"Localizing
the Internet - Ethical Issues in Intercultural Perspective"
der
am 4.-6. Oktober 2004 stattfinden soll und gemeinsam mit dem Zentrum
für Kunst und Medientechnologie (ZKM) und dem Karlsruher
Forum für Ethik in Recht und Technik e.V. veranstaltet
wird. Die
Studierenden sollen sich mit dem Thema des Kongresses sowie mit
ausgewählten Beiträgen zum World
Summit on the Information Society befassen.
Aktualität
und Brisanz des Themas
Mehr als
zehn Jahre nach der Entstehung des Internet stehen wir vor einer
paradoxen Situation: Je mehr der anfängliche Mythos einer von der
realen Welt sich unterscheidenden Cyberwelt verblaßt und das
Internet zum Alltag von Millionen von Menschen gehört, um so mehr
wachsen die Erwartungen, dieses Medium werde uns, in einer anderen
Weise als dies die Individual- und Massenmedien des 20. Jahrhunderts zu
tun vermochten, einander näher bringen, womit das kulturelle,
wissenschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben der Menschen in
einer gemeinsamen Welt gemeint ist.
Die Gesellschaft der netizens,
die sich zunächst als eine von der
realen Welt abgehobene Sphäre wähnte und zuweilen noch zu cybergnostischen
Vorstellungen neigt, erlebt zur Zeit eine massive
Ökonomisierung des Netzes. Als eine von der physischen
Realität getrennte Sphäre gehört das Internet zur
Geschichte jenes Irrtums von der "wahren Welt", wovon Nietzsche
erzählt, dass sie zur Fabel wurde. Oder vielleicht noch nicht
ganz? Denn die Fabel über die Cyberwelt scheint gerade von jenen
ökonomischen und politischen Interessen missbraucht zu werden, die
sich den lokalen, vor allem rechtlichen und moralischen Regulierungen
zu entziehen versuchen, um somit ihre Ziele aufgrund eigener Regeln
besser erreichen zu können. Das deutet zugleich darauf hin, dass
der bisherige Sinn der Unterscheidung lokal/global, so wie er in
Zusammenhang mit der terrestrischen Globalisierung in der Neuzeit
geprägt wurde, sich verändert. Was ist aber das Besondere an
der digitalen Globalisierung und an ihrem Verhältnis zum Lokalen?
Ulrich Beck hat in Anschluß an Roland Robertson diese durch die
digitale Vernetzung bewirkte Veränderung des Lokalen durch die
(digitale) Globalilisierung "Glokalität" genannt (U. Beck: Was ist
Globalisierung? Frankfurt 1997). Die Differenz global/lokal hat in
bezug auf die digitale Vernetzung zwei unterschiedliche Bedeutungen.
Sie kann sich, zum einen, auf die Differenz zwischen der
Globalität der elektromagnetischen Weltvernetzung und der
Lokalität einer Adresse (eines Servers oder einer Website)
innerhalb des Netzes beziehen oder sie kann, zum anderen, das Lokale
als das auffassen, was außerhalb des Netzes, in der physischen
raum-zeitlichen Welt also, vorkommt. Von hier aus gesehen ist das
Internet eine besondere Sphäre, die lokalisiert oder inkulturiert
werden muß. Die Welt des raum-zeitlichen leibhaftigen Lebens ist
die Welt der Kultur, der Politik und der Ökonomie mit ihren
jeweiligen konkreten Interessen.
Was bringt die digitale Globalisierung für diese oder jene
Gesellschaft oder Gruppe innerhalb dieser oder jener Kultur unter
diesen oder jenen wirtschaftlichen Verhältnissen konkret an
Veränderungen der Lebensbedingungen? Bedeutet sie zum Beispiel,
dass eine privilegierte Minderheit von der digitalen Weltvernetzung
profitiert und dadurch die schon vorhandene Kluft zwischen Armen und
Reichen noch tiefer wird? Steigen die Chancen für eine bessere
Ausbildung? Können sich die bisher unterdrückte Stimmen im
politischen oder kulturellen Umfeld besser Gehör verschaffen?
Steigen die Chancen für eine fortschreitende Demokratisierung?
Eröffnen sich neue Betätigungsfelder, so dass die lokale
Wirtschaft neue Impulse, sprich: neue Arbeitsplätze, schafft? Kann
sich die kulturelle Vielfalt im Medium der digitalen Globalisierung so
artikulieren, dass ihre Aneignung auf der Basis und in
Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte, den Traditionen und
Metaphern und in der eigenen Sprache stattfindet?
