Ein
Ziel
der Ethik ist,
über die verschiedenen Formen moralischen und ethischen
Argumentierens
nachzudenken. Bei den ersten geht es um die verschiedenen Bezugsrahmen,
worauf die Legitimität von Handlungen beurteilt wird. Bei dem
zweiten
geht es um die verschiedenen Legitimationsverfahren.
In der
Alltagspraxis wird die Rechtmäßigkeit einer geschehenen
Handlung
mit Bezug auf “gute Gründe” beurteilt. Pieper unterteilt solche
Begründungsstrategien in sechs Klassen,
nämlich:
1)
Bezugnahme auf ein Faktum: in einem solchen Rekurs, bringt sich in der
Regel eine allgemein als verbindlich anerkannte Norm zum Ausdruck.
Beispiel:
‘Warum jemand einem Menschen geholfen hat?’ ‘Weil er mein Freund ist’.
Ob dies der Fall ist, d.h. ob tatsächlich ein allgemeiner Konsens
besteht, muß aber von Fall zu Fall geklärt werden
2)
Bezugnahme auf Gefühle: In der Weise z.B.: “weil ich einfach nicht
anders konnte und helfen mußte”. Solche Argumentationen sind
nicht
moralisch hinreichend, sondern es muß nach dem Werturteil gefragt
werden.
3)
Bezugnahme auf mögliche Folgen: In der Weise z.B.: “weil die
Kinder
darunter zu leiden hätten”. Das ist die Argumentationsform des
Utilitarismus.
Es ist aber die Frage, ob eine gebotene Handlung immer an das
Glück
der Betroffenen gebunden sein muß. Folgenüberlegungen sind
zwar
unabdingbar, aber für eine moralische Begründung nicht
hinreichend.
4)
Bezugnahme auf einen Moralkodex: Dabei gilt, daß die
angeführte
Norm von Fall zu Fall neu problematisiert werden muß. Auch
ändern
sich die Normen entsprechend den wechselnden Bedürfnissen.
5)
Bezugnahme auf moralische Kompetenz: Anerkannte Personen oder Instanzen
die als Autoritäten gelten, ersetzen nie die persönliche
Begründungspflicht.
6)
Bezugnahme auf das Gewissen: Das Gewissen ist aber nicht unfehlbar. Es
müssen “gute Gründe” hinzukommen.
Bei der
Reflexion über die Legitimation von Handlungen in bezug auf die
Legitimationsverfahren
handelt sich im einzelnen um folgende Methoden:
1.
Logische Methode: demnach muß die ethische Argumentation den
Regeln
der Normenlogik oder Logik der Handlungsregeln (“deontische Logik” von
griech. to deon - das Gesollte) entsprechen. Ein Hauptvertreter der
deontischen
Logik ist Georg Henrik von Wright: “Die logische Methode sagt
also
nicht direkt, wie gehandelt und was getan werden soll, sondern gibt an,
wie man verfahren muß, um zu einem deontisch richtigen Urteil zu
gelangen” (Pieper, Einführung, S. 175)
2.
Diskursive Methode: (von lat. discurrere - einen Problemzusammenhang
begrifflich-argumentativ
“durchlaufen”). Auf der Basis der deontischen Logik, wird das Problem
der
Rechtfertigung von Normen einbezogen. Die Lösung ethischer
Konflikte
wird durch Beratung und Angebe von “guten Gründen” in einem
praktischen
Diskurs erreicht (Konsensustheorie). Vertreter der diskursiven Methode
sind Paul Lorenzen, Oswald Schwemmer und Jürgen Habermas.
3.
Dialektische Methode: sie geht auf Platon als Begründer des
dialogischen
Verfahrens zurück: “Der Dialog hat als eine vermittelnde
Funktion,
er vermittelt zwischen normativen und faktischen Ansprüchen durch
ständiges argumentierendes Hin- und hergehen zwischen beiden.
Dabei
soll das Faktische so verändert werden, daß es dem Anspruch
der Norm genügt, und die Norm soll so konkretisiert werden,
daß
sie als Handlungsregulativ im Faktischen wirksam wird.” (Pieper,
Einführung,
S. 182)
4.
Analogische Methode:
Sie geht auf Aristoteles zurück. Er bedient sich der “moralischen
Klugheit” (“phronesis”), um das jeweils Gute zu ermitteln “indem sie
das
Gesollte als die richtige Mitte zwischen zwei Extremen bestimmt, die
beide
das Moralische verfehlen, insofern sie entweder unterhalb des
Maßes
bleiben oder über es hinausschießen und insofern Fehlformen
menschlichen Verhaltens darstellen.” (Pieper, Einführung, S. 190)
5.
Transzendentale
Methode: “ist ein reduktives Verfahren, d.h. sie führt moralisches
Handeln auf die konstitutiven Bedingungen seiner Möglichkeit
zurück,
indem sie die Genesis des Begriffs der Moralität bis zu seinem
unbedingten
Ursprung rekonstruiert. (...) Kant hat als erster die transzendentale
Methode
zum Prinzip seines Philosophierens erhoben.” (Pieper, Einführung,
S. 192)
6.
Analytische Methode:
sie prüft die Richtigkeit moralisches Handeln und Urteilen durch
begriffliche
Zerlegung. Diese “Metaethik” analysiert die Sprache der Moral.
Hauptvertreter:
R.M. Hare, J.L. Austin, L. Wittgenstein
7.
Hermeneutische
Methode: (von griech. hermeneuin - auslegen, erklären) von H.-G.
Gadamer
in Anschluß an M. Heidegger entwickelt “erhebt die
Geschichtlichkeit
des Verstehens von Sinn zum Prinzip der Interpretation. Sie betont die
Bedeutung der Überlieferung, durch die die Vorurteile des
Interpreten
ebensosehr vorgängig bestimmt sind, wie dieser sie im Sinnhorizont
seiner Erwartungen je neu auslegt in sein Selbstverständnis
integriert.
(...) Um Sinn zu verstehen, muß man immer schon
Sinnansprüche
erhoben haben. Der Hermeneutik geht es um die Aufklärung der
geschichtlichen
Vermitteltheit des moralischen Selbstverständnisses.
Diesen
Zusammenhang
hat Martin Heidegger als den “hermeneutischen Zirkel” beschrieben (...)
Der
hermeneutische
Zirkel ist für die Ethik insofern bedeutsam, als das Sichverstehen
eines Handelnden in seinem Handeln immer schon vermittelt ist durch das
verstehende Nachvollziehen der Handlungen anderer. Dem muß die
Ethik
Rechnung tragen, indem sie sich darauf beschränkt, diesen
hermeneutischen
Prozeß moralischer Sinnfindung interpretierend zu deuten und
damit
zugleich den Handelnden über sein vorgängiges Sinnverstehen
(Norm-
und Wertbewußtsein) aufzuklären.” (Pieper, Einführung,
S. 198-199)