Einleitung
Wissen
ist
Macht - zum Guten oder zum Schlechten! In einer Welt der Gewalt, Armut
und ökologischen Krise aber ebenso der Friedensbewegungen,
industrieller Produktivität und wissenschaftlich-technischer
Entwicklung ist die Produktion, Speicherung, Austausch, Verbreitung,
Auswahl und Gebrauch von Information zu einer Schlüsselfrage
geworden. (1)
Wir
leben
nicht nur von der Natur,
sondern sich auch Teil der
Natur. Ebenso kann man sagen, daß wir als Individuen wie auch als
Teil verschiedenartiger sozialer Systeme darauf angewiesen sind, Wissen
sowohl mit anderen zu teilen,
als auch als Information zu
'vermarkten'. Es hat sich als irrationaler und unverantwortlicher Weg
des Denkens und Handelns erwiesen, die Natur nur als Ressource zu betrachten,
oder als etwas, das wir umgestalten können (und sollten), ohne an
die Konsequenzen zu denken - nicht nur für uns, sondern auch
für das Gleichgewicht des Lebens auf diesem Planeten. Es ist
deshalb Zeit, nach den Konsequenzen unseres Tuns zu fragen, nicht nur
im Hinblick auf die Natur, sondern ebenso mit blick auf die
Technologien, die wir benutzen, um uns selbst zu gestalten. Dabei
handelt es sich besonders um zwei Technologien: die Biotechnologie und
die Informationstechnologie. Dabei spielt die moderne
Informationstechnologie nicht nur bei der Gestaltung des
Kommunikationsprozesses, sondern auch in vielen anderen Aspekten
unseres individuellen und sozialen Lebens eine wichtige Rolle.
Dies ist
auch
die Prämisse des Instituts für Informations- und
Kommunikationsökologie (IKÖ),(2) das dieses Jahr
gegründet wurde. Die ganze Komplexität, die im Titel
"Informations- und Kommunikationsökologie" verdichtet ist, kann
durch einen Blick auf die Liste der bereichsspezifischen und
interdisziplinären Fachgruppen, die sich größtenteils
bereits konstituiert haben, abgeschätzt werden:
- Arbeit und Betrieb
- Telematik, Telekommunikationspolitik und -industrie
- Verdatung, Kontrolle, Innere Sicherheit
- Medien und Kultur
- Alltag und Privatsphäre
- Frauen und Technik
- Bildung, Ausbildung, Weiterbildung
- Medizin und Gesundheit
- Umweltbe- und -entlastung
- Grenzüberschreitungen und neue Konvergenzen
- Kommunikationsökologische Grundlagenforschung
- Neue Techniken - Leben - Widerstand
- Ökonomische Aspekte und politische Ökonomie der
IuK-Techniken
- Informatik und Ökologie
Das Institut versteht sich nicht nur als interdisziplinäres,
wissenschaftliches Froum, sondern auch als politische
Aktionsgemeinschaft im Hinblick auf den Schutz der "Soziosphäre".
Bei den
folgenden Gedanken soll die Aufmerksamkeit auf zwei Fragen gelenkt
werden:
1) Mit welchen Herausforderungen wird eine Gesellschaft (eine Nation
oder eine Gruppe von Nationen) konfrontiert, in der Wissen und
Kommunikation mehr und mehr durch Informationstechnologien gestaltet
werden?
2) Welche Herausforderungen entstehen aus der 'globalen' Wechselwirkung
zwischen Informationsarmen und informationsreichen Gesellschaften?
Besonders
seit der sogenannten elektronischen Revolution wird Wissen mehr und
mehr als eine Ressource
betrachtet und ausgebeutet. Wissen wird also auf die selbe Art und
Weise produziert, verändert, ver- bzw. gekauft und benutzt wie die
industrielle Ausbeutung materieller Ressourcen. Mit anderen Worten:
Wissen in der Gestalt von Information hat nicht länger primär
die Funktion eines Allgemeingutes mit hohem Gebrauchswert wie z.B. Wasser oder
Luft. Es ist eine Ware mit einem entsprechenden Tauschwert geworden. Der
industrielle Prozeß, Güter mit Gebrauchswert in Güter
mit Tauschwert zu verwandeln, war im 19. Jahrhundert besonders
aggressiv. Das schließt eine schrittweise Auflösung der
Dimension des Gebrauchswerts ein und damit die Verwandlung des
wertenden Subjekts zu einer Funktion des Tauschwertes. Dieser
Prozeß ist besonders im Bereich der kulturellen und moralischen
Werte als Nihilismus bekannt.
Eine
mögliche Antwort auf diese Entwicklung war bzw. ist die
Marxistische. Sie besteht in der Absicht, den Gebrauchswert
wiederherzustellen, indem gesellschaftliche Arbeit und nicht die Kosten
als das grundsätzliche Prinzip für die Bestimmung des Wertes
in Betracht zu ziehen sind. Diese Theorie setzt, zumindest in ihrer
'reinen' Form, einen totalitären Standpunkt von Gesellschaft und
Geschichte voraus, was mehr und mehr Gegenstand der Kritik ist,
neuerdings sogar in einigen sozialistischen Ländern. Ich glaube,
daß dies keine unbeschränkte Vollmacht für den
'klassischen' Kapitalismus, sondern eine Chance für eine neue Form
der Pluralität bedeuten kann.
