Einleitung
Im
folgenden
werde ich einen
Vergleich zwischen dem Begriff von 'getrennten Intelligenzen' (GI) –
Kant
spricht von "Vernunftideen von unsichtbaren Wesen" sowie von "geistigen
Wesen" (1) – und dem von 'künstlicher Intelligenz'
(KI) ziehen. 'Künstliche Intelligenz' soll im Sinne einer ästhetischen
Idee aufgefaßt werden, mit dem Ziel die Vernunftidee der
Vernunft
neu zu beleben. Eine solche Idee ist Sache des 'Geistes' im Sinne von
'Witz'
oder 'esprit' (2), wobei Kant zwischen einem "produktiven"
oder "vergleichenden" und einem "vernünftelnden" Witz, ohne Geist
und ohne Bezug zu Ideen, unterscheidet (Anthropologie § 51-52). Im
Gegensatz zur Urteilskraft, geht es beim Witz um "Ähnlichkeiten
unter
ungleichartigen Dingen aufzufinden". "Er bedarf nachher", so Kant, "der
Urteilskraft, um das Besondere unter dem Allgemeinen zu bestimmen, und
das Denkungsvermögen zum Erkennen anzuwenden."
(Anthropologie
B 153). So stellt also ein produktiver Witz eine Hypothese dar. Er
verspricht
dem Verstand neue Einsichten. Dieser, seinerseits, wartet mit Spannung
darauf.
Wie
ernst der
Topos der 'getrennten
Intelligenz(en)' seitens der analytischen Philosophie (!) genommen
wird,
zeigte die Argumentation G.E.M. Anscombes beim Eröffnungsvortrag
("Man
and Essences") des 18. Weltkongresses für Philosophie: Da unsere
Fähigkeit
mathematische Wesenheiten ("essences") hervorzubringen, von unserer
Fähigkeit
eine Sprache zu lernen abhängt und ein "regressus ad infinitum" zu
vermeiden ist, müssen wir davon ausgehen, daß es
"intelligence
or intelligences" gibt, welche die Sprache geschaffen haben, ohne sie
ihrerseits
von einem anderen empfangen zu haben (3).
Ich
gehe von
der Hypothese
einer 'witzigen' Vergleichbarkeit zwischen 'getrennten Intelligenzen'
und
'künstlicher Intelligenz' aus. Ich werde diesen Vergleich am
Beispiel
der thomistischen Engellehre anstellen (4). Die plastische
und malerische Versinnbildlichung der Idee von 'getrennten
Intelligenzen'
hat eine lange Tradition, wovon die Engeldarstellungen im Mittelalter
einen
Höhepunkt bilden (5). Ich wähle dieses Beispiel
nicht nur wegen der vollendeten Begrifflichkeit, sondern auch, weil
hier
die durchaus ernste Dimension des Vergleichs zwischen 'getrennten
Intelligenzen'
und 'künstlicher Intelligenz' zum Ausdruck kommt: Die
Bestimmung
von getrennten Intelligenzen, und – so meine These – vergleichsweise
auch
die von 'künstlicher Intelligenz', dient der Selbstbestimmung des
Menschen, hat also eine philosophisch-anthropologische Funktion.
Bevor
ich aber auf das mittelalterliche Beispiel zu sprechen komme,
möchte
ich auf die Bedeutung dieses Vergleichs in der heutigen
'künstlichen
Intelligenz'-Debatte hinweisen.
I.
Der Traum von künstlichen höheren Intelligenzen
Daß
der
Topos von künstlichen
uns überragenden Intelligenzen häufig in der
Science-Fiction-Literatur
zu finden ist, bedarf keines näheren Nachweises. Daß aber
dieses
Motiv auch die wissenschaftliche Debatte um die 'künstliche
Intelligenz'
prägt, ist vermutlich nicht allgemein bekannt. Hierzu einige
Beispiele.
