1.
Visualisierung der geographischen Verteilung der
Informationstechnologien
2.
Statistiken
- Von
rund
6.000 Millionen Menschen
sind etwa 6% online
- Warum
nehmen die Menschen nicht
am Internet teil? Statistische Daten aus einer internationalen Studie
durch
Ipsos-Reid's Global Express, im Nov./Dez. 2000; Anzahl der Interviews
im
Durchschnitt: 500, bei USA und Deutschland: 1000 Interviews; Indien:
1.700
Interviews, Türkei: 1.200 Interviews):
- kein
Bedarf (40%)
- kein
Computer (33%)
- kein
Interesse (25%)
- kein
Wissen, wie man es nutzt
(16%)
- kein
Geld (12%)
- in
den
am wenigsten entwickelten
Ländern: keine Infrastruktur
- Rußland:
83% der Befragten
haben keinen Internet-Anschluß
- In
vielen Ländern (darunter:
Malaysia, Indien, Mexico, Südafrika): zu wenig
Zugangsmöglichkeiten
- 98%
der
Befragten haben ein
Fernsehen, 51% ein Handy, 48% ein Homecomputer (aber nur 36%
Internet-Zugang)
3.
Informationsgerechtigkeit begrifflich
- Allgemeine
Gerechtigkeit:
Betrifft
die Frage der Chance selbstbestimmer individueller und sozialer
Lebensentwürfe
in einer durch die digitale Vernetzung (mit-)geprägten Welt:
- Vertieft
die digitale Globalisierung die Kluft zwischen Armen und Reichen?
- Wie
ist
eine soziale Informationwirtschaft zu konzipieren?
- Wie
kann
eine sinnvolle Aneignung der IT in der Dritten Welt stattfinden?
- Wie
kann
informationelle Selbstbestimmung gewährleistet werden?
- Wie
kann
informationelle Autonomie (Medienkompetenz) gewährleistet
werden?
- Wo
reichen
moralische Normen (z.B. Verhaltenskodizes) aus? (Stichwort:
Informationsethos).
- Wo
läßt
man den digitalen Informationsfluß durch den Marktmechanismus
sich
selbst regulieren und wo sind der Ökonomisierung Grenzen zu setzen?
- An
welchen
sozialen Praktiken müssen die Menschen teilhaben können,
damit
der Zugang zur digitalisierten Information einen (Teil-)Sinn davon
macht?
(Frohmann 2001)
- Partikulare
Gerechtigkeit:
Betrifft
die Frage der gerechten Verteilung von und des Zugangs zu
informationellen
Gütern, einschließlich der Möglichkeit zu ihrer
Produktion
und Nutzung:
- ausgleichende
Gerechtigkeit: Wer soll warum informationell kompensiert werden?
(Stichwort:
Chancengleichheit im Netz)
- austeilende
Gerechtigkeit: Wer darf an welchen informationellen Gütern -
einschl. ihrer Produktion, Verteilung und Nutzung -, teilhaben?
(Stichwort:
Ungleichheit im Überfluß)
- "Informationelle
Gerechtigkeit" nach Karsten Weber:
- Karsten
Weber stellt folgende "informationelle Gerechtigkeitsgrundsätze"
auf:
"1.
Jedermann soll gleiches Recht auf Zugang zum umfangreichsten System von
Informationen und Wissen haben, das mit dem gleichen System für
alle
anderen vereinbar ist.
2.
Informationelle Ungleichheiten sind so zu gestalten, dass a)
vernünftigerweise
zu erwarten ist, dass sie zu jedermanns Vorteil dienen, und b) sie mit
Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedem offen stehen."
(Weber
2001, 168)
Angesichts
von Monopolisten à la Microsoft ist der 1. Grundsatz im Sinne
der Open Source-Bewegung folgendermaßen zu
präzisieren: "Jedermann
soll gleiches Recht auf Zugang zum umfangreichsten System von
Informationen
und Wissen haben, das mit dem gleichen allen potentiellen
TeilnehmerInnen
öffentlich-zugänglichen System - einschließlich
seines Quellcodes - für alle anderen vereinbar ist."