Es ist
in
diesem Sinne, daß der französische Philosoph Jean-François
Lyotard Datenbanken als jene Form in Betracht sieht, in
der
"postmodernes" Wissen nach der Desintegration der ideologischen
"Metaerzählungen" 'repräsentiert' ist. (3) Dies ist ein
besonders interessanter Ausgangspunkt, wenn die Desintegration der
politischen (ideologischen) und/oder philosophischen Formen der
Rechtfertigung des ganzen Bereiches des Wissens nicht als etwas
notwendigerweise Negatives, sondern als eine Chance aufgefaßt
wird. Um diese Desintegration es auf diese Art und Weise zu sehen,
müssen zwei Voraussetzungen erfüllt werden: 1) den
allgemeinen Zugriff auf Datenbanken zu gewähren und 2) die
Fähigkeit zu entwickeln, mit verschiedenen Sprachen zu 'spielen'
(im Sinne von Wittgensteins "Sprachspielen"), und zwar ohne die
verschiedenen sozialen Interessen auf einen partikulären
Standpunkt zu reduzieren. (4) Mit anderen Worten, die Auflösung
des Ideals einer globalen, praktischen und/oder theoretischen
Wissenskontrolle, nicht nur in bezug auf die Inhalte, sondern auch in
bezug auf den Prozeß der Produktion, des Austausches und des
Gebrauchs, kann als eine Herausforderung für neue Wege des
symbolischen Austausches in einer pluralistischen Gesellschaft
betrachtet werden. Das ist ein Hauptpunkt einer 'ökologischen'
Betrachtung 'informationsreicher' Gesellschaften auch mit Bezug auf die
'globalen' Wechselwirkungen.
Die
folgenden
Gedanken sind in vielerlei Hinsicht einseitig und sie erheben nicht den
Anspruch, einen erschöpfenden Ausblick auf die zwei bereits
erwähnten Fragen zu geben. Sie beabsichtigen Chancen und Risiken
aufzuzeigen, um einige Kriterien für ihre Beurteilung anzubieten.
Ich beginne mit einigen Hinweisen zu etwas, was man eine Theorie der
Informationsökologie nennen könnte, und mache, im zweiten
Schritt, einige Handlungsvorschläge.
I Theoretische Ansätze zu
einer Informationsökologie
Die Auflösung eines einheitlichen
Wissensideals
und die Herrschaft des Tauschwertes sind dann eine ökologische
Gefahr, wenn wir darauf reagieren indem wir versuchen, eine 'rein'
politische Kontrolle einzuführen oder den 'Marketingprozeß'
passiv zu betrachten. In beiden Fällen verlieren wir die Chance
des potentiellen Pluralismus, den diese Technologie bietet. Dieser
Pluralismus bedeutet nicht, daß mit der elektronischen Gestaltung
der Kommunikation alle anderen formalen (zum Beispiel das Buch) und
informalen Arten der menschlichen Interaktion 'überwunden' oder
veraltet sind. Diese Vielfalt ist eine ökologisch zu
schützende und zu fördernde Art von Pluralismus. Eine
Informationsökologie hat nicht die einfache Aufgabe zu sagen:
"Informationstechnologien sind per se uniformierender Natur. Laßt
uns die traditionellen Werte, zum Beispiel von Büchern, retten".
Diese Art des Widerstands
(Bücher contra Informationstechnologie) versagt darin, daß
sie die Komplexität und potentielle Pluralität innerhalb der
technischen Gestaltung der Wissensrepräsentation und -verbreitung
verkennt. Die Frage ist, wie eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen
Arten der Kommunikation organisiert werden kann, um sich nicht nur der
Chancen, sondern auch der Grenzen bewußt
werden, die jeder Möglichkeit eigen ist, ob diese nun eine
technische ist oder nicht. Falls wir diese Frage nicht aufwerfen,
werden wir früher oder später, wie im Falle
unverantwortlicher Handlungen gegenüber der Natur, riesige
Probleme mit Informationsverschmutzung
('information pollution') haben. Dieses pragmatische Konzept wird nun
untersucht, indem zuerst einige Charaktere bzw. Dimensionen betrachtet
werden, die dem Informationsphänomen zugeschrieben werden
können - nämlich die soziale, die linguistische und die
historische Dimension.
Wir sind es gewohnt, Information als etwas zu
betrachtet, das einfach gegeben ist. Man könnte sagen, Information
ist die Atmosphäre einer demokratischen Gesellschaft. Information
hat also selbstverständlich eine soziale
Dimension. In Wirklichkeit aber ist diese Dimension keine
Trivialität. Es hat dreihundert Jahre gebraucht, um
niedergeschriebenes Wissen weiten Teilen der Gesellschaft zu
öffnen. Dies war nicht nur ein technischer, sondern auch ein
pädagogischer und sozio-politischer Prozeß. Wir brauchen,
wie zur Zeit der Aufklärung, eine kreative Bildungs- und
Kulturpolitik auf diesem Gebiet. Wie bei anderen Menschenrechten ist es
nicht genug, eine ökologische oder sogar eine ethische Theorie der Information zu
entwickeln (und diese dann in eine Deklaration zu verkünden),
sondern was Not tut, ist die Pflege des praktischen
Urteilsvermögens im Hinblick auf mögliche
Handlungsalternativen. (5)
Information hat, zweitens. eine linguistische Dimension. Sprache
ist nicht etwas zur Gesellschaft hinzugefügtes, sondern sie ist
das 'Wesen' der Gesellschaft, das heißt sie ist die Art, wie wir in der Welt sind. Einige
Kennzeichen der Sprache in der Gestalt von Information sind: a)
ihre Kritisierbarkeit, b) ihre unthematische Dimension und c) ihre
Partialität.
a) Es gibt keine puren Informationen wie es auch
keine
puren Fakten gibt, sondern Information ist immer relativ zu einem
theoretischen und/oder praktischen Vor-verständnis. Es bleibt
immer etwas übrig, das man beurteilen (und nicht bloß
'wieder-holen' ('retrieve') kann und soll - falls man gelernt hat
(individuell und gesellschaftlich), wie so etwas gemacht wird. Für
dieses kritische Bewußtsein sind besonders die
'Informationsfachleute' verantwortlich.
b) Information ist notwendigerweise 'blind'. Diese
unthematische Dimension kann nicht vollständig objektiviert
werden. (6) Informationssysteme können nicht verantwortlich
gemacht werden, sondern jeder ist selbst für die Information
verantwortlich, die er/sie produziert und gebracht. Beim Aufbau und bei
der Nutzung von Expertensystemen ist dieser Aspekt besonders wichtig.