Hofstadter und Dennett kommentieren einen Text von Stanislaw Lem, in
dem
von einer "experimentellen Theogonie" die Rede ist,
folgendermaßen:
"Gibt
es Strukturen,
die an Komplexität ad infinitum zunehmen, oder erreichen alle
Strukturen
an irgendeinem Punkt einen stabilen Endzustand? Gibt es immer
höhere
Strukturebenen, die jeweils eigenen Erscheinungsgesetzen gehorchen –
vergleichbar
den Molekülen, Zellen, Organismen, Gesellschaften in unserem
eigenen
Universum?" (6)
Die
dichterische
Phantasie des
polnischen Schriftstellers erreicht diesbezüglich einen
Höhepunkt
in seinem GOLEM-Roman (7).
In
ihrer
herausragenden Untersuchung
über Geschichte und Perspektiven der 'künstlichen
Intelligenz' – mit dem bezeichnenden Titel "Machines Who
Think" –, die mit einem
"Das
Schmieden der Götter" betitelten Kapitel abschließt,
schreibt
P. McCorduck:
"Wir
sind zweifellos
dabei, Götter zu schmieden oder nachzubilden (...) Wieder einmal
müssen
wir eingestehen, daß diese Zukunftsbilder schließlich alle
unsere eigenen sind und unserem Sehnen nach Transzendenz entspringen.
Denn
darauf kommt es an. Ob die künstliche Intelligenz wirklich der
nächste
große Evolutionsschritt ist, oder ob ich eben die Geschichte
einer
der verschrobensten menschlichen Narreteien, die es je gab,
abgeschlossen
habe, ist in gewissem Sinn nicht wichtig. Wir leben nur – wir
überleben
nur – als einzelne und als Spezies, wenn wir
über uns
selbst
hinausgreifen.
(...) Das Unterfangen ist gottähnlich, mit Recht für die
erschreckend,
die meinen, die Trennungslinie zwischen Men-schen und Göttern
sollte
undurchlässig sein." (8)
Diese
evolutionstheoretische
Vorstellung nimmt bei H. Moravec eine konkrete Gestalt an. Im
nächsten
Jahrhundert, das Moravec als "'postbiological' or even 'supernatural'"
bezeichnet, werden Maschinen unsere Komplexität übersteigern,
ja sie werden vielleicht alles transzendieren, was wir heute kennen
("they
will mature... into something transcending everything we know") (9).
Unsere
Thematik
betrifft
aber nicht nur die 'künstliche Intelligenz'-Träume (10),
sondern auch
den Kern der Diskussion bezüglich der Frage, ob Bewußtsein
ein
von den biologischen Bedingungen unabhängiges Phänomen ist.
Die
Diskussion um einen schwachen oder starken Funktionalismus zeigt, wie
sehr
die Interpretation einer Analogie die wissenschaftliche Forschung
(irre-)
leiten kann. Denn es ist am Beispiel des Computers, daß Hilary
Putnam
(11) die Differenz zwischen den funktionalen und den physikalischen
Eigenschaften
verdeutlicht und hieraus Schlüsse (!) bezüglich der
Möglichkeit
von elektronischen Neuronen zieht; und es ist ebenfalls aus der
Deutung
dieser Analogie, woraus Searle seine Argumente gegen den starken
Funktionalismus
schöpft. Inzwischen hat sich Putnam von seiner früheren These
völlig distanziert. Seine Position gleicht der der hermeneutischen
Kritik der 'künstlichen Intelligenz' von Terry Winograd und
Fernando
Flores. Hinter der dualistischen These des starken Funktionalismus
verbirgt
sich eine neue Alternative, auf die Oeser und Seitelberger hinweisen,
nämlich:
"ob
man der Meinung
ist, daß mentale Eigenschaften und damit auch das
Bewußtsein
prinzipiell auf verschiedene Weise realisiert werden können,
wobei
im Extremfall auch eine Realisierung ohne jeden materiellen Träger
nicht ausgeschlossen wird (...) Diese (verschiedenen Formen des
Dualismus,
RC) reichen von einer dualen Einheit von materieller Struktur und
spezifischer
Funktion bis zu einem geradezu gespensterhaften Dualismus einer
"reinen"
Funktion, da man zumindest die logische Möglichkeit der Existenz
von
nichtphysikalischen Realisierungen funktional organisierter abstrakter
Systeme annimmt (Putnam, Fodor)." (12)
Die
Rede von einem
"gespensterhaften"
Dualismus scheint mir hier ganz im Sinne der jetzt zu erörternden
mittelalterlichen Engellehre. An dieser Stelle erwähnen Oeser und
Seitelberger folgende Passage von Lewis Carroll:
"'So
etwas!' dachte
Alice; 'ich habe schon oft eine Katze ohne Grinsen gesehen, aber ein
Grinsen
ohne Katze! Das ist doch das Allerseltsamste, was ich je erlebt
habe!'." (13)
Dieser
'Witz'
steckt auch in
Lyotards Frage "ob man ohne Körper denken kann" (14).