Ferner
ist zu bedenken, dass das Internet nicht bloß ein System von
Informationen
und Wissen darstellt, worauf Jedermann ein Empfänger-Recht
auf Zugang haben sollte, sondern ebensosehr ein System ist, wo jeder -
in verschiedenen Konstellationen: one-to-one, one-to-many,
many-to-many,
many-to-one -, das Recht haben sollte, ein Sender zu sein.
Wir
leben in einer message society: R. Capurro: Theorie
der Botschaft (2001).
Das
bedeutet auch ein Strukturwandel der Oligopole der Massenmedien bei der
Herstellung medialer Öffentlichkeit: R. Capurro: Strukturwandel
der medialen Öffentlichkeit (2000a)
Der
zweite Grundsatz bedarf zu seiner Verwirklichung einer institutionell
verankerten
austeilenden und ausgleichenden Gerechtigkeit. Stichwort: Soziale
Informationswirtschaft.
"Ebenso
wie die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze bei Rawls wesentlich
darauf
bauen, dass sich alle Personen - zumindest im Prinzip - auf sie einigen
können, weil sie im Zustand des Schleiers des Nichtwissens ihre
Position
im gesellschaftlichen Gefüge nicht kennen, basieren die hier
formulierten
informationellen Grundsätze auch darauf, dass die Akteure im
Internet
sich im Zustand einer spezifischen Unwissenheit für Regelungen des
Internets entscheiden müssen. Diese bezieht sich allerdings nicht
so sehr auf die Präferenzen der Akteure; sie sind ihnen durchaus -
zumindest weitgehend - bekannt; das ist ein wesentlicher Unterschied
zur
Rawl'schen Konzeption. Auch wissen alle Akteure - oder können
wissen
-, welche Handlungen möglich sind; das sichert der
eingeschränkte
Handlungsrahmen des Internets, ein Faktor, der bei Rawls nicht von
Belang
ist. Doch es ist nur sehr schwer möglich zu wissen, welche
Hintergrundmöglichkeiten
den Akteuren zur Verfügung stehen. Dies wird vor allem bei dem
Differenzprinzip
des 2. informationellen Gerechtigkeitsgrundsatzes deutlich. Diese
Unsicherheit
bzw. Unwissenheit wird rationale Akteure dazu bewegen, dass sie sich
auf
die beiden informationellen Gerechtigkeitsgrundsätze einigen. Sie
können sich aufgrund der Unwissensheit unparteiisch verhalten."
(Weber
2001, 169-170).
Die
Frage ist, ob dies tatsächlich der Fall sein wird, oder wir hier
nicht
mit einer Fiktion von "rationalen Akteuren" argumentieren. Das gilt
m.E.
auch dann wenn die Internet-Akteure weitgehend in einem de facto
Zustand großer Unwissenheit sind, worauf Weber anschließend
aufmerksam macht:
- "Die
Akteure
im Internet können als fiktiv aufgefasst werden, doch sind sie
ebenso
als reale Personen denkbar, denn diese befinden sich bezüglich
ihrer
Situation im Internet als eingeschränktem Handlungsrahmen auch
real
in einem Zustand großer Unwissenheit. Damit wird eine
tatsächlich
gegebene Situation für rationale Akteure im Internet zum Anlass,
die
informationellen Gerechtigkeitsgrundsätze zu akzeptieren." (Weber
2001, 169)
- Rechtlicher
Rahmen:
- UDHR
(Allg.
Deklaration der Menschenrechte) (Art. 19): "Jeder Mensch hat das Recht
auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfaßt die
Freiheit,
Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit
allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu
suchen,
zu empfangen und zu verbreiten."