Der bloße technische Anschluß (access) der sog. Dritten Welt an
die digitale Infrastruktur des World Wide Web löst per se keine
sozialen Fragen. Im Mittelpunkt einer auf die konkreten
Bedürfnisse der Menschen sich ausrichtenden digitalen Kultur
muß, paradox ausgedrückt, die Leiblichkeit stehen. Die
Spannung zwischen dem Digitalen und der physischen Existenz bildet die
eigentliche Antriebskraft für die Fragen einer Informationsethik
im 21. Jahrhundert. Zugleich ist hervorzuheben, dass die
vielfältigen Formen menschlicher Kommunikation, die die
Weltvernetzung bietet, zu neuen Formen von Gemeinschaften führen,
die quer zu den bisherigen geographisch und kulturell bedingten
Lokalitäten stehen, so dass Netz-Gemeinschaften sich
vielfältig mit physischen Lokalitäten überschneiden,
d.h. zur Erweiterung und Bereicherung des lebensweltlichen Horizontes,
aber auch zur Austragung neuer und alter Konflikte führen
können.
Man kann vermuten, dass der Einbruch der globalen und interaktiven
Weltvernetzung in die Lokalität sich zwar anders, aber auch nicht
weniger traumatisch auswirkt, als dies bei den Massenmedien des 20.
Jahrhunderts der Fall war. In diesem Sinne ist die Cybergnosis ein
Symptom unseres metaphysischen Begehrens, uns jenseits von Raum und
Zeit, d.h. jenseits der Leiblichkeit zu konstitutieren. Die Kehrseite
dieses Begehrens besteht dann nicht nur im vermeintlichen
Ausschluß der Lebenswelt aus dem cyberspace, sondern im zynischen
Gebrauch dieses Ausschlusses, um auf Kosten anderer zu leben. Insofern
ist der mögliche Sinn der Frage nach der Lokalisierung des
Internet ein Aufruf zur Aufdeckung dessen, was im digitalen Diskurs
verworfen wird.
Wie ist aber unter den Bedingungen von Pluralität und
Multikulturalität ein Zusammenleben im Horizont der Weltvernetzung
denkbar, das die Welt weder in ein globales Kasino noch in ein
digitales Tollhaus verwandelt? Die Diskussion um die minima moralia zu
diesen Fragen hat erst begonnen und sie besitzt eine Brisanz,
vergleichbar mit den ihr verwandten weil sich immer stärker im
Kontext der Weltvernetzung und der Digitalisierung stellenden
bioethischen Fragen. Die politische Aktualität und Dringlichkeit
dieser Probleme zeigt die im Dezember 2003 im Auftrag der Vereinten
Nationen veranstalteten „World Summit on the Information Society“
(WSIS) (www.itu.int/wsis). Das
ICIE Symposium versteht sich als einen Beitrag zur ethischen Diskussion
dieser Probleme. Eine Herausforderung der aufkommenden glokalen
Weltgesellschaft besteht darin, vor- und nachzudenken wie die
Grundregeln menschlichen Zusammenlebens, wie sie zum Beispiel in der
"Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte" zum Ausdruck kommen, im
Kontext der digitalen Weltvernetzung auszulegen sind, so dass anstelle
des beschworenen "Kampf der Kulturen" ein Dialog zwischen den Kulturen
möglich wird, der zugleich zum Erhalt ihrer Vielfalt beiträgt
ohne die bislang vorwiegend technisch aufgefaßte Dimension ihrer
Einheit aufzugeben.
ICIE 2004: Call
for Papers
"The
ongoing debate on the impact of the Internet at a global and local
levels
is at the core of today's and tomorrow's political decision-making,
particularly
in a world that turns more and more unified – and divided. It is also
at
the core of academic research on what has been called Information
Ethics.
The leading ethical question is how embodied human life is possible
within
local cultural traditions and the horizon of a global digital
environment.
The first International Congress of the International Center for
Information
Ethics (ICIE) will deal with this question from three perspectives:
- Internet
for Social and Political Development: Community Building
-
Internet for Cultural Development: Restructuring the Media
-
Internet for Economic Development: Empowering the People
The
ethical perspective on intercultural aspects of the global digital
network
is a normative as well as a formative one. The Congress addresses the
question
of how people with different cultural backgrounds integrate the
Internet
in their lives. This concerns in the first place community building.
