Einleitung
Was
ist ein Bild? Diese Frage steht bei Platon im
Zusammenhang seiner Auseinandersetzung mit Parmenides, der das Sein des
Wandelbaren leugnete. Da aber das Vorhandensein der Bilder nicht (mehr)
zu leugnen war, mußte Platon die Fundamente des Parmenides ("das
Sein ist, das Nichtsein ist nicht") in Frage stellen und eine neue Form
des Seins zulassen. Daß Platon somit das Sein des Bildes positiv
auffaßt, wird oft verkannt, indem man nur die Abwertung des
Bild-seins gegenüber den Ideen in Betracht zieht.
Heidegger
(Heidegger: Platon: Sophistes, 1992)
vermutet, daß der späte Platon vom
jungen
Aristoteles diese Aufwertung des Bild-seins gelernt haben mag, obwohl
die aristotelische dynamis
(Potentialität) in einem anderen ontologischen Kontext steht als
das Bild-sein bei Platon.
Für
Palladio und für den Klassizismus steht
außer
Frage, daß das Bild sich am Ideal orientieren muß, was
moralische Sittlichkeit beim Architekten voraussetzt. Die Verfehlung
des Ideals führt zur schlechten Nachahmung (Manierismus).
Wie
aber, wenn
das Bild sich von der metaphysischen
(platonischen)
Umklammerung löst und Selbständigkeit gewinnt? Gibt es eine
andere Alternative als:
- bloßes
Spiel mit Vorbildern
- ernstes
Spiel mit Vorbildern (sich nach
einem
Vor-Bild orientieren)
Wenn wir uns von
der
Metaphysik nicht einfach loslösen können, was bedeutet in
diesem Zusammenhang ein "freies Verhältnis" (Heidegger) zu ihr zu
entwickeln?
Heute hat das digitale Bild
die Stelle des platonischen Vorbildes
übernommen, wobei die digitalen InFORMationen eine technologische
(anstatt einer theologischen) Potentialität in sich bergen. Die
technische Herstellung der Vorbilder weist auf ihre Flüchtigkeit
hin. Ist dieser Vorgang des Nichtigwerdens der Vor-Bilder und ihrer
materiellen Nachahmungen etwas was wir, aus der Sicht der Metaphysik
und einer metaphysischen Architektur, bedauern müssen? Die Macht
der digitalisierten Vorbilder entfaltet sich
grenzenlos in den Massenmedien sowie im Internet.
Wenn
die
Text-Hermeneutik von Hans-Georg Gadamer auf
die positive Rolle
des Vor-Urteils im theoretischen und praktischen
Erkenntnisprozeß hingewiesen hat, dann ist die Frage inwiefern
die heutige Bildhermeneutik uns mit einer Fülle von
(flüchtigen) Vor-Bildern beschert, die nur Vordergründig eine
Desorientierung verursachen. Der metaphysische Reflex verleitet uns
dann nach den wahren
Vorbildern zu suchen. In Wahrheit aber verweisen die digitalen
Vorbilder auf die Potentialität der Existenz zurück. Dieser
Verweis liegt aber nicht offen zu Tage, sondern muß beim
alltäglichen Umgang mit den Bildern mitbedacht werden.
I. Bilder
als
(verfehlte) Nachahmungen (eines
Originals)
Bilder sind (bloß) 'Bilder von etwas'.
Ihr
Möglichsein bleibt bezogen auf ein
Wirklichsein.
Sie
werden aber nie
zu dem,
wovon sie ein Bild sind.
1)
Andrea Palladio (1508-1580)
A. Palladio: Die Vier
Bücher
über die Architektur
(1570), Darmstadt 1993.
Buch I,
Kap. 1: "bei
jedem Bau ("fabrica") sollen, wie
Vitruv lehrt,
drei Dinge beachtet werden, ohne die ein Gebäude kein Lob
verdient. Diese drei Dinge sind: der Nutzen oder die Annehmlichkeit,
die Dauerhaftigkeit und die Schönheit. ("l'utile ò
commodità, la perpetuità, & la belleza"). Kap. 20:
Über die Mißbräuche: "daß die Architektur eine
Nachahmerin der Natur ist".
Bilder
können
sich an ideale Vor-Bilder
orientieren oder nicht
(schlechte Nachahmung, unvernünftige Architektur: "contraria alla
ragione naturale", "brutissima vista").
Nachahmung:
+
(sittlich) gute
Nachahmung: Klassizismus
(Natur/Vernunft als
Maß)
-
(unsittlich)
schlechte Nachahmung: Verfehlung des
Vorbildes
(Manie- rismus, Künstlichkeit, irrational, barbarisch...)
->
Eigenständigkeit des Manierismus
Der Mensch
als
mathematische Entsprechung des Kosmos:
Sich an das Ideal
annähern, das Ideal erkennen und ... danach streben. Primat der
Vernunft, ideale Vollkommenheit, Überzeitlichkeit.
"figura
pyramidale"
vs. "figura serpentinata"
Alternative
zum
Klassizismus: Spiel statt Nachahmung
Loslösung
der
'schlechten' Nachahmung von der
Klassik
("Antiklassik"), Eigenwert des Künstlichen:
+ Spiel
mit
Vorbildern im Hinblick auf die Schaffung
neuer Formen
-
bloßes Spiel
mit Vorbildern
2)
Die antiken Wurzeln des Palladio: Vitruv, Platon,
Aristoteles
a)
Vitruv (84-44 v.Chr.)