(7)
c) Wo immer die Moderne auf einen systematischen
Aufbau
des Wissens abzielt, sollten wir uns am Ende der Moderne, des
partiellen oder zerstückelten Charakters bewußt sein. Um den
Verlust einer dogmatischen Einheit - mit ihrem Niederschlag in
systematischen Klassifikationen - sie positiv bzw. als eine Chance zu
bewerten, müssen drei Kennzeichen der linguistischen Dimension
zusammen gedacht werden. Wissen in der Gestalt von Information ist eine
offene oder fragile Einheit, bei der die Pluralität (der
Standpunkte, Sprachen, Kulturen usw.) im Vordergrund steht. (8)
Information beinhaltet, drittens eine historische Dimension. Die
elektronische Revolution ist nicht der Beginn der papierlosen
Gesellschaft noch ist sie ein notwendiger historischer Schritt, der von
allen Ländern und in der gleichen Art und Weise in Zukunft
vollzogen werden muß. Sie ist nur eine Möglichkeit, die in
den Reichtum der Vergangenheit und die Zwänge der Gegenwart
verantwortungsvoll eingefügt werden sollte. (9) Die Alternative
lautet nicht: entweder Ablehnung der Informationstechnologien oder
Informationskolonialismus. Es gilt, zwischen den verschiedenen Arten
kultureller und technischer Informationsmischungen neue Wege zu finden.
Information hat einen mestizenhaften Charakter.(10)
Auf der Basis dieser Analyse ist es nun
möglich
einen Begriff von Informationsverschmutzung als grundlegendes
pragmatisches Konzept zu bestimmen. Dieses Konzept soll dann auf den
zwei Ebenen untersucht werden, die zu Beginn genannt wurden: innerhalb
informationsreicher Gesellschaften und in bezug auf die globalen
Wechselwirkungen.
1) Zur Informationsökologie innerhalb
informationsreicher Gesellschaften
Die
ökologische Schlüsselfrage, die der Produktion, Speicherung,
Verfügbarmachung, Auswahl und den Gebrauch aller Wissensarten
betrifft, ist die Erhaltung und Zunahme des sozialen Charakters der
Information. (11) Verantwortung für diese Dimension ist ein
ökologisches Maß bzw. ein Maß für die
informationsökologische Qualität postmodernen Wissens. Unter
diesem Gesichtspunkt gibt es zwei Arten ökologischer Gefahren:
erstens, eine monoligische Kontrolle des Staates über die
Informationstechnologien und/oder über die Inhalte der Sendungen
und zweitens, die unbegrenzte Umwandlung der Information in einen
Tauschwert. Demgegenüber sollten wir versuchen, die Spannung
zwischen der notwendigen Rolle des Staates für die Wahrung des
allgemeinen Zugangs zur Information und dem Recht des Einzelnen
gegenüber einer zentralisierten politischen und/oder
Marktkontrolle so zu gestalten, daß die unterschiedlichen
Interessen- und Verantwortungssphären respektiert werden.
Dies
ist zum Beispiel im Falle des deutschen ISDN-Netzes (eine schrittweise
Integration verschiedener Übermittlungsnetze für Text,
Sprache und Bilder) ein ökologisch kritischer Punkt, wie es von H.
Kubicek hervorgehoben worden ist. (12) Übereinstimmend mit Kubicek
sind die immanenten ökologischen Gefahren eines solchen
zentralisierten Systems:
- die Möglichkeit eines Totalausfalls
- die Schwäche des Systems gegenüber physischer Gewalt
- die Möglichkeit der Softwaremanipulation.
Kubicek schlägt vor, Telekommunikationssysteme mit begrenztem
Umfang an Auswahl und Möglichkeiten zu entwickeln. Aber nicht erst
bei Problemen des Datenschutzes ist Vorsicht geboten. Auch bei der
Umformung unserer Wohnungen zu Teilen des elektronischen Marktplatzes
muß der unkontrollierten Expansion technischer Systeme Grenzen
gesetzt werden: zum Beispiel durch Dezentralisation, durch eine
Differenzierung der Interessengruppen oder durch die Aufstellung
spezifischer Rechtsnormen. Das informationsökologische Problem der
Uniformierung, d.h.
der
Reduktion der Chancen an Pluralität, die dieser Technologie
innewohnen, muß kritisch betrachtet werden. Diese Art der
Informationsverschmutzung kann man als Machtverschmutzung bezeichnen, da
sie von der Macht oder Kontrolle über Information abhängt.
