was to conceive of objects as objects; on the other hand: we have to conceive objects subjectively. What is meant, though, is quite clear: the entire problematic of Gegenstand disappears. What is meant is that reality, which hitherto has been viewed as object, no longer can neither be viewed nor an object. Reality is nothing gegenständlich, nothing objective. The true name of that reality, inasmuch as it is foreign to objectivity, is Marx's new notion of subjectivity. Stated otherwise: action is possible only as long as it is free of intuition, as long as it has neither object nor world in front of it (H I, 326/145).

In the old categories of ontology: Marx thus steps out of dualism. Since Descartes, ontology has been dualistic. Stepping out of dualism, however, Marx does not espouse a monism either
–be it in an immobile one as Parmenides', nor a dynamic one as Hegel's. I said that on the problem of universals Marx has to be ranked among nominalists; now we see the reason of this: being as action is irreducible manyfold. Other thinkers after Marx, but both quite ignorant of him, think being in a similar fashion as irreducible manifold: Nietzsche and Heidegger. Nietzsche never mentions Marx in his writings or notes; and Heidegger mentions him a few times, praising in an enigmatic statement his philosophy of history ("Letter on Humanism"). But it is safe to say that neither Nietzsche nor Heidegger owe whatsoever in their understanding of being as manifold, to Marx.
(...)
Hegelian idealism and Feuerbachian materialism are thus overthrown in one movement when Marx steps from contemplation to action as satisfaction of individual needs. Action as idealist self-appropriation and materialism as intuitive appropriation are replaced with appropriation by the body. Marx does not dispose yet of a genuine vocabulary to express the transmutation of action. Therefore, in the first thesis on Feuerbach he borrows from Feuerbach the term 'sensible' to refer to such appropriation by the body: "The sensible world," he says, has been conceived erronously in the form of objects: correctly conceived, the sensible world is "human sense activity, practical activity, action." 'Sense' and 'sensible' are meant here to suggest the concrete, always particular being of bodily action towards the satisfaction of needs.




Fuente: Brenda Bogliaccini: Vigencia del pensamiento y acción de Perico (2016)

LA OPCIÓN ENTRAÑABLE. Su vocación y militancia por la promoción y defensa de los derechos humanos –la “opción entrañable”, como él la llama– nace desde muy joven junto a los pobres y los oprimidos, con los trabajadores extranjeros y los metalúrgicos mientras trabajaba y estudiaba en Canadá; en Montevideo con las prostitutas en la Ciudad Vieja y luego con jóvenes. En 1975 es cofundador de la que sería una de sus experiencias más significativas: el hogar La Huella.

Para Luis Pérez Aguirre desentrañar los “mecanismos” que nos acercan o alejan del prójimo es la base de cualquier posibilidad de transformación. Dedica La opción entrañable a “traducir” su experiencia, el porqué de su opción por la promoción y la defensa de los derechos humanos: “ella se inicia, como cuando se da a luz la vida humana, en un grito. Un grito escuchado y sentido como en carne propia”. Reafirma años más tarde: “No creo alejarme de la experiencia humana básica si digo y afirmo que lo esencial no pasa en primera instancia por conocimientos teóricos, ni por elaboraciones doctrinales o por teorías científicas, sino por la sensibilidad. Es decir, lo esencial pasa por una materialidad desnuda, que implica corporalidad, la carne, la vida y la muerte del pobre, el sufrimiento, lágrimas, hambre, desnudez o frío (…) esta materialidad, esta sensibilidad, es el criterio primero de la ética. Esta materialidad doliente es el criterio absoluto que juzga las acciones humanas, las decisiones de bondad o maldad de toda praxis” (Desnudo de seguridades).

En el hogar La Huella los jóvenes y Perico pondrán en práctica su visión de la opción por los pobres y excluidos, en este caso por los niños abandonados, lo que suponía compartir la vida con ellos, crear una comunidad basada en valores diferentes a los vigentes en el Uruguay dictatorial, unir la reflexión con la acción y atender, simultáneamente, causas y efectos. Se proponían mostrar que se podía vivir en la opción que prescinde de la propiedad privada y al mismo tiempo cuestionaban una visión de la solidaridad como caridad: “No le podías decir a los niños que estaban en la calle que tenían que esperar a que cambiaran las estructuras. Era una eterna discusión de la izquierda: o cambiar primero las estructuras, para que cambie el hombre, o cambiar primero el corazón del hombre, para que cambien las estructuras. Nosotros decíamos: ‘Ni una cosa ni la otra. Las dos a la vez’”. En Huellas de una vida afirmará que al compromiso con los niños se le debía agregar el compromiso con la sociedad, “para no caer en el clásico asistencialismo: llenarse de niños y olvidarse de todo lo demás. Esto hubiese sido hacerle el juego al sistema”.


THOMAS MANN


Thomas Mann

Thomas Mann (1929)


Quelle: Thomas Mann: Der Zauberberg. Roman. Frankfurt a.M. 1988 (Entstehungszeit 1919-1924).


Viertes Kapitel

Exkurs über den Zeitsinn

(...) Über das Wesen der Langeweile sind vielfach irrige Vorstellungen verbreitet. Man glaubt im ganzen, daß Interessantheit und Neuheit des Gehaltes der Zeit 'vertreibe', das heißt: verkürze, während Monotonie und Leere ihren Gang beschwere und hemme. Das ist nicht unbedingt zutreffend. Leere und Monotonie mögen zwar den Augenblick und die Stunde dehnen und 'langweilig' machen, aber die großen und größten Zeitmassen verkürzen und verflüchtigen sie sogar bis zur Nichtigkeit. Umgekehrt ist ein reicher und interessanter Gehalt wohl imstande, die Stunde und selbst noch den Tag zu verkürzen und zu beschwingen, ins Große gerechnet jedoch verleiht er dem Zeitgange Breite, Gewichtd und Solidität, so daß ereignisreiche Jahre viel langsamer vergehen als jene armen, leeren, leichten, die der Wind vor sich her bläst, und die verfliegen. Was man Langeweile nennt, ist also eigentlich vielmehr eine krankhafte Kurzweiligkeit der Zeit infolge von Monotonie; große Zeiträume schrumpfen bei ununterbrochener Gleichförmigkeit auf eine das Herz zu Tode erschreckende Weise zusammen; wenn ein Tag wie alle ist, so sind sie alle wie einer; und bei vollkommener Einförmigkeit würde das längste Leben als ganz kurz erlebt werden und unversehens verflogen. Gewöhnung ist ein Einschlafen oder doch ein Mattwerden des Zeitsinnes, und wenn die Jugendjahre langsam erlebt werden, das spätere Leben aber immer hurtiger abläuft und hineilt, so muß man auch das auf Gewöhnung beruhen. Wir wissen wohl, daß die Einschaltung von Um- und Neugewöhnungen das einzige Mittel sind, unser Leben zu halten, unseren Zeitsinn aufzufrischen, eine Verjüngung, Verstärkung, Verlangsamung unseres Zeiterlebnisses und damit der Erneuerung unseres Lebensgefühls überhaupt zu erzielen. Dies ist der Zweck des Orts- und Luftwechsels, der Badereise, die Erholsamkeit der Abwechselung und der Episode. Die ersten Tage an einem neuen Aufenthalt haben jugendlichen, das heißt starken und breiten Gang, es sind etwa sechs bis acht. Dann, in dem maße, wie man 'sich einlebt', mach sich allmähliche Verkürzung bemerkbar; wer am Leben hängt oder, besser gesagt, sich ans Leben hängen möchte, mag mit Grauen gewahren, wie die Tage wieder leicht zu werden und zu huschen beginnen; und die letzte Woche, etwa von vieren, hat unheimliche Rapidität und Flüchtigkeit. Freilich wirkt die Erfrischung des Zeitsinnes dann über die Einschaltung hinaus, macht sich, wenn man zur Regel zurückgekehrt ist, aufs neue geltend: die ersten Tage zu Hause werden ebenfalls, nach der Abwechselung, wieder neu, breit und jugendlich erlebt, aber nur einge wenige: denn in der Regel lebt man sich rascher wieder ein als in ihre Aufhebung, und wenn der Zeitsinn durch Alter schon müde ist oder ein Zeichen ursprünglicher Lebensschwäche nie stark entwickelt war, so schläft er sehr rasch wieder ein, und schon nach vierundzwanzig Stunden ist es, als sei man nie weg gewesen und als sei die Reise der Traum einer Nacht.

Diese Bemerkungen werden nur deshalb hier eingefügt, weil der junge Hans Castorp Ähnliches im Sinne hatte, als er nach einigen Tagen zu seinem Vetter sagte (und ihm dabei mit rotgeäderten Augen ansah):

"Komisch ist und bleibt es, wie die Zeit einem lang wird zu Anfang, an einem fremden Ort. Das heißt... Selbstverständlich kann keine Rede davon sein, daß ich mich langweile, im Gegenteil, ich kann wohl sagen, ich amüsiere mich königlich. ABer wenn ich mich umsehe, retrospektiv also, versteh mich recht, kommt es mir vor, als ob ich schon wer weiß wie lange hier oben wäre, und bis dahin zurück, wo ich ankam und nicht gleicht verstand, daß ich da war, und du noch sagtest: 'Steige nur aus!' - erinnerst du dich? -, das scheint mir eine ganze Ewigkeit. Mit Messen und überhaupt mit dem Verstand hat das absolut nichts zu tun, es ist eine reine Gefühlssache. Natürlich wäre es albern zu sagen: 'Ich glaube schon zwei Monate hier zu sein', - das wäre ja Nonsens. Sondern ich kann eben nur sagen: 'Sehr lange'."

"Ja", antwortete Joachim, das Thermometer im Munde, "ich habe auch gut davon, ich kann mich gewissermaßen an dir gesthalten, seitd du da bist." Und Hans Castorp lachte darübeer, daß Joachim dies so einfach, ohne Erklärung, sagte." (p. 111-112)


Sechstes Kapitel

Veränderungen

Was ist die Zeit? Ein Geheimnis, – wesenlos und allmächtig. Eine Bedingung der Erscheinungswelt, eine Bewegung, verkoppeltl und vermengt dem Dasein der Körper im Raum und ihrer Bewegung. Wäre aber keine Zeit, wenn keine Bewegung wäre? Keine Bewegung, wenn keine Zeit? Frage nur! Ist die Zeit eine Funktion des Raumes? Oder umgekehrt? Oder sind beide identisch? Nur zu gefragt! Die Zeit ist tätig, sie hat verbale Beschaffenheit, sie 'zeitigt'. Was zeitigt sie denn? Veränderung! Jetzt ist nicht Damals, Hier nicht Dort, denn zwischen beiden liegt Bewegung. Da aber die Bewegung, an der man die Zeit mißt, kreisläufig ist, in sich selber beschlossen, so ist das eine Bewegung und Veränderung, die man fast ebensogut als Ruhe und Stillstand bezeichnen könnte; denn das Damals wiederholt sich beständig im Jetzt, das Dort im Hier. Da ferner eine endliche Zeit und ein begrenzter Raum auch mit der verzweifeltsten Anstrengung nicht vorgestellt werden können, so hat man sich entschlossen, Zeit und Raum als ewig und unendlich zu "denken", – in der Meinung offenbar, dies gelinge, wenn nicht recht gut, so doch etwas besser. Bedeutet aber nicht die Statuierung des Ewigen und Unendlichen, seine verhältnismäßige Reduzierung auf Null? Ist im Ewigen ein Nacheinander möglich, im Unendlichen ein Nebeneinander? Wie vertragen sich mit den Notannahmen des Ewigen und Unendlichen Begriffe wie Entfernung, Bewegung, Veränderung, auch nur das Vorhandensein begrenzter Körper im All? Das frage du nur immerhin!

Hans Castorp fragte so und ähnlich in seinem Hirn, das gleich bei seiner Ankunft hier oben zu solchen Indiskretionen und Quengeleien sich aufgelegt gezeigt hatte und durhc eine schlimme, aber gewaltige Lust, die er seitdem gebüßt, vielleicht besonders dafür geschärft und zu Querulieren dreist gemacht worden war. Er frage sich selbst danach und den guten Joachim und das seit undenklichen Zeiten dick verschneite Tal, obgleich er ja von keiner dieser Stellen irgend etwas einer Antwort Ähnliches zu gewärtigen hatte, – schwer zu sagen, von welcher am wenigsten.
(S. 365)

Tal und Berge im Schnee seit sechs Monaten schon? Seit sieben! Die Zeit schreitet fort, während wir erzählen
unsere Zeit, die wir dieser Erzählung widmen, aber auch die tief vergangener Zeit Hans Castorps und seiner Schicksalsgenossen dort oben im Schnee, und sie zeitigt Veränderungen.
(S. 367)


AUGUSTINUS

Augustinus

354-430


CONFESSIONES
See Migne .

LIBER I

CAPUT 1

Magnus es, Domine, et laudabilis valde (Ps. 66, 3); magna virtus tua, et sapientiae tuae non est numerus (Ps. 66, 5). Et laudare te vult homo, aliqua portio creaturae tuae, et homo circumferens mortalitem suam, circumferens testimonium peccati sui et testimonium, quia superbis resistis (1 Petr. 5); et tamen laudare te vult homo, aliqua portio creaturae tuae. Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te. Da mihi, Domine, scire et intelligere, utrum sit prius invocare te, an laudare te; et scire te prius sit, an invocare te. Sed quis te invocat nesciens te? Aliud enim pro alio potest invocare nesciens te. An potius invocaris, ut sciaris? Quomodo autem invocabunt, in quem non crediderunt? Aut quomodo credent sine praedicante? (Rom. 10, 14) Et laudabunt dominum qui requirunt eum. (Ps. 21, 27). Quaerentes enim invenient eum, et invenientes laudabunt eum. Quaeram te, Domine, invocans te, et invocem te credens in te; praedicatus enim es nobis. Invocat te, Domine, fides mea, quam dedisti mihi, quam spirasti mihi per humanitatem filii tui, per ministerium praedicatoris tui.

CAPUT 2

Et quomodo invocabo Deum meum, Deum et Dominum meum; quoniam utique in me ipsum eum vocabo, cum invocabo eum? Et quis locus est in me, quo veniat in me Deus meus? quo Deus veniat in me, Deus, qui fecit caelum et terram? Itane, Domine Deus meus, est quidquam in me, quod capiat te? An vero caelum et terra, quae fecisti et in quibus me fecisti, capiunt te? An quia sine te non esset quidquid est, fit, ut quidquid est capiat te? Quoniam itaque et ego sum, quid peto, ut venias in me, qui non essem, nisi esses in me? Non enim ego iam in inferis, et tamen etiam ibi es. Nam etsi descendero in infernum, ades. Non ergo essem, Deus meus, non omnino essem, nisi esses in me. An potius non essem, nisi essem in te, ex quo omnia, per quem omnia, in quo omnia? Etiam sic, Domine, etiam sic. Quo te invoco, cum in te sim? Aut unde venias in me? Quo enim recedam extra caelum et terram, ut inde in me veniat Deus meus, qui dixit: caelum et terram ego impleo (Ier. 23, 24)?

CAPUT 3

Capiunt ergone te caelum et terra, quoniam tu imples ea? An imples et restat, quoniam non te capiunt? Et quo refundis quidquid impleto caelo et terra restat ex te? An non opus habes, ut quoquam continearis, qui continens omnia, quoniam quae imples continendo imples? Non enim vasa, quae te plena sunt, stabilem te faciunt; quia etsi frangantur, non effunderis. Et cum effunderis super nos, non tu iaces, sed erigis nos; nec tu dissiparis, sed colligis nos. Sed quae imples omnia, te toto imples omnia. An quia non possunt te totum capere omnia, partem tui capiunt et eamdem partem simul omnia capiunt? An singulas singula et maiores maiora, minores minora capiunt? Ergo est aliqua pars tua maior, aliqua minor? An ubique totus es, et res nulla te totum capit?