Die Analogie zwischen 'künstlicher Intelligenz' und 'getrennten
Intelligenzen'
liegt auf der Hand.
II.
Engellehre
und Künstliche Intelligenz
Hintergrund
der
mittelalterlichen
Engellehre ist der Versuch die biblischen engelischen Gestalten den
'reinen
Intelligenzen' oder 'intelligentiae separatae' anzugleichen, welche die
griechische Philosophie im Sinne von Zweitursachen, die die
Naturbewegungen
in Gang hielten, annahm. Ich beschränke mich im Folgenden auf
einige
Aussagen in der "Summa theologica" des Thomas von Aquin (ST, I, 50-65,
106-114) (15). Allein vom Umfang her, stellen diese
Quaestiones kein Nebenthema dar, sondern sie umrahmen und bestimmen die
"quaestio de homine". Über die thomistische Engellehre bemerken J.
Auer und J. Ratzinger:
"bei
Thomas und
seinen Anhängern werden die Engel trotz ihrer
Geschöpflichkeit,
wegen ihrer reinen Geistigkeit, mehr in Analogie zum menschlichen
Verständnis
vom göttlichen Geist gesehen, bei Scotus und seinen Anhängern
ist das Maßbild für das Verständnis der Engel mehr die
menschliche Seele". (16)
K.
Rahner hebt
deutlich hervor,
daß der Hinweis auf die "superiores substantiae intellectuales"
in
Kerntexten der thomistischen Erkenntnis- theorie "nicht von
ungefähr"
ist, sondern daß die menschliche Seele als Grenzidee
gegenüber
der intuitiven Intellektualität der Engel gegenübergestellt
wird (17).
Ich stelle den Vergleich zwischen 'getrennten Intelligenzen' und
'künstlicher
Intelligenz' unter drei Perspektiven an, nämlich:
Substantialität,
Erkenntnis und Wille.
1.
Substantialität
Thomas
faßt die 'getrennte
Intelligenz' als "creaturae incorporales et immateriales" oder
"substantiae
intellectuales" (ST I, 50 a. 2) auf. Die "substantiae separatae" haben
eine "quidditas" oder "essentia" ("quod est") und etwas, woraus sie
ist,
ihr "esse" ("ex quo est"). Aber ihr Unterscheidungsmerkmal ist nicht
die
"materia", sondern die "potentia". Während die "materia" immer
einer
"forma" bedarf, gilt das nicht umgekehrt. Die "essentia" der einfachen
Substanzen ist bloß die "forma" ("forma tantum"). Demnach gibt es
kein "principium individuationis", wodurch Individuen innerhalb einer
Art
sich unterscheiden. Dennoch sind diese Substanzen nicht alle gleich, da
sie nicht reine Aktualität sind, sondern ihr Sein ("esse") wird
von
Gott unterschiedlich aktualisiert. Indem Thomas "potentia" ohne
"materia"
denkt, bricht er mit dem Aristotelismus und folgt Avicenna. Daß
es
sich bei diesen Unterscheidungen um eine für die Auffassung des
Menschen
höchst relevante Reflexion handelt, zeigt sich darin, daß
Thomas
die "anima humana" als diejenige, welche "die letzte Stufe unter den
intellektuellen
Substanzen innehat" ("que tenet ultimum gradum in substantiis
intellectualibus"
(De ente et essentia, Kap. 4, 179) bestimmt. Die menschliche Seele
bildet,
mit anderen Worten, eine Ausnahme innerhalb der "intellektuellen
Substanzen".
