Einführung
Medienethik,
Computerethik
und
Internetethik sind drei Felder angewandter ethischer Reflexion, die
bisher
weitgehend parallel erforscht wurden. Die Gründe dafür liegen
nicht zuletzt in der Entwicklungsgeschichte der Medien selbst. Die
ethische
Reflexion über die Massenmedien reicht bis in die Anfänge des
Journalismus und hat ihren Höhepunkt in der Auseinandersetzung mit
den elektronischen Massenmedien, vor allem mit dem Fernsehen, im 20.
Jahrhundert.
Sie konzentriert sich zunächst auf die Berufsethik des
Journalisten
(H. Boventer), weitet sich aber auf die ethische Analyse über
Produktion
und Rezeption massenmedialer Phänomene aus (M. Rath, W. Wunden, R.
Funiok, A. Holderegger, Th. Hausmanninger u.a.).
Medienethik im Sinne von
Ethik der Massenmedien wird demnach vor allem im Rahmen von
Kommunikations-
und Publizistikwissenschaft betrieben. Computerethik entstand wiederum
in Zusammenhang mit Fragen, die sich aus dem Ge- und Mißbrauch
von
Computerhardware und -software ergaben und wurde vor allem seit den
60er
Jahren an Departments of Computer Science gelehrt (D.G.
Johnson,
H. Nissenbaum, R. A. Spinello, H. T. Tavani, T. W. Bynum, S. Rogerson
u.a.).
Internetethik, auch Cyber-Ethik oder Informationsethik genannt,
beschäftigt sich mit den ethischen Herausforderungen des Internet
und ist, dem Alter dieses Mediums entsprechend, das jüngste
Forschungsfeld
der Medienethik im weiteren Sinne.
Dementspechend sind Monographien
in diesem Feld selten. Dennoch wäre es falsch zu behaupten, dass
diese
drei Gebiete in den letzten zehn Jahren nicht durchlässiger
füreinander
geworden wären. Das zeigt zuletzt das Buch von R. A. Spinello und
Herman T. Tavani (Eds.): Readings in CyberEthics (Boston u.a.
2001),
sowie eine Reihe von Beiträgen, die in der Bibliographie und in
der virtual library des International
Center for Information Ethics (ICIE) nachgewiesen sind.
I.
Verbale und nonverbale Kommunikation
Das
Besondere am Ansatz
von
Andreas Greis ist aber nicht nur, dass hier eine monographische
Studie zur Internetethik vorliegt, sondern dass sie diese Problematik
in
Zusammenhang mit der klassischen Medienethik sowie mit der
Computerethik
in Verbindung setzt, indem sie Internetethik "zwischen Medien- und
Computerethik"
einordnet (S. 9-12). Methodologisch will sie auf empirische Befunde
nicht
verzichten, zugleich aber zielt sie auf eine "Strukturanalyse des
Internet
mit dem Erkenntnisinteresse an ethischen Problemstellungen" (S. 11).
Greis'
Reflexion versteht sich zudem als Theologische Ethik, d.h. als
Reflexion
im Horizont christlichen Glaubens. Er faßt die Aufgabe einer
angewandten
Ethik nicht im Sinne der Anwendung bereits vorliegender ethischer
Prinzipien
auf konkrete Fälle, sondern als Theoriebildung, die sich "von den
konkreten Konfliktfeldern inspirieren und anregen läßt" auf
(S. 54). Daraus leitet sich auch die Struktur seiner Arbeit, die sich
in
Sachanalyse, Problemanalyse und normative Analyse gliedert.
Im
ersten
Teil
werden
Grundbegriffe der Kommunikationstheorie vorgestellt. Kommunikation wird
als "soziales regelgeleitetes Geschehen" gedeutet, das somit
"inhärent
ethisch" ist, da Regeln "einer Begründung bedürfen, um diese
Akzeptanz zu erreichen" (S. 62). Ferner weist der Vf. auf die
nonverbale
Kommunikation hin und stellt fest, dass "im Internet nonverbale
Kommunikation
nur sprachlich wiedergegeben werden" (kann) (S. 63). Damit fällt
der
"Authentizitätsgarant einer sprachlichen Äußerung " weg
(S. 66). Offenbar übersieht die Vf. die multimedialen
Möglichkeiten
des Internet, die inzwischen zum Standard dieses Mediums gehören.
