1. EINLEITUNG
Ultima
latet
Wo kommt sie her – die Angst? Bei kaum einer
anderen Stimmung, sei es Liebe oder Haß, Freude oder Trauer,
Neugier oder Selbstzufriedenheit, beschäftigt uns diese Frage nach
der Herkunft so vordergründig wie bei der Angst. Warum? Vielleicht
weil sie – die Angst – uns immer
unheimlich
vorkommt. Ihre Unheimlichkeit scheint mir darin zu beruhen, daß
sie, im Unterschied zu anderen Stimmungen, jede Antwort nach ihrer
Herkunft abzuweisen scheint. Noch radikaler: Sie scheint sich über
die illusorischen Hoffnungen zu mokieren, mit denen wir die Frage nach ihrer Herkunft
verbinden. Natürlich lassen wir uns diese Frage nicht so schnell
verbieten, sondern versuchen sie, individuell und kollektiv,
dahingehend zu beantworten, daß wir auf gegenwärtige,
vergangene oder künftige Situationen oder Ereignisse reflektieren,
die dann als (mögliche) Ursache dieser Stimmung gelten. So lasen
wir vor kurzem ein Gespräch zwischen Helmut Schmidt und
Carl-Friedrich von Weizsäcker, in dem es um die Angst vor einem
neuen Krieg ging (1). Das ruft natürlich die Erinnerung an
vergleichbare Katastrophen der Vergangenheit und zwar nicht nur der
kriegerischen hervor. man kann sie nachlesen, die Beschreibungen der
Ängste vor Pest und Hunger, dem apokalyptischen Weltuntergang und
der Hexerei, den Naturkatastrophen und dem Massenwahn (2). Und wie
steht es mit unserer Gegenwart? Chemieunfälle,
Reaktorkatastrophen, Atomwaffen... das fordert auf der einen Seite,
etwa
wie bei Günther Anders (3), zum entschiedenen Widerstand heraus.
Auf der anderen Seite aber, werden die Angstmacher und
Katastrophenbeschwörer entlarvt und die Risiken, die Angst
hervorrufen, in ein "gesamtgesellschaftliches" Bild einer
"Risikogesellschaft" (Ulrich Beck) (4) integriert.
An dieser Stelle vermuten wir, daß die Frage nach der Herkunft
der Angst uns von ihr wegführt, daß sie also, mi anderen
Worten, genau das erreicht, was sie vorhat: Uns Angst vor ihr selbst zu
machen! Wollen wir sie ergründen, müssen wir also auf sie
zugehen. Wir müssen sie erscheinen lassen, wo und wie sie sich
zeigt.
Wo zeigt sich die Angst? Antwort: In der Brust. Das steckt schon in
ihrem Namen: anchein bedeutet
würgen, drosseln. Sie packt uns da, wo wir am verwundbarsten sind,
an unseren Atmungs- und Herzfunktionen. Anxietas, angustia, anxiety, angoisse,
so lauten einige ihrer späteren Namen (5). Nun man könnte
hier
einwenden, daß es eine ganze Reihe von verwandten Begriffen gibt,
deren Bedeutunten auf vielfältige Weise und in einer schwer
entrinnbaren Entwicklung mit dem Begriff der Angst zusammenhängen.
Das sind im Griechischen vor allem deos
und phobos,
die im Lateinischen mit timor,
metus, terror, horror, pavor und angustia zum Vorschein kommen. Phobos wurde, wie Wolfgang
Schadewaldt bemerkt (6), seit Lessing durch Furcht wiedergegeben, doch der von
Moses Mendelssohn gebrauchte Schrecken
entspricht eher dem stärkeren Sinn, den dieser
Begriff ebenfalls bei Homer bis zu Aristoteles aufweist (7). Diese
umfassende Bedeutung, die also die der "abgeschwächten" Furcht in sich schließt,
kommt, wie noch zu zeigen ist, in Platons Erörterungen zur
Sprache. Die stärkere Bedeutung faßt Bruno Snell bei
Aischylos als Angst auf (8).
In der Gegenwart ist es inzwischen usus
geworden, terminologisch
zwischen Angst und Furcht zu unterscheiden,
wenngleich dieser Unterschied vom allgemeinen Sprachgebrauch her nicht
zu rechtfertigen ist (9). Demnach bezeichnet Furcht einen objektbezogenen Affekt, Furcht vor
bestimmten Dingen also, während Angst
sich auf die Welt als Ganzes bezieht. Der Antike wird
gewöhnlich die Thematisierung der Furcht (sowie der
entgegengesetzten sittlichen Tugend der Tapferkeit und des Mutes)
zugesprochen, während das Phänomen der Welt-Angst mit dem Einfluß
des Christentums beziehungsweise der Weltüberwindung
(Angst vs. Glauben) einsetzt. (10)
Es liegt dabei nahe, bei Platon die "objektbezogene" Furcht und bei
Heidegger die Angst vor dem Sein in der Welt zu vermuten. Wir
würden uns aber, glaube ich, täuschen, wenn wir diese
Begrifflichkeit dem einen oder anderen Denker vorbestimmen, anstatt uns
jeweils von der behandelten Sache selbst führen zu lassen.
