Beitrag
mit dem Titel "Ethik der Digitalität" zur
vorgesehenen und wegen der Corona-Krise
verschobenen Anhörung der Enquêtekommission
"Digitalisierung im Saarland" zum Thema Digitale
Ethik. Landtag des Saarlandes, Saarbrücken,
Franz-Josef-Röder-Str.7, 4. Mai 2020.
Erschienen in: Petra Grimm, Kai Erik Trost,
Oliver Zöllner, Hrsg.: Digitale
Ethik. Baden-Baden: Nomos Verlag 2024,
17-22.
Volltext des Geleitworts unter Service
zum Buch: Leseprobe.
Einführung
Norbert
Wiener (1894-1964) und Joseph Weizenbaum
(1923-2008) gelten als Pioniere dessen, was
heute Digitale Ethik heißt (vgl. Wiener
1950; Weizenbaum 1976). Den Ausdruck digital
ethics hörte ich zum
ersten Mal 2009, als die Academy of Korean
Studies mich um einen Beitrag mit diesem
Titel für das Global Forum on Civilization
and Peace bat (Capurro 2010a). Andere in
ihrer Bedeutung teilweise überlappende
Bezeichnungen sind: Informationsethik,
Computerethik, cyberethics,
Netzethik oder Medienethik; jüngst hat sich
– auf den Vorarbeiten Stalders zur Kultur
der Digitalität (2016)
aufbauend – auch die Bezeichnung „Ethik der
Digitalität“ eingebürgert (Noller 2022). Ich
begreife Digitalität als einen umfassenden
und epochalen digitalen Verstehens- und
Handlungshorizont, wofür auch der Ausdruck
„digitale Ontologie“ steht (Capurro 2010b;
2017). Die Bibliografie des International
Center for Information Ethics (ICIE), das
ich 1999 gründete und das seit 2018 an der
University of Alberta (Kanada) angesiedelt
ist, zählt ca. 700 Monografien auf dem
Gebiet der Informationsethik und verwandter
Bereichsethiken zwischen 1976 und 2016
(ICIE, online).
[...]
6. Was folgt
daraus?
Digitale Ethik versteht
sich als politische Ethik, wenn es darum
geht, die Digitalität der res
publica
und der res privata sowie
deren Verhältnis zu problematisieren. Was
dies für die Ausgestaltung
der Zivilgesellschaft, das heißt für das
Vor- und Nachdenken über digitale Zukünfte
im Leben eines jeden Einzelnen
sowie im gesellschaftlichen Leben bedeutet,
welche gelungene Lebensformen und welche
Verfallsformen des Selbstseins im Spiel mit
den anderen in einer gemeinsamen Welt schon
offen oder noch verborgen sind, lässt sich
nicht im Vorhinein und ein für alle Mal
feststellen. Es ist eine Aufgabe, die nicht
nur eine akademische Disziplin betrifft,
sondern im alltäglichen ethos
der Menschen in der Spannung zwischen
Digitalität und Materialität problematisiert
werden sollte (Capurro 1995). In diesem
Sinne wünsche ich dem vorliegenden Handbuch
zur Digitalen Ethik viel Erfolg und eine
weite Verbreitung wie auch breite Rezeption.