Wir haben hier mit individualisierten Intellekten zu tun. Mit unserer
Materialität
geht auch die Zerstörbarkeit ("corruptio") ineins. Da aber
einerseits
die Seele als geistige Substanz unsterblich ist, sie aber andererseits
eine Einheit mit dem Leib bildet, bleibt die "materia" nach dem Tode
offen
für eine neue "in-formatio" (18). Aus dem inneren
Zusammenhang zwischen
Seele und Leib beim Menschen ergibt sich auch, daß die
menschliche
Seele nicht dieselbe Form ("species") wie die engelische hat bzw.,
daß
die Engel keine "höheren Menschen" oder "niedrigen Götter"
sind
(ST I, 75, a. 7). Der Unterschied endlich/-unendlich bildet, so M.
Müller,
die notwendige Bedingung für die Existenz der Engel, während
die Materialität die Wesensdiffererenz bzw. die hinreichende
Bedingung
endlicher Wesen darstellt (19).
Eine
Analogie
zu dieser materielosen
Bestimmung der 'getrennten Intelligenzen' mit Hinblick auf die auf
Hardware
basierenden Systeme der 'künstlichen Intelligenz' ist nicht
unmittelbar
möglich, wohl aber die Vorstellung von der Differenz zwischen dem
materiellen Substrat und den funktionalen Eigenschaften bzw. der
Software.
Hier stellt sich die oben angesprochene Frage, ob Intelligenz sich in
einer
anderen Weise vollziehen kann, als wie wir sie kennen. Karl Rahner
bejaht
die Möglichkeit eines umfassenderen und freieren Weltbezuges im
Hinblick
auf die 'getrennten Intelligenzen' (20) Im Falle der
'künstlichen Intelligenz' wären die anthropozentrischen
Voraussetzungen
unseres Weltbildes abermals in Frage gestellt, ohne die Garantie der
Vermeidung
unserer (eigenen) Selbstzerstörung. Hat uns die kaum vorstellbare
Überschreitung unserer gewöhnlichen Zeit- und
Raumvorstellungen
durch die elektronische Datenverarbeitung uns bereits näher, ich
meine
analogisch näher, der bisherigen spekulativ-metaphysischen
Vorstellungen
von GI gebracht oder bedeutet sie eher eine Verfestigung und Steigerung
des technokratischen Anthropozentrismus? (21)
2. Erkennntis
Im
Unterschied
zur göttlichen
Erkenntnis ist der Intellekt der Engel nicht zugleich ihr Sein, sondern
der "tätige Intellekt" ("intellectus agens") nimmt, je nach
Rangordnung,
am göttlichen Intellekt auf unterschiedliche Weise teil (ST I,
54).