Entscheidend scheint mir dagegen das klare Bewußtsein, daß
es sich bei diesen Analysen um die Auseinandersetzung zweier Denker mit dem Phänomen der
Angst handelt. Das ist nicht trivial, wenn wir überlegen,
daß Platon gewissermaßen den Übergang vom Mythos zum
Logos vollzieht. Die von Platon (über Aristoteles) ausgehende
Auswirkung findet in Heidegger, d.h. im Denken am (und vom) "Ende der
Metaphysik", eine radikale der von Platon selbst vollzogenen
vergleichbaren Wende (11).
Wenn wir uns also fragen, wie die Angst im metaphysischen und im existenzialen Denken jeweils zur
Sprache kommt, dann im Bewußtsein, daß beides zu unserem Denken, d.h. zu
der Tradition, in der wir eingebettet sind, gehört. Diese
hermeneutische Prämisse sollten wir uns vor Augen halten, gerade
wenn wir das Eigene des Platonischen bzw. des Heideggerschen Denkens
über die Angst erfassen wollen.
Inwiefern ist aber ein Denken über
die Angst möglich? Sind nicht Affekte und Stimmungen seit eh und je mit dem Denken, der Ratio verfeindet? Es ist also hier
auf der einen Seite die Frage, ob das Denken uns die Angst unter einem
"radikalen Aspekt" erscheinen lassen und dadurch Auskunft über
ihre Herkunft geben
könnte. Gerade solche Radikalität
ist die, die vom philosophischen Denken erwartet wird.
Das heißt gewiß nicht, daß wir vom Denken eine
sozusagen endgültige Auskunft
erwarten dürfen, sondern umgekehrt: Wir erwarten vom Denken eine
Infragestellung solcher "Antworten". Auf der anderen Seite stellt sich
die Frage, ob dieses Sicheinlassen des Denkens in ein ihm
vordergründig fremd scheinendes "Gebiet", das der Affekte also, nicht gerade jene
Teilung fragwürdig macht, an der wir vielleicht nicht nur
individuell, sondern auch kollektiv leiden.
2. PLATON ODER
DIE METAPHYSISCHE HERKUNFT DER ANGST
2.1
Homer und die Tragödie
Bevor wir uns unmittelbar mit dem Denken Platons beschäftigen,
scheint es mir notwendig, zumindest die Tradition anzudeuten, vor deren
Hintergrund die platonische Thematisierung der Angst stattfindet. Diese
Tradition ist eine doppelte, nämlich die homerische und die der
attischen Tragödie.
In der Mythologie ist Phobos,
die Furcht, Sohn und Begleiter des Ares
und Bruder des Deimos,
des Schreckens. So berichtet Hesiod:
"[...]
Dem Schilderzerschmettrer
Ares gebar
Kythereia die Furcht und den Schrecken, die schlimmen
Kinder;
sie tummmeln der Männer gedrängte Reihen im argen,
Grausigen
Kampfe dahin mit dem städtezerstörenden
Ares;[...]" (Theog. 933ff)
Der ursprüngliche Tummelplatz der Angst ist also der Krieg. Mit
folgenden Worten beschreibt Homer die Aigis,
jene schildartige Wunderwaffen des Zeus, die alles in Sturm
umhüllte und die zu einem typischen Attribut Athenas wurde:
"Aber
Athenaia, die Tochter des Zeus, des Aigishalters,
Schüttete
hin das weiche Gewand auf des Vaters Schwelle,
Das
bunte,
das sie selbst gemacht und gefertigt hatte mit den Händen,
Tauchte
dann in das Panzerhelm des Zeus, des Wolkensammlers,
Und
rüstete sich mit Waffen zum Krieg, dem tränenreichen.
Und
um die
Schultern warf sie die Aigis, die mit Quasten besetzte,
Die
furchtbare, welche rings Phobos, der Schrecken, umkränzt.
Auf
ihr
ist der Streit, auf ihr die Abwehr und der schaurige Angriff,
Auf
ihr
das Haupt der Gorgo, des furchtbaren Ungeheuers,
Furchbar
und schrecklich, das Zeichen des Zeus, des Aigishalters." (Il. 5, 733ff)
Furcht und Schrecken umgeben auch das Haupt der Gorgo am Schild des Agamemnon (Il. 11, 37). Sie
stürzen
sich mit Ares in das
Schlachtgetümmel und bringen den thymós,
d.h. jenen Sitz der Affekte, etwa des Zorns oder eben auch der Angst,
in Aufruhr.