CAPUT 4

Quid est ergo Deus meus? Quid, rogo, nisi Dominus Deus? Quis enim Dominus praeter Dominum? aut quis Deus praeter Deum nostrum? (Ps. 17, 32) Summe, optime, potentissime, omnipotentissime, misericordissime et iustissime, secretissime et praesentissime, pulcherrime et fortissime, stabilis et incomprehensibilis, immutabilis, mutans omnia, numquam novus, numquam vetus, innovans omnia, et in vetustatem perducens superbos, et nesciunt; semper agens, semper quietus, colligens et non egens, portans et implens et protegens, creans et nutriens, perficiens, quaerens, cum nihil desit tibi! Amas, nec aestuas; zelas, et securus es; poenitet te, et non doles; irasceris et tranquillus es; opera mutas nec mutas consilium; recipis quod invenis et numquam amisisti; numquam inops, et gaudes lucris; numquam avarus et usuras exigis. Supererogatur tibi, ut debeas; et quis habet quicquam non tuum? Reddis debita nulli debens; donans debita nihil perdens. Et quid diximus, Deus meus, vita mea, dulcedo mea sancta? Aut quid dicit aliquis, cum de te dicit? Et vae tacentibus de te, quoniam loquaces muti sunt.

CAPUT 5

Quis mihi dabit adquiescere in te? Quis mihi dabit, ut venias in cor meum, et inebries illud, ut obliviscar mala mea et unum bonum meum amplectar te? Quid mihi es? Miserere, ut loquar. Quid tibi sum ipse, ut amari te iubeas a me et, nisi faciam, irascaris mihi et mineris ingentes miserias? Parvane ipsa est, si non amem te? Hei mihi! Dic mihi per miserationes tuas, Domine Deus meus, quid sis mihi. Dic animae meae: salus tua ego sum. (Ps. 34, 3) Sic dic, ut audiam. Ecce aures cordis mei ante te, Domine; aperi eas et dic animae meae: salus tua ego sum. Curram post vocem hanc, et adprehendam te. Noli abscondere a me faciem tuam. Moriar, ne moriar, ut eam videam. Angusta est domus animae meae. Quo venias ad eam, dilatetur abs te. Ruinosa est: refice eam. Habet, quae offendant oculos tuos: fateor et scio. Sed quis mundabit eam? Aut cui alteri praeter te clamabo: Ab occultis meis munda me, Domine, et ab alienis parce servo tuo. (Ps. 18, 13-14). Credo, propter quod et loquor. (Ps. 116, 10; 2 Cor. 4, 13). Domine, tu scis. Nonne tibi prolocutus sum adversum me delicta mea, Deus meus, et tu dimisisti impietatem cordis mei? (Ps. 31, 5) Non iudicio contendo tecum, qui veritas es; et ego nolo fallere me ipsum, ne mentiatur iniquitas mea sibi. Non ergo iudicio contendo tecum; quia, si iniquitates observaveris, Domine, Domine, quis sustinebit? (Ps. 130, 3, Ps. 69, 3):


LAURENCE STERNE

Laurence Sterne

Source:  https://en.wikipedia.org/wiki/Laurence_Sterne

1714-1768


The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman
London, Penguin Books 2003.
Vol. 3, 170-173


CHAP. XVIII.

It is two hours, and ten minutes,and no more,—cried my father, looking at his watch, since Dr. Slop and Obadiah arrived,—and I know not how it happens, brother Toby,—but to my imagination it seems almost an age.
    —Here—pray, Sir, take hold of my cap,—nay, take the bell along with it, and my pantroufles too.
    Now, Sir, they are all at your service; and I freely make you a present of 'em, on condition, you give me all your attention to this chapter.
    Though my father said, "he knew not how it happen'd,"
—yet he knew very well, how it happen'd;—and at the instant he spoke it, was pre-determined in his mind, to give my uncle Toby a clear account of the matter by a metaphysical dissertation upon the subject of duration and its simple modes, in order to shew my uncle Toby, by what mechanism and mensurations in the brain it came to pass, that the rapid succession of their ideas, and the eternal scampering of the discourse from one thing to another, since Dr. Slop had come into the room, had lengthened out so short a perid, to so inconceivable an extent.—"I know not how it happens,—cried my father,—"but it seems an age."
    —'Tis owing, entirely, quoth my uncle Toby, to the succession of our ideas.
    My father, who had an itch in common with all philosophers, of reasoning upon every thing which happened, and accounting for it too,
—proposed infinite pleasure to himself in this, of the succession of ideas, and had not least apprehension of having it snatch'd of his hands by my uncle Toby who (honest man!) generally took every thing as it happended;—and who, of all things in the world, troubled his brain the least with abstruse thinking;—the ideas of time and space,or how we came to those ideas,—or of what stuff they were made,—or whether they were born with us,—or we pick'd them up afterwards as we went along,—or whether we  did it in frocks,—or not till we had got into breeches,—with a thousand oter inquiries and disputes about INFINITY, PRESCIENCE, LIBERTY, NECESSITY, and so forth, upon whose desperate and unconquerable theories, so many fine heads have been turned and crack'd,—never did my uncle Toby's the least injury to all; my father knew it,—and was no less surprised, than he was disappointed with my uncle's fortuitous solution.
    Do you understand the theory of that affair? replied my father.
    Not I, quoth my uncle.
    —But you have some ideas, said my father, of what you talk about.
    No more than my horse, replied my uncle Toby.
Gracious heaven! cried my father, looking upwards, and clasping his two hands together,
—there is a worth in thy honest ignorance, brother Toby,—'twere almost a pity to exchange it for a knowledge.—But I'll tell thee.
    To understand what time is aright, without which we never can comprehend infinity, insomuch as one is a portion of the other,
—we ought seriously to sit down and consider what idea it is, we have of duration, so as to give a satisfactory account, how we came by it.—What is that to any mody? quoth my uncle Toby. *For if  you will turn your eyes inwards upon your mind, continued my father, and observe attentively, you will perceive, brother, thaat whilst you and I are talking together, and thinking and smoaking our pipes: or wilst we receive successively ideas in our minds, we know that we do exist, and so we estimate the existence, or the continuation of the existence of ourselves, or any thing else commensurate to the succession of any ideas in our minds, the duration of ourselves, or any such other thing co existing with our thinking,and so according to that preconceived—You puzzle me to death, cried my uncle Toby.
*[Vid. Locke]
 
—'Tis owing to this, replied my father that in our computations of time, we are so used to minutes, hours, weeks, and months,—and of clocks (I wish there was a clock in the kingdom) to measure out their several portions to us, and to those who belong to us,—that 'twill be well, if in time to come, the succession of our ideas be of any use or service to us at all.
    Now, whether we observe it or no, continued my father, in every sound man's head, there is a regular succession of ideas of one sort or other, which follow each other in train just like
—A train or artillery? said my uncle Toby.—A train of a fiddle stick!—quoth my father,—which follow and succeed one another in our minds at certain distances, just like the images in the inside of a lanthorn turned round by the heat of a candle.—I declare, quoth my uncle Toby, mine are like a smoak-jack. [9]—Then, brother Toby, I have nothing more to say to you upon the subject, said my father.

[9] smoak-jack. OED credits Sterne with a new, figurative meaning for this word 'The head, as the seat of confused ideas.' The jack was used to turn a roasting spit by means of the hot air rasing from the fire.


CHAP. XIX.


—What a conjuncture was here lost!—My father in one of his best explanatory moods,—in eager pursuit of a metaphysic point into the very regions where clouds and thick darkness would soon have encompassed it about;—my uncle Toby in one of the finest dispositions for it in the world,—his head like a smoack-jack;—the funnel unswept, and the ideas whirling round and round about it, all obfuscated and darkened over with fuliginous matter!—By the tomb stone of Lucian—if it is in being,—if not, why then, by his ashes! by the ashes of my dear Rabelais, and dearest Cervantes,—my father and my uncle Toby's discourse upon TIME and ETERNITY,—was a discourse devoutly to be wished for! and the petulancy of my father's humour in putting a stop to it, as he did, was a robbery of the Ontologic treasury, of such a jewel, as no coalition of great occasions and great men, are ever likely to restore to it again.


CHAP. XX.

THO' my father persisted in not going on with the discourse,
—yet he could not get my uncle Toby's smoke-jack out of his head,—piqued as he was at first with it;—there was something in the comparison at the bottom, which hit his fancy; for which purpose resting his elbow upon the table, and reclining the right side of his head upon the palm of his hand,—but looking first stedfastly in the fire,—he began to commune with himself and philosophize about it: but his spirits being wore out with the fatigues of investigating new tracts, and the constant exertion of his faculties upon that variety of subjects which had taken their turn in the discourse,—the idea of the smoak-jack soon turned all his ideas upside down,—so that he fell asleep almost before he knew what he was about.
    As for my uncle Toby, his smoak-jack had not made a dozen revolutions, before he fell asleep also.
—Peace be with them both.—Dr. Slop is engaged with the midwife, and my mother above stairs.Trim is busy turning an old pair of jack-boots into a couple of mortars to be employed in the siege of Messina next summer,—and is this instant boring the touch holes with the point of a hot poker.—All my heroes are off my hands;—'tis the first time I have had a moment to spare,—and I'll make use of it, and write my preface.


MIGUEL DE CERVANTES


Cervantes

Fuente: https://es.wikipedia.org/wiki/Miguel_de_Cervantes

1547-1616


Don Quijote de la Mancha

Barcelona 2001, 31-37.



Primera Parte del ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha

1605

Capítulo primero

Que se trata  de la condición y ejercicio del famoso hidalgo don Quijote de la Mancha


En un lugar de la Mancha, de cuyo nombre no quiero acordarme, no ha mucho tiempo vivía un hidalgo de los de lanza de astillero, adarga antigua, rocín flaco y galgo corredor. Una olla de algo más vaca que carnero, salpicón las más noches, duelos y quebrantos los sábados, lantejas los viernes, algún palomino de a
ñadidura los domingos, consumían las tres partes de su hacienda. El resto della concluían sayo de velarte, calzas de velludo para las fiestas, con sus pantuflos de lo mesmo, y los días de entresemana se honraba con su vellori de los más fino. Tenía en su casa una ama que pasaba de los cuarenta, y una sobrina que no llegaba a los veinte, y un mozo de campo y plaza, que así ensillaba el rocín como tomaba la podadera. Frisaba la edad de nuestro hidalgo con los cincuenta años, era de complexión recia, seco de carnes, enjuto de rostro, gran madrugador, amigo de la caza. Quieren decir que tenía el sobrenombre de Quijada, o Quesada, que en esto hay alguna diferencia en los autores que deste caso escriben; aunque por conjeturas verosímiles se deja entender que se llamaba Quejana. Pero esto importa poco a nuestro cuento; basta que en la narración dél no se salga un punto de la verdad.

Es pues, de saber, que este sobredicho hidalgo, los ratos que estaba ocioso
que era los más del año, se daba a leer libros de caballerías con tanta afición y gusto, que olvidó casi de todo punto el ejercicio de la caza, y aun la administración de su hacienda; y llegó a tanto su curiosidad y desatino en esto, que vendió muchas harengas de tierra de sembradura para comprar libros de caballerías en que leer, y así, llevó a su casa todos cuantos pudo haber dellos; y de todos, ningunos le parecían tan bien como los que compuso el famoso Feliciano de Silva, porque la claridad de su prosa y aquellas entrincadas razones suyas le parecían de perlas, y más cuando llegaba a leer aquellos requiebros y cartas de desafíos, donde en muchas partes hallaba escrito: La razón de la sinrazón que a mi razón se hace, de tal manera mi razón enflaquece, que con razón me quejo de la vuestra fermosura. Y también cuando leía...los altos cielos que vuestra divinidad divinamente con las estrellas as fortifican, y os hacen merecedora de merecimiento que merece la vuestra grandeza.

Con estas razones perdía el pobre caballero el juicio, y desvelábase por entenderlas y desentrañarles el sentido, que no se lo sacara ni las entendiera el mesmo Aristóteles, si resucitara para sólo ello. No estaba muy bien con las heridas que don Belianís daba y recebía porque se imaginaba que, por grandes maestros que le hubiesen curado, no dejaría de tener el rostro y todo el cuerpo lleno de cicatrices y se
ñales. Pero, con todo, alababa en su autor aquel acabar sus libro con la promesa de aquella inacabable aventura, y muchas veces le vino el deseo de tomar la pluma; y sin duda alguna lo hiciera, y aun saliera con ello, si otros mayores y continuos pensamientos no se lo estorbaran. Tuvo muchas veces competencia con el cura de su lugar que era hombre docto, graduado en Sigüenza–, sobre el cual había sido mejor caballero: Palmerin de Ingalaterra o Amadís de Gaula: mas maese Nicolás, barbero del mesmo pueblo, decía que ninguno llegaba al Caballero del Febo, y que si alguno se le podía comparar era don Galaor, hermano de Amadís de Gaula, porque tenía muy acomodada condición para todo; que no era caballero melindroso, ni tan llorón como su hermano, y que en lo de la valentía no le iba en zaga.

En resolución, él se enfrascó tanto en su lectura, que se le pasaban las noches leyendo de claro en claro, y los días de turbio en turbio; a sí, del poco dormir y del mucho leer se le secó el cerebro, de manera que vino a perder el juicio. Llenósele la fantasía de todo aquello que leía en los libros, así de encantamientos como de pendencias, batallas, desafíos, heridas, requiebros, amores, tormentas y disparates imposibles; y asentósele de tal modo en la imaginación que era verdad toda aquella máquina de aquellas sonadas so
ñadas invenciones que leía, que para él no había otra historia más cierta en el mundo. Decía él que el Cid Ruy Díaz había sido muy buen caballero, pero que no tenía que ver con el Caballero de la Ardiente Espada, que de sólo un revés había partido por medio dos fieros y descomunales gigantes. Mejor estaba con Bernardo del Carpio, porque en Roncesvalles había muerto a Roldána el encantado, valiéndose de la industria de Hércules cuando ahogó a Anteo, el hijo de la Tierra, entre los brazos. Decía mucho también del gigante Morgante porque, con ser de aquella generación gigantea, que todos son soberbios y descomedidos, él sólo era afable y bien criado. Pero, sobre todos, estaba bien con Reinaldos de Montalbán, y más cuando le veía salir de su castillo y  robar cuantos topaba, y cuando en allende robó aquel ídolo de Mahoma que era todo de oro, según dice su historia. Diera él por dar una mano de coces al traidor de Galalón, el ama que tenía y aún a su sobrina de añadidura.

En efecto, rematado ya su juicio, vino a dar en el más estra
ño pensamiento que jamás dio loco en el mundo, y fue que le pareció convenible y necesario, así para el aumento de su honra como para el servicio de su república, hacerse caballero andante, y irse por todo el mundo con sus armas y caballo a buscar las aventuras y a ejercitarse en todo aquello que él había leído qe los caballeros andantes se ejercitaban, deshaciendo todo género de agravio, y poniéndose en ocasiones y peligros donde, acabándolos, cobrase eterno nombre y fama. Imaginábase el pobre ya coronado por el valor de su brazo, por lo menos, del imperio de Trapisonda; y así con estos tan agradables pensamientos, llevado del gusto que en ellos sentía, se dio prisa en poner en efecto lo que deseaba. Y lo primero que hizo fue limpiar unas armas que habían sido de sus bisabuelos, que, tomadas de orín y llenas de moho, luengos siglos había que estaban puestas y olvidadas en un rincón.