->
"fabrica": Zehn Bücher über die Architektur
(Darmstadt 1991)
Buch
I:
"Des
Architekten Wissen umfaßt mehrfache wissenschaftliche und
mannigfaltige elementare Kenntnisse. Seiner Prüfung und
Beurteilung unterliegen alle Werke, die von den übrigen
Künsten geschaffen werden. Dieses (Wissen)
erwächst aus
Handwerk und geistiger Arbeit ("ex fabrica et ratiocinatione").
Fabrica
ist die fortgesetzte und immer wieder überlegt geübte
Ausübung ("usus meditatio"), die zum Ziel einer Formgebung hat
("ad
propositum deformationis"), die mit den Händen aus Werkstoff, je
nachdem aus welchem Stoff das Werk besteht, durchgeführt wird.
Ratiocinatio ist, was bei handwerklich
hergestellten Dingen aufzeigen und deutlich machen kann, in welchem
Verhältnis ihnen handwerkliche Geschicklichkeit und planvolle
Berechnung innewohnt ("sollertiae ac rationis proportione demostrare
atque explicare potest")." (1, 18-24)
(...)
"Die Philosophie aber bringt den
vollendeten Architekten mit hoher Gesinnung hervor und läßt
ihn nicht anmaßend, sondern eher umgänglich, billig denkend
und zuverlässig und, was das Wichtigste ist, ohne Habgier sein
("architectum animo magno et uti non sit adrogans, sed potius facilis,
aequus et fidelis, sine avaritia, quod est maximum")." (5, 14-16)
'fabrica'
(griechisch: 'techne') vs. rein geistige
Tätigkeit
('episteme'): Entwerfen des Bauwerkes, 'ratiocinatio', Berechnung.
Der
Architekt muß wissen, was er schaffen soll,
und er muß
die Mittel ('technais') beherrschen, die zum Ziel ('telos')
führen. Vitruv spricht von "deformatio" anstelle des zu
erwartenden
Terminus "informatio": Die Tätigkeit des Architekten besteht also
darin, dass er etwas wegnimmt und nicht dass er eine Form einprägt.
b) Platon vs.
Parmenides:
Sind Bilder überhaupt etwas oder vielmehr nichts?
Quelle:
Martin Heidegger: Platon: Sophistes. Frankfurt a.M.
1992
Bei den
folgenden Notizen handelt es sich um
Paraphrasen und Zitate aus Heideggers
Sophistes-Vorlesung.
-Platons Ringen mit der Ontologie des Parmenides:
Wieso gibt es etwas,
was eigentlich nicht geben darf?
-
'techne
mimetiké': Die Überbietung der
Sophisten: nicht
nur alles wissen, sondern sogar alles machen können.
->
zwei
Formen des Herstellens (oder 'Sehen-lassens'
- 'a-letheuein'
= Wahrheit)
- Etwas
zu seinem
Sein führen ('agein eis ousian'): Das 'eidos' sehen lassen
- Etwas
bloß
'bildlich nachahmen ('mimema'): Etwas nur aus der Ferne sehen lassen;
'eidolon'
-> Zwei
Formen der
'techne mimetiké':
- 'eikastiké': das
'eidolon' hat den
Charakter des 'eikos' (Plastik)
- 'phantastiké':
das 'eidolon' hat den
Charakter des 'Aussehens wie' ('phantasma')
. Fast alle Kunst ist Kunst
nicht im Sinne der 'eikastiké',
sondern im Sinne der 'phantastiké'. Wenn aber in dieser etwas
vorhanden ist, was noch mehr ist als das, was es darstellt und diese
'phantastike' die verbreiteste Art der 'mimetike' ist, dann ist das faktische Vorhandensein des
Nichtseienden in keiner Weise mehr zu bestreiten. So haben wir
in der 'mimetiké' herausgestellt ein 'poiumenon', ein Gemachtes,
Hergestelltes, das ganz und gar nicht ist, was zu sein es sich ausgibt
(S. 403).
.
Was ist also ein 'eidolon'?
"Das sind z.B. die
Spiegelbilder im Wasser oder die Bilder im Spiegel
oder das Gezeichnete bzw. Gemalte oder das Gemeißelte,
Geprägte und anderes dergleichen." (Soph. 239d)
Das sind konkret vorhandene
'eidola'. Gesucht wird das, was durch alle
diese Einzelnen hindurchdringt, die eine Sicht ('mian idean'), nach der
Selbigkeit des 'eidolon' gegenüber dem Beliebigen des Wechsels von
'eidola' in den verschiedenen konkreten Formen. Sehen: nicht mit den
sinnlichen Augen, sondern mit den Augen des 'nous'.
. 'eidolon' = "to pros talethinon
aphomoiomenon heteron toiouton'
Das 'eidolon' ist 'to heteron toiouton', d.h. das, was ein anderes
Solches ist, ein anderes nämlich als das Dargestellte, dem
eigentlich Seienden gleich, von ihm 'ab-genommen':
Diese Bestimmung ist nicht
ohne weiteres verständlich.
Daher die Frage des Gastes:
Woraus ist dieses 'heteron
toiouton', ein anderes Solches, denn
bezogen? Auf 'alethinon', d.h. auf ein anderes solches eigentlich
Seiendes oder auf was denn?
Keineswegs auf ein
'alethinon', aber doch nicht in dem Sinne, daß
dieses 'heteron toiouton' ganz und gar nicht wirklich wäre,
sondern es ist seiner Struktur nach 'eoikos', "es sieht so aus wie...",
es gleicht dem 'alethinon'.
Dann wäre das 'eidolon'
ein 'me alethinon'...
