Kurzfassung
Der Informationsbegriff weist sowohl im Alltag als auch in den
Wissenschaften eine erstaunliche Fülle von Bedeutungen bzw.
Begriffsmomenten auf. Vom alltagssprachlichen Informationsbegriff
ausgegangen, wird die Entstehung und Entfaltung der wissenschaftlichen
Prägungen erläutert. Der Informationsbegriff gehört zu
den Kernbegriffen, die unsere moderne technische Gesellschaft
bestimmen. Sein Bedeutungszusammenhang mit Sachverhalten wie
Rohstoffen, Arbeit und Kapital wird umrissen. Wort- und
begriffsgeschichtlich hängt Information mit Griechisch "idea" und
Lateinisch "forma" zusammen. Dieser Ursprung kann in Zukunft eine
Schlüsselrolle bei der Beantwortung der Frage "Was ist
Information?" spielen.
Der Titel dieses Beitrags spricht eine Frage aus, die eigentlich jeder
von uns auf Anhieb leicht beantworten kann. Information? – also
Auskunft, Mitteilung, Nachricht. Wir werden ja täglich von
Informationen aller Art überflutet: von morgens, wenn wir kurz
nach
dem Aufstehen die Rundfunknachrichten hören, bis zu den
Spätnachrichten der Tagesschau. Während des Tages zu Hause,
im Büro, auf der Straße, im Hörsaal –
ständig werden wir mit Informationen konfrontiert. Manche von
ihnen
sind sehr kurzlebig. Ein Sprichwort sagt: Es gibt keine älteren
Nachrichten als die, die in der gestrigen Zeitung standen.
Andere Informationsarten beanspruchen eine längere Geltungsdauer:
Denken wir zum Beispiel an wissenschaftliche Mitteilungen, an
Fachinformationen also, die, insbesondere seit dem Aufblühen der
empirischen Wissenschaften in der Neuzeit, exponentiell angewachsen
sind. Aber auch hier ist ihre "Lebensdauer", bedingt durch den
"wissenschaftlichen Fortschritt", sehr unterschiedlich. Es gibt
Wissenschaften, wie die meisten "Geistes-" im Unterschied zu den
"Naturwissenschaften", deren Forschungsergebnisse langsamer "obsolet"
werden als die anderer Gebiete.
Aber jeder von uns ist auch im Alltag ein Informationserzeuger. Denken
wir zum Beispiel an die vielfältigen Formen von privaten und
geschäftlichen Mitteilungen: Briefe, Telephonate, Telegramme...
bis hin zu den Möglichkeiten, die die sogenannten "neuen Medien"
(Bildschirmtext, Telefax, Teletex, Videokonferenzen usw.)
eröffnen. natürlich werden dadurch die nicht-medialen
Mitteilungsformen nicht hinfällig: Man trifft sich auf der
Straße oder in der Kneipe (in südlichen Ländern im
Freien auf der "piazza" oder im Café), Wissenschaftler treffen
sich bei Seminaren und Tagungen. Was
wir uns dabei mitteilen, der Inhalt der Informationen
also, kann höchst unterschiedlich sein. Ebenfalls sind unsere
Erwartungen bzw. die Art, wie wir auf Inhalt und Form der Informationen
reagieren, sehr unterschiedlich: Neugier oder Indifferenz, Freude oder
Trauer, Zorn oder Freundlichkeit, Langeweile oder Aufregung... All
diese Erfahrungen mit dem "Wie" und dem "Was" der Information sind also
jedem von uns bekannt, sie sind ein wichtiger Bestandteil unserer
zwischenmenschlicher Beziehungen. Man könnte sagen, daß
Information etwas ist, was uns als Einzelpersonen und als Gesellschaft
unmittelbar angeht. Vielleicht ist sie uns deshalb besonders
fragwürdig.