In diesem Kapitel werden die Äußerungen des kirchlichen
Lehramts
sowie theologische Ansätze zu den Medien dargelegt. Der Mensch
wird
als "Beziehungswesen" bestimmt, wobei die "horizontale Dimension der
Kommunikation"
auf die "vertikale Kommunikation von Gott auf den Menschen"
zurückgeführt
wird (S. 76). Dabei gilt:
"Mediale
Kommunikation
ist dem Christentum nicht fremd. Mehr noch: Christlicher Glaube ist von
Anfang an medial verkündigter Glaube. Die Evangelien berichten
davon,
wie Jesus von Nazareth für seine Verkündigung Foren der
Öffentlichkeit
suchte. Die Evangelien selbst wie auch die übrigen Schriften des
Neuen
Testaments, vor allem die offenen Briefe des Paulus, sind Medien der
Verkündigung.
Auch die institutionalisierten Kirchen haben sich Medien bedient, um
ihre
Botschaft zu verbreiten. So ist die erfolgreiche Verbreitung der
reformatorischen
Anliegen Martin Luthers auch dem Umstand geschuldet, daß mit der
Druckerpressse und der Möglichkeit, Flugblätter zu erstellen,
Medien zur Verfügung standen, die frühere Reformbewegungen
nicht
hatten. Dazu kam natürlich noch, daß die Reformatoren diese
Medien zu nutzen wußten." (S. 71)
Im
ersten Teil der Arbeit werden
Geschichte und Dienste des Internet (Email, WWW, Newsgroups, Chat, MUD)
dargestellt, wobei multimediale Dienste, wie z.B. Internet-Telofonie,
Internet-TV,
Internet-Radio, streaming technology bis hin zum Angebot der
Massenmedien,
unberücksichtigt bleiben. Gerade eine auf Strukturanalyse
angelegte
Arbeit hätte diese Anwendungen mitberücksichtigen müssen
- unabhängig vom Grad ihrer tatsächlichen Verbreitung. Es
wird
auch nicht klar, inwiefern die nicht-hierarchische Struktur dieses
Mediums,
die vielfältige Kommunikationsformen ermöglicht (one-to-one,
one-to-many, many-to-many, many-to-one), die Oligopole der
Massenmedien
in Frage stellt, so dass das Internet nicht in dem Sinne zwischen
den Massen- und den Individualmedien zu lokalisieren ist, als ob es
wechselweise
für die massenhafte Verbreitung einer Botschaft oder für den
individuellen Austausch dienen könnte, was es auch kann.
Gerade
diese Alternative wird aber mit dem Internet überschritten. Wenn
der
Vf. schreibt, dass "der Gedanke einer Substitution des
öffentlichen
Raumes durch das Internet in der Form (d.h. in Form von
Online-Gemeinschaften,
RC) nur für die Vereinigten Staaten virulent ist, aufgrund der
dort
weit vorangeschrittenen Atomisierung der Gesellschaft" (S. 123), dann
ist
das eine einseitige Beschreibung der komplexen Beziehungen zwischen den
"realen" und den "virtuellen" Gemeinschaften sowie zwischen diesen und
der von den Massenmedien her-gestellten Öffentlichkeit. Das
Internet
ist außerdem keine gegenüber den Massenmedien paramediale
Öffentlichkeit,
sondern es bewirkt einen Strukturwandel der medialen
Öffentlichkeit
(Capurro 2001). Die sozialen Aspekte des Internet werden insbesondere
mit
Bezug auf Email und Newsgroups thematisiert, und zwar, wie es im
Haupttitel
heißt, in bezug auf die ethischen Problemfelder
Authentizität,
Identität und Verantwortung, dem die Negativformen der
Anonymität
und Täuschung gegenüberstehen (S. 132). Der Vf. weist auf
klassische
Problemfelder wie das Angebot verbotener Inhalte (Pornographie,
politischer
Radikalismus), die Permanenz von Inhalten, sowie das Zugangsproblem hin.
II.
Das Internet als Kommunikationsraum, Handlungsraum und virtueller Raum
Der
zweite Hauptteil
ist den Dimensionen des Internet gewidmet. Bei diesen handelt es sich
um
Kommunikationsraum, Handlungsraum und virtuellen Raum. Gleich zu Beginn
wird festgestellt, dass die Basis aller Handlungen im Netz "nicht ihr
realer,
sondern ihr rein sprachlicher Vollzug" ist (S. 137). Das ist in
mehrerer
Hinsicht nicht richtig. Am deutlichsten zeigt sich der reale Vollzug
der
Handlungen im Internet in der Wirtschaft, was der Author zwar nicht
bestreitet
aber auch nicht berücksichtigt. Das Phänomen der
Globalisierung
der Märkte zeigt - auch oder vielmehr gerade aufgrund der Krise
der e-economy -, inwiefern Internet-Handlungen reale
ökonomische
und soziale Effekte haben. Sprachliche und multimediale Handlungen im
Internet
- die Bestellung eines Buches bei Amazon zum Beispiel - sind
nicht
weniger real, wohl aber anders, als in anderen Medien, dem face-to-face
inbegriffen. Die Aussage: "Eine Email ist ein virtueller Brief aber
eine
reale Mail" (S. 137) ist so nicht-sagend wie: Ein Brief ist eine
virtuelle
Email aber ein realer Brief.