Hier liegt die Sophistik:
daß der Gast das 'heteron' des
'alethinon' bzw. des 'on' einfach umdeutet im Sinne eines 'enantion'
zum 'on', als ein 'me on'.
Daher: Sein des 'eidolon' =
Nichtsein
Dagegen Theätet: "aber
es ist doch irgendwie da!" ('all esti ge me
pos"), irgendwie...
Es ist nicht 'alethons' - aber als Bild ist es wirklich ('plen g'eikos
ontos').
Sein Bildsein ist wirklich
('esti pos').
"Mit
diesem 'einai pos' ist aber der
bisherige traditionelle Sinn des 'on' im starren Sinne des Parmenides
erschüttert." (Heidegger)
Plato steht vor der Wahl:
entweder ein
altbewährtes Schuldogma des Parmenides weiterhin
mitzumachen (Was ist, ist. Was nicht ist, ist nicht)
oder den Tatbestand des
Vorhandenseins des Sophisten und demnach des
'me on' (Nichtsein), des 'pseudos' (Falschen), anzuerkennen, die
Faktizität von Täuschung, Verstellung, Verdrehung so zu
nehmen, wie sie ist, und demnach die Theorie vom Sein umzubilden.
Also entweder den Sachen
selbst ihr Recht zu geben oder aber lediglich
sich an die Tradition zu halten, weil sie ehrwürdig ist.
Gibt es die Möglichkeit
einer Verbindung ('symploke') zwischen dem
'logos' als ein 'on' und dem 'pseudos' als dem 'me on'? Gibt es ein
'logos pseudes'? Ist Täuschung ('hapate') möglich und auch
eine 'hapatetike techne'? Nur wenn diese Möglichkeit besteht,
besteht auch die Möglichkeit der Philosophie als Dialektik bzw.
des
positiven echten 'logos'. (S. 652).
Der 'logos' spricht etwas ZU
etwas (oder etwas ALS etwas).
Ist es möglich,
daß etwas als etwas, was es selbst nicht
ist,
angesprochen werden kann?
Diese Möglichkeit
gründet darin, ob es überhaupt
hinsichtlich des Seienden etwas gibt, das als ein anderes, als es
selbst ist, sein kann.
Das 'me on' ist - aber 'kata
ti' (in einer gewissen Hinsicht) und das
'to on' ist nicht ('ouk esti') - 'pe' (in gewisser Hinsicht)
Es
handelt sich also weder um
eine radikale Entgegensetzung von Nichtsein und Sein noch um eine
'symploke' (Verbindung, Verschmelzung) beider, sondern daß das
'on' nicht so nicht ist
wie das 'me on', sondern anders, und
das 'me on' nicht so ist wie das 'on', sondern anders ('hos esti kata
ti'). Darin liegt die Modifikation des Sinnes von Sein überhaupt.
Das ist das eigentliche Thema.
Es gibt Ein Sein. Dagegen
sagt Platon: Nein, es muß ein
mehrfaches Sein geben. Gegenüber dem mehrfachen Seienden handelt
es sich jetzt um eine Mehrfachheit im Sein selbst ('gigantomachia peri
tes ousias') (S. 444)
Sinn von Sein (griechisch:
"aus der natürlichen nächsten
Seinsauslegung des faktischen Daseins geschöpft"): Besitz,
Hausstand, Anwesen (Anwesenheit).
Kampf: Welches
Seiende
genügt eigentlich dem Sinn von Sein und
welche Charaktere des Seins ergeben sich von da aus?
Welche Zugangsart zum
eigentlich Seienden: Ob die 'aisthesis', die
'hafé' (berühren) oder 'noein'/'logos.
Sinn von Sein: abhängig
von der Möglichkeit eines Begegnens
des Seienden FÜR etwas, das überhaupt so etwas wie Gegenwart
haben kann. (S. 468)
-> es gibt etwas, was im
vorhinein schon ist, und daß in
beiderlei Hinsicht ('horaton' und 'ahoraton', sichtbar/unsichtbar) als
seiend angesprochen werden kann ('physis', 'symphues gegonos'): "darin
liegt schon beschlossen die 'methexis' bzw. die 'koinonia ton genon'"
(S. 473).
-> 'on' als 'dynamis' (S.
474)
Sein ('on') als 'dynamis'
(Möglichkeit) 'eis to poiein' (zum Sein
bringen von etwas, zum Sein verhelfen), und 'eis to pathein' (bestimmt
werden durch ein Anderes).
"Dieses
'heteron' ist gerade in diesem Dialog von Platon gewissermaßen
zum ersten Mal entdeckt worden als eine bestimmte Art des Nichtseins
und gerade als diejenige, die ausdrückt keine totale
Verschiedenheit vom Anderen oder vom Einen, bezüglich dessen es
das Andere ist, sondern die ausdrückt, daß jedes, sofern es
ist, es selbst und etwas
Anderes ist. Das 'hetereon'
drückt aus das, was etwas als es selbst auch ist." (S. 476)
Sein = 'dynamis koinonias'
('dynamis tou poiein kai tou paschein') =
Miteinder-sein-Können = Imstande-sein zur Anwesenheit bei etwas.
Zum eigentlich Seienden
gehört ('pareinai') Bewegung, Leben,
Seele, Erkennen = der Sinn von Sein muß so gefaßt werden,
daß auch 'nous', 'kinesis', 'zoe' als seiend verstanden werden
können. Zum Sein gehört Seinsverständnis.