In
bezug auf die linguistische Dimension, schlage ich vor, das
nächste Problem der Botschaftsverschmutzung
('message pollution') zu bezeichnen. Informationstechnologien
können eine unglaubliche Fülle von Botschaften verbreiten,
ohne den Kontext deutlich zu machen, in dem sie entstanden sind (es
gibt keine puren Fakten). Die Botschaften sind gegenüber ihrer
eigenen Begrenzung blind und die spezifische Art der Partialität
die sie augenblicklich verkörpern, bleibt offen. Die
Überfülle von Botschaften macht aus dem Menschen mehr das
Opfer oder die Zielscheiben (dies ist auch in bezug auf Massenmedien in
informationsarmen Ländern der Fall). Umberto Eco hat kürzlich
darauf hingewiesen, daß die "Schlacht", die auf diesem Gebiet
ausgetragen wird, nicht primär als eine strategische
Angelegenheit, sondern als eine Sache der Taktik angesehen werden
sollte. (13) Natürlich können wir versuchen den
Kommunikationsprozeß auf der Ebene des Senders oder auf der des
Kanals zu regeln. Aber weder in dem einen noch in dem anderen Fall
würden wir die Botschaft, d.h. die linguistische Dimension,
beeinflußen. Das geschieht nur
"Angesichts des Kodes am Bestimmungsort". Mit anderen Worten:
Botschaften verändern ihre Bedeutung entsprechend den
Voraussetzungen des Empfängers - seines 'Vorverständnisses'.
Hier, in den Sesseln vor unseren Fernsehgeräten und vor jedem
Terminal, ist der Ort, wo die linguistische "Schlacht" nicht nur den
Zweck, den Informationszirkel zu verlassen, in den man eingebettet ist.
Es ist eher eine Frage, wie man sich darauf vorbereitet, mit dieser
Situation fertig zu werden, um die Überfülle durch
qualifizierte Interpretation zu kontrollieren. Eco schlägt etwas
vor, das er "Kulturgerilla" ("cultural guerrilla") nennt. Er meint zum
Beispiel die Möglichkeit, das eine Medium zu benutzen um ein
anderes zu kritisieren. Das geschieht heute bereits: in
Zeitungsartikel werden TV-Programme kritisiert., in
Fernsehdiskussionen werden Bücher besprochen usw. Eine andere
Möglichkeit ist der "Massendissens" ("mass dissent"): das ist
ein Feld, wo wir kreativer sein könnten, zum Beispiel durch
Organisation alternativer Netze und Dienste, um Randgruppen innerhalb
und außerhalb unserer Gesellschaft zu helfen, durch
internationale Hilfsangebote, durch Unterstützung von Friedens-
und Solidaritätsbewegungen, usw. Ich glaube, daß auch das
Feld der Fachinformation könnte von diesen Ansichten profitieren:
die künstliche Alternative zwischen staatlicher Unterstützung
und/oder Privatindustrie ist nur ein Segment einer Vielzahl
alternativer Möglichkeiten für verschiedene Arten von
Benutzergruppen. Die geläufige einseitige Sicht auf die Industrie
als die Hauptnutzer elektronischer Information ist monomanisch, eine
fixe Idee, und verzerrt die Möglichkeiten der
Informationstechnologie in diesem Bereich. Das ist auch der Grund
für eine Verzerrung der Frage nach dem ökonomischen Wert der
Information, falls dieser Wert primär vom Standpunkt des
industriellen Nutzers gemessen wird.
Der
letzte Punkt betrifft das, was ich die historische Dimension genannt
habe. Der Informationssektor ist voll futurologischer Ideen, einige
'planen' sogar das nächste Jahrtausend! (14) Wir können uns
selbst mit allen diesen Utopiearten 'verschmutzen', was uns aber, wie
das Wort Utopie sagt, nirgendwohin führt. Damit geben wir die
Verantwortung unser Wissensuniversum und seine Kanäle unter
Berücksichtigung der jeweils spezifischen
Qualitäten zu gestalten, auf. Der Slogan von der
'papierlosen Gesellschaft' ist ein Ausdruck von 'Geschichtsverschmuzung' in unserem
Bereich. Es ist an der Zeit diese Formen technologischen Redeschwulstes
aufzugeben, d.h. nach bescheideneren Wegen zu suchen, die Grenzen
dieser expandierenden Technologie (wie vorläufig auch immer) zu
bestimmen, d.h. verantwortlich zu handeln, indem man sich nach
Möglichkeiten richtet, die diese Grenzen eröffnen. Grenzen
nicht als etwas Negatives zu sehen, sondern als die Bedingung von
Pluralität, ist ein Kernpunkt für die Zukunft einer
technologischen Gesellschaft, in der Technologie in den Komplex anderer
Traditionen eingefügt wird. Dies ist natürlich kein Vorwand
für Neo-Konservatismus. So wie es eine Illusion ist, an eine rein
technologische Gesellschaft zu denken, so ist es auch eine Illusion zu
glauben, daß es so etwas wie eine pure Natur oder eine
"ideale Kommunikationsgemeinschaft" (J. Habermas) gibt, der wir uns
anzupassen haben oder die wir künstlich erzeugen könnten.
Eine
realistischere Sicht berücksichtigt, daß es im
zwischenmenschlichen Leben keine ideale Harmonie gibt, keine
Möglichkeit einer perfekten Sprache für menschliches
Verstehen und Handeln, und daß wir darum immer mit
Mißverständnissen und Kommunikationslosigkeit konfrontiert
sind. Menschliche Kommunikation ist weder ein Objekt für
technische Manipulation noch ist sie etwas 'Mystisches'.
Informationstechnologie ist nicht notwendigerweise ein Störungs-
bzw. Verschmutzungsinstrument. Sie ist auch kein ideales
künstliches Glied. Wir werden von ihren eigenen (!)