Wenn wir aber bereits zu wissen scheinen, was Information ist, ist
unsere Frage nicht überflüssig? Wir wissen, daß sich
hier scheinbar einfachen Fragen oft komplexe Sachverhalte verbergen,
die wir durch Einsicht und Methode aufzuklären versuchen. Wir
brauchen dabei nur an Fragen wie: Was ist Materie? Was ist Leben? Was
ist Gesundheit? Was ist Frieden? usw. zu denken, um sofort zu
begreifen, daß diese Fragen höchst beunruhigend sein
können. Als vor 2500 Jahren die griechischen Philosophen die Frage
"Was ist Materie?" stellten, ahnten sie vermutlich nicht, daß sie
dadurch eine dramatische geistige Entwicklung einleiteten, die nicht
nur die Grundlage unserer heutigen (Natur-)Wissenschaft bildet, sondern
auch eine wichtige Rolle in den kulturellen, politischen und sozialen
Bewegungen durch die Jahrhunderte spielte.
Stehen wir heute wenn wir die Frage "Was ist Information?" stellen,
vielleicht vor einer ähnlichen Entwicklung? Oder zeigt sich
darin etwas, was sich seit langem ankündigt und das erst jetzt zu
seiner Entfaltung kommt? Bevor wir eine mögliche Antwort auf diese
Fragen zu geben versuchen, sollten wir bedenken, daß die Fragen
vom Typ "Was ist?" uns eine Falle stellen können. Sie scheinen
nämlich auf etwas hinzuweisen, das gewissermaßen, etwa in
Form einer Definition, ein für alle mal erfaßt werden kann.
Wir sagen in der Umgangssprache, daß wir die "richtige" Antwort
auf eine solche Frage haben, wenn wir "das Wesentliche" der Sache
begriffen haben. Die Falle besteht aber darin, zu glauben, daß
solche "wesentlichen Aspekte" oder, wie die Philosophen sagen,
"Wesenheiten" einen unwandelbaren Sonderstatus besitzen. Definitionen
sind aber im wörtlichen Sinne Abgrenzungen; und Grenzen, so
notwendig sie auch für das Erfassen von etwas sind, lassen sich
jeweils, wie der Wanderer weiß, von verschiedenen Gesichtspunkten
aus betrachten. Mit anderen Worten, sie sind Anhaltspunkte für das
Weiterdenken.
Für die jetzt folgende interkturelle Wanderung möchte ich
einige Kreuzwege auf der Karte markieren, die uns als mögliche
Orientierung dienen sollen. Wir deuteten schon den alltagssprachlichen
Sinn von Information an. Von hier aus wenden wir uns zunächst
einigen wissenschaftlichen Prägungen dieses Begriffs zu.
Vom allatagssprachlichen
Informationsbegriff zu den
wissenschaftlichen
Prägungen
Ich schlage vor, in "Meyers Enzyklopädischem Lexikon"
nachzuschlagen, um uns unserer bereits intuitiv beschriebenen
Erfahrungen zu vergewissern.
Unter dem Stichwort "Information", dem die Stichworte "Informatik" und
"Informatiker" vorangehen, finden wir zunächst einen Hinweis auf
die Herkunft des Wortes. Vielleicht ist dieser Hinweis für manche
von uns eine erste Überraschung: Das Wort stammt nämlich aus
dem Lateinischen: "informare", d.h. durch Unterweisung bilden,
unterrichten, wenngleich es "eigentlich", wie das Lexikon
erläutert, "eine Gestalt geben, formen" bedeutet. Information
– ein modernes Wort mit einer so "alten" Herkunft? Wir kommen auf
sie am Schluß unserer Wanderung zurück.
Was ist, oder vielleicht sollten wir besser sagen, was heißt
"Information"? Das Lexikon gibt zwei Antworten
- Unterrichtung, Benachrichtigung,
Aufklärung
- Nachricht, Mitteilung
Die erste Bedeutung unterstreicht den
Mitteilungsprozeß, die
zweite den Inhalt dieses
Prozesses. In beiden Fällen wird vorausgesetzt, daß es sich
um einen zwischenmenschlichen
Mitteilungsprozeß handelt. Ferner besagt "Information", daß
die vermittelte Nachricht für den Empfänger Neuigkeitscharakter hat, d.h.,
durch den Informationsprozeß wirkt
diese auf das Vorwissen des Empfängers. Wir sehen
also, daß unter "Information" im alltagssprachlichen Sinne eine
komplexe Struktur angesprochen wird, deren Hauptelemente sind:
- die Menschen, sofern sie sich
gegenseitig etwas mitteilen,
- der Inhalt der Mitteilung, d.h. die
Sache, auf die sich
die Mitteilung bezieht,
- die Wirkung der Mitteilung auf den
Empfänger
- und schließlich der
Vermittlungsprozeß selbst.