"Also
nicht die Ideen als irgendwelche
Geister, die da herumschweben und noch dazu "schöpferische
Kräfte" sind!" (S. 482)
'On' = 'dynamis', Bewegtes
und Bewegung gehören zum Seienden. Das
Sein der 'somata' wird mit besonderer Schärfe in diesem Dialog zum
ersten Mal positiv in Rechnung gezogen.
Auseinandersetzung Platons
mit dem jungen Aristoteles? Frage nach der
'ousia' von der 'aistheta' her; bei Aristoteles aber: 'dynamis' als
ontologische Kategorie im Zusammenhang mit 'energeia' und das
Phänomen der Bewegung als positiv.
Nicht Aristoteles
schöpft aus Platon, sondern umgekehrt.
-> Platons Lösung:
'parousia dynameos koinonias'
Ontologische Lösung des
Streits. Sein als Widerständigkeit
vs. Widerständigkeit, die ungegenwärtig (ohne Widerstand) ist
(unwiderständige Gegenwart).
Sein als Möglichkeit zur
Mit-Anwesenheit bei etwas ('dynamis
koinonias'); 'koinonia' zwischen der 'genesis' und dem 'aei on',
zwischen 'kinesis' und 'stasis'.
Weder ist alles in Bewegung, noch
alles in Ruhe.
Exemplarisches Phänomen für die 'koinonia':
'gignoskein', lebendiges Schließen (Vollziehen und Erfassen des
Erkannten, 'kinesis' und 'stasis', Heraklit und Parmenides, ein
'Drittes', nämlich Mitsein, Mit-Anwesendsein des Seins, des 'on'
selbst durch ein 'Wegsehen' ('apidein') bzw. durch ein
Heraussehen von einem Gesehenen - 'auf etwas hin', nämlich auf ihr
Mitsein, 'syllabein' : 'kynesis' und 'stasis' so erfassen, daß
das 'hen' bestimmend ist. Vgl. 'epekeina'.
Aussicht das 'on'
und das 'me
on' durch die Klärung des
einen sichtbar zu machen? Einheit des Vielen ('koinonia') im 'logos'.
c)
Aristoteles
Quelle:
Martin Heidegger: Platon: Sophistes (Frankfurt a.M.
1992)
Bei
den
folgenden Notizen handelt es sich um
Paraphrasen und Zitate aus Heideggers
Sophistes-Vorlesung.
'logos pseudes':
Täuschung, Verstellung
Die synthetische Struktur des
'logos' als Bedingung der
Möglichkeit des 'logos pseudes';
'aletheuein' = Sehenlassen
(Möglichkeit des Verstellens) (nicht:
Übereinstimmung!)
Idee der Dialektik: Das Sein
des Seienden sichtbar zu machen; die
Mannigfaltigkeit des Seienden zurückgeführt auf Eines,
'synagein', und zugleich wieder in der Gegenrichtung
auseinander genommen ('diaresis').
-> fünf 'megista
gene': 'kinesis', 'stasis', 'on', 'tauton',
'heteron'
Dabei den Sinn aufklären
in dem 'tauton' und 'heteron' der
'kinesis', 'stasis' und 'on' zugesprochen wird.
'heteron': 'pros ti'. Es gibt
aber 'onta' die nicht den Charakter des
'pros ti' haben, also decken sich 'on' und 'pros ti' nicht.
Die Gegenwart des
'heteron'
bringt gewissermaßen zum Sein, zur
Gegenwart des 'me on' ('poiein' = 'agein eis ousian') (S. 556).
-> Nichtsein = 'heteron',
das Anderssein ist das Nichtsein des 'on'
oder umgekehrt: das Nichtsein ist 'die Anderen sein' (da jedes 'genos'
als eine 'physis', mit den Anderen 'koinonia' hat).
Was
eigentlich gezeigt werden
soll, ist, daß das 'heteron', das Anderssein, in jedem der
möglichen 'eide' da ist, daß es mit ihnen präsent sein
kann, d.h. eine 'koinonia' mit allen hat.
Die dialektische
Fundamentalbetrachtung ist nichts anderes als die
Vorzeichnung der 'parousia' des 'me on' im 'logos' (S. 579). Auftauchen
des Phänomens der Zeit, das das Seiende in seinem Sein bestimmt:
die Gegenwart, 'parousia' ('ousia').
Der 'logos' ist also das
Kernphänomen.
Wenn die
Verbindbarkeit des
'logos' mit dem 'me on' aufgezeigt wird,
dann ist gezeigt, daß das 'pseudos' ein 'on' ist: "wenn aber
Täuschung, 'pseudos', ist, dann ist auch Trug, 'hapate'." (Soph.
260c)
Heidegger gebraucht in der
Übersetzung gerade die umgekehrten
Ausdrücke als die üblichen: für 'pseudos' Täuschung
und für 'hapate' Trug. Denn, so Heidegger, 'hapate' besagt hier
nicht
das täuschende Verhalten, sondern die Möglichkeit des
Seienden, daß es trügen kann, so wie wir sagen: "der Schein
trügt", ist also eine Bestimmung des Seienden selbst.