How
far does the Internet affect, for better or worse, local community
building?
How far does it allow democratic consultation? How do people construct
their lives within this medium? How does it affect their customs,
languages,
and everyday problems? The question about information justice is thus
not
just an issue of giving everybody access to the global network (a
utopian
goal?), but rather an issue on how the digital network helps people to
better manage their lives while avoiding the dangers of exploitation
and
discrimination.
It
deals, secondly, with the changes produced by the Internet on
traditional
media, such as oral and written customs, newspapers, radio and TV, the
merger of mass media, the telephone and the internet, and the impact of
the Internet on literary culture. The Congress also reflects on the
next
generation of information and communication technologies such as
ubiquitous
computing and on what might be called the post-internet era. This
aspect
of the ethical question focuses on new methods of manipulation and
control
made possible or aggravated by the Internet.
Finally,
it deals with the economic impact of the Net. Is it a medium that helps
people to better opportunities for economic development? Or is it an
instrument
of oppression and colonialism? What is the impact of this technology on
the environment? How does it affect what has been called cultural
memory
or cultural sustainability?
The
Congress offers a platform for an academic exchange on these issues, to
be addressed by keynote speakers and discussed in working groups
focused
on Asia, Africa, Latin America/Caribbean, and USA/Europe. Group
discussions
will aim at addressing problems as well as best-practice experiences.
Although
the organisers will do their best for providing necessary conditions
for
relaxed yet engaged dialogue, the success of the Congress will reflect
the contributions and enthusiasm of the participants to make it work.
The
Congress is a contribution to the international debate on the
information
society at the World Summit on the Information Society (WSIS)
being held in Geneva (2003) and Tunis (2005)."
Auf
der Basis von case studies sollen ethische Fragen der
Informationsgesellschaft
aus interkultureller Perspektive erörtert werden. Dabei sollen
sich
die Studierenden auch mit einzelnen Stellungnahmen, die als
Vorbereitung
für das World Summit of the Information Society (WSIS)
(Genf 2003) vorgelegt wurden, befassen:
- Towards
a "Charter of Human Rights for Sustainable Knowledge Societes" Heinrich
Böll Foundation (WSIS/PC-2/CONTR/65E)
- The World
Summit on the Information Society: An Asian Response. Collective
contribution
from several Asian NGOs (WSIS/PC-2/CONTR/25-E)
- Report
of the Latin America and Caribbean Regional Conference for WSIS
(WSIS/PC-2/DOC/7-E
- Report
of the African Regional Conference for WSIS (WSIS/PC-2/DOC/4-E)
- Report
of the Asia-Pacific Regional Conference for WSIS (WSIS/PC-2/DOC/6-E)
- Report
of the Pan-European Regional Conference for WSIS (WSIS/PC-2/DOC/5-E)
- Roles
and needs of creators, publishers and producers of content in the
information
society (WSIS/PC-2/CONTR/77-E)
- Charta
der Bürgerrechte für eine nachhaltige Wissensgesellschaft (pdf)
- WSIS: Draft
Declaration of Principles (Stand: 18 July 2003)
Siehe
auch
- die Dokumente in der Civil
Society
Platform
- Rainer
Kuhlen: Interessenverflechtungen - auf dem Weg zum UN-Weltgipfel zur
Informationsgesellschaft. In: Information - Wissenschaft & Praxis
54 (2003) 137-148.
Die
Besprechung der case studies soll in Form einer
Kompaktveranstaltung
stattfinden.
Weiterführende
Literatur
Bauman,
Zygmunt: Globalization. The Human Consequences. Polity Press 1998 (dt.
Der Mensch im Globalisierungskäfig. Frankfurt a.M. 2003).
Capurro,
Rafael: Die Rückkehr
des
Lokalen (2003)
Capurro,
Rafael: Digital
Divide
oder Informationsgerechtigkeit? (2002) (PowerPoint)
Capurro,
Rafael: Informationsgerechtigkeit.
Ein Nachtrag
Kaul,
Inge; Conceiçâo, Pedro; Le Goulven, Katell; Mendoza,
Ronald,
U. Eds.: Providing Global Public Goods. New York/Oxford Univ. Press,
United
Nations Development Programme 2003.
Menou,
Michel: An
Overview of ICToMETERS (2002)
Working
the Internet with a Social vision (Final Document, Mistica, 2002)