Da das Medium zwischenmenschlicher
Mitteilungsprozesse die Sprache
(in ihren vielfältigen Formen: Wort, Schrift, Zeichen usw.) ist,
besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Sprache und
Information. Dieser Zusammenhang wird auch sichtbar, wenn wir an
die Hauptdimensionen menschlichen Sprache denken, nämlich: Syntax,
d.h. die strukturelle Beziehung der sprachlichen Zwischen
untereinander,
Semantik, d.h. ihre Fähigkeit, auf Sachverhalte hinzuweisen bzw.
sie zu "vertreten", und Pragmatik, .d.h. die durch die sprachliche
Mitteilung intendierte Wirkung.
In den vierziger und Anfang der
fünfziger Jahre erfolgte die Entwicklung der sogenannten
Informationstheorie, die darauf zielte, einen quantitativen
Maßstag bei der Übertragung von elektrischen Impulsen
zwischen einem Sender und einem Empfänger zu ermitteln. Man wollte
also das Phänomen der Kodierung und Übertragung von
Mitteilungen bzw. "Informationen" und der physikalisch-technischen und mathematisch-statistischen
Gesichtspunkten analysieren. Das bedeutete zugleich die bewußte
Ausschaltung der semantischen und pragmatischen Ebenen der Information.
Das damals geläufige telegraphische System bestand aus 32 Zeichen,
aus denen der Sender jeweils eine Auswahl treffen mußte, wenn er
dem Empfänger etwas mitteilen wollte. Dieser wiederum konnte,
anhand seiner Vorkenntnis des Zeichenvorrats, die übertragene
Nachricht decodieren. Als Informationsgehalt bezeichnet man die Anzahl
der binären (bzw. Ja-nein-)Entscheidungen, die der Sender treffen
muß, wenn er ein
Zeichen aus dem Zeichenrepertoire senden will. Mit anderen Worten, man
muß feststellen, wieviel mal man eine bestimmte Größe
durch zwei dividieren muß, bis man zur Kodierung eines Zeichens (in unserem Fall
also fünfmal) gelangt. Wie Sie sehen, läßt diese
Methode sowohl die Bedeutung der übertragenen Zeichen bzw. der
Zeichenketten, die Semantik also, als auch ihre Wirkung (die
pragmatische Ebene) völlig außer acht, um sich auf das
technische Problem der Zeichenübertragung zu beschränken.
Da man aber trotzdem von Information
(sowie auch von Auswahl, Kommunikation, Entscheidung usw.) sprach, sich
also eines in der menschlichen Dimension angesiedelten Terminus
bediente, ergaben sich Zweideutigkeiten, die sich z.B. auch bei der
analogischen Anwendung des Informationsbegriffs in anderen
Wissenschaften zeigen. So wird der Wahrnehmungsprozeß bei
Lebewesen als ein Prozeß der Aufnahme und Kombination von
Nachrichten oder Eindrücken aufgefaßt, obwohl die Zellen,
sowenig wie die elektrischen Impulse nichts von einer "Information" im
semantischen Sinne wissen. Dementsprechend wird das menschliche
Gehirn mit dem Verarbeitungsprozeß von Informationen durch
einen Computer verglichen, obwohl der Computer eigentlich "Daten
verarbeitet" und sich wenig um ihre Bedeutung kümmert. Die
Biologie spricht ferner von Erbinformation und meint damit die in den
Genen kodierten Entfaltungsmöglichkeiten eines Lebewesens. In der
Physik wird der Informationsbegriff etwas dem Ordnungsbegriff
gleichgestellt.
Ohne jetzt auf diese
einzelwissenschaftlichen Prägungen näher einzugehen, wollen
wir festhalten, daß sie die ursprüngliche Komplexität
des alltagssprachlichen Informationsbegriffs im Sinne eines spezifisch
menschlichen Phänomens aus methodischen Gründen nicht
berücksichtigen. Das ist sicherlich zulässig. Dennoch
verleihen manchmal überzogene Analogien zu sachlichen
Fehlschlüssen, indem die Unterschiede zwischen den einzelnen
Dimensionen verwischt werden.