Möglichkeiten profitieren, wenn wir sie in die Gesamtheit der
menschlichen Kommunikation integrieren. Wir sollten nicht vergessen,
daß menschliche Kommunikation zweigleisig ist, wenn wir
'ein-seitige' Medien entwickeln. Wenn wir Wissenstücke isolieren,
dann sollten wir nicht vergessen, daß diese Stücke ihre
Bedeutung aufgrund von spezifischen Situationen und besonders aufgrund
des Kodes des Empfängers bekommen. Wenn wir Wissen durch
verschiedene technische Kanäle vermarkten, sollten wir das
Recht eines allgemeinen Zugangs zum gesellschaftlichen Wissen nicht
vergessen. Wenn wir Wissen mit Maschinen handhaben, sollten wir nicht
vergessen, daß Menschen keine Roboter bzw. keine
'Fleischmaschinen' sind. Und so weiter.
Wenn
man die Augen vor diesen (und anderen) ökologischen Fragen der
Informationsgesellschaft verschließt, vergißt man,
daß wenn wir Werkzeuge entwickeln, wir uns selbst (unsere "ways
of being", Winograd & Flolres (15)) gestalten.
Informationswerkzeuge sind oder sollten primäer demokratische
Werkzeuge sein. Die Informationstechnologie öffnet uns ihre
polyphone (vielstimmige) Potentiale dann und nur dann, wenn wir in der
Lage sind, in eine Wechselbeziehung mit all ihrer sozialen Dimensionen
zu treten. Es ist gewiß eine Chance, vielleicht die Chance, soziale
Verständigung innerhalb ebenso wie zwischen verschiedenen
Ländern und Kulturen, die zu einer
Welt gehören, zu bewahren und wachsen zu lassen.
(16)
2)
Zur globalen Informationsökologie
Die Frage der Informationsverschmutzung
läßt
sich aus einer globalen Perspektive heraus, als Problem der Kluft
zwischen informationsarmen und informationsreichen Ländern stellen.
Es ist ein allgemeiner Konsens, daß
Unterschiede
durch Rasse, Religion, Ideen, Einkommen, usw. nicht von einer Ideologie
des 'Egalitarismus' bzw. 'Totalitarismus' überdeckt werden sollen,
sondern daß Individuen genauso wie Nationen gleiche
Entwicklungschancen auf der Grundlage gleicher Rechte und Pflichten
gegeben werden soll. Der Informationsunterschied, das heißt der
Unterschied zwischen den Informationsarmen und den Informationsreichen,
wird nocht nicht als eine Schlüsselfrage betrachtet, wie zum
Beispiel die ökonomische Frage. Ein Grund für diese
Unterlassung ist, daß die Kluft während der letzten
dreihundert Jahre nur langsam gewachsen ist. Das Aufkommen der
Elektronik hat deutlich die Frage nach der Herrschaft über und der
Zugänglichkeit zum Wissen in den Vordergrund gerückt. Es ist
inzwischen klar geworden, daß dies eine Schlüsselfrage
für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung eines Landes
ist.
Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich
nach
der Kluft zwischen den Informationsreichen und den Informationsarmen
fragen, im Sinne also der ökologischen Qualität des
weltweiten Informationsmarktes. Eine der Schlüsselfragen einer
Informationsökologie ist, diese Kluft theoretisch und praktisch in
Frage zu stellen.
Die mächtige elektronische Technologie hat
eine
Veränderung in der Wissens-'Atmosphäre' entstehen lassen. Sie
hat Regionen des Wohlstandes geschaffen aber unüberschaubare
Gruppen von menschen in einem hohen Grad der Unkenntnis und/oder der
informationellen Abhängigkeit beiseite gelassen. Die Kluft
zwischen den Informationsarmen und den Informationsreichen, und nicht
die Überproduktion von Wisen 8es kann nie zu viel Wissen geben),
ist die wahre Informationskrise, die zu meistern ist. Wir, die auf der
Seite der Informationsreichen sind, müssen uns fragen, was wir
dafür tun, um den Markt für Information davor zu bewahren,
ein geschlossener Markt zu werden - zu einem Verschmutzungsfaktor
für die 'Außenstehenden' und für uns selbst
(Matthäus-Prinzip). Diese zwei Möglichkeiten sind im Begriff
der Informationsverschmutzung (im doppelten Sinne des Genitivs!)
ausgesprochen. Die entscheidende Frage ist dann nicht bloß die
nach einer Überwindung kultureller und linguistischer Barrieren.
Sie ergibt sich aus dem Dilemma, zwischen den neuen Formen des
Informationskolonialismus und den Möglichkeiten der
wissenschaftlichen und kulturellen Wechselbeziehungen, die durch diese
Technologie eröffnet werden. Die ökologische Herausforderung
ist das richtige Gleichgewicht zwischen Überwindung und Bewahrung
zu finden, oder, mit anderen Worten, zwischen dem Lob der
Universalität und der Notwendigkeit, die Pluralität (der
Kulturen, Sprachen usw.) nicht nur um ihrer selbst Willen (Vielfalt ist
schön!), sondern um die Respektierung der jeweiligen Interessen,
zu bewahren. Denn menschliche Probleme und Lösungen entstehen
immer innerhalb besonderer Situationen und benötigen nicht nur
spezifische Wissensinhalte, sondern auch spezifische Formen ihrer
Sammlung, Verarbeitung und Verbreitung.
II. Pragmatische Ansätze
zu einer Informationsökologie
Zwei internationale Vorschläge für eine pragmatische
Behandlung einer Informationsökologie wurden bisher vorgelegt: der
MacBride-Report und die "Codes of Practice" von EUSIDIC.