Segunda parte del ingenioso cavallero don Quixote de la Mancha

1615

Capítulo XXV

Donde se apunta la aventura del rebuzno y la graciosa del titerero con las memorables adivinanzas del mono adivino
p. 748-750

(...) Preguntó luego don Quijote al ventero qué mase Pedro era aquél y qué retablo y qué mono traía. A lo que respondió el ventero.
- Éste es un famoso titerero, que ha muchos días que anda por esta Mancha de Aragón ense
ñando un retablo de Melisendra, libertada por el famoso don Gaiferos, que es una de las mejores y más bien representadas historias que de muchos años a esta parte en este reino se han visto. Trae asimismo consigo un mono de la más rara habilidad que se vio entre monos, ni se imaginó entre hombres; porque si le preguntan algo, está atento a lo que le preguntan y luego salta sobre los hombros de su amo, y, llegándosele al oído, le dice la respuesta de lo que le preguntan, y maese Pedro la declara luego; y de las cosas pasadas dice mucho más que de las que están por venir; y aunque no todas veces acierta en todas, en las más no yerra; de modo que nos hace creer que tiene el diablo en el cuerpo. Dos reales lleva por cada pregunta, si es que el mono responde, quiero decir, si responde el amo por él, después de haberle hablado al oído; y así, se cree que el tal maese Pedro está riquísimo; y es hombre galante, como dicen en Italia, y bon compaño, y dase la mejor vida del mundo; habla más que seis y bebe más que doce, todo a costa de su lengua y de su mono y de su retablo.
En esto, volvió maese Pedro, y en una carreta venía el retablo, y el mono, grande y sin cola, con las posaderas de fieltro, pero no de mala cara; y apenas le vio don Quijote, cuando le preguntó:
- Dígame vuestra merced, se
ñor adivino: ¿qué peje pillamo? [¿qué pez cogemos?] ¿Qué ha de ser de nosotros? Y vea aquí mis dos reales.
Y mandó a Sancho que se los diese a maese Pedro, el cual respondió por el mono, y dijo:
- Se
ñor, este animal no responde ni da noticia de las cosas que están por venir; de las pasadas sabe algo, y de las presentes, algún tanto.
-
¡Voto a Rus [Dios]! - dijo Sancho -, no dé yo un ardite porque me digan lo que por mí ha pasado!; porque ¿quién lo puede saber mejor que yo mesmo? Y pagar yo porque me digan lo que sé, sería una gran necedad; pero pues sabe las cosas presentes, he aquí mis dos reales, y dígame el señor monísimo que hace ahora mi mujer Teresa Panza, y en qué se entretiene.
No quiso tomar maese Pedro el dinero, diciendo:
- No quiero recebir adelantados los premios, sin que hayan precedido los servicios.
Y dando con la mano derecha dos golpes sobre el hombro izquierdo, en un brinco se le puso el mono en él, y llegando la boca al oído, daba diente con diente muy apriesa; y habiendo hecho este ademán por espacio de un credo, de otro brinco se puso en el suelo, y al punto, con grandísima priesa, se fue maese Pedro a poner de rodillas ante don Quijote, y abrazándole las piernas, dijo:
- Estas piernas abrazo, bien así como si abrazara las dos colunas de Hércules,
¡oh resucitador insigne de la ya puesta en olvido andante caballería! ¡Oh jamás como se debe alabado caballero don Quijote de la Mancha, ánimo de los desmayados, arrimo de los que van a caer, brazo de los caídos, báculo y consuelo de todos los desdichados!
Quedó pasmado don Quijote, absorto Sancho, suspenso el primo, atónito el paje, adobado el del rebuzno, confuso el ventero y, finalmente, espantados todos los que oyeron las razones del titerero, el cual prosiguió diciendo:
- Y tú,
¡oh buen Sancho Panza!, el mejor escudero y del mejor caballero del mundo, alégrate; que tu buena mujer Teresa está buena, y ésta es la hora en que ella está rastrillando una libra de lino, y, por más señas, tiene a su lado izquierdo un jarro desbocado que cabe un buen porqué de vino, con que se entretiene en su trabajo.
- Eso creo yo muy bien - respondió Sancho-, porque es ella una bienaventurada, y a no ser celosa, no la trocara yo por la giganta Andandona, que, según mi se
ñor, fue una mujer muy cabal y muy de pro; y es mi Teresa de aquellas que no se dejan mal pasar, aunque sea a costa de sus herederos.
- Ahora digo - dijo a esta sazón don Quijote -, que el que lee mucho y anda mucho, vee mucho y sabe mucho. Digo esto porque
¿qué persuasión fuera bastante para persuadirme que hay monos en el mundo que adivinen, como lo he visto ahora por mis propios ojos? Porque yo soy el mesmo don Quijote de la Mancha que este buen animal ha dicho, puesto que se ha estendido algún tanto en mis alabanzas; pero como quiera yo me sea, doy gracias al cielo, que me dotó de un ánimo blando y compasivo, inclinado siempre a hacer bien a todos, y mal a ninguno.

Capítulo 70

Que sigue al de sesenta y nueve. Y trata de cosas no escusadas para la claridad desta historia

Aventura de Altisidora

p. 1072 - 1073

(...)
- Bien pudiera el Amor -dijo Sancho- depositarlos en los de mi asno; que yo se lo agradeciera. Pero dígame, se
ñora, así el cielo la acomode con otro más blando amante que mi amo: ¿qué es lo que vio en el otro mundo? ¿Qué hay en el infierno? Porque quien muere desesperado, por fuerza ha de tener aquel paradero.

- La verdad que os diga - respondió Altisidora-, yo no debí de morir del todo, pues no entré en el infierno; que si allá entrara, una por una no pudiera salir dél, aunque quisiera. La verdad es que llegué a la puerta, adonde estaban jugando hasta una docena de diablos a la pelota, todos en calzas y en jubón, con valonas guarnecidas con puntas de randas flamencas, y con unas vueltas de lo mismo, que les servían de pu
ños, con cuatro dedos de brazo de fuera, porque pareciesen las manos más largas; en las cuales tenían unas palas de fuego; y lo que más me admiró fue que les servían, en lugar de pelotas, libros, al parecer, llenos de viento y de borra, cosa maravillosa y nueva; pero esto no me admiró tanto como el ver que, siendo natural de los jugadores el alegrarse los ganaciosos y entristecerse los que pierden, allí en aquel juego todos gruñían, todos regañaban y todos se maldecían.

- Esto no es maravilla - respondió Sancho -; porque los diablos, jueguen o no jueguen, nunca pueden estar contentos, ganen o no ganen.

- Así debe de ser - respondió Altisidora-; mas hay otra cosa que también me admira, quiero decir me admiró entonces, y fue que al primer voleo no quedaba pelota en pie, ni de provecho para servir otra vez; y así, menudeaban los libros nuevos y viejos, que era una maravilla. A uno de ellos, nuevo, flamante y bien encuadernado, le dieron un papirotazo, que le sacaron las tripas y le esparcieron las hojas. Dijo un diablo a otro: "Mirad qué libro es ése". Y el diablo le respondió: "Ésta es la segunda parte de la historia de don Quijote de la Mancha, no compuesta por Cidi Hamete, su primer autor, sino por un aragonés, que él dice ser natural de Tordesillas". "Quitádmele de ahí - respondió el otro diablo-, y metedle en los abismos del infierno: no le vean más mis ojos." "
¿Tan malo es?", respondió el otro. "Tan malo - replicó el primero -, que si de propósito yo mismo me pusiera a hacerle peor, no acertara." Prosiguieron su juego, peloteando otros libros, y yo, por haber oído nombrar a don Quijote, a quien tanto adamo y quiero, procuré que se me quedase en la memoria esta visión.

- Visión debió de ser, sin duda - dijo don Quijote -, porque no hay otro yo en el mundo, y ya esa historia anda por acá de mano en mano; pero no para en ninguna, porque todos la dan del pie. Yo no me he alterado en oír que ando como cuerpo fantástico por las tinieblas del abismo, ni por la claridad de la tierra, porque no soy aquel de quien esta historia trata. Si ella fuera buena, fiel y verdadera, tendrá siglos de vida; pero si fuere mala, de su parto a la sepultura no será muy largo el camino.


ALEXANDER VON HUMBOLDT

1769-1859

AvHumboldt

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_von_Humboldt

 
Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents

Quelle: https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/humboldt_aequinoktial01_1859?p=7
Vgl.: Alexander von Humboldt: Die Reise nach Südamerika. Göttingen 1990 (Nach der Übersetzung von Hermann Hauff. Bearbeitet und herausgegeben von Jürgen Starbatty), S. 132-135.


Neuntes Kapitel
 

Körperbeschaffenheit und Sitten der Chaymas. Ihre Sprachen

(...)
Man macht sich keinen Begriff davon, wie schwer die Indianer Spanisch lernen. Sie haben einen Abscheu davor, solange sie mit den Weißen nicht in Berührung kommen und ihnen der Ehrgeiz fremd bleibt, civiliſierte Indianer zu heißen, oder, wie man sich in den Missionen ausdrückt, latinisierte Indianer, Indios muy latinos. Was mir aber nicht allein bei den Chaymas, sondern in allen sehr entlegenen Missionen, die ich später besucht, am meisten auffiel, das ist, daß es den Indianern so ungemein schwer wird, die einfachsten Gedanken zusammenzubringen und auf spanisch auszudrücken, selbst wenn sie die Bedeutung der Worte und den Satzbau ganz gut kennen. Man sollte sie für noch einfältiger halten als Kinder, wenn ein Weißer sie über Gegenſtände befragt, mit denen sie von Kindesbeinen an vertraut sind. Die Missionäre versichern, dieses Stocken sei nicht Folge der Schüchternheit; bei den Indianern, die täglich ins Haus des Missionärs kommen und bei der öffentlichen Arbeit die Aufsicht führen, sei es keineswegs natürliche Beschränktheit, sondern nur Unvermögen, den Mechanismus einer von ihren Landessprachen abweichenden Sprache zu handhaben. Je unkultivierter der Mensch ist, desto mehr moralische Starrheit und Unbiegsamkeit kommt ihm zu. Es ist also nicht zu verwundern, wenn der Indianer, der vereinsamt in den Missionen lebt, Hemmnissen begegnet, von denen diejenigen nichts wissen, die mit Mestizen, Mulatten und Weißen in der Nähe der Städte in Pfarrdörfern wohnen. Ich war oft erstaunt, mit welcher Geläufigkeit in Caripe der Alkalde, der Governador, der Sargento mayor stundenlang zu den vor der Kirche versammelten Indianern sprachen; sie verteilten die Arbeiten für die Woche, schalten die Trägen, drohten den Unanstelligen. Diese Häuptlinge, die selbst Chaymas sind und die Befehle des Missionars der Gemeinde zur Kenntnis bringen, sprechen dabei alle auf einmal, mit lauter Stimme, mit starker Betonung, fast ohne Gebärdenspiel. Ihre Züge bleiben dabei unbeweglich, ihr Blick ist ernst, gebieterisch.

Dieselben Menschen, die so viel Geisteslebendigkeit verieten und ziemlich gut spanisch verstanden, konnten ihre Gedanken nicht mehr zusammenbringen, wenn sie uns auf unsern Ausflügen in der Nähe des Klosters begleiteten und wir durch die Mönche Fragen an sie richten ließen. Man konnte sie Ja oder Nein sagen lassen, je nachdem man die Frage stellte; und ihre Trägheit und nebenbei auch jene schlaue Höflichkeit, die auch dem rohesten Indianer nicht ganz fremd ist, ließ sie nicht selten ihren Antworten die Wendung geben, auf die unsere Fragen zu deuten schienen. Wenn sich Reisende auf die Aussagen von Eingeborenen berufen wollen, können sie von diesem gefälligen Jasagen sich nicht genug in acht nehmen.

Alle Zahlenverhältnisse fassen die Chaymas außerordentlich schwer. Ich habe nicht gesehen, den man nicht sagen lassen konnte, er sei achtzehn oder aber sechzig Jahre alt. Die Chaymanssprache hat Worte, die ziemlich große Zahlen ausdrücken, aber wenige Indianer wissen damit umzugehen, und da sie im Verkehr mit den Missionaren dazu genötigt sind, so zählen die fähigsten spanisch, aber so, daß man ihnen die geistige Anstrengung ansieht, bis auf dreißig oder fünfzig. In der Chaymanssprache zählen dieselben Menschen nicht über fünf oder sechs. Ich bin weit entfernt, die Sprachen der Neuen Welt den schönsten Sprachen Asiens oder Europas gleichstellen zu wollen; aber keine von diesen hat ein klareres, regelmäßigeres und einfacheres Zahlsystem als die Oquichua und das Aztekische, die in den großen Reichen Couzco und Anahuac gesprochen wurden. Dürfte man nun sagen, in diesen Sprachen zähle man nicht über vier, weil es in den Dörfern, wo sich dieselben unter den armen Bauern von peruanischen oder mexikanischem Stamm erhalten haben, Menschen gibt, die nciht weiter zählen können? Die seltsame Ansicht, nach der so viele Völker Amerikas nur bis zu fünf, zehn oder zwanzig sollen zählen können, ist durch Reisende aufgekommen, die nicht wußten, daß die Menschen, je nach dem Geist der verschiedenen Mundarten, in allen Himmelsstrichen nach fünf, zehn oder zwanzig Einheiten (das heißt nach den Fingern einer Hand, beider Hände und Füße zusammen) einen Abschnitt machen, und daß sechs, dreizehn oder zwanzig auf verschiedene Weise durch fünf eins, zehn oder drei und "Fuß zeh" ausgedrückt werden.

Die amerikanischen Sprachen sind so ganz anders gebaut als die Tochtersprachen des Lateinischen, daß die Jesuiten, welche alles, was ihre Anstalten fördern konnte, aufs sorgfältigste in Betracht zogen, bei den Neubekehrten statt des Spanischen einige indianische, sehr reiche, sehr regelmäßige und weit verbreitete Sprachen, namentlich das Kechua und das Guarani, einführten. Sie suchten durch diese Sprachen die ärmeren, plummperen, im Satzbau nicht so regelmäßigen Mundarten zu verdrängen. Und der Tausch gelang ohne alle Schwierigkeit; die Indianer verschiedener Stämme ließen sich ganz gelehrig dazu herbei, und so wurden diese verallgemeinrten Sprachen zu einem bequemen Verkehrsmittel zwischen den Missionaren und den Neubekehrten. Diese Sprachen boten ihnen ein bequemes Mittel, um ein Band um zahlreiche Horden zu schlingen, die bis jetzt vereinzehlt, einander feindlich gesinnt durch die Sprachverschiedenheit geschieden waren

Nich allein ausgebildete Sprachen, wie die der Inka, das Aymara, Guarani, Cora und das Mexikansche, sondern auch sehr rohe Sprachen zeigen in ihrem grammatischen Bau die überraschendsten Ähnlichkeiten. Eben wegen dieser allgemeinen Ähnlichkeit im Bau lernt der Indianer in den Missionen viel leichter eine amerikanische Sprache als die des europäischen Mutterlandes. In den Wäldern am Orinoko habe ich die rohesten Indianer zwei, drei Sprachen hören. Häufig verkehrten Wilde verschiedener Nationen in einem anderen als ihrem eigenen Idiom miteinander.

Hätte man das System der Jesuiten befolgt, so wären bereits weit verbreitete Sprachen fast allgemein geworden. Auf Terra Firma und am Orinoko spräche man jetzt nur karibisch oder tamanakisch, im Süden und Südweste Quichua, Guarani, Omagua oder araukanisch. Die Missionare könnten sich diese Sprachen zu eigen machen, deren grammatischen Formen höchst regelmäßig und fast so fest sind wie im Griechischen und Sanskrit, und würden so den Eigeborenen, über die sie herrschen, weit näher kommen. Die zahllosen Schwierigkeiten in der Verwaltung von Missionen, die aus einem Duzend Völkerschaften bestehen, verschwänden mit der Sprachverwirrung. Die wenig verbreiteten Mundarten würden tote Sprachen; aber der Indianer behielte mit einer amerikanischen Sprache auch seine Individualität und seine nationale Physiognomie. Man erreichte so auf friedlichem Wege, was die allzusehr gepriesenen Inka, die den Fanatismus in die Neue Welt eingeführt, mit Waffengewalt durchzuführen begonnen.