Der im syntaktsich-statistischen
Informationsbegriff ausgeklammerte semantische Aspekt wurde durch die
von Bar-Hillel, Carnap u.a.
entwickelte Theorie der semantischen
Information thematisiert. Demnach hängt der
Informationsgehalt einer Aussage von der Menge der ausgeschlossenen
Möglichkeiten ab. Diese Bestimmung des Informationsbegriffs ist
uns im Alltag geläufig: wenn wir z.B. auf die Frage: Welches
Geschenk aus den fünf angegebenen Möglichkeiten haben Sie
sich ausgesucht? (wobei nur ein
Geschenk auszuwählen war) die Antwort bekommen: Geschenk 1, 2, 3,
4 und 5, dann sagt uns diese Antwort nichts, da nichts ausgeschlossen
wurde. Ihr Informationsgehalt ist Null, d.h. meine Ungewißheit
bezüglich des Ausgangs der Wahl bleibt unverändert.
Information wird deshalb auch als "Reduktion von Ungewißheit"
definiert.
Die pragmatischen
Aspekte des Informationsbegriffs wurden in der Kommunikationsforschung (C. Cherry, D.M. MacKay u.a.)
ausgearbeitet. Entscheidend dabei ist, daß Information im bereits
erwähnten semantischen Sinne auf die Vorkenntnis des
Empfängers wirkt bzw. diese verändert. Information bedeutet
also "Wissensänderung", wodurch eine bestimmte Handlung erfolgt.
Denken wir z.B. an die Bereiche Wirtschaft und Management: Indem man
den Kunden über etwas informiert, will man eine bestimmte Handlung
(z.B. die des Kaufens) anstoßen. Information ist
"zweckorientiertes Wissen" (W.
Wittmann).
Wir sehen also, daß mit den
semantischen und pragmatischen Deutungen die durch die
Informationstheorie ausgeklammerte zwischenmenschliche Dimension wieder
gewonnen wird.
Es ist der in der sozialen Ebene
angesiedelte Informationsbegriff, der in unserer
"Informationsgesellschaft" eine entscheidende Rolle spielt. Wir wenden
uns an diesem zweiten Kreuzweg unserer intellektuellen Wanderung diesem
sozialen Aspekt zu.
Information in der modernen technischen
Gesellschaft
Obwohl das menschliche Phänomen der sprachlichen Mitteilung, der
Information also, keine Erfindung unseres technologischen Zeitalters,
sondern eine originäre menschliche Verhaltensweise ist, wird es
durch die moderne Technik in einer besonderen Weise geprägt. Wenn
wir die Frage "Was ist Information?" in diesem Kontext stellen, dann
wird die Antwort unüberhörbar, daß Information ein
neuer Produktionsfaktor – neben Rohstoffen, Arbeit und Kapital –
ist. Das leuchtet ein, wenn wir versuchen, die Zusammenhänge
zwischen diesen Sachverhalten ans Licht zu bringen.
Information – ein Rohstoff? Das klingt
zunächst merkwürdig, da Informationen ebensowenig wie Sprache
stofflicher Natur sind. Dennoch können wir uns einige Beispiele
vorstellen, die diese Analogie begründen. Am einleuchtendsten
scheint mir der Fall von wissenschaftlich-technischen Informationen.