Wir Surprenant feststellt, (17) kann man sich diesem Report von
verschiedenen Seiten nähern: a) als einem Produkt der
'U.N.-Ideologie', besonders im Bereich des Journalismus, oder b) als
einem Versuch, den ganzen Bereich der Information (und Kommunikation)
nicht primär aus einer ökonomischen Perspektive zu betrachten
(Information als eine Ware), sondern aus einer globalen, sozialen
Perspektive (Information als ein soziales Gut und kulturelles Produkt).
Unter diesem letzten Gesichtspunkt zeigt sich die
informationsökologische Krise beim Problem der Entwicklung
autonomer Kommunikations- und Informationskapazitäten, im Falle
der ländlichen Gebieten ohne jeder technische und/oder
Bildungsinfrastruktur, beim Papiermangel (und natürlich beim
Mangel jeder Art von Hard- und Software), bei der einseitigen
Kommerzialisierung der Informationsprodukte, beim kulturellen und
technischen Kolonialismus durch die Verteilung der Informationsprodukte
und -kanäle, usw. Bei der wissenschaftlich-technischen Information
kann diese Abhängigkeit durch die Beschleunigung der
Wissensproduktion und seiner Verteilung durch elektronische Mittel
dramatisch werden bzw. ist es bereits geworden. Die Abhängigkeit
führt zum Verlust der Konkurrenzfähigkeit, zur Abwanderung
der Wissenschaftler, zu niedrigen Bildungsniveau, usw. Je mehr Information produziert wird, umso
größer ist die Kluft. Zu dieser Art der
Informationsverschmutzung muß man die Fragen des Umfangs, der
Auswahl der Quellen, der Verteilungszentren, der Gebühren, der
protektionistischen Politik, usw. hinzuaddieren. Zusammengenommen
stellt Surprenant fest:
"Das
ganze Konzept des 'free flow of information' bedarf der Neubestimmung,
um das gegenwärtige Durcheinander und die bedeutungslose Rhetorik
zu überwinden. Freier Fluß bedeutet nicht notwendigerweise
ungebändigter Fluß. Es gibt einen vorhandenen Bedarf, die
souverän Rechte aller Nationen im Bereich der Information zu
analysieren, der mit der Anerkennung der internationalen
Bedürfnisse bei der Sammlung und Vermittlung von Informationen
sowie beim Gebrauch hiermit zusammenhängenden Begriffen in enger
Beziehungsteht. Hier brauchen wir sehr, sehr viele Verhandlungen und
Kompromisse auf höchster Ebene internationaler Politik" (18)
In diesem internationalen bzw. ökologischen
Kontext sind die Probleme des Datenschutzes natürlich
entscheidend. Wenn wir unsere Ansichten über politische
Grenzlinien in Bezug auf Luft- und Wasserverschmutzung überdenken,
müssen wir auch beginnen, die Frage der Informationsverschmutzung
von einem kulturellen, politischen und rechtlichen Standpunkt aus zu
betrachten (Herrschaft, Beeinflußung, kriminelle Handlungen). Die
Vorteile und die Bedrohungen des Ge- oder Mißbrauchs von
Informationstechnologien muß Teill internationaler (ethischer und
rechtlicher) Beratungen werden.
EUSIDICs "Codes of Practice" sind ein Produkt der "European Association of Information
Services". Trotzdem sind sie ein Versuch, internationale Regeln
für ein 'fair play' auf diesem Gebiet zu formulieren. Einige
dieser Regeln sind der Ausdruck eines ethischen Dilemmas. Ihre
Anwendung ist eine Sache der ethischen (und rechtlichen) Kontrolle oder
Beratung. Wenn man sie unter der Voraussetzung betrachtet, daß
die Informationsindustrie (Datenbanken, Hosts, Telekommunikation,
elektronische Hard- und Software) sich in der Hand der
informationsreichen Länder befindet, sind die meisten Regeln de facto einseitig: sie setzen eine
ideale Situation der Chancengleichheit voraus und bieten eine Art
'Münchhausen-Lösung', eine Einweg-Verbindung, für das
Problem der Informationskluft an. Einge Beispiele:
1. Datenbasen und Datenbankproduzenten:: (1.2)
Einträge sollten (in strenger Übereinkunft mit der
dargestellten Politik) aufgenommen bzw. ausgeschlossen werden. Die
Auswahl sollte nicht ddurch ökonomische, ideologische,
organisatorische oder ähnliche Erwägungen
beeinflußt sein.
2) Hostdienstleistungen: (2.2) Keinem Nutzer soll
der
Zugang zu irgendeinem Host oder zu den durch diesen Host angebotenen
Dienstleistungen verweigert werden, vorausgesetzt die Nutzer
erfüllen das freiwillig abgeschlossene, vertragliche
Übereinkommen sowie die notwendigen technischen Erfordernissen
bezüglich Terminals- und Kommunikationseinrichtungen.
3. Telekommunikation: (3.2) Wenn Datennetzdienste
gebraucht werden, und aus irgendeinem Grund durch die öffentliche
Verwaltung nicht bereitgestellt werden können, dann sollten
anderen Körperschaften, die bereit sind, die benötigte(n)
Dienstleistung(en) bereitzustellen, keine physikalischen oder
rechtlichen Hindernisse in den Weg gestellt werden.
Wie Neelameghan feststellt, "equal access to
information to everyone does not ensure equal benefit to everyone."