SPINOZA

Spinoza

Baruch Spinoza (1632-1677)
Source: https://en.wikipedia.org/wiki/Baruch_Spinoza


Tractatus Theologico-Politicus

Caput XX

Ostenditur, in libera Republica unicuique et sentire,
quae velit, et quae sentiat, dicere licere



Source: http://spinozaetnous.org/wiki/Tractatus_theologico-politicus/Caput_XX

Si aeque facile esset animis, ac linguis imperare, tuto unusquisque regnaret, et nullum imperium violentum foret : Nam unusquisque ex imperantium ingenio viveret, et ex solo eorum decreto, quid verum, vel falsum, bonum, vel malum, aequum, vel iniquum esset, judicaret. Sed hoc, ut jam in initio cap. XVII. notavimus, fieri nequit, ut scilicet animus alterius juris absolute sit; quippe nemo jus suum naturale, sive facultatem suam libere ratiocinandi, et de rebus quibuscunque judicandi, in alium transferre, neque ad id cogi potest.
...

Ex fundamentis Reipublicae supra explicatis evidentissime sequitur, finem ejus ultimum non esse dominari, nec homines metu retinere, et alterius juris facere, sed contra unumquemque metu liberare, ut secure, quoad ejus fieri potest, vivat, hoc est, ut jus suum naturale ad existendum, et operandum absque suo, et alterius damno optime retineat. Non, inquam, finis Reipublicae est homines ex rationalibus bestias, vel automata facere, sed contra ut eorum mens, et corpus tuto suis functionibus fungantur, et ipsi libera ratione utantur, et ne odio, ira, vel dolo certent, nec animo iniquo invicem ferantur. Finis ergo Reipublicae revera libertas est.

Porro ad formandam Rempublicam hoc unum necesse fuisse vidimus, nempe ut omnis decretandi potestas penes omnes, vel aliquot, vel penes unum esset. Nam quandoquidem liberum hominum judicium varium admodum est, et unusquisque solus omnia scire putat, nec fieri potest, ut omnes aeque eadem sentiant, et uno ore loquantur, pacifice vivere non poterant, nisi unusquisque jure agendi ex solo decreto suae mentis cederet. Jure igitur agendi ex proprio decreto unusquisque tantum cessit, non autem ratiocinandi, et judicandi; adeoque salvo summarum potestatum jure nemo quidem contra earum decretum agere potest, at omnino sentire, et judicare, et consequenter etiam dicere, modo simpliciter tantum dicat vel doceat, et sola ratione, non autem dolo, ira, odio, nec animo aliquid in rempublicam ex authoritate sui decreti introducendi, defendat. Ex. gr. siquis legem aliquam sanae rationi repugnare ostendit, et propterea eandem abrogandam esse censet, si simul suam sententiam judicio summae potestatis (cujus tantum est, leges condere et abrogare) submittit, et nihil interim contra illius legis praescriptum agit, bene sane de republica meretur, ut optimus quisque civis; sed si contra id faciat ad magistratum iniquitatis accusandum, et vulgo odiosum reddendum, vel seditiose studeat invito magistratu legem illam abrogare, omnino perturbator est, et rebellis.
(highlight, RC)


English translation by Jonathan Bennett


Chapter 20

In a free State everyone is permitted to think what he likes and to say what he thinks.


[239] If it were as easy to govern men’s minds as it is their tongues, every ruler would govern in safety and no rule would be oppressive. Everyone would live as their rulers wanted them to, and would be obedient in all their judgments about what is true or false, good or evil, right or wrong. But as I pointed out early in chapter 17, one person’s mind can’t be absolutely controlled by someone else. No-one can transfer to another person his natural right or power of reasoning freely, and of forming his own opinions on any topic; ·so· no-one can be compelled to do this. This is why rule over minds is considered oppressive, and why the supreme authority seems to wrong its subjects and to usurp their rights when it tries to prescribe to each person •what he must embrace as true and what reject as false, and •what reasons he must have for his devotion to God. These things are within the individual person’s control, and he can’t give up that control even if he wants to.

...

The account I have given of the foundations of the State obviously imply that what the State is for is not to act as a despot, holding men down by fear and making them subject to someone else’s control. Rather, it is [241] to free each person from fear so that he can live as securely as possible, retaining to the utmost his natural right to exist and act without hurting himself or anyone else. The State’s purpose, according to me, is not to change men from rational beings into beasts or automata, but rather to bring it about that •they don’t risk anything by fully using their mental and physical powers, •they use their reason freely, •they don’t contend with one another in hatred, anger or deception, and •they don’t deal unfairly with one another. So the purpose of the State is really freedom.

Next point: When a State is being formed, it is essential (I noted this earlier) that all the decision-making power be held •by everyone, •by some ·specified group of· people, or •by one person. Free men vary a lot in their judgments; and each man thinks that he alone knows everything; so there’s no chance of their all thinking alike and speaking with one voice; so people couldn’t live together peaceably unless each one surrendered his right to act solely on the basis of his decisions. That concerns acting on his own decisions; the person doesn’t give up his right to reason and judge for himself. So you are infringing the authority of the sovereign powers if you act in a way that goes against a decision they have made; but you aren’t infringing anything by •thinking and •judging as you think fit. And the same goes for •speaking as you think fit, as long as you are speaking or teaching on the basis of reason alone, and not with deception, anger, hatred, or any intention to alter the governmental set-up on your own initiative. For example, if someone thinks that a law ought to be repealed because it is contrary to sound reason, and submits his opinion to the judgment of the supreme power. . . .in the meantime doing nothing that breaks that law, he deserves well of the State, as one of its best citizens. But if he does this as a way of •accusing the government of unfairness and •making the people hate it, or if he wants seditiously to get rid of that law, against the will of the government, he’s just a troublemaker and a rebel. (highlight RC)


ANTONIO GRAMSCI

Gramsci

1891-1937

Source: https://en.wikipedia.org/wiki/Antonio_Gramsci

Antonio Gramsci: Gedanken zur Kultur, Reclam, Leipzig 1987, S. 85-90.

Anmerkungen und Notizen für eine Reihe von Arbeiten zur Geschichte der Intellektuellen (Auszug)
(Organische und traditionelle Intellektuelle)


Die unterschiedliche Stellung der Intellektuellen städtischen und ländlichen Typs. Die Intellektuellen städtischen Typs haben sich zusammen mit der Industrie entwickelt und sind mit ihren Geschichten verknüpft. Ihre Funktion kann mit der unseren Offiziersränge in der Armee verglichen werden: sie entfalten keinerlei selbständige Initiative zur Aufstellung von Konstruktionsplänen, sie teilen die Masse der Ausführenden ein und setzen sie in Beziehung zum Unternehmer, sie sorgen für die unmittelbare Ausführung des vom industriellen Führungsstab aufgestellten Produktionsplans und kontrollieren dessen einzelne elementare Arbeitsphasen. Im Durchschnitt sind die städtischen Intellektuellen stark normiert; die städtischen Intellektuellen höheren Ranges gehen mehr und mehr im eigentlichen Führungsstab auf.

Die Intellektuellen des ländlichen Typs sind zum großen Teil "traditionelle" Intellektuelle, das heißt, sie sind mit der sozialen Masse der Bauern und der Kleinbürger in der Stadt (insbesondere den Kleinstädten) verbunden, die vom kapitalistischen System noch nicht aufgesogen und in Bewegung versetzt worden ist; dieser Typ von Intellektuellen ist Mittler zwischen der bäuerlichen Masse und der staatlichen oder örtlichen Verwaltung (Anwälte, Notare usw.), und aufgrund dieser Funktion hat er eine große politisch-soziale Funktion, weil der berufsbedingte Mittlerrolle sich kaum von einer politischen Mittlerrolle trennen läßt. Außerdem hat der Intellektuelle auf dem Lande (Priester, Anwalt, Lehrer, Notar, Arzt usw.) im Schnitt einen  höheren oder doch zumindest andersartigen Lebensstandard als der Durchschnittsbauer, und darum stellt er für das Streben des Bauern, aus seinem Stand aufzusteigen, ihn zu verbessern, ein soziales Modell dar. (...)

Anders liegt der Fall bei den städtischen Intellektuellen. Die Techniker in der Fabrik üben keinerlei politischen Funktion gegenüber der von ihnen gelenkten werktätigen Masse aus, oder zumindest ist dies eine bereits überwundene Phase; bisweilen tritt geradezu das Gegenteil ein, daß nämlich die werktätigen Massen einen politischen Einfluß auf den Techniker ausüben, zumindest vermittels ihrer eigenen organischen Intellektuellen.

Der zentrale Punkt des Problems bleibt die Unterscheidung zwischen den Intellektuellen als organischer Kategorie einer jeden sozialen Hauptgruppe und den Intellektuellen als traditioneller Kategorie; eine Unterscheidung, aus der sich eine ganze Reihe von Problemen und möglichen historischen untersuchungen ableitet. Das interessanteste Problem, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, ist das der modernen politischen Partei, ihrer realen Ursprünge, ihrer Entwicklungen, ihrer Gestalten. Was ist die politische Partei im Hinblick auf das Intellektuellenproblem? Es müssen einige Unterscheidungen getroffen werden:

1. für einige soziale Gruppen ist die politische Partei nichts anderes als ihre Art und Weise, die eigene Kategori von organischen Intellektuellen hervorzubringen, welche sich auf diese Weise unmittelbar auf politischem und philosophischem Gebiet und nicht im Bereich der Produktionstecnik herausbilden und angesichts der allgemeinen Kennzeichen, Bildungs-, Lebens- und Entwicklungsbedingungen der gegebenen sozialen Gruppe auch nur dort herausbilden können (im produktionstechnischen Bereich bilden sich die Schichten heraus, die man "Mannschaftsdienstgraden" beim Militär vergleichen könnte, nämlich die Facharbeiter und angelernten Arbeiter in der Stadt und, in komplizierterer Weise, die Halbpächter und Pächter auf dem Lande, denn der Halbpächter und Pächter entspricht im allgemeinen etwa dem Typ des Handwerkers, welcher die Facharbeiter einer mittelalterlichen Wirtschaft ist);

2.  die politische Partei ist für alle Gruppen eben der Mechanismus, der in der bürgerlichen Gesellschaft die Funktion ausübt, die der Staat auf umfassendere und konzentriertere Art in der politischen Gesellschaft ausübt, das heißt, er verknüpft die organischen Intellektuellen einer bestimmten, der herrschenden, Gruppe mit den traditionellen Intellektuellen, und diese Funktion übt die Partei eben aufgrund ihrer wesentlichen Funktion aus, welche darin besteht, ihre Mitglieder, Elemente einer als "ökonomische Gruppe" entstandenen und sich entwickelnden sozialen Gruppe, so zu formen, daß sie zu qualifizierten politischen Intellektuellen, zu Führern erden, die sämtliche Aktivitäten und Funktionen organisieren können, die in der organischen Entwicklung einer Gesamtgesellschaft, die sowohl bürgerlichen Gesellschaft als auch politische Gesellschaft ist, enthalten sind. Ja, man kann sagen, daß die politische Partei innerhalb ihres Rahmens ihre Funktion viel vollständiger und organischer ausfüllt als der Staat die seinige im größeren Rahmen: ein Intellektueller dieser Gruppe, verbindet auch eng mit der Gruppe; Gleiches aber geschieht nicht oder doch nur in bescheidenem Maße, wenn jemand sich am staatlichen Leben beteiligt. Allerdings kommt es bei vielen Intellektuellen vor, daß sie meinen, sie seien der Staat, ein Glaube, der angesicht ihrer beachteten Masse bisweilen merkliche Folgen zeitigt und zu unangenehmen Komplikationen für die ökonomische Hauptgruppe führt, die in Wirklichkeit der Staat ist.

Die Behauptung, daß alle Mitglieder einer politischen Partei als Intellektuelle zu betrachten seien, mag Anstoß zu Scherzen und Karikaturen liefern; und doch trifft, bei rechter Überlegung, nichts exakter zu. Man wird nach Ranstufeen unterscheiden müssen, eine Partei kann sich in stärkerem oder in geringerem Maße aus Angehörigen des höheren oder des niederen Rangeszusammensetzen, nicht das zählt: was zählt, ist die leitende und organisierende Funktion, also eine erzieherische, intellektuelle Funktion. Ein Händler tritt einer politischen Partei nicht bei, um Handel zu treiben, und ebensowenig ein Unternehmer, um mehr und mit geringeren Kosten zu produzieren, oder ein Bauer, um neue Methoden der Bodenbearbeitung zu erlernen, mögen auch einige Aspekte dieser Bedürfnisse des Händlers, des Unternehmers, des Bauern in der politischen Partei befriedigt werden (das allgemeine Urteil steht dem entgegen, es lautet, der "politisierende" Händler, Unternehmer, Bauer mache Verlust statt Gewinn und zähle zu den Schlechtesten seines Standes, worüber sich streiten läßt). Für diese Zwecke ist in gewissen Grenzen die Innung da, in der das ökonomisch-korporative Wirken des Händlers, des Unternehmers, des Bauern den ihm angemessenen Rahmen findet. In der politischen Partei gehen die Angehörigen einer sozialökonomischen Gruppe über dieses ihr historisches Enwicklungsmoment hinaus und werden zu Triebkräften allgemeiner Aktivitäten von nationalem und internationalem Charakter. Diese Funktion der politischen Partei müßte viel klarer hervorgehoben aus einer konkreten historischen Analyse dessen, was sich die organische und die traditionelle Kategorie der Intellektuellen sowohl innerhalb der verschiedenen nationalen Geschichten als auch innerhalb der Entwicklung der wichtigsten unterschiedlichen sozialen Gruppen im Rahmen der verschiedenen Nationen entwickelt haben, insbesondere bei jenen Gruppen, deren öknomische Tätigkeit vorwiegend ausführenden Charakter trug.

Die Herausbilding der traditionellen Intellektuellen ist das historisch interessantere Problem. Sie war sicherlich verbunden mit der Sklaverei in der klassischen Antike und mit der Stellung der freigelassenen Sklaven griechischer und orientalischer Herkunft innerhalb des sozialen Gefüges des Römischen Reiches. Diese nicht allein soziale, sondern nationale, rassenbedingte Kluft zwischen einer beträchtlichen Masse von Intellektuellen und der herrschenden Klasse des römischen Reiches stellt sich nach dem Untergang des Reiches wiederum zwischen germanischen Kriegern und romanisierten Intellektuellen her, in denen sich die Kategorie des Freigelassenen fortsetzt. Mit diesen Erscheinungen verquickt ist die Entstehung und Enwicklung des Katholizismus und der kirchlichen Organisation, die über viele Jahrhunderte den Hauptteil der intellektuellen Aktivitäten an sich zieht und das Monopol der kulturellen Führung innehat, bei Strafe und Sanktionen gegen jeden, der sich dem Monopol zu widersetzen oder es zu umgehen trachtet. In Italien kommt es zu dem, je nach Zeitalter mehr oder weniger wirksamen, Phänomen, daß die Intellektuellen der Halbinsel eine kosmopolitischen Funktion ausüben. Ich will die sogleich ins Auge springenden Unterschiede in der Entwicklung der Intellektuellen für eine ganze Reihe von Ländern anmerken, jedenfalls die hervorstechendsten, mit dem Hinweis, daß diese Betrachtungen überprüft und vertieft werden müssen (wie ja ohnehin alle diese Anmerkungen lediglich als Gedächtnisanregungen und -anstöße zu sehen sind, die zu überprüfen und zu vertiefen sind).

Heft 12, § 1 (1932), Krit. Ausg. S. 1520-1524, INT S. 10-14.

Vgl.
Intellektuelle und Bildung
kulturelle Hegemonie



IL MATERIALISMO STORICO E LA FILOSOFIA DI BENEDETTO CROCE


Fuente: https://albertosoave.files.wordpress.com/2014/01/il-materialismo-storico-e-la-filosofia-di-benedetto-croce.pdf


I. Avviamento allo studio della filosofia e del materialismo storico

Le note contenute in questo quaderno, come negli altri, sono state scritte a penna corrente, per segnare un rapido promemoria. Esse sono tutte da rivedere e controllare minutamente, perché contengono certamente inesattezze, falsi accostamenti, anacronismi. Scritte senza aver presenti i libri cui si accenna, è possibile che dopo il controllo, debbano essere radicalmente corrette perché proprio il contrario di ciò che è scritto risulti vero.