"Mit
der
Möglichkeit des 'pseudos'
ist notwendig die 'hapate' mitgegeben. Wenn aber 'hapates ouses' dann
ist notwendig alles voll von 'eidola', 'eikones', 'phantasiai'':
Sichtbarkeiten, die nur so aussehen wie, die nicht das sind, als was
sie sich geben; 'eikones': Bilder, Darstellungen von etwas, das sie
nicht selbst sind; 'phantasiai' gefaßt, im Sinne von
Platon, wie 'phainetai': das, was sich zeigt, was nur so aussieht
wie... Etwas Rätselhaftes, daß etwas ist als das, was es
zugleich nicht ist. Dafür hat jetzt Platon ein Verständnis
gewonnen und damit zugleich einen Schritt getan für das
ontologische Verständnis des 'aistheton' selbst. Man muß
sich abgewöhnen, an die
platonische Philosophie den Schulhorizont anzulegen, als wäre bei
Platon in der einen Kiste die Sinnlichkeit, in der anderen das
Übersinnliche gewesen. Platon hat die Welt genau so elementar
gesehen wie wir, nur viel ursprünglicher als wir." (S. 580)
So ist die 'sophistike' als
'phantastike', 'doxastike', 'antilogike
techne' aufgeklärt. Der Sophist ist in seiner Existenz verstanden
(S. 610).
3.
Analyse der 'techne'
(Eth. Nic. VI, 4)
Quelle:
Martin Heidegger: Platon: Sophistes (Frankfurt a.M.
1992)
Bei
den
folgenden Notizen handelt es sich um
Paraphrasen und Zitate aus Heideggers
Sophistes-Vorlesung, § 7
Der Gegenstand der
'techne':
Das Sein-Werdende ('esomenon'): "das im Werden, unterwegs zu seinem
Sein, ist" ('hopos an genetai ti ton endechomenon': auf daß etwas
so und so (nach Möglichkeit) geschieht).
Die
Stellung der 'arche' in
der 'techne' (Eth. Nic. VI, 4; Met. VII, 7)
- Die 'arche' des Seienden der 'techne', das 'eidos', ist also in
der 'psyche', 'en to poiounti', "im Herstellenden selbst" (nicht im
'ergon' bzw. 'en to poioumeno')
vs.
- 'physei onta': ein
Seiendes, das auch hergestellt ist, aber sich
selbst herstellt. Die 'physei onta' stellen sich so her, daß die
'arche' im Herstellenden und auch im Hergestellten ist.
Bei der 'techne' liegt das
'ergon' 'para', "neben" der Hantierung. Das
Fertiggewordensein das Schuhs heißt gerade, daß der
Schuster ihn abliefert. Sofern nun das 'telos' die 'arche' mit
ausmacht, ist bei der 'techne' selbst die 'arche' gewissermaßen
nicht zur Verfügung. Es zeichnet sich vor, daß die 'techne'
ein uneigentliches 'aletheuein' ist.
Gegenstand der
'techne': das
'poieton', das 'ergon', "um willen von
etwas" ('heneka tinos') zu etwas für jemanden ('pros ti kai
tinos')
Die 'techne' hat also das
'ergon' zum Gegenstand des 'aletheuein' nur
solange, als es noch nicht fertig ist. Sobald fertig fällt aus dem
Herrschaftsbereich der 'techne' heraus und wird Gegenstand des
betreffenden Gebrauchs. Das 'ergon' ist 'para' der 'techne'.
Die 'techne'
hat die
'arche' in gewisser Weise, und in gewisser
Weise nicht: nämlich sofern sie das 'ergon' nicht mehr erreicht.
Dann gleicht sie der 'tyche', dem Zufall.
Das 'eidos' als 'arche' der
'kinesis' der 'techne' im Ganzen (Met. VII, 7), 'noesis' und 'poiesis'.
Die 'techne' als Boden der
Auslegung des Seins durch das 'eidos'.
Das 'eidos' kommt als 'arche'
ins Spiel in der 'techne' . Es ist nichts
anders als die (platonische) Idee.
Das Hausbauenkönnen
('oikodomike') deckt auf und verwahrt das
'eidos' als 'arche' der 'kinesis' welche zunächst die der 'noesis'
und sodann die der 'poiesis' ist.
Die 'poiesis' ist
das
eigentlich hervorbringende Ausrichten,
während die Bewegung der 'noesis' den Charakter der Erhellung hat.
Die 'techne' besorgt aber nicht alle anderen Bestimmungen ('kata
symbebekos'). So auch bei der 'physis': ein
Sich-von-sich-selbst-her-zu-Gestalt- und Aussehen-Bringen.
S. 61: Vorrang der
'sophia'
im Dasein: darum ist nicht die 'phronesis'
die 'arete' der 'techne', sondern die 'sophia' als 'arete' der
'episteme', als 'akribestate ton epistemon' als "strengste aller
Wissenschaften".
Eth. Nic. VI, 7; 1141a12:
"Die Weisheit ('sophia') aber schreiben wir in den Künsten
('technais') denjenigen zu, die es zur höchsten Vollendung
('akribestatois tas technas') gebracht haben, indem wir z.B. den
Phidias einen weisen Meister in Stein ('lithourgon sophon') und den
Polyklet einen weisen Bildhauer ('andriantopoion') nennen, und da
wollen wir mit dem Wort Weisheit nichts anderes sagen, als daß
sie Kunst im vollkommenen Sinne ist ('ten sophian he hoti arete technes
estin').
S. 57: die 'phronesis' ist
keine Spekulation über die 'arche' und
'telos' des Handelns, keine 'hexis meta logou monon'. In der
'phronesis' sind 'arche' und 'telos' (die 'eupraxis') gegeben.