Andere Dimensionen (Absicht, Persönlichkeit des Nutzers,
Anwendungsumgebung, Medium der Informationsübermittlung,
Qualität, Zeitpunkt der Verfügbarkeit, Kosten des Zugriffs)
sollten dafür informationsökologisch in Betracht gezogen
werden, wenn man den Problemen, die aus der Informationskluft
entstehen, ins Gesicht sehen will. (28)
Was können wir tun? Ich möchte einige
Handlungsvorschläge machen, die weiterverfolgt oder intensiviert
werden könnten:
a) Weitere regionale und internationale
Diskussionen
über Informationsökologie fördern, um das
Bewußtsein zu verbessern, daß die 'triviale' Tatsache,
daß wir alle in derselben einen (Informations-)Welt leben, ein
tatsächlicher Faktor für die nationale und internationale
Informationspolitik ist. Das Problem der 'Balkanisierung' (Anderla) der
Bibliotheks- und Informationsdienstleistungen ist nicht nur ein
europäisches, sondern ein weltweites. (20)
b) Das Paradigma der modernen
Informationstechnologie
ist ein (nicht der einzige!) Faktor der gewaltigen kulturellen Probleme
der Wissensspeicherung und -zugänglichkeit in allen Bereichen und
Formen (21). Die Frage ist nicht: Wie können wir jedermann dazu
bringen, einen PC oder eine Datenbank oder was auch immer zu benutzen.
Die Frage ist, was sind die notwendigen Dinge, die in den
informationsarmen Ländern getan werden müssen, und wie
können wir ihnen helfen, um ihre Identität im Bereich der
Informationsproduktion, -verteilung und -gebrauch zu fördern. (22)
c) Die Förderung des (europäischen)
Informationsmarktes ist weder ein Stellvertreter noch ein Ersatz
für unsere eigene Verantwortung, Formen des verallgemeinerten
sozialen Zugangs zu elektronischer Information zu gestalten
(Bürgersysteme), ähnlich wie die Entwicklung der
Volksbüchereien während der letzten drei Jahrhunderte. Es ist
notwendig, praktische Verbindungen zwischen den beiden Paradigmen zu
entwickeln und zu testen. (23)
d) Zu lernen, wie man Datenbanken benutzt, ist
nicht
nur ein technisches Problem, sondern primär ein Problem sozialer
'Hermeneutik' (= Die Fähigkeit kritische Fragen zu stellen,
anstatt genau zu 'glauben', was 'geschrieben' oder 'programmiert' oder
'gespeichert' ist). (24) Programmieren von Benutzeroberflächen ist
eine sehr ernsthafte Aufgabe, weil es Formen des sozialen
(Vor-)Verständnisses und der sozialen Wechselwirkung festlegt. (25)
e) Die (oder wenigstens einige) informationsarme
Länder können wahrscheinlich nie ihre 'Informationsschulden'
bezahlen. Darum müssen wir eine große Initiative starten,
unsere Wissensspeicher (nicht nur die elektronischen!) durch
gegenseitiges 'geben und nehmen' von Informationen - und nicht
primär Geld - zu öffnen, um die Abwanderung von
Wissenschaftlern aus informationsarmen Ländern zu stoppen, die
diese Kluft tiefer und tiefer werden läßt. Diese Idee klingt
utopisch, aber vielleicht kann es (teilweise) wahr werden. (26)
f) Es müssen Ausbildungsaktivitäten
gefördert werden, um das Bewußtsein für die Dimensionen
der nationalen und internationalen Probleme und Chancen zu erweitern,
die durch die Informationstechnologien für die Sozialisation der
Information entstanden sind.
g) Es sollte internationale Arbeitsgruppen im
Bereich
der Bibliotheks- und Informationswissenschaft in enger Zusammenarbeit
mit verwandter Bereichen (Informatik, Sozialwissenschaft) gebildet
werden, um diese Angelegenheiten zu diskutieren und konkrete
Lösungen vorzuschlagen.
Nicht das Ideal (oder die Ideologie) einer
Informationssuperkultur, sondern die realistische Sicht auf die
Probleme der gegenwärtigen Informationsökologischen Krise
kann uns helfen, diese schließlich zumindest teilweise zu
überwinden.
III. Erste Stellungnahmen
Diese
Gedanken wurden im Rahmen des NORDINFO-Seminars
diskutiert und kritisiert. Ich möchte allen Kollegen für ihre
Kommentare danken, indem ich einige Diskussionspunkte hervorhebe:
- Der Begriff 'Informationsverschmutzung'
('information
pollution') stellt die 'negative Seite' eines zu erreichenden
'Informationsgleichgewichts' dar.
- Einige Beispiele von
'Informationsverschmutzung' sind:
falsche (oder 'inaktuelle') Daten, Inkompatibilität von Systemen
und Sprachen, mangelnde Nutzung von Hardware, Hacking, Computer-Viren,
Angebot von Informationssystemen zum verkehrten 'epistemischen
Nutzer' ('epistemic who'), mangelnde Verantwortung seitens des
Software-Anbieters.
- Ein 'Informationsgleichgewicht' setzt
voraus: wiederholte
Nutzungsmöglichkeit, Recycling, 'freier Fluß', intelligente
Systeme oder, allgemeiner, die Optimierung der Nutzung von Information
und Wissen.
- Information ist eine künstliche
Ressource und sie
ist grundsätzlich sozialabhängig.
- Wir sollten genauer nachdanken, zu
welcher Frage die
Informationsökologie die (oder eine) Antwort ist (oder sein
könnte).
- Die 'Ökologie der
Informationslandschaft' muß
grundsätzlich die 'Management-Dimension' (oder
'Bottom-Line-Dimension') von Information berücksichtigen. Der
Umgang mit Information im Sinne einer Ware (entsprechend ihres
"Tauschwertes") bedeutet nicht notwendigerweise, daß man ihre
soziale Dimensionen 'vergessen' muß. Verschiedene 'Umlaufebenen'
sowie verschiedene Qualitätsmaßstäbe könnten
integriert werden. Eine engstirnige ökonomische Sichtweise
schaden, langfristig gesehen, sich selbst.