Alcuni punti preliminari di riferimento

(pp. 13-16)

Occorre distruggere il pregiudizio molto diffuso che la filosofia sia un alcunché di molto difficile per il fatto che essa è l'attività intellettuale propria di una determinata categoria di scienziati specialisti o di filosofi professionali e sistematici. Occorre pertanto dimostrare preliminarmente che tutti gli uomini sono «filosofi», definendo i limiti e i caratteri di questa «filosofia spontanea», propria di «tutto il mondo», e cioè della filosofia che è contenuta: 1) nel linguaggio stesso, che è un insieme di nozioni e di concetti determinati e non già e solo di parole grammaticalmente vuote di contenuto; 2) nel senso comune e buon senso; 3) nella religione popolare e anche quindi in tutto il sistema di credenze, superstizioni, opinioni, modi di vedere e di operare che si affacciano in quello che generalmente si chiama «folclore».

Avendo dimostrato che tutti sono filosofi, sia pure a modo loro, inconsapevolmente, perché anche solo nella minima manifestazione di una qualsiasi attività intellettuale, il «linguaggio», è contenuta una determinata concezione del mondo, si passa al secondo momento, al momento della critica e della consapevolezza, cioè alla quistione: è preferibile «pensare» senza averne consapevolezza critica, in modo disgregato e occasionale, cioè «partecipare» a una concezione del mondo «imposta» meccanicamente dall'ambiente esterno, e cioè da uno dei tanti gruppi sociali nei quali ognuno è automaticamente coinvolto fin dalla sua entrata nel mondo cosciente (e che può essere il proprio villaggio o la provincia, può avere origine nella parrocchia e nell'«attività intellettuale» del curato o del vecchione patriarcale la cui «saggezza» detta legge, nella donnetta che ha ereditato la sapienza dalle streghe o nel piccolo intellettuale inacidito nella propria stupidaggine e impotenza a operare) o è preferibile elaborare la propria concezione del mondo consapevolmente e criticamente e quindi, in connessione con tale lavorio del proprio cervello, scegliere la propria sfera di attività, partecipare attivamente alla produzione della storia del mondo, essere guida di se stessi e non già accettare passivamente e supinamente dall'esterno l'impronta alla propria personalità?

Nota I.

Per la propria concezione del mondo si appartiene sempre a un determinato aggruppamento, e precisamente a quello di tutti gli elementi sociali che condividono uno stesso modo di pensare e di operare. Si è conformisti di un qualche conformismo, si è sempre uomini-massa o uomini-collettivi. La quistione è questa: di che tipo storico è il conformismo, l'uomo-massa di cui si fa parte? Quando la concezione del mondo non è critica e coerente ma occasionale e disgregata, si appartiene simultaneamente a una molteplicità di uomini-massa, la propria personalità è composita in modo bizzarro: si trovano in essa elementi dell'uomo delle caverne e principii della scienza piú moderna e progredita, pregiudizi di tutte le fasi storiche passate grettamente localistiche e intuizioni di una filosofia avvenire quale sarà propria del genere umano unificato mondialmente. Criticare la propria concezione del mondo significa dunque renderla unitaria e coerente e innalzarla fino al punto cui è giunto il pensiero mondiale piú progredito. Significa quindi anche criticare tutta la filosofia finora esistita, in quanto essa ha lasciato stratificazioni consolidate nella filosofia popolare. L'inizio dell'elaborazione critica è la coscienza di quello che è realmente, cioè un «conosci te stesso» come prodotto del processo storico finora svoltosi che ha lasciato in te stesso un'infinità di tracce accolte senza beneficio d'inventario. Occorre fare inizialmente un tale inventario.

Nota II.

Non si può separare la filosofia dalla storia della filosofia e la cultura dalla storia della cultura. Nel senso piú immediato e aderente, non si può essere filosofi, cioè avere una concezione del mondo criticamente coerente, senza la consapevolezza della sua storicità, della fase di sviluppo da essa rappresentata e del fatto che essa è in contraddizione con altre concezioni o con elementi di altre concezioni. La propria concezione del mondo risponde a determinati problemi posti dalla realtà, che sono ben determinati e «originali» nella loro attualità. Come è possibile pensare il presente e un ben determinato presente con un pensiero elaborato per problemi del passato spesso ben remoto e sorpassato? Se ciò avviene, significa che si è «anacronistici» nel proprio tempo, che si è dei fossili Il materialismo storico e la filosofia di Benedetto Croce Antonio Gramsci e non esseri modernamente viventi. O per lo meno che si è «compositi» bizzarramente. E infatti avviene che gruppi sociali che per certi aspetti esprimono la piú sviluppata modernità, per altri sono in arretrato con la loro posizione sociale e pertanto sono incapaci di completa autonomia storica.

Nota III.

Se è vero che ogni linguaggio contiene gli elementi di una concezione del mondo e di una cultura, sarà anche vero che dal linguaggio di ognuno si può giudicare la maggiore o minore complessità della sua concezione del mondo. Chi parla solo il dialetto o comprende la lingua nazionale in gradi diversi, partecipa necessariamente di una intuizione dei mondo piú o meno ristretta e provinciale, fossilizzata, anacronistica in confronto delle grandi correnti di pensiero che dominano la storia mondiale. I suoi interessi saranno ristretti, piú o meno corporativi o economistici, non universali. Se non sempre è possibile imparare piú lingue straniere per mettersi a contatto con vite culturali diverse, occorre almeno imparare bene la lingua nazionale. Una grande cultura può tradursi nella lingua di un'altra grande cultura, cioè una grande lingua nazionale, storicamente ricca e complessa, può tradurre qualsiasi altra grande cultura, cioè essere una espressione mondiale. Ma un dialetto non può fare la stessa cosa.

Nota IV.

Creare una nuova cultura non significa solo fare individualmente delle scoperte «originali», significa anche e specialmente diffondere criticamente delle verità già scoperte, «socializzarle» per cosí dire e pertanto farle diventare base di azioni vitali, elemento di coordinamento e di ordine intellettuale e morale. Che una massa di uomini sia condotta a pensare coerentemente e in modo unitario il reale presente è fatto «filosofico» ben piú importante e «originale» che non sia il ritrovamento da parte di un «genio» filosofico di una nuova verità che rimane patrimonio di piccoli gruppi intellettuali.


Connessione tra il senso comune, la religione e la filosofia. La filosofia è un ordine intellettuale, ciò che non possono essere né la religione né il senso comune.
Vedere come, nella realtà, neanche religione e senso comune coincidono, ma la religione è un elemento del disgregato senso comune. Del resto «senso comune» è nome collettivo, come «religione»: non esiste un solo senso comune, ché anche esso è un prodotto e un divenire storico. La filosofia è la critica e il superamento della religione e del senso comune e in tal senso coincide col «buon senso» che si contrappone al senso comune.

Relazioni tra scienza - religione - senso comune. La religione e il senso comune non possono costituire un ordine intellettuale perché non possono ridursi a unità e coerenza neanche nella coscienza individuale per non parlare della coscienza collettiva: non possono ridursi a unità e coerenza «liberamente» perché «autoritativamente» ciò potrebbe avvenire come infatti è avvenuto nel passato entro certi limiti. Il problema della religione intesa non nel senso confessionale ma in quello laico di unità di fede tra una concezione del mondo e una norma di condotta conforme; ma perché chiamare questa unità di fede «religione» e non chiamarla «ideologia» o addirittura «politica»?

Non esiste infatti la filosofia in generale: esistono diverse filosofie o concezioni del mondo e si fa sempre una scelta tra di esse. Come avviene questa scelta? È questa scelta un fatto meramente intellettuale o piú complesso? E non avviene spesso che tra il fatto intellettuale e la norma di condotta ci sia contraddizione? Quale sarà allora la reale concezione del mondo: quella logicamente affermata come fatto intellettuale, o quella che risulta dalla reale attività di ciascuno, che è implicita nel suo operare? E poiché l'operare è sempre un operare politico, non si può dire che la filosofia reale di ognuno è contenuta tutta nella sua politica? Questo contrasto tra il pensare e l'operare, cioè la coesistenza di due concezioni del mondo, una affermata a parole e l'altra esplicantesi nell'effettivo operare, non è dovuto sempre a malafede. La malafede può essere una spiegazione soddisfacente per alcuni individui singolarmente presi, o anche per gruppi piú o meno numerosi, non è soddisfacente però quando il contrasto si verifica nella manifestazione di vita di larghe masse: allora esso non può non essere l'espressione di contrasti piú profondi di ordine storico sociale. Significa che un gruppo sociale, che ha una sua propria concezione del mondo, sia pure embrionale, che si manifesta nell'azione, e quindi saltuariamente, occasionalmente, cioè quando tal gruppo si muove come un insieme organico, ha, per ragioni di sottomissione e subordinazione intellettuale, preso una concezione non sua a prestito da un altro gruppo e questa afferma a parole, e questa anche crede di seguire, perché la segue in «tempi normali», cioè quando la condotta non è indipendente e autonoma, ma appunto sottomessa e subordinata. Ecco quindi che non si può staccare la filosofia dalla politica e si può mostrare anzi che la scelta e la critica di una concezione del mondo è fatto politico anch'essa.

Occorre dunque spiegare come avviene che in ogni tempo coesistano molti sistemi e correnti di filosofia, come nascono, come si diffondono, perché nella diffusione seguono certe linee di frattura e certe direzioni ecc. Ciò mostra quanto sia necessario sistemare criticamente e coerentemente le proprie intuizioni del mondo e della vita, fissando con esattezza cosa deve intendersi per «sistema» perché non sia capito nel senso pedantesco e professorale della parola. Ma questa elaborazione deve essere e può solo essere fatta nel quadro della storia della filosofia che mostra quale elaborazione il pensiero abbia subíto nel corso dei secoli e quale sforzo collettivo sia costato il nostro attuale modo di pensare che riassume e compendia tutta questa storia passata, anche nei suoi errori e nei suoi delirii, che, d'altronde, per essere stati commessi nel passato ed essere stati corretti non è detto non si riproducano nel presente e non domandino di essere ancora corretti.

Quale è l'idea che il popolo si fa della filosofia? Si può ricostruire attraverso i modi di dire del linguaggio comune. Uno dei piú diffusi è quello di «prendere le cose con filosofia», che, analizzato, non è poi da buttar via del tutto. È vero che in esso è contenuto un invito implicito alla rassegnazione e alla pazienza, ma pare che il punto piú importante sia invece l'invito alla riflessione, a rendersi conto e ragione che ciò che succede è in fondo razionale e che come tale occorre affrontarlo, concentrando le proprie forze razionali e non lasciandosi trascinare dagli impulsi istintivi e violenti. Si potrebbero raggruppare questi modi di dire popolari con le espressioni simili degli scrittori di carattere popolare – prendendole dai grandi vocabolari – in cui entrano i termini di «filosofia» e «filosoficamente» e si potrà vedere che questi hanno un significato molto preciso, di superamento delle passioni bestiali ed elementari in una concezione della necessità che dà al proprio operare una direzione consapevole. È questo il nucleo sano del senso comune, ciò che appunto potrebbe chiamarsi buon senso e che merita di essere sviluppato e reso unitario e coerente. Cosí appare che anche perciò non è possibile disgiungere quella che si chiama filosofia «scientifica» da quella filosofia «volgare» e popolare che è solo un insieme disgregato di idee e opinioni.

Ma a questo punto si pone il problema fondamentale di ogni concezione del mondo, di ogni filosofia, che sia diventata un movimento culturale, una «religione», una «fede», cioè che abbia prodotto un'attività pratica e una volontà e in esse sia contenuta come «premessa» teorica implicita (una «ideologia» si potrebbe dire, se al termine ideologia si dà appunto il significato piú alto di una concezione del mondo che si manifesta implicitamente nell'arte, nel diritto, nell'attività economica, in tutte le manifestazioni di vita individuali e collettive), cioè il problema di conservare l'unità ideologica in tutto il blocco sociale che appunto da quella determinata ideologia è cementato e unificato. La forza delle religioni e specialmente della chiesa cattolica è consistita e consiste in ciò che esse sentono energicamente la necessità dell'unione dottrinale di tutta la massa «religiosa» e lottano perché gli strati intellettualmente superiori non si stacchino da quelli inferiori. La chiesa romana è stata sempre la piú tenace nella lotta per impedire che «ufficialmente» si formino due religioni, quella degli «intellettuali» e quella delle «anime semplici». Questa lotta non è stata senza gravi inconvenienti per la chiesa stessa, ma questi inconvenienti sono connessi al processo storico che trasforma tutta la società civile e che in blocco contiene una critica corrosiva delle religioni; tanto piú risalta la capacità organizzatrice nella sfera della cultura del clero e il rapporto astrattamente razionale e giusto che nella sua cerchia la chiesa ha saputo stabilire tra intellettuali e semplici. I gesuiti sono stati indubbiamente i maggiori artefici di questo equilibrio e per conservarlo essi hanno impresso alla chiesa un movimento progressivo che tende a dare certe soddisfazioni alle esigenze della scienza e della filosofia, ma con ritmo cosí lento e metodico che le mutazioni non sono percepite dalla massa dei semplici, sebbene esse appaiano «rivoluzionarie» e demagogiche agli «integralisti».

Una delle maggiori debolezze delle filosofie immanentistiche in generale consiste appunto nel non aver saputo creare una unità ideologica tra il basso e l'alto, tra i «semplici» e gli intellettuali. Nella storia della civiltà occidentale il fatto si è verificato su scala europea, col fallimento immediato del Rinascimento e in parte anche della Riforma nei confronti della chiesa romana. Questa debolezza si manifesta nella quistione scolastica, in quanto dalle filosofie immanentistiche non è stato neppur tentato di costruire una concezione che potesse sostituire la religione nell'educazione infantile, quindi il sofisma pseudo-storicistico per cui pedagogisti areligiosi (aconfessionali), e in realtà atei, concedono l'insegnamento della religione perché la religione è la filosofia dell'infanzia dell'umanità che si rinnova in ogni infanzia non metaforica. L'idealismo si è anche mostrato avverso ai movimenti culturali di «andata verso il popolo», che si manifestarono nelle cosí dette Università popolari e istituzioni simili e non solo per i loro aspetti deteriori, perché in tal caso avrebbero solo dovuto cercare di far meglio. Tuttavia questi movimenti erano degni di interesse, e meritavano di essere studiati: essi ebbero fortuna, nel senso che dimostrarono da parte dei «semplici» un entusiasmo sincero e una forte volontà di innalzarsi a una superiore forma di cultura e di concezione del mondo. Mancava però in essi ogni organicità sia di pensiero filosofico, sia di saldezza organizzativa e di centralizzazione culturale; si aveva l'impressione che rassomigliassero ai primi contatti tra i mercanti inglesi e i negri dell'Africa: si dava merce di paccottiglia per avere pepite d'oro. D'altronde l'organicità di pensiero e la saldezza culturale poteva aversi solo se tra gli intellettuali e i semplici ci fosse stata la stessa unità che deve esserci tra teoria e pratica; se cioè gli intellettuali fossero stati organicamente gli intellettuali di quelle masse, se avessero cioè elaborato e reso coerente i principi e i problemi che quelle masse ponevano con la loro attività pratica, costituendo cosí un blocco culturale e sociale. Si ripresentava la stessa quistione già accennata: un movimento filosofico è tale solo in quanto si applica a svolgere una cultura specializzata per ristretti gruppi di intellettuali o è invece tale solo in quanto, nel lavoro di elaborazione di un pensiero superiore al senso comune e scientificamente coerente non dimentica mai di rimanere a contatto coi «semplici» e anzi in questo contatto trova la sorgente dei problemi da studiare e risolvere? Solo per questo contatto una filosofia diventa «storica», si depura dagli elementi intellettualistici di natura individuale e si fa «vita».