Wir müssen dabei bedenken, daß die moderne
Informationstechnik ein Instrument darstellt, das die ins Gigantische
ansteigende Anzahl von Fachveröffentlichungen un
Forschungsergebnissen aller Art durch eine kaum vorstellbare Perfektion
(Suchgeschwindigkeit, Kombinationsfähigkeit,
Speicherkapazität, Überwindung geographischer Entfernungen
usw.) verfügbar macht. Die moderne Informationstechnik, z.B. in
Form von Fachdatenbanken, bildet eine neue Möglichkeit, um das,
was sozusagen als Rohstoff in Forschungs- und Lehreinrichtungen an
Fachwissen produziert wird, so aufzubereiten und anzubieten, daß
seine Weiterverarbeitung bzw. -nutzung wesentlich erleichtert wird. Das
gilt nicht nur für Forschungsergebnisse im
naturwissenschaftlich-technischen Bereich, obwohl hier sowie im
wirtschaftlichen Sektor eine solche Auffassung von Fachinformation als
Rohstoff am nächsten liegt. Natürlich ist die so angebotene
Fachinformation kein Rohstoff im eigentlichen Sinne: Sie ist zwar an
einen Träger gebunden, und insofern kann sie wie ein Stoff, ja wie
eine Ware, behandelt werden; durch ihren "ideellen" Charakter aber
unterscheidet sie sich von den sonstigen materiellen Rohstoffen.
Außerdem ist sie bereits ein Produkt, eine "Ware" (erneut im
analogischen Sinne), also kein Rohstoff, und zwar sowohl in bezug auf
ihren Inhalt als auch auf ihre technische Aufbereitung. Dennoch, so wie
man auch von Rohstoffen in den verschiedenen Etappen eines
Bearbeitungsprozesses in dem Sinne spricht, daß das aufbereitete
Material als Grundlage eines anderen Produktes dient, so kann man auch
von technisch aufbereiteten Fachinformationen als einem neuen, oder
besser "neuartigen", Rohstoff sprechen.
Information
– eine Grundlage des
Arbeitsprozesses? Eine bekannte Definition besagt,
daß der Mensch ein "Arbeitstier" ist. Natürlich (oder
sollten wir lieber sagen: hoffentlich?!) ist er nicht nur das... Der
Mensch bearbeitet aber nicht nur seine Umwelt, sondern er schafft sich
zugleich eine. Er ist, wie die Alten sagten, "Homo Faber", d.h. er ist
in der Lage, sich Gegenstände aller Art, von den einfachsten
Gebrauchsgegenständen über die kompliziertesten Maschinen bis
hin zu den "idealen" Werken der Kunst, zu erschaffen. Wenn wir aber die
Entstehungsgeschichte des Menschen mit dem Augen des Anthropologen
betrachten, dann wissen wir, daß – auf eine wahrscheinlich nicht
zu enträtselnde Weise – der "Sprung" zum "Homo Faber" zugleich ein
"Sprung" zum "Homo Sapiens", d.h. zum sprachvermögenden Wesen war.
Das, was uns als Menschen verbindet, das "Gewebe", worin alle unsere
Angelegenheiten "mitverstrickt" sind, ist die Sprache. Unsere Taten
sind, wie die Psychoanalyse lehrt, nicht von unseren Worten abtrennbar.
Information, insbesondere in ihrer modernen technischen Gestalt,
durchdringt bereits den Arbeitsprozeß im engeren Sinne, d.h. der
"Homo Faber" greift immer mehr mit allen Arten von "intelligenten"
Geräten in die Vorgänge, wodurch wir uns die Natur zu eigen
machen, ein. Das hat einschneidende Konsequenzen für unser
Zusammenheben. Wir brauchen nur an die zum Teil dramatischen
Kämpfe um die "alten" und "neuen" Arbeitsplätze (z.B. in der
Druckindustrie) zu denken, um uns der Bedeutung des Zusammenhangs
zwischen Arbeit und Information bewußt zu werden. Aber auch die
spezifischen Handlungen des "Homo Sapiens" werden zum Gegenstand einer
informationstechnischen Gestaltung, z.B. durch die Einführung von
"intelligenten Maschinen" (Roboter u.dgl.) sowie von EDV-Anlagen mit
ihren Endgeräten (Terminals) in allen Dienstleistungsprozessen.
Ja, sogar die Formen zwischenmenschlicher Mitteilung werden durch die
medialen Möglichkeiten neu gestaltet. Daß dies alles nicht
unproblematisch ist, sondern daß es zusammen mit den
offensichtlichen Vorteilen noch kaum abschätzbare Auswirkungen
für unser Leben bedeutet, brauchen wir nicht zu betonen. Ich wage
die Vermutung, daß – so wie die industrielle Revolution die
Einwirkungen auf die natürliche Umwelt kaum beachtet hat, bis es
schießlich fast (?) zu spät war – wir auch eines Tages
vor der Katastrophe einer verdorrten kulturellen Welt stehen
könnten. Das muß
nicht so sein, aber es ist gut, wenn wir die Entwicklung ohne
pathetische Kassandrarufe sorgfältig und "vor-sichtig" verfolgen.