Engel bedürfen aber keines "intellectus possibilis", der erst
durch
eine "transeunte" bzw. über sich hinaus (zum sinnlichen Gegenstand
hin) gehende Handlung aktualisiert wird. Menschliche Erkenntnis ist
endlich,
d.h. sie bedarf eines äußeren "Erleidens", sie ist teils
sinnlich,
teils intellektuell. In sich bleibend erkennen wiederum die Engel nicht
alles schlechthin ("simpliciter"), sondern ihre Unendlichkeit ist immer
perspektivisch ("secundum quid"). Die Engel erkennen reine
intellektuelle
Gegenstände ("intellegibilia"), indem sie ihnen gegenüber
immer
"in actu" sind. Im Hinblick auf unsere Analogie könnten wir sagen,
daß das Wissen ihnen vorprogrammiert ist. Die Vielheit der
Formen,
die den Engeln innewohnen ("connaturales") ist wiederum Anzeichen eines
Mangels an Universalität bzw. Anzeichen der Potentialität
ihres
geschaffenen Intellekts (ST I, 55). Der Begriff des "intellectus
possibilis"
dient Thomas als Grenzbegriff gegenüber der intuitiven
intellektuellen
Erkenntnis der Engel. Die engelische Mitteilung ist nicht
äußerlich
("locutio exterior") sondern innerlich ("interior") (ST I, 107, a. 1).
Wie erkennen Engel Einzeldinge ("singularia")? Thomas vergleicht (!)
diese
Erkenntnisweise mit der des Astrologen, der "per computationem", d.h.
durch
Berechnung der himmlischen Körper diese in ihrer Allgemeinheit
vorhersagt.
Engel können mit einer einzigen Verstandeskraft sowohl das
Allgemeine
als auch das sich daraus ableitende Viele ("ad plura se extendentem")
erkennen.
Sie bedürfen also eines Vorverständnisses, aber im Gegensatz
zum menschlichen Intellekt vollzieht sich der Erkenntnisprozeß
nicht
im Sinne eines transeunten-empirischen "Zirkels". Dieses
Vorverständnis
ermöglicht die Erkenntnis des Zukünftigen sofern es sich aus
Ursachen notwendig ergibt ("ex necessitate"). Die Grenze einer solchen
Erkenntnis der 'getrennten Intelligenzen' ist damit vorgezeichnet: was
darüber hinaus geht, fällt im Bereich der Vermutungen ("per
conjecturam"),
eine Kunst, die die Engel viel vollkommener beherrschen als die
Menschen.
Zufälliges ("casualia", "fortuita") bleibt ihnen aber völlig
unbekannt (ST I, 57).
Systeme
der
'künstlichen
Intelligenz' sind regelgeleitete Systeme, die die Diskursivität
menschlichen
Verstehens simulieren. Ob es eine Tages intelligente Computer geben
kann,
hängt, wie Dreyfus bemerkt, davon ab, ob
"die
Forscher ihre
Idee aufgeben, nach einer zeichenhaften Darstellung der Welt zu suchen,
und sich statt dessen an einem neutralnetzartigen Modell des
menschlichen
Gehirns orientieren." (22)
Die
Versuche die
Welt durch
Modelle formal zu 're-präsentieren' liefern uns die Karikatur
einer
situationsunabhängigen Erkenntnis. In Wahrheit sind Systeme der
'künstlichen
Intelligenz' bisher nicht in der Lage ganzheitlich und
situationsgerecht
zu erkennen. Aber auch für eine unsere Intelligenz
überragende
'künstliche Intelligenz' bliebe die Erkenntnis des
Zukünftigen
von der Kenntnis der Ursachen ("ex necessitate") abhängig.
Jenseits
davon liegt das 'Chaos' der "casualia" und "fortuita".
3. Wille
Thomas
unterscheidet (ST
I, 59-60) zwischen der Hinwendung zum Guten bei Wesen ohne bzw. mit
Erkenntnis,
und bei den Letzteren, ob diese das Gute durch die Vermittlung des
sinnlichen
Strebens ("appetitus sensitivus") oder durch die Erkenntnis des Grundes
des Guten stattfindet. Letzteres kann wiederum intuitiv ("intuitu"),
wie
bei den Engeln, oder diskursiv ("discurrendo"), wie bei den Menschen,
sein.