Der
Erläuterung des
Internet als Kommunikationsraum
geht eine Darstellung des Verhältnisses
von Sprechen und Handeln bei Wittgenstein, Searle, Habermas und
Berger/Luckmann
voraus, wobei die Idee des kommunikativen Handelns und das Ideal einer
universalen Kommunikationsgemeinschaft auf die jüdisch-christliche
Tradition zurückgeführt wird (S. 154). Im Hinblick auf das
Verhältnis
von Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Internet bemerkt der Vf.
richtig,
dass die Schrift im Internet (auch) den Charakter der Oralität
hat.
Allerdings wird erneut die Multimedialität dieses Mediums strukturell
übersehen. Die synchrone Kommunikation läßt sich nicht
auf "konzeptionelle Mündlichkeit im Medium der Schrift", d.h. also
auf die Emulation von Oralität reduzieren, sofern nämlich
z.B.
orale und visuelle Kommunikation als Internet-Telefonie, Internet-TV,
Internet-Radio, streaming technology oder Video-Konferenzen
stattfinden
(S. 162).
Die asynchrone E-Mail-Kommunikation soll sich, so der Vf., lediglich
durch
die Schnelligkeit gegenüber der Briefpost unterscheiden.
Natürlich
kann der Empfänger eines Briefes, der zugleich an andere geschickt
wurde, sich wiederum mit einem Brief an alle wenden, aber man merkt an
diesem Beispiel, dass die Schnelligkeit in eine andere qualitative
Dimension
von Kommunikation umschlägt: Auch ein durch die Pferdekutsche oder
durch die Karawanen der Seidenstraße übermittelte Brief
wäre
schließlich nur durch die Schnelligkeit zu unterscheiden als der per
air mail übermittelte Brief. Es sieht aber nur
so aus.
Kommunikation
im Internet kann
als "eine eigenständige Form elektronischer
Schriftlichkeit"
(S. 171) stattfinden, diese "Oszillation zwischen Literalität und
Oralität" ist aber nur ein Merkmal und wohl nicht das
"Spezifikum der Internetkommunikation" (S. 169). Gleiches gilt für
das Problem der Authentizität im Internet. Es ist nicht so, dass
etwa
die face-to-face Kommunikation per se einen
höheren
Grad von Verständigung und der Anerkennung des Gegenübers
bieten
würde, während "in den Medien des Internet
Kommunikationsströme
erzeugt, die frei zirkulieren, ohne jeden Bezug zu realen
Verständigungsprozessen"
(S. 173). Wenn diese Aussage einen Sinn macht, dann in bezug auf die
hierarchische
Struktur der Massenmedien, auch und gerade, wenn diese, wie
Vilém
Flusser (Flusser 1996) - ein Autor der übrigens in dieser Arbeit
nicht
erwähnt wird -, in seiner "Kommunikologie" gezeigt hat, die
"dialogische"
Prozesse durch die massenmediale Prozesse der Distribution von
Botschaften
vereinnahmt werden.
Im
einem weiteren Kapitel
beschäftigt sich der Vf. mit dem Internet als Handlungsraum.
Es wird dabei zunächst der Handlungsbegriff unter biologischen,
kulturpsychologischen
(E.E. Boesch) und soziologischen (T. Parsons) Aspekten thematisiert.
Handeln
unterscheidet sich vom Verhalten durch den intentionalen Gehalt, wobei
nicht nur ein Akteur, sondern auch dessen kulturellen oder sozialen
Umfeld
aus "Handlungsketten und Handlungsbereichen" bestehen kann. Dem Akteur
kommt aber eine wesentliche Rolle innerhalb eines Handlungsgeschehens
zu,
nämlich "er selegiert, er motiviert und er reguliert" (S. 186).