S. 76-77:
"Die
'empeiria' steht insofern im Nachteil
gegenüber der 'techne', als in ihr das, was als Gegenstand ist,
verdeckt bleibt; das 'eidos' ist 'synkechymenon'
(zusammengeschüttet) - Dagegen ist in der 'techne' präsent
das Was, dessen, worum es sich handelt. Die 'techne' geht hinter den
Verweisungszusammenhang des Sobald - dann zurück auf das Weil - deshalb. (...) In der Tendenz
auf das lediglich aufdeckende Betrachten des Seienden im Hinblick auf
die 'arche' liegt das 'sophoteron'. So
ist in der 'techne' die Vorzeichnung für die 'sophia' gegeben."
->
Orientierung der antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen
Ontologie am herstellenden Verhalten (Sein als Hergestelltsein).
Vgl.
M. Heidegger:
Die Grundprobleme der Phänomenologie (GA 24,
Sommersemester 1927) S. 149 ff und 209 ff.;
Aristoteles (GA 33,
Sommersemester 1931) S. 136 ff.;
Der
Ursprung des Kunstwerkes (1935);
Vom Wesen und Begriff der physis
(1939);
Die
Frage nach der Technik (1953).
II.
Bilder als (Computer-) Simulationen
Was ist (Etwas), ist
(bloß) Verwirklichung von einer Möglichkeit
(Virtualität, Simulation).
Etwas (Wirklichsein) ist 'Etwas vom Bild'.
Das Wirkliche erreicht nie die Fülle des Möglichen, wovon es
eine (mögliche) Verwirklichung ist.
DUDEN:
"simulieren: (eine
Krankheit)
vortäuschen; sich verstellen:
Das Verb wurde im 16. Jh. aus lat. simulare "ähnlich machen,
nachbilden; nachahmen; etwas zum Schein vorgeben, sich den Anschein von
etwas geben, etwas vortäuschen" entlehnt, das von lat. similis
"ähnlich" abgeleitet ist." (Simulant, assimilieren, Faksimile,
Simulator)."
Welche Auswirkungen
haben die
digitalen
Medien auf die Unterscheidung
zwischen Kunst und Künstlichkeit bzw. zwischen Original und
Nachahmung?
Die Transformation
von Kunst
und
Künstlichkeit im digitalen Schein
betrifft den Übergang vom mimetischen (Erkenntnis des Wirklichen)
zum simulatorischen (Erkenntnis des Möglichen) (architektonischen)
Handeln (G. Großklaus).
Das bedeutet:
1. Eine Umkehrung der Priorität im Verhältnis zwischen dem
Wirklichen und dem Möglichen.
2. Dies ist wiederum nur möglich, weil wir im Verhältnis zum
Möglichen sind (existieren)
Ausblick
Sich daraus ergebende
Fragen:
1. Nach dem Verhältnis von Ethik und Ästhetik.
2. Nach der Auffassung der Realität sub specie computationis.
3. Nach dem Verhältnis zwischen der Freiheit der (medialen)
Konstruktion (dem 'Schein') und der Wirklichkeit des Erscheinenden (M.
Seel)
+ Spiel mit 'Vor-Bildern', die einen Raum von Möglichkeiten
eröffnen: Manierismus im Sinne des 'a la maniera' ('nach den
Möglichkeiten'): Bilder sind Andeutungen
- Bloßes Spiel mit Vorbildern (Manierismus im negativen Sinne)
Kein Verhältnis Ideal - Ab-Bild, sondern Bilder öffnen
Möglichkeiten (dynamis)
(anstatt sich einem Ideal anzunähern).
Exkurs
Anmerkungen
zu: Hans Belting "Bild-Anthropologie"
(München 2002)
1) Bildsein
Das Sein der Bilder
hängt vom Sein
des Erblickenden ab: "Die
Illusion von einer einzigen Wahrheit des Bildes bricht dabei in sich
zusammen. Die Welt besitzt keine Bilder von sich, die man ihr nur
entreißen müßte. Die Bilder entstehen in einem Blick,
der nach einem neuen und persönlichen Einblick sucht. Sie sind die
Bilder dessen, der auf die Welt blickt." (S. 229)
Belting deutet
Platons Auffassung der Differenz zwischen Bild und Wirklichkeit im
"Sophistes" im Sinne einer Antithese: Die Sophisten "verunklären"
diese Differenz so wie die Bilder einen "Sinnenbetrug" darstellen (S.
174). In Wahrheit entdeckt Platon aber (Aristoteles folgend), dass
Bilder etwas "Dynamisches" (dynamis)
sind. Die dynamis ist kein
bloßes Nicht-sein (me on).
Siehe Heideggers Deutung des "Sophistes". Bilder haben also ein
eigenes Sein jenseits der Antinomie Sein/Nicht-sein bzw.
Wirklichkeit/Bild.
2) Bildpraktiken
Belting stellt seine
Studie im Kontext
von geschichtlichen
"Bildpraktiken" (S. 170) dar. Diese sind aber in einem jeweiligen
Weltentwurf begründet. Und umgekehrt: vom Umgang (Um-zu,
"Zuhandenheit") mit Bildern können wir auf das
Selbstverständnis schließen.
3) Abwesenheitsbilder
"Die Abwesenheit, eine Urbedingung des Bildes" (S. 186) oder Bilder
sind "ein Medium der Präsenz" (S. 146). Hier wird die Frage des
Verhältnisses von Bild und Zeit angesprochen aber nicht in
Zusammenhang mit der Problematik der abendländischen Metaphysik
der
Präsenz bzw. der "Vorhandenheitsontologie" (Heidegger) gesehen. In
welchem Sinne sind Bilder 'in-der-Zeit'? Und wo bleibt die Kantische
Frage des Verhältnisses zum Undarstellbaren?