Zusammen mit ihrer Natur ist ihnen eine "natürliche Liebe"
("dilectio
naturalis") vorgege-ben, so wie in unserer Natur zugle-ich der Wunsch
nach
Glückseligkeit eingepflanzt wurde. Sie ist in beiden Fällen
das
Prinzip der Liebeswahl ("dilectio electiva"), die nicht nur "nach"
("sicut")
einem Ziel handelt sondern dieses Ziel auch will ("propter") (ST I, 60,
a. 2). Da der Wille sich nach den Dingen selbst, und nicht nach ihrer
Erkenntnis
richtet, gibt es sowohl beim Menschen als auch beim Engel eine
"dilectio
naturalis" und eine "dilectio electiva". Bei den Engeln aber ist die
"dilectio
naturalis" das Prinzip der Liebeswahl. Dabei erlangen die Engel die
Glück-seligkeit
kraft der eigenen Natur, sofern es sich nicht um die
übernatürliche
Glückseligkeit handelt (ST I, 62, a. 1). Das menschliche Begehren
nimmt demgegenüber eine Stellung zwischen Natur und Geist, denn
der
Mensch begehrt einerseits, was unter ihm ist, andererseits aber strebt
er über sich hinaus. Auf die Frage, ob es Lust ("delectatio") beim
Begehren unseres Verstandes gibt (ST I, II, 31, a. 4), antwortet
Thomas,
daß dies nicht der Fall zu sein scheint, da die Lust zu jenem
gehört,
was wir mit den Tieren teilen. Dieser naturalistischen Auffassung der
Lust
setzt er aber entgegen, daß die Lust in uns "nicht nur bei dem
ist,
was wir mit den Tieren, sondern auch bei dem, was wir mit den Engeln
teilen"
("quod in nobis non solum est delectatio, in qua communicamus cum
brutis,
sed etiam in qua communicamus cum angelis"). Mit anderen Worten, die
Lust
gehört nicht nur zu unserem sinnlichen ("appetitus sensitivus")
sondern
auch zu unserem intellektuellen Begehren ("appetitus intellectivus").
Die
Erfüllung dieses intellektuellen Begehrens nennt Thomas
"Glückseligkeit"
("gaudium").
Hier
klafft
unsere Analogie
sehr weit auseinander und sie kehrt sich in das Gegenteil um, zumal
wenn
wir an die mögliche Überwachungsfunktion von
'künstlicher
Intelligenz' über soziale Systeme denken. Die in diesem
Zusammenhang
diskutierte Frage, ob Computersysteme moralisch verantwortlich sind
oder
gemacht werden können (23), verweist dennoch auf
die Willensdimension, die sich aber hier in eine rein technokratische
Verwaltungsfunktion
auflöst. Lediglich im anfangs erwähnten literarischen
GOLEM-Mythos
erreicht der Wille bei einer uns überragenden 'künstlichen
Intelligenz'
kosmische und göttliche Dimensionen. Ein solcher Mythos stellt
eine
technische Versinnbildlichung der als göttlich gedachten
'getrennten
Intelligenzen' dar.
III.
Denken
und Lachen
Der
hier
angestellte Vergleich
gibt Anlaß zu einem ernsten und zu einem heiteren Nachdenken. Der
Mensch erfährt sich sowohl im metaphysischen als auch in
technologischen
Kategorien 'in confinio' als Grenzwesen zwischen Tier und 'getrennten
Intelligenzen'
bzw. 'künstlicher Intelligenz'. Insofern erweckt dieser Vergleich
in einer neuen technologischen Weise die Vernunftidee der Vernunft.
'Künstliche
Intelligenz' als ein Vehikel oder eine Hülle für eine
moralisch-praktische
Idee? Die Identität aber auch die Differenz zwischen dem
philosophischen
(und theologischen) und dem technologischen Diskurs liegen auf der
Hand.
Der
Mensch kann
seine eigene
Entstehungsgeschichte in das unermeßliche Werden eines vermutlich
sich selbst transzendierenden Kosmos einordnen. Es ist nämlich
nicht
ausgemacht, warum der Kosmos gerade zur Enstehung menschlicher
Subjektivität
gedient haben soll. Bei Wahrung der Differenz wäre auch dann die
Frage
zu stellen, welche Funktion der Mensch von seinem
künstlich-künstlerischen
Wesen her in diesem Prozeß erfüllen kann, ohne sich selbst
aufzugeben.