- Es wurde die Frage nach einer
möglichen
Quantifizierung 'informationsökologischer' Werte gestellt. (Hier
dürfen ähnliche Probleme wie bei dem zur Zeit gesuchten
Modell für ein 'Ökosozialprodukt' auftreten).
- Diese Ideen sollten auf internationaler
Ebene, z.B. im
Rahmen der FID, weiterdiskutiert werden.
Herbert Kubicek machte
freundlicherweise einige schriftliche Kommentare zu meinen Thesen, die
ich auch kurz erwähnen möchte:
- Wir sollten zwischen "Daten-",
"Nachrichten-" und
"Informationsverschmutzung" unterscheiden: wir leiden unter Daten- und
Nachrichtenverschmutzung bei gleichzeitigem Informationsmangel vieler
Interessengruppen. (In Anschluß an diese Unterscheidung wurde bei
der Diskussion des Vortrags in Bremen die Doppeldeutigkeit des Ausdruck
'Informationsverschmutzung', nämlich im Sinne des 'genitivus
obiectivus' und 'subiectivus' (Verschmutzung der Information und
Verschmutzung durch Information), zur Sprache gebracht.)
- Das (mein) Plädoyer für
'Pluralismus' ist nicht
genug, vor allem angesichts des Subjekt- und Kontextbezuges, der die
Bedingungen eines 'pragmatischen' Informationsbegriffs darstellt. Die
'Machtdimension' muß noch stärker einbezogen werden.
In
seinem "Veranstaltungsbericht" faßte Werner Schwuchow die
Problematik in der folgenden prägnanten Formulierung zusammen:
"Informationsökologie" ist "die Gesamtheit negativer Wirkungen,
die durch das Anschwellen der durch moderne Technologien produzierten
Informationsdienste verursacht werden - insbesondere in
unterentwickelten Ländern." (27)
Anmerkungen
(1) Siehe Capurro (1985a, 1986, 1988). Ich danke Frau I. Wormell
für ihre wertvolle Kritik der ersten Version dieses Vortrags.
(2)
Das IKÖ-Institut
wurde 1989 gegründet. Die Adresse der Geschäftsstelle lautet:
Wittenerstr. 139, 4600 Dortmund 1, Tel. 02331/175007.
(s) Siehe Lyotard (1979).
Zur
Diskussion über die Rolle der Informationstechnologien im Rahmen
der philosophischen 'Postmoderne' vgl. Welsch (1987) und meine Kritik
(1988d, 1988/89, 1990b). Vgl. auch Vattimo (1990). Über
Lyotard (und Derrida) vgl. v.Vf. (1990).
(4) Siehe Lyotard (1983).
(5) Siehe Capurro (1988)
(6) Siehe Winograd &
Flores
(1986).
(7) Siehe Wormell (1987)
und
Capurro (1988a, 1988b).
(8) Siehe Capurro (1989).
(9) Siehe Larsen (1988)
und
Peer (1988).
(10) Siehe Salem
(1988)
S. 129: "And, in addition to the devastating problem of poversty, many
other intrincate issues are surfacing in today's communities such as, inter alia, the different ethnic
groups in a multicultural society, and the serious health and social
problems. These problems persist in most African and Asian states that
have gained their independence from the yoke of colonialism in the last
few decades."
(11) Siehe Boland &
Hirschheim (1987).
(12) Siehe Kubicek (1989).
(13) Siehe Eco (1986).
(14) Siehe Bezold &
Olson
(1986).
(15) Siehe Winograd &
Flores (1986) und meine Rezension (1987). Zum Thema AI und Ethik siehe
Capurro (1988a)
(16) Siehe den
MacBride-Report
sowie Surprenant (1985), S. 19: The nations of the world have a unique
opportunity to create and share information for the benefit of all. If
this occasion is missed, we will fall short on one aspect of the
potential mankind to increase the quality of life on this planet."
(17) Siehe Surprenant
(1985).
(18) Surprenant (1985), S.
19
(Übers. H.B.Ö.), siehe auch Thorpe (1984), S. 213: "An
inherent danger of the new information technology is that the
information gap between the industrialized North and the developing
countries of the South may become even greater."
(19) Neelameghan (1981) S.
14
(20) Anderla (1988) S. 11
(21) Siehe Surprenant
(1987),
s. 47: "The United States, Japan and other developed countries are
rapidly developing the component parts of this information superculture
and there has been and almost naive assumption that all other nations
will fall in line and cooperate because it is in their best to do so."
(22) Siehe Salem (1988),
S.
129: "Aid packages should therefore be granted to the Third World
countries in terms of integrated environments. A particular information
environment should be developed in its entirety, inclusive of the user,
technology, software, hardware, and the pertinent, available and
organized information."
(23) Siehe Anderla (1988)
und
Capurro (1988, 1988c)
(24) Siehe Ingwersen &
Wormell (1988), Beagle (1988), Schrader (1988), Neill (1987), Capurro
(1986, 1989).
(25) Siehe Azubuike (1988)
(26) Siehe Eres (1985) und
Slamecka (1985), S. 182: "The rate at which the potential of
information technology is realized in the developing countries will
depend not only on their policy makers, but also on the adaptivity of
their peoples, the methodology of applications, the attention and
assistance offered by the informatic sectors and the governments of
industrialized countries, as well as on the extent to which the generic
issues of development is approached form a global viewpoint."
(27) Schwuchow (1989) S. 23
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Letztes Update:
14.5.2017