Aus
soziologischer Sicht hat der Akteur an vier Systemen teil, nämlich
am Persönlichkeitssystem, am Verhaltenssystem, am sozialen System
und am kulturellen System. Rollenerwartungen prägen die
Interaktionen
im sozialen System, während das kulturelle System die Quelle
für
Wertmuster ist. Dieser Darstellung folgt eine Erörterung der
theologischen
Deutungen menschlichen Handelns, nämlich in bezug auf den
"Handlungsraum
als Schöpfung", sowie auf das "Handeln als Selbstvollzug des
Menschen
in seinen Beziehungen zu Gott, zum Mitmenschen und zu seiner Umwelt"
(S.
197-198).
In
bezug auf das Internet
als Handlungsraum weist der Vf. auf den Aspekt des Spiels hin, im Sinne
z.B. des "Aktivieren(s) von Befehlen", der "Handlung des Bewegens des
Cursors
und des Drückens der Maustaste" oder der "rein sprachliche(n)
Repräsentation
von Handlungen" (S. 197-98). Damit entgehen ihm aber die viel
wichtigeren
und durchaus ernsten ökonomischen und sozialen Handlungen. Die
besondere
Brisanz des keineswegs bloß spielerischen Handelns im Internet
stellen
die schon seit Jahren bekannten Viren dar, mit den inzwischen realen
Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Handlungen im Internet
werden
also nicht "nur sprachlich vollzogen" mit "nur sprachlich
repräsentierten
Folgen" (S. 201). Es ist tatsächlich so, dass der Sender eines
Virus,
der Internet-Makler oder der Amazon-Kunde tatsächlich
wissen,
dass ihre geplante Handlung mit großer Wahrscheinlichkeit
rezipiert
wird. Man sollte sich also schon Gedanken machen über die
Verantwortung
für die eigenen Handlungen mit Interaktionspartnern im Internet!
In
einem weiteren Kapitel
behandelt der Vf. das Internet als virtuellen
Raum. Es wird zunächst
der Begriff Virtualität in bezug auf "eine objektive
Außenwelt"
bestimmt, wobei der Vf. in Anschluß an den Konstruktivismus aber
ohne offenbar seine radikalen Prämissen zu teilen von einem
"Hiatus
zwischen objektiver und wahrgenommener Realität" spricht, der
"durch
verschiedene Filter geprägt" wird (S. 205). Ferner wird
Virtualität
als "Grundmoment christlichen Glaubens" bestimmt, sofern nämlich
das
"Reich Gottes" sich in einem oszillierenden Zustand des "Schon und noch
nicht", also zwischen Realität und Virtualität befindet.
Virtualität
im Internet heißt bekanntlich virtual reality, cyberspace,
McLuhans "globales Dorf" und Rötzers "Telepolis".
Die
Strukturmerkmale des
Virtuellen im Internet werden folgendermaßen charakterisiert:
Entörtlichung,
Entzeitlichung, Entkörperlichung, Oszillation zwischen
Literalität
und Oralität, Performatisierung nicht-performativer Sprechakte,
Instrumentalisierung
nonverbaler Ausdrucksmöglichkeiten, Substitution des Realen (S.
217-218).
Dadurch soll eine Situation entstehen, die sich von derjenigen
"authentischer
Kommunikation" wesentlich unterscheidet, in der die Subjekte
Verantwortung
füreinander übernehmen können. Dies läßt die
Möglichkeit von Authentizität und Verantwortung im Internet
problematisch
werden. Beide Begriffe konvergieren, so der Vf., in den Begriff der
Identität
(S. 219). Authentizität, Verantwortung und Identität sind
aber in jeder zwischenmenschlichen Kommunikation
problematisch.
Der
Vf. stilisiert eine
Beziehung,
die als real gekennzeichnet wird, um sie anschließend mit
dem virtuellen Handeln im Internet zu kontrastieren. Inzwischen
dürfte es so sein, dass immer mehr Akteure sich eher auf eine
Email,
als auf eine face-to-face Aussage verlassen (wollen). Damit
soll
das Problem des Vertrauens im Internet keineswegs bagatellisiert
werden.
Es gibt in der Tat in jedem Medium, das face-to-face
eingeschlossen,
spezifische Fragen der Authentizität und der Verantwortung die
letztlich
mit der nie zu überbrückenden Kluft zwischen Identität
und
Differenz im Selbstsein zusammenhängen. Das Medium Internet stellt
nicht qua medium das Problem der Verantwortung oder das der
Authentizität
in Frage, sondern es stellt menschliches Handeln vor neue
Herausforderungen.