Der dritte Zusammenhang, nämlich das zwischen Information und Kapital, ergibt
sich fast von selbst, wenn man die bereits erwähnten Sachverhalte
unter dem Gesichtspunkt ihres wirtschaftlichen Potentials betrachtet.
Nicht nur "Zeit", sondern auch "Information" bedeutet für die
industrielle Welt (gleichermaßen ob "westlicher" oder
"östlicher" Prägung) sowohl in bezug auf ihre
Konkurrenzfähigkeit bei der Entwicklung neuer Produkte als auch
bei der "Eroberung" von Märkten bares Geld.
Ich möchte aber auch abschließend auf die Bedeutung von
Information als Machtfaktor hinweisen, insbesondere hinsichtlich der
sich vertiefenden Kluft zwischen "informationsarmen" und
"informationsreichen" Ländern. So wie es nicht zu verantworten
ist, daß ein Großteil der Menschheit hungert, während
riesige Summen für die Rüstung ausgegeben werden, so ist auch
nicht zu verantworten, daß "de facto" Wissensmonopole als
Grundlage technisch-kultureller Ausbeutung dienen. Die Kämpfe um
eine "neue Weltinformationsordnung" in der UNESCO zeugen von der
politischen Brisanz des Machtfaktors Information.
Ausblick
Die Antworten auf die Frage "Was ist Information?" fallen heute also
vielfältig aus, wobei der Begriff eine in der sozialen Welt
verankerte Bedeutung hat, die in den jeweiligen Ab- und Ausgrenzungen
zum Ausdruck kommt
Wir sagten zu Beginn, daß die Frage "Was ist?" uns eine Falle
stellt, wenn wir versuchen endgültige Antworten zu finden,
während in Wahrheit die Bedeutungsentwicklung auf die Herkunft und
mögliche Zukunft des zur Sprache gekommenen Sachverhaltes
verweist. Die Frage "Was ist Information?" hat denselben Rang wie die
Frage: "Was ist Materie?", und sie ist zumindest genauso "alt". Das
Neue an ihr ist nicht, daß sie früher nicht gestellt wurde,
sondern daß sie nach einer lange sich anbahnenden Entwicklung
jetzt zur Entfaltung, ja zur Herrschaft kommt. Aber, werden Sie
vielleicht fragen, seit wann können Begriffe "herrschen"? Sie
herrschen, wenn wir ihnen einen Herrschaftsbereich einräumen. Der
Informationsbegriff herrscht heute im sozialen Bereich: Er ist der
Ausdruck einer technisch gestalteten "Lebenswelt". "Informare", wir
hörten es schon, bedeutet "gestalten, formen". In dieser
lateinischen Herkunft meldet sich zugleich der griechische Ursprung: "forma" nannten die Römer, was
für die Griechen "idea"
war, die anschauliche Gestalt z.B. eines Tempels oder der bildnerischen
Wiedergabe eines olympischen Siegers. Wir sprechen heute von Ausbildung
und meinen die Formung der intellektuellen und praktischen
Fähigkeiten eines Menschen. Das Wort "Bildung" hat, wie Sie
wissen, einen hohen Stellenwert in der deutschen Sprache.