Ferner:
Art. 26 (Recht auf Bildung); Art. 27 (Beteiligung am kulturellen
Leben);
Art. 2 und 7 (Chancengleichheit vor dem Gesetz)
- Grundgesetz
(Art. 5): "(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und
Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die
Pressefreiheit
und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden
gewährleistet.
Eine Zensur findet nicht statt. (2) Diese Rechte finden ihre Schranken
in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen
Bestimmungen
zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. (3)
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der
Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung."
- Soziale
Indikatoren ('IsICTometrics') (Menou 2001):
- Wie
läßt
sich die konkrete Auswirkung der IT auf soziale Verhältnisse
messen
und auswerten? Wer braucht wofür Zugang zum Internet?
- Herkömmliche
technische Indikatoren: Art der Information, Institutionen (z.B.
Bibliotheken,
Fachinformationszentren), Kommunikationsmittel, Technologien
- Soziale
Indikatoren (social information controlling): Welche
Veränderungen
haben aufgrund der IT stattgefunden? unter welchen ethischen Standards?
Wie hat sich das Privatleben, das soziale Leben, das bürgerliche
Leben,
das professionelle Leben, das wirtschaftliche Leben... aufgrund der IT
verändert? Wie waren die Erwartungen?
4.
Informationsgerechtigkeit praktisch
- Christoph
Albrecht: Freidenkzonen
ohne Steuer. Nach Genua: Weltweite Dialektik der Globalisierungsangst.
In: F.A.Z. 1. August 2001, Nr. 176, S. N 5: Albrecht stellt die
Ausschreitungen
während des G-8-Gipfels in Genua in Zusammenhang mit der immer
wieder
auftauchenden Angst vor dem Neuen und die (üblichen) Folgen,
nämlich
Steuererhöhungen! In Anschluß an Jean Delumeau verweist er
auf
die Studentenbewegung der sechziger Jahre und deren "globaler Angst"
vor
der Zerstörung der Erde durch Technik und Bürokratie. Heute
scheint
sich die Welt in ein globales Kasino zu verwandeln, wobei viele
Länder
ausgeschlossen bleiben. Vorbild des Aufschwungs ist Indien. Einige
Nationen
im Nahen Osten (Dubai, Ägypten, Jordanien) versuchen, durch
Technologieparks
und Freihandelszonen ihm nachzuahmen: "Die Dialektik der Globalisierung
ist den Namen dieser Freidenkzonen schon eingeschrieben. Wie die lokale
Presse in Jordanien bemerkte, signalisiert die dortige "Free Media
Zone",
daß der Rest des Landes nicht so frei ist, wie es die
Computer-Gebildeten
heute voraussetzen."
- Dialektik
der Globalisierung:
Davos oder Porto Alegre?
OFFIZIELLE
WEBSITES:
LINKS:
Davos
2001 The public
eye on Davos, coordinated by the Berner Declaration
ferner:
AECEP
Association européenne pour une citoyenneté et une
économie
plurielles
Attac:
Site über Kampagnen gegen internationale Verschuldung u.v.m.
Bicusa
(Bank Information Center): Unabhängige Information über
Projekte
int. Org.
CIRIEC
International
CPN
Civic Practices Network
CRID
Centre de recherche et d'information sur le développement
IFG
International Forum on Globalisation
Samizdat
Via
Campesina Internationaler Bauernverband
Vgl.
R. Capurro: Soziale,
rechtliche, politische und ethische Aspekte der Informationsgesellschaft
(Skript 2001)
5.
Politische Deklarationen und Action Plans
6.
UN
UNDP:
Der neue Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen
- UNESCO:
Observatory of the Information Society:
Informationspolitik,
Privatheit und Vertraulichkeit, Inhaltsregulierung, universeller Zugang
- ITU:
The
World Summit on the
Information Society (WSIS) (Genf, Dezember 2003)
7.