Denn der Mensch, indem er sich selbst nicht nur geistig, sondern auch
biologisch
zu verändern vermag ("homo faber sui ipsius"), kann seine
Natürlichkeit
weder völlig verlassen noch kann er sich als reine
Künstlichkeit
verwirklichen (24). Dieses Weder-Noch (weder Tier noch
Engel) markiert seine Grenze. In der Gestalt technologischer Lust
("delectatio")
begehrt unsere Vernunft zugleich eine beglückende aber letztlich
nicht
künstlich herstellbare Dimension ("gaudium"). Der Mensch bleibt
aber,
um mit Günter Anders zu sprechen, ethisch "antiquiert", wenn er
die
technische Veränderung seiner Seele und seines Leibes, mit dem
diese
Veränderung bedingenden Streben zur Grenzüberschreitung
identifiziert (25). 'Künstliche Intelligenz' ist ein (!) Ausdruck
dieses Strebens. Dabei kann aber der technologische Traum vielleicht
etwas
von der Lächerlichkeit seines Anspruches lernen. Und damit
wären
wir beim heiteren Nachdenken.
Wie
im Falle
der trakischen
Magd könnte das Lachen den entrückten Philosophen oder
Träumer
'künstlicher Intelligenz' in die Lebenswelt der Leiblichkeit und
Faktizität
zurückrufen. Gegenüber dem Anspruch der reinen Theorie
dürfte
die Vorstellung von der Herstellung einer höheren Intelligenz ein
noch größeres Gelächter bei der trakischen Magd
hervorrufen,
da der Sinnbezug der Intelligenz zur Lebenswelt eines endlichen Wesens
sich in sein Gegenteil umzukehren vermag. Dies kann z.B. zu einer
Abwertung
menschlicher Unwissenheit - von der natürlichen Dummheit bis zur
"docta
ignorantia"- sowie letztlich, wie bei H. Moravec, zu einer Abwertung
des
Menschseins überhaupt führen. 'Künstliche Intelligenz':
eine bisher unbekannte Form des Irrsinns? Der Verstand, der mit
großer
Erwartung auf die Erweiterung seines Horizontes gehofft hat, merkt das
Spiel bzw. den Witz in bezug auf die grundverschiedene "paritas
rationis":
'Getrennte Intelligenz' und 'künstliche Intelligenz' sollen unter
dem einen Begriff von 'getrennten Intelligenzen' fallen, obwohl
sie in Wahrheit zwei nicht miteinander vergleichbaren
Ursacheprinzipien
(Gott bzw. den Menschen) haben. Ein solcher Widersinn muß "ein
lebhaftes,
erschütterndes Lachen" erregen, denn das Lachen ist, so Kant, "ein
Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung
in nichts." (KdU § 54 Anm.)
Aber
das ist ja
gerade der
Witz bei der Sache, für den Verstand Stoff zu geben, um seine
Begriffe
allgemein zu machen, ohne ihm aber die Arbeit der Einschränkung
abzunehmen.
Vielleicht ist dieses Lachen, wodurch das Gefühl der Lebenskraft
durch
die heilsame Bewegung des Zwerchfells gestärkt wird (Anthrop.
§
76), eine heilsame Form über Möglichkeiten und Grenzen der
'künstlichen
Intelligenz' nachzudenken. Unser Vergleich zeigt, daß die
Träume
der 'künstlichen Intelligenz' sehr viel von den Träumen eines
Geistersehers haben - erläutert durch Träume der Technik.
Pascal
hat in einer wörtlich zu nehmenden "Pensée" die witzige
Produktivität
dieses Vergleichs folgendermaßen zum Ausdruck gebracht:
"L'homme
n'est ni
ange ni bête, et le malheur veut que qui veut faire
l'ange fait la bête." (meine Hervorhebungen) (26)