PROBLEMI DI FILOSOFIA E DI STORIA

(pp. 38-39)

Concetto di «ideologia». L'«ideologia» è stata un aspetto del «sensismo», ossia del materialismo francese del XVIII secolo. Il suo significato originario era quello di «scienza delle idee» e poiché l'analisi era il solo metodo riconosciuto e applicato dalla scienza, significava «analisi delle idee» cioè «ricerca dell'origine delle idee». Le idee dovevano essere scomposte nei loro «elementi» originari e questi non potevano essere altro che le «sensazioni»: le idee derivano dalle sensazioni. Ma il sensismo poteva associarsi senza troppa difficoltà colla fede religiosa, con le credenze piú estreme nella «potenza dello Spirito» e nei suoi «destini immortali» e cosí avviene che il Manzoni, anche dopo la sua conversione o ritorno al cattolicismo, anche quando scrisse gli Inni Sacri, mantenne la sua adesione di massima al sensismo, finché non conobbe la filosofia del Rosmini.

Il piú efficace propagatore letterario dell'ideologia è stato Destutt de Tracy (1754-1836) per la facilità e popolarità della sua esposizione; altro, il dott. Cabanis col suo Rapport du Physique et du Moral (Condillac, Helvétius ecc. sono piú strettamente filosofi). Legame tra cattolicismo e Ideologia: Manzoni, Cabanis, Bourget, Taine (Taine è caposcuola per Maurras e altri di indirizzo cattolico); «romanzo psicologico» (Stendhal fu allievo del de Tracy ecc.). Di Destutt de Tracy l'opera principale è gli Éléments d'Idéologie (Parigi, 1817-18) che è piú completa nella traduzione italiana: Elementi di Ideologia del conte Destutt de Tracy, tradotta da G. Compagnoni, Milano, Stamperia di Giambattista Sonzogno, 1819 (nel testo francese manca una intera sezione, credo quella sull'Amore, che Stendhal conobbe e utilizzò dalla traduzione italiana).

Come il concetto di Ideologia da «scienza delle idee», da «analisi sull'origine delle idee», sia passato a significare un determinato «sistema di idee» è da esaminare storicamente, poiché logicamente il processo è facile da cogliere e comprendere. Si può affermare che il Freud sia l'ultimo degli Ideologi e che un «ideologo» sia il De Man, per cui appare tanto piú strano l'«entusiasmo» per il De Man del Croce e dei crociani, se non ci fosse una giustificazione «pratica» di tale entusiasmo.

È da esaminare come l'autore del Saggio popolare sia rimasto impigliato nell'Ideologia, mentre la filosofia della prassi rappresenta un netto superamento e storicamente si contrapponga appunto all'Ideologia. Lo stesso significato che il termine di «ideologia» ha assunto nella filosofia della prassi contiene implicitamente un giudizio di disvalore ed esclude che per i suoi fondatori l'origine delle idee fosse da ricercare nelle sensazioni e quindi, in ultima analisi, nella fisiologia: questa stessa «ideologia» deve essere analizzata storicamente, secondo la filosofia della prassi, come una superstruttura.

Un elemento di errore nella considerazione del valore delle ideologie mi pare sia dovuto al fatto (fatto che d'altronde non è casuale) che si dà il nome di ideologia sia alla soprastruttura necessaria di una determinata struttura, sia alle elucubrazioni arbitrarie di determinati individui. Il senso deteriore della parola è diventato estensivo e ciò ha modificato e snaturato l'analisi teorica del concetto di ideologia. Il processo di questo errore può essere facilmente ricostruito: 1°) si identifica l'ideologia come distinta dalla struttura e si afferma che non le ideologie mutano le strutture ma vice-versa; 2°) si afferma che una certa soluzione politica è «ideologica» cioè è insufficiente a mutare la struttura, mentre crede di poterla mutare si afferma che è inutile, stupida ecc.; 3°) si passa ad affermare che ogni ideologia è «pura» apparenza, inutile, stupida ecc.

Bisogna dunque distinguere tra ideologie storicamente organiche, che sono cioè necessarie a una certa struttura, e ideologie arbitrarie, razionalistiche, «volute». In quanto storicamente necessarie esse hanno una validità che è validità «psicologica», esse «organizzano» le masse umane, formano il terreno in cui gli uomini si muovono, acquistano coscienza della loro posizione, lottano ecc. In quanto «arbitrarie» non creano altro che «movimenti» individuali, polemiche ecc.; (non sono completamente inutili neanche esse, perché sono come l'errore che si contrappone alla verità e l'afferma).

Ricordare la frequente affermazione che fa il Marx della «solidità delle credenze popolari» come elemento necessario di una determinata situazione: egli dice presso a poco «quando questo modo di concepire avrà la forza delle credenze popolari» ecc. (Ricercare queste affermazioni e analizzarle nel contesto in cui sono espresse). Altra affermazione del Marx è che una persuasione popolare ha spesso la stessa energia di una forza materiale o qualcosa di simile e che è molto significativa. L'analisi di queste affermazioni credo porti a rafforzare la concezione di «blocco storico», in cui appunto le forze materiali sono il contenuto e le ideologie la forma, distinzione di forma e contenuto meramente didascalica, perché le forze materiali non sarebbero concepibili storicamente senza forma e le ideologie sarebbero ghiribizzi individuali senza le forze materiali.


IV. La filosofia di Benedetto Croce
(p. 121)


8. Trascendenza – teologia – speculazione. Il Croce coglie ogni occasione per mettere in rilievo come egli, nella sua attività di pensatore, abbia studiosamente cercato di espungere dalla sua filosofia ogni traccia e residuo di trascendenza e di teologia e quindi di metafisica, intesa nel senso tradizionale. Cosí egli, in confronto del concetto di «sistema» ha messo in valore il concetto di problema filosofico, cosí egli ha negato che il pensiero produca altro pensiero, astrattamente, ed ha affermato che i problemi che il filosofo deve risolvere, non sono una filiazione astratta del precedente pensiero filosofico, ma sono proposti dallo svolgimento storico attuale, ecc. Il Croce è giunto fino ad affermare che la sua ulteriore e recente critica della filosofia della praxis è appunto connessa a questa sua preoccupazione antimetafisica e antiteologica, in quanto la filosofia della praxis sarebbe teologizzante e il concetto di «struttura» non sarebbe che la ripresentazione ingenua del concetto di un «dio ascoso». Bisogna riconoscere gli sforzi del Croce per fare aderire alla vita la filosofia idealistica, e tra i suoi contributi positivi allo sviluppo della scienza sarà da annoverare la sua lotta contro la trascendenza e la teologia nelle loro forme peculiari al pensiero religioso-confessionale. Ma che il Croce sia riuscito nel suo intento in modo conseguente non è possibile ammettere: la filosofia del Croce rimane una filosofia «speculativa» e in ciò non è solo una traccia di trascendenza e di teologia, ma è tutta la trascendenza e la teologia, appena liberate dalla piú grossolana scorza mitologica. La stessa impossibilità in cui pare si trovi il Croce di comprendere l'assunto della filosofia della praxis (tanto da lasciare l'impressione che si tratti non di una grossolana ignorantia elenchi ma di una gherminella polemica meschina e avvocatesca) mostra come il pregiudizio speculativo lo acciechi e lo devii. La filosofia della praxis deriva certamente dalla concezione immanentistica della realtà, ma da essa in quanto depurata da ogni aroma speculativo e ridotta a pura storia o storicità o a puro umanesimo. Se il concetto di struttura viene concepito «speculativamente», certo esso diventa un «dio ascoso»; ma appunto esso non deve essere concepito speculativamente, ma storicamente, come l'insieme dei rapporti sociali in cui gli uomini reali si muovono e operano, come un insieme di condizioni oggettive che possono e debbono essere studiate coi metodi della «filologia» e non della «speculazione». Come un «certo» che sarà anche «vero», ma che deve essere studiato prima di tutto nella sua «certezza» per essere studiato come «verità». Non solo la filosofia della praxis è connessa all'immanentismo, ma anche alla concezione soggettiva della realtà, in quanto appunto la capovolge, spiegandola come fatto storico, come «soggettività storica di un gruppo sociale», come fatto reale, che si presenta come fenomeno di «speculazione» filosofica ed è semplicemente un atto pratico, la forma di un contenuto concreto sociale e il modo di condurre l'insieme della società a foggiarsi una unità morale. L'affermazione che si tratti di «apparenza», non ha nessun significato trascendente e metafisico, ma è la semplice affermazione della sua «storicità», del suo essere «morte-vita», del suo rendersi caduca perché una nuova coscienza sociale e morale si sta sviluppando, piú comprensiva, superiore, che si pone come sola «vita», come sola «realtà» in confronto del passato morto e duro a morire nello stesso tempo. La filosofia della praxis è la concezione storicistica della realtà, che si è liberata da ogni residuo di trascendenza e di teologia anche nella loro ultima incarnazione speculativa; lo storicismo idealistico crociano rimane ancora nella fase teologico-speculativa.


Benedetto Croce e il materialismo storico
(pp. 136-137)


Identità di storia e filosofia. L'identità di storia e filosofia è immanente nel materialismo storico (ma, in un certo senso, come previsione storica di una fase avvenire). Ha preso il Croce l'abbrivo dalla filosofia della praxis di Antonio Labriola? In ogni modo questa identità è diventata, nella concezione del Croce, ben altra cosa da quella che è immanente nel materialismo storico: esempio gli ultimi scritti di storia etico-politica del Croce stesso. La proposizione che il proletariato tedesco è l'erede della filosofia classica tedesca contiene appunto l'identità tra storia e filosofia; cosí la proposizione che i filosofi hanno finora solo spiegato il mondo e che ormai si tratta di trasformarlo.

Questa proposizione del Croce della identità di storia e di filosofia è la piú ricca di conseguenze critiche: 1) essa è mutila se non giunge anche alla identità di storia e di politica (e dovrà intendersi politica quella che si realizza e non solo i tentativi diversi e ripetuti di realizzazione alcuni dei quali falliscono presi in sé) e, 2) quindi anche alla identità di politica e di filosofia. Ma se è necessario ammettere questa identità, come è piú possibile distinguere le ideologie (uguali, secondo Croce, a strumenti di azione politica) dalla filosofia? Cioè la distinzione sarà possibile, ma solo per gradi (quantitativa) e non qualitativamente. Le ideologie, anzi, saranno la «vera» filosofia, perché esse risulteranno essere quelle «volgarizzazioni» filosofiche che portano le masse all'azione concreta, alla trasformazione della realtà. Esse, cioè, saranno l'aspetto di massa di ogni concezione filosofica, che nel «filosofo» acquista caratteri di universalità astratta, fuori del tempo e dello spazio, caratteri peculiari di origine letteraria e antistorica.

La critica del concetto di storia nel Croce è essenziale: non ha essa un'origine puramente libresca e erudita? Solo l'identificazíone di storia e politica toglie alla storia questo suo carattere. Se il politico è uno storico (non solo nel senso che fa la storia, ma nel senso che operando nel presente interpreta il passato), lo storico è un politico e in questo senso (che del resto appare anche nel Croce) la storia è sempre storia contemporanea, cioè politica: ma il Croce non può giungere fino a questa conclusione necessaria, appunto perché essa porta all'identificazione di storia e politica e quindi di ideologia e filosofia.

L'idealismo attuale fa coincidere verbalmente ideologia e filosofia (ciò che, in ultima analisi, non è altro che uno degli aspetti dell'unità superficiale postulata da esso fra reale e ideale, fra teoria e pratica ecc.) ciò che rappresenta una degradazione della filosofia tradizionale rispetto all'altezza cui l'aveva portata il Croce con la cosiddetta dialettica dei «distinti». Tale degradazione è visibilissima negli sviluppi (o involuzioni) che l'idealismo attuale mostra nei discepoli del Gentile: i «Nuovi Studi» di Ugo Spirito e A. Volpicelli sono il documento piú vistoso di questo fenomeno. L'unità di ideologia e filosofia, quando è affermata in questa forma, crea una nuova forma di sociologismo, né storia né filosofia, cioè, ma un insieme di schemi verbali astratti, sorretti da una fraseologia tediosa e pappagallesca. La resistenza del Croce a questa tendenza è veramente «eroica»: il Croce ha viva la consapevolezza che tutti i movimenti del pensiero moderno conducono a una rivalutazione trionfale della filosofia della prassi, cioè al capovolgimento della posizione tradizionale dei problemi filosofici e alla dissoluzione della filosofia intesa nel modo tradizionale. Il Croce resiste con tutte le sue forze alla pressione della realtà storica, con una intelligenza eccezionale dei pericoli e dei mezzi idonei per ovviarli. Perciò lo studio dei suoi scritti dal '19 ad oggi ha un grandissimo significato. La preoccupazione del Croce nasce con la guerra mondiale che egli stesso affermò essere la «guerra del materialismo storico». La sua posizione «au dessus», in un certo senso, è già indice di questa preoccupazione ed è una posizione di allarme (durante la guerra, filosofia e ideologia entrarono in frenetico connubio). Anche l'atteggiamento del Croce verso libri come quello del De Man, dello Zibordi ecc., non possono spiegarsi altrimenti perché in stridente contraddizione con le sue posizioni ideologiche e pratiche di prima della guerra.

Questo spostamento del Croce dalla posizione «critica» a una posizione tendenzialmente pratica e di preparazione all'azione politica effettiva (nei limiti consentiti dalle circostanze e dalla posizione sociale del Croce) è molto significativo. Che importanza può aver avuto il suo libro sulla Storia d'Italia? Qualcosa può dedursi dal libro del Bonomi su Bissolati, da quello dello Zibordi su citato, dalla prefazione di Schiavi al libro del De Man. Il De Man serve anch'esso di ponte di passaggio. È da ricordare tuttavia la lettera di Orazio Raimondo riportata da G. Castellano nella sua Introduzione allo studio delle opere di Benedetto Croce. La lettera dimostra l'influsso che il Croce esercitava in certi ambienti, penetrando per meati che rimanevano incontrollati. E si tratta del Raimondo, massone, realmente imbevuto dell'ideologia massonica fino alle midolla e «francesamente» democratico, come appare in molte sue orazioni ma specialmente in quella di difesa della Tiepolo (o della dama che assassinò l'attendente Polidori) dove appare il teismo massonico in tutta la sua spiegatezza ed evidenza.


NICCOLÒ MACHIAVELLI




Il Principe - Der Fürst

Übersetzt und herausgegeben von Philipp Rippel
Stuttgart: Reclam 1986, S. 40-43

VI.
De  principatibus novis
qui armis propriis et virtute acquiruntur

Von neuen Fürstenherrschaften, die man mit eigenen Waffen
und durch Tüchtigkeit erwirbt


(...) Dico, adunque, che ne' principati tutti nuovi dove sia uno nuovo principe, si trova a mantenerli più o meno difficultà, secondo che piú o meno virtuoso colui che gli acquista. Il perché questo evento di diventare, di privato, principe, presuppone o virtú o fortuna, pare che l'una o l'altra di queste dua cose mitighi, in parte, di molte difficultà; nondimanco, colui che è stato meno in sulla fortuna, si è mantenuto piú. Genera ancora facilità essere il principe costretto, per non avere altri stati, venire personalmente ad abitarvi. Ma per venire a quelli che, per propria virtú e non per fortuna, sono diventati principi, dico che li piú eccellenti sono Moisè, Ciro, Romulo, Teseo e simili. E benché di Moisè non si debba rationare, sendo suto uno mero esecutore delle cose che gli erano ordinate da Dio, tamen debbe essere ammirato solum per quella grazia che lo faceva degno di parlare con Dio. Ma consideriamo Ciro e gli altri che hanno acquistato o fondato regni: li troverrete tutti mirabili; e se si considerrano le azioni e ordini loro particulari, parranno non discrepanti da quelli di Moisè, che ebbe si gran precettore. Ed essaminando le azioni e vita loro, non si vede che quelli avessino altro dalla fortuna che la occasione; la quale dette loro materia a potere introdurvi dentro quella forma parse loro; e sanza quella occasione la virtú dello animo si sarebbe spenta, e sanza quella virtú la occasione sarebbe venuta invano.