ICIE (International Center for Information Ethics)
Meetings,
Bibliographie, Virtuelle Bibliothek, Lehre & Forschung, Mailing List
ICIE
8.
Workshop: Informationsarmut - Informationsreichtum (1996)
9.
Informationsökologie
Capurro,
R.: Towards an Information
Ecology (1989)
-: Vom
Buch zum
Internet: Nachhaltige
Wissenstradierung (2001a)
10.
Fazit: Grüne Wege zur digitalen Informationsgerechtigkeit
Wie
kann
eine grüne Internet-bezogene Informationspolitik aussehen?
Ich glaube, dass sie eine schonende Informationspolitik sein
sollte.
Damit meine ich eine Abschwächung globaler Ziele mit ihren
jeweiligen Machtansprüchen durch die Förderung lokaler grass-roots
Projekte, wie das Beispiel der lateinamerikanischen Tele-centers
zeigt. Dabei wird man vor Ort mit folgenden Problemen
konfrontiert:
-
Keine Ausbildungspolitik
-
Keine nachhaltige Technik
-
Keine Sicherheitsstrategien bei der Nutzung des Internet
-
Kein ausreichendes Informationsmanagement
-
Keine ausreichende Fähigkeit, eigene Inhalte zu produzieren
-
Keine nachhaltige Finanzierung
-
Kein strategischer Einfluß im politischen und
privatwirtschaftlichen
Handeln
-
Keine Kompatibilität mit bestehenden kulturellen Praktiken
Zu
diesen Problemen lassen sich auch entsprechende
Lösungsansätze
entwickeln wie die Pläne beim I
Encuentro Regional de Telecentros de América Latina y el Caribe
(Quito, Ecuador, 30. Juli - 2. August 2001) zeigen.
Vgl.
v.Vf.: Perspectivas
de
una cultura digital en Latinoamérica (2000b)
Dem
"schwachen Denken" des
italienischen Philosophen Gianni
Vattimo entsprechend, wäre es adäquater, will man eine
schonende
Informationspolitik betreiben, von "Verwindung" anstatt von
"Überwindung"
des digital divide zu sprechen.
Vgl.
v.Vf.: Emanzipation
oder Gewalt (2001c)
11.
Literatur
Albrecht,
Chr. (2001): Freidenkzonen
ohne Steuer. Nach Genua: Weltweite Dialektik der Globalisierungsangst.
In: F.A.Z. 1. August 2001, Nr. 176, S. N 5.
Capurro,
R.: (2001): Theorie
der Botschaft
-
(2001a): Vom Buch zum
Internet:
Nachhaltige Wissenstradierung
- (2001b): Soziale,
rechtliche, politische und ethische Aspekte der Informationsges.
-
(2001c): Emanzipation
oder Gewalt
-
(2000): Ethical Challenges
of
the Information Society in the 21st Century
-
(2000a): Strukturwandel
der
medialen Öffentlichkeit
- (2000b): Perspectivas
de una cultura digital en Latinoamérica
-
(1989): Towards an
Information
Ecology
- (1995): Leben
im
Informationszeitalter.
Berlin
Frohmann,
B. (2000): Cyber Ethics: Bodies or Bytes? In: International Information
and Library Review, 32, 423-435.
Ipsos
Reid (2001): Why
Aren't More People Online? June 13
Menou,
M. (2001): IsICtometrics:
Toward an alternative vision and process. Lisbon.
Siegle,
J.A. (2001): Zwischen Hype und Hoffnung. Die Online-Entwicklung
in
Südamerika. In: Internet Professionell. August, 112-114.
Weber,
K. (2001): Informationelle Gerechtigkeit. Herausforderungen des
Internets
und Antworten einer neuen Informationsethik. In: H.F. Spinner, M.
Nagenborg,
K. Weber: Bausteine zu einer neuen Informationsethik. Berlin/Wien,
129-188.
Letzte
Änderung: 8. September 2017
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