Die Frage der Identität stellt sich z.B. als Problem von
Authentifizierung,
wie im Falle einer Unterschrift oder des Kopierschutzes, dar. Der Fall
Napster zeigt gerade die spezifischen Probleme von Vertrauen,
Verantwortung
und Identität in diesem Medium. Die Merkmale der
Entörtlichung
und Entzeitlichung stellen Ethik und Recht vor neue
Herausforderungen,
aber nicht etwa weil Authentizität, Verantwortung und
Identität
im Internet nicht möglich wären, sondern weil sie Dimensionen
menschlichen Seins sind, die immer problematisch sind, im
Internet anders als in den Massenmedien oder beim face-to-face.
III.
Authentizität, Verantwortung und Identität
Im
Schlußteil widmet
sich
der Vf. seinen drei Leitbegriffen Authentizität, Verantwortung und
Identität. Der Begriff der Authentizität wird zunächst
aus
theologischer Sicht, nämlich im Sinne von "Echtheit von
Glaubenszeugnissen"
erörtert sowie in Anschluß an Charles Taylor, der
Authentizität
als "moralisches Ideal des Individualismus" bestimmt und zwar dadurch
dass
das Individuum auf der Grundlage universeller Rechte, das
begründen
kann, was für ihn signifikant ist und dies in einer sozialen
Beziehung
expliziert. Für den Vf. bedeuten "authentisches Sprechen und
authentisches
Handeln Ausdruck und Konkretion von Identität" (S. 226).
Demgegenüber
steht die Kommunikation im Internet "auf Grund ihrer strukturellen
Gegebenheiten
unter dem Signum der Unverbindlichkeit" und ferner "es fehlen die
wesentlichen
Authentizitätsgaranten", die da wären "die personale
Kopräsenz
des Gegenübers, der durch sein Verhalten und insbesondere durch
die
nonverbalen Signale, die er sendet, die Übereinstimmung von Denken
und Sprechen anzeigt und dadurch überzeugend wirkt" (S. 226).
Die
Möglichkeiten,
Authentizität
in den Massenmedien fest- bzw. herzustellen sind von einer anderen
Qualität
als die eines multimedialen und interaktiven Austauschs im Internet.
Ähnliches
läßt sich in bezug auf die Begriffe Verantwortung und
Identität
sagen, die anschließend thematisiert und ebenfalls weitgehend mit
negativen Vorzeichen in bezug auf das Internet angezeigt werden. So
sind
die Schlußfolgerungen im "Ausblick" nicht sehr ermutigend:
Ähnlich
wie bei der Telefonseelsorge bleibt bei der Internetseelsorge das
Glaubwürdigkeitsproblem
bestehen, wobei die Stimme am Telefon, "im Gegensatz zur Kommunikation
via Internet" "Anteilnahme und Empathie signalisieren" kann (S. 244).
Auf
diese fragwürdige Trennung zwischen zwei
Kommunikationstechnologien
wurde schon mehrmals hingewiesen. Was für die Seelsorge gilt, gilt
auch, mutatis mutandis, für die Bereiche Erziehung,
Politik
und Wirtschaft, denen die zwei letzten Seiten dieser Arbeit gewidmet
sind.
Zu der Aussage "Wirtschaftsunternehmen hätten die Chance, statt
ihre
Kunden mit Werbebannern und Spams (Werbemails) zu überfluten,
tatsächlich
mit diesen zu kommunizieren, und sich so auf einen Diskurs einzulasen,
in dem sie ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen könnten"
(S. 246) ist nur zu bemerken, dass hier der Konjunktiv nicht angebracht
ist.
Schluß
Schließlich
ist
darauf
hinzuweisen, dass diese Arbeit zwar durch eine umfangreiche etwa
fünfzig
Seiten umfassende Bibliographie belegt wird, in der aber
Internet-Portale
zur Medien-, Internet- und Computerethik weitgehend nicht
berücksichtigt
werden. Auch die Hinweise auf Dokumente im Internet sind
vergleichsweise
spärlich. Bei aller Fragilität des Mediums: Eine Arbeit
über
dieses Thema, die aktuell sein will, kann sich kaum vorwiegend
auf
gedruckte Quellen berufen.
Trotz
oder vielmehr wegen
der hier vorgebrachten Kritik, wünsche ich eine lebhafte
Diskussion
in Anschluß an diese Pionierleistung, und zwar nicht nur bei den
im Medium Internet Denkenden und Handelnden.
Literatur
Flusser,
V. (1996): Kommunikologie. Mannheim.
Letzte
Änderung: 3. August 2020
|