Nachwort (S. 240)

Das kollektive Verhalten des Menschen wird von ihm als das Material bestimmt, das mit politischen Sachverstand begabte Herrscher zu gestalten vermögen, als "Stoff, in den sie  die Form prägen" (S. 45) können, die ihnen zweckmäßig erscheint.
Die seit Aristoteles geltende Unterscheidung zwischen Tätigkeitsformen des Handelns (Praxis, in der Bedeutung von Interaktion) und solchen des Herstellens (Poiesis, verstanden als die Erzeugung von Gegenständen) (Aristoteles, Nikomachische Ethik 1140a 1ff)  wird bei Macchiavelli - gemäß dem von der Machbarkeit der Welt des Menschen erfüllten Geist der Renaissance - aufgehoben zugunsten der Ausweitung der Kategorie des Herstellens. Kommunikative, an moralischen Normen orientierte Praxis, die ihr Ziel in sich selbst hat, wird überführt in Poiesis, deren Ziel außerhalb ihrer selbst in dem aus ihr hervorgehenden Produkt liegt. Kriterien des Ethischen, die einmal den Vorrang hatten, werden verdrängt von denen der Effizienz. Die Bestimmung der Politik erfüllt sich nicht mehr in unmittelbar versittlichenden Wirkungen, sondern in der mit technischen Mitteln herbeigeführten Stabilisierung und Selbstbehauptung des Gemeinwesens.

Vgl. v.Vf.: Techne und Ethik


DISCORSI INTORNO ALLA PRIMA DECA DI TITO LIVIO

Libro 1

Source: http://www.ousia.it/content/Sezioni/Testi/MachiavelliDiscorsiTitoLivio.pdf


Introduzione

Ancora che, per la invida natura degli uomini, sia sempre suto non altrimenti periculoso trovare modi ed ordini nuovi, che si fusse cercare acque e terre incognite, per essere quelli più pronti a biasimare che a laudare le azioni d'altri; nondimanco, spinto da quel naturale desiderio che fu sempre in me di operare, sanza alcuno respetto, quelle cose che io creda rechino comune benefizio a ciascuno, ho deliberato entrare per una via, la quale, non essendo suta ancora da alcuno trita, se la mi arrecherà fastidio e difficultà, mi potrebbe ancora arrecare premio, mediante quelli che umanamente di queste mie fatiche il fine considerassino.

E se lo ingegno povero, la poca esperienzia delle cose presenti e la debole notizia delle antique faranno questo mio conato difettivo e di non molta utilità; daranno almeno la via ad alcuno che, con più virtù, più discorso e iudizio, potrà a questa mia intenzione satisfare: il che, se non mi arrecherà laude, non mi doverebbe partorire biasimo. Considerando adunque quanto onore si attribuisca all'antiquità, e come molte volte, lasciando andare infiniti altri esempli, un frammento d'una antiqua statua sia suto comperato gran prezzo, per averlo appresso di sé, onorarne la sua casa e poterlo fare imitare a coloro che di quella arte si dilettono; e come quegli dipoi con ogni industria si sforzono in tutte le loro opere rappresentarlo; e veggiendo, da l'altro canto, le virtuosissime operazioni che le storie ci mostrono, che sono state operate da regni e republiche antique, dai re, capitani, cittadini, latori di leggi, ed altri che si sono per la loro patria affaticati, essere più presto ammirate che imitate; anzi, in tanto da ciascuno in ogni minima cosa fuggite, che di quella antiqua virtù non ci è rimasto alcun segno; non posso fare che insieme non me ne maravigli e dolga. E tanto più, quanto io veggo nelle diferenzie che intra cittadini civilmente nascano, o nelle malattie nelle quali li uomini incorrono, essersi sempre ricorso a quelli iudizii o a quelli remedii che dagli antichi sono stati iudicati o ordinati: perché le leggi civili non sono altro che sentenze date dagli antiqui iureconsulti, le quali, ridutte in ordine, a' presenti nostri iureconsulti iudicare insegnano. Né ancora la medicina è altro che esperienze fatte dagli antiqui medici, sopra le quali fondano e' medici presenti e' loro iudizii. Nondimanco, nello ordinare le republiche, nel mantenere li stati, nel governare e' regni, nello ordinare la milizia ed amministrare la guerra, nel iudicare e' sudditi, nello accrescere l'imperio, non si truova principe né republica che agli esempli delli antiqui ricorra.

Il che credo che nasca non tanto da la debolezza nella quale la presente religione ha condotto el mondo, o da quel male che ha fatto a molte provincie e città cristiane uno ambizioso ozio, quanto dal non avere vera cognizione delle storie, per non trarne, leggendole, quel senso né gustare di loro quel sapore che le hanno in sé.

Donde nasce che infiniti che le leggono, pigliono piacere di udire quella varietà degli accidenti che in esse si contengono, sanza pensare altrimenti di imitarle, iudicando la imitazione non solo difficile ma impossibile; come se il cielo, il sole, li elementi, li uomini, fussino variati di moto, di ordine e di potenza, da quello che gli erono antiquamente. Volendo, pertanto, trarre li uomini di questo errore, ho giudicato necessario scrivere, sopra tutti quelli libri di Tito Livio che dalla malignità de' tempi non ci sono stati intercetti, quello che io, secondo le cognizione delle antique e moderne cose, iudicherò essere necessario per maggiore intelligenzia di essi, a ciò che coloro che leggeranno queste mia declarazioni, possino più facilmente trarne quella utilità per la quale si debbe cercare la cognizione delle istorie. E benché questa impresa sia difficile, nondimanco, aiutato da coloro che mi hanno, ad entrare sotto questo peso, confortato, credo portarlo in modo, che ad un altro resterà breve cammino a condurlo a loco destinato.




JOHANNESEVANGELIUM


Christus Johannes
                                      Gruppe

Christus-Johannes-Gruppe
Bodenseegebiet, Anfang 14. Jahrhundert
Württ. Landesmuseum Stuttgart



Καθς γάπησέν με πατήρ, κγ γάπησα μς· μείνατε  ν τ γάπ τ μ.

Ἐὰν τς ντολάς μου τηρήσητε, μενετε ἐν τ γάπ μου· καθς γ τς ντολς το πατρός μου τετήρηκα, κα μένω ατο  ν τ γάπ.

Τατα λελάληκα μν, να  χαρ μ ν μν μείν, κα χαρ μν πληρωθ.

Ατη στν ντολ μή, να γαπτε λλήλους, καθς γάπησα μς.

Μείζονα ταύτης  γάπην  οδες  χει, να τις τν ψυχν ατο θ πρ τν φίλων ατο.

μες φίλοι μου στέ, ἐὰν ποιτε σα γ ντέλλομαι μν.

Οκέτι μς λέγω δούλους, τι δολος οκ οδεν τί ποιε  ατο κύριος  μς δ ερηκα φίλους, τι πάντα κουσα παρ το πατρός μου γνώρισα μν.


Wie der Vater mich liebte, liebte ich auch euch. Bleibt in meiner Liebe!

Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, gleichwie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.

Das habe ich zu euch gesprochen, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde.

Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch liebte.

Eine größere Liebe als diese hat niemand, dass jemand sein Leben gebe für seine Freunde.

Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was immer ich euch gebiete.

Ich nenne euch nicht mehr Diener, weil der Diener nicht weiß, was sein Herr tut. Euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater hörte, euch bekanntmachte.


Johannesevangelium 15, 9-15

Text und Übersetzung: Peter Streitenberger
https://www.bibelgriechisch.online/Das%20Johannesevangelium.pdf


BENEDETTO CROCE

Benedetto Croce

1866-1952
Source: https://it.wikipedia.org/wiki/Benedetto_Croce


 II. LO STATO E L'ETICA

Nell'operare politico, nel procurar di conseguire un determinato fine, tutto diventa mezzo di politica, tutto, non escluse in certa guisa la moralità e la religione, ossia le idee, i sentimenti e gl'istituti morali e religiosi. La situazione iniziale è data caso per caso: gli uomini coi quali si ha da fare, sono inizialmente quello che sono; i loro concetti, i loro preconcetti, le loro buone o cattive disosizioni, le loro virtù e i loro difetti porgono il materiale sul quale e col quale bisogna operare, e non c'è modo di commutarlo con altro che piaccia meglio. Se bisognerà, per accordarsi con essi in una comune azione, per muoverli al consenso, carezzare le loro illusioni, lusingare la loro vanità, fare appello alle loro credenze più superstiziose e più puerilli, per esempio il miracolo di san Genaro, o al loro concetti più superficiali o più superficialmente intesi, per esempio l'eguaglianza, libertà e fraternità e gli altri cosidetti "principi dell'89" (che, quale che sia  il loro valore teoretico, sono nondimeno grosse realtà passionali), converrà adoperare questi mezzi. Né c'è da prendere scandalo. Ogni forma dell'attività umana, nell'atto che si dispiega, si afforza delle altre tutte, e i prodotti delle altre tutte sottomette a sé e fa suoi. Tanto varrebe, dunque, scandalizzarsi del poeta che pensieri ed affetti, e gioie e dolori, e bene e male, tutto adopera come materiale di poesia, tutto riduce a imagine alate.
Ma non c'è da prenderne scandalo anche per un'altra ragione. Come la poesia, che è tutta poesia, non discaccia dallo spirito e dal mondo la riflessione, la critica e la scienza, e anzi le prepara e quasi le chiama, così la politica, che è e non può essere schietta politica, non distrugge ma anzi genera la morale, nella quale è superata e compiuta. Non c'è nella realtà una sfera dell'attività politica e economica che stia da sé, chiusa e isolata; ma c'è solo nella realtà una sfera dell'attività politica o economica che stia da sé, chiusa e isolata; ma c'è solo il processo dell'attività spirituale, nel quale alla incessante posizione delle utilità segue l'incessante risoluzione di esse nell'eticità.
Ora lo spirito etico ha nella politica la premessa della sua attività e insieme il suo strumento, quasi un corpo che esso riempia di un'anima rinnovata, e pieghi ai suoi fini. Non vita morale, se prima non sia posta la vita economica e politica; prima il "vivere" (dicevano gli antichi), e poi il "ben vivere". Ma altresì non vita morale che non sia insieme vita economica e politica, come non anima senza corpo. E l'uomo morale non attua la sua moralità se non operando politicamente, accettando la logica della politica. Osserva uno storico, nel riferire due lettere di san Bernardo, scritte nel corso della sua vivace et varia lotta a pro della Curia contro Ruggiero di Sicilia, e nelle quali a breve distanza di tempo si asseriscono due conse opposte, che "codesta era ben politica, ma non politica da santo"; al che si deve controsservare che era appunto "politica da santo", di un santo che nell'attuare i suoi fini santi si valeva (da galeotto a marinaro) dei soli mezzi reali di attuazione, che erano quegli offertigli dalla politica. E il protestantesimo stesso, che tanto contribui a restaurare l'intimità e sinceritá morale, non dové adottare, sin dall'inizio, metodo politici, e imparare poi, per questa parte, dai suoi aversari gesuiti, eccelenti maestri di tali cose in dottrina e in pratica?
L'amoralità della politica, l'anteriorità della politica alla morale fonda, dunque, la sua specificità e rende possibile che essa serva da strumento di vita morale. Ma, come la cerchia della politica non é la sola, così neppure basta a sé stessa; e questo è necessario avvertire affinché la specificità non sia mal concepita e travisata in una sorta di partenogenesi e non s'immaginani che possa darsi in concreto un politico privo di coscienza morale; il che varrebbe ammettere che si possa essere "uomo politico" senza essere "uomo". La specificazione sorge sempre sul tronco dell'unità e dell'umanità come momento di un circolo spirituale: un poeta  che non avesse esperienza di afetti, di moralità, di pensieri, un poeta frigido, ottuso e deficiente, sarebbe mai poeta? Non è risaputo che la poesia è l'espressione di una personalità, e perciò che, per creare poesia, occorre in primo luogo lo svolgimento di tutto l'uomo? Non ridiamo noi di quei pretendenti poeti, che inseguono la poesia mercé sforzi stilistici e procedimenti metrici e notazioni di ciò che cade loro sotto i sensi, e non li consigliamo a tornar bene indietro, alle radici dell'essere, e a farsi un cuore e un intelletto? Similmente un politico senza esperienza e perciò senza coscienza morale, non solo non durerebbe nell'opera sua, non le si consacrerebbe come ad alto ufficio, ma non potrebbe neppur maneggiare gli altri uomini, giovandosi come di comodi strumenti dei loro sentimenti morali, la cui psicologia gli sarebbe ignota perché non mai da lui vissuta; e perció egli non potrebbe essere neppure, come si dice, "politico cinico".
Ma nella cerchia etica, nella quale ora siamo entrati, non si tratta più dell'esperienza morale e umana, indispensabile al puro politico; la cerchia politica è qui oltrepassata: si vive la vita morale, alla quale, come si è detto, la politica è mezzo e non fine. L'uomo morale è il vir bonus agendi peritus; la sua educazione morale richiede insieme l'educazione politica, e il culto e l'esercizio delle virtù più propriamente pratiche, come la prudenza e l'acorgimento e la pazienza e l'ardimento.
In questa elevazione della mera politica all'etica anche la parola "Stato" acquista nuovo significato: non più semplice relazione utilitaria, sintesi da forza e consenso, di autorità e libertà, ma incarnazione dell'ethos umano e perciò Stato ético o Stato di cultura, como anche si chiama. E, con la parola "Stato", prendono nuovo significato quelle di "autorità" e di "sovranità", che sono ormai l'autorità e la sovranità del dovere e delle ideale morale; e di "libertà", che in quanto libertà morale non può non essere tutt'una cosa con quel dovere e con quell'ideale, e di "consenso", che è ormai approvazione etica e devozione bensì alla "forza", ma alla forza che è forza di bene, sicché il consenso non è più o meno forzato, ma si fa pieno e intero, dal terrore si passa all'amore, dalla "legge" alla "grazia", per dirla in termini teologici; e perfino prende nuovo significato la parola "eguaglianza", che non vuol dire più eguaglianza matematica, ma la cristiana eguaglianza in Dio di cui tutti, umili e alti, siamo figli, coscienza della comune umanità e dei comuni diritti; e via discorrendo. Lo Stato etico, per questo suo carattere, non tollera né sopra né accanto a sé altre forme di associazione, che tutte debbono essergli sottoposte, ovvero sono da eso negate e annullate. Quando la Chiesa fronteggiava lo Stato e primeggiava, la Chiesa era il vero Stato etico; e quando lo Stato terreno impegnò la lotta con la Chiesa, non si fu arrestato che non l'ebbe in sé risoluta, considerando sé stesso come la vera e unica Chiesa, rappresentante della esigenze di una più perfetta moralità.
Sotto quest'aspetto, può sembrare irreprensibile, se anche ridondate, quell'esaltazione dello Stato, che, iniziata nel periodo classico della filosofia germanica dallo Hegel, e ripetuta in Italia dallo Spaventa e da altri, risuona ancor oggi di frequente nella scuola. Poiché lo Stato veniva inteso come la vita morale, era affatto conseguente innalzarlo al fastigio sul quale Kant aveva collocato la lege morale, e proporlo a oggetto della medesima reverenza e venerazione. Ma l'errore di quei dottrinari consisteva, e consiste, per l'appunto nell'aver concepito la vita morale nella forma, a lei inadeguata, della vita politica e dello Stato.
Lo Stato, politicamente inteso, cioè lo Stato senz'altro, coincide, come sappiamo, col governo; et è un rapporto di autorità e consenso, che ha fronte come nemici, e tratta come tali, quelli che non l'accettano e intendono a cangiarlo. Costoro vengono dichiarati, secondo i casi, traditori, rivelli, cospiratori, indesiderabili, e mandati a morte, alle prigioni, agli esili, e in altri modi perseguitati e castigati. E per la tendenza che a e deve avere quel rapporto politico, ossia quell'ordinamento statale, a conservarsi, sono altresì da esso tenuti d'occhioi e in sospetto tutti gli spiriti liberi e indocili, e perfino gli uomini di critica e di pensiero, i quali, avendo lo sugardo all'eterno, vanno sempre oltre l'esistente e il presente. I governanti, alternando alle intimidazzioni le lusinghe, procurano anche di amircarsi questi uomini o di guardagnarseli; e i più diversi regimini si circondano di "litterati", o, como ora si dice, d'"intellettuali", che poi, in quanto riescono a esser docili e si prestano ai servigi dello Stato a coniare teorie o poemi utili allo Stato, non possono essere, com'è da aspettare, se non letterati e intellettuali di qualità poco fine. Per quelli di buona razza e di tempra fine, per gli indocili, per tormentatori e turbatori di sé e degli altri, per tentatori e seduttori di anime, il poeta dei poeti ha messo in bocca al politico il motto: "He thinks too much: such men are dangerous" (Shakespeare, Julius Caesar, Act 1, scene 2); e un teorico ha formulato la sentenza: "Omnis philosophia, cum ad communem hominum cogitandi facultatem revocet, ab optimatibus non iniuria sibi existimatur perniciosa."
Ma la vita morale abbraccia in sé gli uomini di governo e i loro avversari, i conservatori e i rivoluzionari, e questi più degli altri, perché meglio degli altri aprono le vie dell'avvenire e procurano l'avanzamento della società umaane. Per essa non vi sono altri rei che coloro i quali non sono ancora elevati alla vita morale; e spesse volte loda e ammira e ama e celebra i reietti daia governi, i condannati, i vinti, e li santifica martiri dell'idea. Per essa ciascun uomo di buona voluntà serve alla causa della cultura e del progresso a sua guisa, e tutti in concordia discorde.
Concepita la "moralità" come "Stato etico", e identificato questo con lo Stato politaico o "Stato" senz'altro, si giune alla concezione (dalla quale i teorici di quella scuola non rifuggono),  che la moralità concreta è tutta in quelli che governano, nell'atto che governano, e i loro avversari debbono considerarsi avversari della morale in atto, degni non solo di essere, secondo legge e for di legge, puniti (che s'intende o può intendersi), ma di alta condanna morale. È, per così dire, una concezione "governativa" della morale, la cui prima origine si può anche si può anche giustificare relativamente, cioè in relazione alla polemica a cui si sentì spinto lo Hegel contro la velleità e la vaporosità e la prosuntuosità romantiche delle anime belle e sensibili (onde gli parve opportuno lodare sull'uome geniale e sull'eroe il buon cittadino), e, se non giustificare, si può spiegare nel rimanente con la personale disposizione conservatrice dello Hegel, ligio allo Stato prussiano della restaurazione; ma che non comprendiamo come possa formare ancora oggetto di tanto fervore quanto se ne sente presso gli scrittori della scuola, che sembrano inebriarsi e cadere in estasi all'immagine sublime dello Stato. Nonostante codeste esaltazioni e codesto dionisiaco delirio statale e governamentale, bisogna tener fermo a considerare lo Stato per quel che esso veramente è: forma elementare e angusta della vita pratica, dalla quale la vita morale esce fuori da ogni banda e trabocca, spargendosi in rivoli copiosi e fecondi; così fecondi da disfare e rifare in perpetuo la vita politica stessa e gli Stati, ossia costringerli a rinnovarsi conforme alle esigenze che essa pone.