Was haben aber die "ideelle" Kunst der Griechen, der Gestaltungswille
der Römer und die moderne Suche nach Bildungszielen und
Ausbildungswegen mit dem zur Herrschaft gekommenen Informationsbegriff
zu tun? Steckt hier mehr dahinter als eine spekulative
Begriffsspielerei? Es wäre vermessen zu glauben, daß durch
bloße Begriffsaufklärung eine neue Entwicklung in Gang
gesetzt werden kann. Wir brauchen aber auch nicht ins andere Extrem zu
fallen, indem wir bestimmten Ausformungen der gesellschaftlichen
Verhältnisse einen "wesentlichen", d.h. unveränderbaren
Charakter zusprechen. Die lateinische Herkunft und der griechische
Ursprung des Informationsbegriffs weisen auf etwas, was jede konkrete
Formung übersteigt, hin. Wir beziehen uns auf Unbekanntes,
Unentdecktes, Noch-nicht-Geformtes, das uns zu den höchsten Werken
in künstlerischen, wissenschaftlichen und sozial-politischen
Bereich anspornt. Wir nennen diese Fähigkeit im
künstlerischen, aber auch im wissenschaftlichen Bereich
"Imagination", zu deutsch: Einbildungskraft. Wir wissen auch, daß
diese Fähigkeit im sozial-politischen Bereich "Freiheit" genannt
wird. Information, Imagination,
Freiheit: Wäre es vielleicht möglich, den neuen
Herrschaftsbereich auf diese Sachverhalte hin auszuweiten? Könnten
wir dann in der Lage sein, die Frage "Was ist Information?" nicht nur
im Sinne eines "Produktionsfaktors", sondern zugleich auch im Sinne
eines die gesellschaftlichen Verhältnisse neu bestimmenden
"Freiheitsfaktors" zu verstehen? Käme dann Information einem der
Handlung des Künstlers (bzw. des "Homo ludens") nahen Vorgangs
gleich? Joseph Beuys hat diese Frage folgendermaßen formuliert:
"Sind die Handlungen des Menschen, d.h. seine Information, der
Abdruckcharakter – etwas in eine Form hineinprägen – , ist dieses
Informierende zu begründen als ein Vorgang, der aus der freien
Entscheidung, der Freiheit dieses Wesens stammt?"
Literatur
Beuys, Joseph:
Eintritt in ein Lebewesen. In: Prisma, Zeitschrift der Gesamthochschule
Kassel, Nr. 16, 1977.
Philosophisch-künstlerische Deutung des schöpferischen
Vorgangs aus der Sicht eines berühmten Künstlers.
Capurro, Rafael: Hermeneutik
der Fachinformation. Freiburg, München: Alber 1986.
Versuch einer philosophischen Analyse des
EDV-gestützten Vorgangs der Speicherung und Wiedergewinnung von
Fachinformationen.
Capurro, Rafael: Information.
Ein Beitrag zur etymologischen und ideengschchtlichen Begründung
des Informationsbegriffs. München: Saur 1978.
Quellenuntersuchung zur zweieinhalbtausendjährigen Wort- und
Begriffsgeschichte des Informationsbegriffs.
Ditfurth, Hoimar von (Hrsg.): Informationen über
Information. Fischer Taschenbuch Nr. 6129, 1971
Überblick über das Wort- und Begriffsfeld.
Machlup, Fritz; Mansfield, Una (Hrsg.): The Study of
Information. Interdisciplinary Messages. New York: Wiley 1983.
Interdisziplinäre Studien zu den Anwendungen des
Informationsbegriffs,
insbesondere in den Bereichen Biologie, Psychologie und
"Künstliche Intelligenz".
Mitcham, Carl; Huning, Alois (Hrsg.): Philosophy and Technology
II. Information Technology and Computers in Theory and Practice.
Dordrecht: Reidel 1986. (Boston Studies in the Philosophy of Science).
Aktuelle philosophische Beiträge zu anthropologischen und
ethischen Fragen der Informationstechnologie.
Völz, Horst: Information. Studie zur Vielfalt und Einheit
der Information. Berlin: Akademie Verlag 1982, 2 Bde.
Umfangreiche Studie über die Anwendung des Informationsbegriffs in
den Natur- und Sozialwissenschaften.
Weizäcker, Carl Friedrich von: Sprache als Information.
In: ibid.: Die Einheit der natur, München: DTV 1974, S. 39-60.
Weizsäcker, Carl Friedrich von: Information und
Imagination. In: Information und Imagination. Vorträge von Carl
Friedrich von Weizsäcker, Golo Mann, Harald Weinrich, Thomas
Sieverts und Leszek Kolakowski. Vorwort von Hans Egon Holthusen.
München: Piper 1973, S. 11-32.
Grundlegende Beiträge zur Frage nach dem Zusammenhang von Sprache,
Information und Imagination.
Letzte Änderung: 10. Juli 2017
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