4) Körperbilder
Der "kategoriale
Unterschied" zwischen
Bild und Körper wird in
Anschluß an Dante so verstanden: "daß Körper niemals
Bilder sind, während
Bilder niemals einen Körper haben."
(S. 200). Sowie: "Man will den Körper in einem Bild
nacherschaffen, in dem sich die ideale von Gesundheit, Jugend und
Unsterblichkeit erfüllen. Die "Eroberung der Welt als Bild", von
der Heidegger gesprochen hat, würde damit abgeschlossen. (...) Wir
sind Gefangene der Bilder geworden, mit denen wir uns umgeben." (S.
109). Belting betont mit Recht, dass die "Krise des Bildes" aufgrund
der technologischen Expansion der Medien eine andere ist als die
"Krise des Körpers" und als eine "Krise des Menschen". Wir suchen
auch in den Avataren des
Internet einen "virtuellen Körper", der aber nie der
"natürliche Körper" sein kann (a.a.O.).
Unklar bleibt bei
dieser Diagnose, was
genau unter dem menschlichen
Körper zu
verstehen ist. Der gemeinsame Horizont worunter wir Bilder,
(menschliche) Körper und den Menschen heute entwerfen,
nämlich den Horizont des Digitalen oder einer digitalen Ontologie,
bedeutet nicht, dass wir dabei notwendigerweise die kategorialen
Unterschiede aufheben, zumindest solange wir uns der Relativität
dieses Entwurfes bewußt sind.
"Der Körper ist
die Quelle unserer
Bilder" (S. 71) Was ist aber
"der Körper"? Wird er hier Cartesianisch begriffen? Wie steht
es mit der Differenz Körper/Leib? Wo bleibt die Dimension der raum-zeitlichen
Erstreckung des menschlichen Leibes gegenüber dem Im-Raum-sein
der Bilder? Wie steht es mit der
Verzeitlichung und Verräumlichung der Bilder in der digitalen
Vernetzung? Was bedingt hier wem? Wenn heute unser In-der-Welt-sein
sich als In-der-Welt-(der (digitalen) Bilder)-vernetzt-sein entfaltet,
stellt sich
die Frage, wie diese Vernetzung immer schon von unserem eigenen
"ek-statischen" Im-Raum und In-der-Zeit-sein 'transzendental' bedingt
wird, zugleich werden wir aber durch die digitale Weltvernetzung
kategorial verändert. Das sind Kernfragen einer
sich geschichtlich verstehenden "Bild-Anthropologie". Denn, was der
Mensch ist, steht nicht fest.
Der Gebrauch des Titels "Anthropologie" suggeriert aber diese
"Fest-Stellung". Daher auch Heideggers Vorsicht gegenüber dem
Gebrauch dieses Begriffs.
5) RaumZeit der
Bilder
Belting verweist auf die Veränderungen, die die "Lebenswelt" durch
den "Raum der Bilder" heute einnimmt: "Mit technologischem Pathos
versprechen sie die Befreiung von der Referenz auf die reale Welt. Sie
eröffnen aber keinen Zugang zu einem Jenseits der Bilder, an dem
unsere Begriffe scheitern müssen, sondern sie erweitern nur das
Universum der Bilder, das sich ohnehin seiner Bestimmung nach jenseits
unserer körpereigenen Erfahrung ausdehnt." (S. 81)
Hier wird die
'eigene' raum-zeitliche Dimension menschlichen Im-Raum- und
In-der-Zeit-seins angesprochen aber sie wird der digitalen Vernetzung
als Ort des Imaginären entgegengesetzt. Inzwischen ist diese
Vernetzung längst Teil unseres alltäglichen leiblichen Seins
geworden, ohne dass wir aber dadurch notwendigerweise diesem
dualistischen
Schema unterworfen sein müssen.
Der Raum der Bilder
(auch der
Digitalen) ist weder das "Mentale" - es gibt keine 'mentalen Abbilder'
der 'Wirklichkeit' - noch eine Pseudowirklichkeit namens Cyberspace,
sondern schlicht die Weltbezüge selbst - Hannah Arendt nennt sie
"the web of human relations" -, in bzw. als denen wir leben. Nur wenn
wir
Bilder
dualistisch vom Körper (corpus)
unterscheiden und sie in einer Seele (anima)
oder in einem Surrogaten wie dem Cyberspace lokalisieren oder
'ver-legen', ergeben sich
die Fragen nach dem Verlust des Körpers, oder sogar des
Menschen (und seiner Seele). In Wahrheit findet aber dabei eine
Retroprojektion der
Materialität der Bilder auf die "Materialität" des
menschlichen Körpers statt, wodurch aber nicht nur die
kategorialen Unterschiede, sondern vor allem den Unterschied zwischen
"Bildsein" und "leiblich Existieren" nicht mehr gesehen wird.
Warum
können wir Bilder machen? Was heißt ein zoon eikopoietikos
sein? Offenbar nur weil wir Abwesendes in der Anwesenheit
wahr-nehmen können, falls der Begriff zoon hier nicht zu kurz greift,
indem das Bildermachen von der Animalität eines Lebewesens her
(miß-)verstanden wird.
Fazit
Inwiefern entwirft
Beltings "Bild-Anthropologie" das Sein der
Bilder und das Sein des Menschen auf der Grundlage einer
"Vorhandenheitsontologie" trotz der Hauptthese des Buches, dass Bilder
und Körper sich kategorial und eben nicht existential
unterscheiden? Wie läßt sich im Rahmen einer von Belting
angesprochenen geschichtlichen
Bildpragmatik das Sein der Bilder in ihrem jeweiligen Um-zu
einer Bedeutungsganzheit, d.h. einer Welt, erfassen? Welche Botschaften
'übertragen' Bilder bzw. wie sind Bilder im Luhmannschen Sinne als
"Mitteilungen" aufzufassen? Diese Fragen gehören zu einer
künftigen Angeletik
als
Bildpragmatik.