Source: Benedetto Croce: La mia filosofia. Politica "in nuce" (A cura di Giuseppe Galasso) Adelphi Ed. Milano 1993, pp. 201-208. (Orig. in: Etica e politica, Laterza, Bari 1956). I. Il senso politico, II. Lo stato e l'etica, III. I partiti politici, IV. La scienza empirica della politica.

GIAMBATTISTA VICO

Vico

Giambattista Vico (1668-1744)


De antiquissima Italorum sapientia ex linguae latinae originibus eruenda (1710)

Liber Primus

De Vero,& Facto.

Cap. 1


Source: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10047577?page=18



Latinis verum, & factum reciprocantur, seu, ut Scholarum vulgus loquitur, convertuntur; atque iisdem idem est intelligere ac perfecte legere, & aperte cognoscere. Cogitare autem dicebant, quod nos vernacula lingua dicimur pensare, & andar raccogliendo. Ratio autem iisdem significabat, & arithmeticae elementorum collectionem, & dotem hominis propriam, qua brutis animantibus differt, & praestat: hominem autem vulgo describebant animantem rationis participem, non compotem usquequaque. Altrinsecus uti verba idearum, ita ideae symbola, & notae sunt rerum.

Quare quemadmodum legere ejus est, qui colligit elementa scribendi, ex quibus verba componuntur; ita intelligere sit colligere omnia elementa rei, ex quibus perfectissima exprimatur idea. Hinc conjicere datur, antiquos Italiae sapientes in haec de vero placita concessisse: Verum esse ipsum factum; ac proinde in Deo esse primum verum, quia Deus primus Factor: infinitum, quia omnium Factor; exactissimum, quia cum extima, tum intima rerum ei repraesentat elementa, nam continet. Scire autem fit elementa componere: unde mentis humanae cogitatio, divina autem intelligentiae sit propria; quod Deus autem omnia elementa rerum legit, cum extima tum intima, quia continet, & disponit: mens autem humana, quia terminata est, et extra res ceteras omnes, quae ipsa non sunt, rerum dutaxat extrema coactum eat, nunquam omnia colligat: itaut de rebus cogitare quidem possit, intelligere autem non possit; quare particeps sit rationes, non compos.

Quae ipsa ut similitudine illustrem, rerum divinum est imago rerum solida tanquam plasma; humanum monogramma, seu imago plana, tanquam pictura: & quemadmodum divinum est, quod Deus dum cognoscit, disponit at gignit; ita verum humanum sit, quod homo dum novit, componit ac facit: & eo pacto scientiae sit cognitio generis, seu modi, quos res fiat, & qua dum res cognoscit modum, quia elementa componit, rem faciat; solidam Deus quia comprehendit omnia, planam homo quia comprehendit extima. Quae sic dissertata quo facilius cum nostra Religione componantur, sciendum est, antiquos Italiae Philosophos putasse, verum, & factum converti: quia Mundum aeternum putarunt; ac proinde Deum Ethinici Philosophi coluerunt, qui semper ad extra, quod nostra Theologiae negat sit operatus. Quare in nostra Religione, qua profitemur Mundum ex nihilo creatur in tempore, res haec habet distinctione, quod verum creatum convertatur cum facto, verum increatum cum genito. Quemadmodum sacrae paginae elegantia vere divina, Dei sapientia, quae in se rerum ideas continet, & idearum omnium proinde elementa, Verbum appelarunt: quod in eo sit verum, ac comprehensio elementorum omnium, quae hanc rerum universitatem componit, & innumeros Mundos posset, si vellet, condere: & ex iis in sua divina Omnipotentia cognitis exactissimum reale verbum existit, quod ab aeterno cognoscatur a Patre, ab aeterno item ab eodem genitum est.

De origine, & veritate scientiarum
§ I

Ex quibus antiquorum Italiae sapientium de vero platicis, & hac, quae in nostra Religione adhibetur, geniti , & facti distinctione, principio habemus, quod cum in uno Deo exacte verum sit, omnino verum profiteri debemus, quod nobis est a Deo revelatum; nec quaerere genus, quod moto verum sit, quod id omnino reprehendere nequeamus. Indidem originem scientiarum humanarum repetere; ac denique normam ac dignoscendum, quae verae sint, habere possumus. Deus scit omnia, quia in se continet elementa, ex quibus omnia componit; homo autem studet dividendo ea scire.
(...)



De Generibus, sive de Ideis

Cap. II


Source: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10047577?page=42

Latinis quum dicunt genus, intelligunt formam; quum speciem, duo sentium, et quod Scholae dicunt individuum, et simulacrum sive apparenza. De generibus sectae Philosophorum omnes ea sentiunt esse infinita. Igitur necesse est antiquos Italiae Philosophos opinatos, genera esse formas, non amplitudine sed perfectione infinitas, et quia infinitas, in uno Deo esse: species autem, seu res peculiares esse simulacra ad eas forma expressa. Et quidem si verum antiquae Italiae Philosophi idem quod factum; genera rerum, non universalia Scholarum, sed formas fuisse necesse est. Formas autem intelligo metaphysicas, quae a physicis ita diversis sunt, ut forma plastae a forma feminis. Plastae enim forma, dum ad eam quid formatur manet idem, & semper formatur perfectior; forma feminis, dum quotidie se explicat, demutatur, ac perficitur magis; ita ut formae physicae sint ex formis metaphysicis formata. Et quod non amplitudine sed perfectione genera infinita existimanda, id utrorum utilitate collata dijudicare facile sit. Nam Geometria, quae synthetica methodo traditur, nempe per formas, ideo tum opere, tum opera certissima est, quia, a minimis in infinitum per sua postulata procedens, docens modum componenda elementa, ex quibus vera formantur, quae demonstrat; & ideo modum componendi elementa docet, quia homo habet intra se elementa, quae docet.

At ob ipsum Analysis, quanquam certum suum det opus, opera tamen incerta est; quia ab infinito rem repetit, et inde descendit ad minima: atqui in infinito reperire omnia datur. Artes autem certius diriguntur ad finem, quem sibi habent propositum, quae docent genera seu modus, quibus res fiunt, ut Pictura, Sculptura, Plastica, Architectura; quam quae non docent, ut omnes conjecturales, in qua classe sunt Oratoria, Politica, Medicina: & illa ideo docent, quia obversantur circa prototypos, quos mens humana intra se continet; hae non docent, quia homo nullam formarum rerum, quas conjicit, intra se habet. Et quia formae individuae sunt, nam linea longa, seu lata, seu profunda una plus minusve deformat faciem, ut nescias eandem esse; hinc sit, quod scientiae artesve quanto plus supra genera non Platonica sed Aristotelaea insurgunt, magis confundunt formas, et quanto magis magnificae evadunt, tanto minus utiles fiunt. Quo nomine Aristotelis Physica hodie male audit, quod nimis sit universalis: quando contra genus humanum innumeris novis verum ditaris ignis, & machina, instrumenta, quibus utitur recens Physica, rerum quae sint rerum peculiarium naturae operum, operatrix.

Indidem Jurisprudentia non censetur, qui beata memoria jus theticum, sive summum & generale regularum tenet; qui acri judicio videt in causis ultimas factorum peristases seu circunstantias, quae aequitatem, sive exceptiones, quibus lege universalis eximantur, promereant. Optimi Oratores non ii, qui per locos communes vagantur, sed qui, ut Ciceronis judicio, & phrasi utar, haerent in propriis. Historici utiles, non qui facta crassius, et genericas causas narrant; sed qui ultimas factorum circumstantias persequuntur, & causarum peculiares referant. Et in artibus, quae imitatione constant, uti Pictura, Sculptura, Plastica, Poetica, excellunt qui archetypum, a natura vulgari desumptum, circumstantiis non vulgaris, sed novis ac miris exornant; aut ab alio artifice expressum, propriis ac melioribus distinguunt, ac facium suum. Quorum sane archetyporum cum alii aliis meliores confingi possint; quia semper exemplaria exemplis praestant; Platonici illas idearum scalas construunt,& per ideas alias aliis perfectiores, tamquam per gradus ad Deum Opt. Max. ascendunt, qui in se omnium continet optimas. Quin et sapientia ipsa nihil aliud est, nisi solertia decori, qua sapiens ita in omnibus novis rebus loquatur, & agat; ut nihil aeque aptum ad id aliunde desumptum accomodari possit. Itaque sapiens a longo, & multo rerum honostarum, & utilium usu mentem quati subactam reddit, quo novarum rerum, uti sunt in seipsis, expressas excipias imagines, & non aliter paratur sit ex tempore loquitur, & agere in omnibus rebus cum dignitate, ac fortis comparatur habet animum ad omnes terrores inopinatur. Atqui nova, mira, inopinata, universalibus illis generibus non providentur.

Quam ad rem satis commode Scholae loquuntur, quam genera materiam metayphysicam esse dicunt, si id dita accipiatur, ut mens per genera informis fiat quodammodo, quo facilius fiat specierum induat formas. Quod sane verum comperitur: nam facilius facta et negotia percipit uti percipi oportet qui genera seu simplices rerum ideas habet, quam qui peculiaribus formis mentem instruxit, & ex iis peculiaris alias spectat: nam res formata difficile alii formatae rei aptatur. Quare exemplis judicari, exemplis deliberare periculosum: quia numquam, aut perraro rerum circumstantiae congruunt usquequaque. Atque hoc differt inter materiam physicam, & metaphysicam. Physica materia ideo quamlibet formam peculiarem educat, educit optimam; quia qua via educit, ea ex omnibus una erat. Materia autem metaphysica, quia peculiares formae omnes sunt imperfectae, genere ipso, sive idea continet optimam. Vidimus utilitatem formarum; nunc universalium damna exequamur.

Loqui universalibus verbis infantium est, aut barbarorum. In Jurisprudentia, ut plurimum, sub ipso jure thetico, seu sub regulare authoritate saepissime erratur. In re medica, qui recta per theses pergunt, magis contendunt ne corrumpantur systemata, quam ut sanentur aegroti. In vita agenda, quam saepe peccant, qui eam per themata instituerunt? de quibus graeca locutio nobis vernacula facta est, qua thematicos ipsos homines appellamus. Omnes in Philosophiae errores ab homonymis, vulgo aequivocis nascuntur: aequivoca autem aliud non sunt, nisi voces pluribus rebus communes: nam sine generibus aequivoca non essent: homines enim naturaliter homonymiam aversantur: cujus rei argumentum illud est, quod puer iussus ad accerfendum sine discrimine Titius, ubi ejus nominis duo sunt; quia natura attendit particularia, statim subdit: utrum me accerfire vis Titiorum? Itaque nescio an magis genera Philosophos in errores, quem sensus in falsas persuasiones, seu in praejudicia vulgus conjitiant. Nam genera, ut diximus, formas confundunt, seu, ut loquuntur, ideas confusas, non minus ac praejudicia faciunt obscuras.

Et vero omnes sectae in Philosophia, Medicina, Jurisprudentia, omnes in vita agenda controversiae & jurgia sunt a generibus; quia a generibus sunt homonymia, seu aequivocationes, quae ab errore esse dicuntur. In Physica, quia generica materiae, & forma nomina. In Jurisprudentia, quia longe lateque patet appellatio justi; in Medicina, quia sanum, & corruptum sunt nimis sunt ampla vocabula; in vita agenda, quia vox utile definita non est. Atque ita sensisse antiquos Italia Philosophos haec in lingua latina extant vestigia: quod certum duo significat, & quod est exploratum indubiumque, & peculiare, quod communi respondet: quasi quod peculiare est, certum sit, dubium autem quod commune. Iisdemque verum, & aequum idem: aequum enim ultimis rerum circumstantiis spectatur, quemadmodum justum genere ipso: quasi quae genere constant, falsa sint, verae autem ultimae rerum species. Enim vero ista genera nomine tenus sunt infinita: homo enim neque nihil est, neque omnia. Quare nec de nihilo, nisi per aliquid negatum, nec de infinito, nisi per negata finita cogitare potest. At enim omnes triangulus habet angulos aequales duobus rectis.

Ita sane: sed non id mihi infinitum verum; sed quia habeo trianguli formam in mente impressam, cujus hanc nosco proprietatem, & ea mihi est archetypum ceterorum. Si vero id contendant esse infinitum genus; quia ad eum triangulum archetypum accommodari innumeri trianguli possunt; id sibi habeat per me licet: nam vocabulum iis lubens condono, dum ipsi de re mecum sentiant. Sed enim perperam loquuntur, qui decempedam dixerint infinitam, quod omne extensum ad eam normam mentiri possint.

 

Last update: June 1,  2024




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