Für Hartmut
Böhme ("Was sieht man, wenn man sieht? Zur
Nutzung
von Bildern in den neuzeitlichen Wissenschaften" F.A.Z. 8.1.2005, Nr.
6, S. 38) haben wir auf der Grundlage neuzeitlicher Erfindungen wie
Teleskop und Mikroskop sowie der heutigen Bildgenerierung aufgrund von
interpretierten Computergraphiken, längst den Raum des Sichtbaren
verlassen, um in den Bereich des Unsichtbaren (aber nicht deshalb
Metaphysischen) vorzustoßen. Die heutigen elektronisch erzeugten
Bilder des unendlich Großen und Kleinen haben nicht mehr den
Evidenzrang, den Bilder früher hatten. Böhme schreibt:
"In
Wahrheit operieren die Wissenschaften heute in Welten, die bilderlos
sind. Niemals hat es einen radikaleren Ikonoklasmus gegeben als
denjenigen, den die modernen Naturwissenschaften der Bildkultur
zugefügt haben. Die Computeranimationen, die uns die sinnliche
Nähe zu irgendeinem Objekt vorgaukeln, sind nur die exoterische
Maske de absoluten Unsichtbarkeit, in die wir vorgestoßen sind.
Der kühne Gedanke des Bilderverbots, das den deus absconditus mit absoluter
Undarstellbarkeit umschloß, erscheint von heute her als eine
Vorahnung, daß es ein Bild der Welt, ein Welt-Bild, nicht geben
kann. Unfähig, den Globus friedlich einzurichten steht der Mensch
heute zugleich in einer göttlichen Welt des Bildlosen und des
grenzenlosen Schweigens. Daß alle Dinge einen Mund zur
Offenbarung hätten, also stimmhaft wären, oder in
physiognomischen Signaturen bildhaft sich mitteilen: dies sind
ästhetische Träume der Vergangenheit.
Vorgestoßen
in die
Nano- und die Makrowelt, hat der Mensch sich selbst verlassen - oder
überstiegen. Vom Weltvertrauen bleibt nichts als das Vertrauen in
die Maschinen, die wir selbst gebaut haben, die aber ebenso
menschenfremd sind wie die Welten, deren spurlose Spuren sie zu Daten
verwandeln. Vielleicht ist dieser Vorstoß in die
äußerste Selbstentfremdung die letzte Bedingung oder Chance,
endlich auf dem Planeten Erde anzukommen."
Diese Ankunft setzt
aber voraus, dass wir allmählich das
Zeitalter der Welt als Bild und Vorstellung oder "die Zeit des
Weltbildes" (Heidegger) verlassen indem wir uns der existentiellen
Erfahrung der Leere öffnen, die uns jetzt auch von den
Wissenschaften
in all ihre Tiefe und Weite eröffnet wird. Dies bedeutet nicht
mehr und nicht weniger als eine erneute tiefe "Kränkung" (Sigmund
Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, 18)
diesmal unseres Einbildungsvermögens, neben den Kränkungen,
die Kopernikus, Darwin und Freud selbst bewirkt haben.
Im Mittelpunkt
menschlichen Existierens steht kein Bild und am
allerwenigstens ein Menschenbild oder gar ein Weltbild. Die ethische
Maxime: Du sollst Dir kein
(Vor-)Bild von Dir machen! bedeutet nicht, dass wir auf Selbst-
und Fremdbilder verzichten, sondern nur, dass wir sie nicht (mehr) in
den Mittelpunkt stellen (wollen). Bevor wir uns Vorbilder von den
Dingen machen, müssen wir lernen, die Dinge "auf dem Planeten
Erde" sich uns vorstellen zu lassen, ihnen selbst also und nicht nur
ihre Bilder, in ihrer je eigenen Würde zu begegnen, was aber nicht
heißt, uns ihren "Gewalten" auszuliefern.
Dafür ist es aber
wiederum notwendig, dass wir in den Zwischenraum, den wir miteinander
teilen, all jene Kühle (und coolness!),
Tiefe und Rätselhaftigkeit des bildlosen unendlich Kleinen und
Großen, die wir auf der Basis moderner Wissenschaft und Technik
erfahren, Einlaß geben - mit welcher Art von Bildern auch immer!
Unsere Existenz und die Welt, die wir mit anderen teilen, wird
sicherlich nicht weniger rätselhaft, wenn wir nicht mehr an unsere
Bilder unumstößlich glauben.
Anhang
I.
Schlussdihairese
des Sophisten (264c-268d)
Hervorbringende Kunst (poietike)
1) göttliche (theie):
- eigentl. Schaffen (autourgike)
- Bilderproduktion (eidolopoiike)
2) menschliche (anthropine)
- eigentl. Schaffen (autourgike)
- Bilderproduktion (eidolopoiike)
--
ebenbildn. (eikastikon)
-- scheinbild. (phantastikon)
--- Scheinbildherstellung mit Werkzeug (ohne Namen)
--- Nachahmung (mimesis)
----kundig (historike)
----Meinungsnachahmung
(doxomimetike)
-----naive Nachahmer (haplous mimetes)
-----ironischer (sich verstellender) Nachahmer (eironikos mimetes)
------Volksredner (demologikos)
------Sophist