So beschreibt Idomeneus, der
Anführer der Kreter, den leibhaftigen Unterschied zwischen dem
feigen und dem mutigen Krieger:
"Denn
bei dem Schlechten verändert sich bald so, bald
so die Farbe,
Und
nicht
hält ihn zurück der Mut im Innern, daß er still sitzt,
sondern
er
kauert unruhig und sitzt wechseln auf beiden Füßen,
Und
drinnen schlägt ihm das Herz in der Brust gewaltig,
Die
Todesgöttinnen ahnt er, und es gibt ein Klappen der Zähne.
Bei
dem
Tapferen ändert sich nicht die Farbe, und nicht zu sehr
Fürchtet
er sich, wenn er einmal sitzt in der Lauer der Männer,
Sondern
betet, daß man aufs schnellste sich vermischt im leidigen Kampf."
(Il. 13, 278ff)
Dennoch kann Phobos, "stark
und furchtlos", auch einen standhaften Kämpfer in Schrecken
versetzen (Il. 13, 299). So zum Beispiel als der verwundete Odysseus vor den flüchtenden
Argeier mitten im Kampf allein gelassen wird:
"Allein
gelassen war Odysseus, der speerberühmte, und
keiner
Der
Argeier harrte aus bei ihm, denn Phobos hatte alle ergriffen.
Und
aufgebracht sprach er zu seinem großherzigen Mute (thymon):
'O
mir,
ich! was wird aus mir? Ein großes Übel, wenn ich fliehe
Vor
der
Menge, in Furcht! Doch schauriger, wenn man mich fängt,
Allein,
und die anderen Danaer scheuchte Kronion.
Aber
was
redet mein Mut mir da für Dinge?
Weiß
ich doch, daß nur schlechte aus dem Kampfe weiche.
Wer
aber
Erster ist in der Schlacht, für den ist es durchaus not,
Standzuhalten
mit Kraft, ob er getroffen wird oder einen anderen trifft." (Il. 11,
401ff)
Hervorzuheben ist dabei, daß Odysseus
Gefühle und Gedanken "im Sinn und im Mute" (kata phrena kai kata thymon)
erwägt,
daß also die Affekte den Verstand gewissermaßen
schärfen oder auch lähmen, so daß das Ringen im thymós den Menschen vor eine
ethische Entscheidung stellt. Ein solcher "innerseelischer" Dialog kann
sich durchaus intersubjektiv abspielen.Als Odysseus Achilleus und Agammemnn in der Unterwelt trifft,
erzählt Agammemnon, wie
die Achaier bei der Bestattung des Achilleus
sich vor den einsetzenden Meeresfluten, die Thethis, Achilleus Mutter, aus Trauer um
ihrem Sohn verursachte, fürchteten und zu den Schiffen geflohen,
wenn sie nicht durch Nestors Rat
aufgeklärt worden wären (Od. 14, 47ff).
Wir sehen also, daß gegenüber dem Phobos sich die
kriegerische areté,
d.h. der Mut und die Tapferkeit, im thymós
erhebt, Dies geschieht in einem durchaus dialogischen
Ringen um die Bändigung des Phobos
durch das Einflößen der sittlichen Scham (aidós) in den Mut. Folgende
Worte des Aias fassen diesen
Kerngedanken zusammen:
"Freunde!
seid Männer und legt euch Scham in den Mut!
Und
habt
Scham voneinander in den starken Schlachten!
Da,
wo
Männer sich schämen, werden mehr gerettet als getötet;
Den
Fliehenden aber erhebt sich weder Ruhm noch Rettung!" (Il. 15, 161ff)
Neben dieser Einbettung von Angst und Mut in der kämpferischen
Ethik der homerischen Gesänge möchte ich auf die Bedeutung
des phobos in der attischen
Tragödie hinweisen. Es war Aristoteles, der in seiner Poetik (VI, 1449 b 26)
jene berühmte Defnition der Tragödie aufstellte, in der von
der Reinigung der Affekte (pathematon
katharsin) mit Hife von "Mitleid und Furcht" (di' elou kai phobou) die Rede ist
(12). Diese zentrale Rolle des Phobos
in der Tragödie läßt sich an
unzähligen Stellen nachweisen. So teilt uns der Wächter zu
Beginn der Oresteia folgendes
mit:
"Die
Götter bitt ich um Erlösung dieser Mühn
Der
langen
Jahreswache, die ich, lagernd hier
Im
Dach
des Atreushauses wie ein Wächterhund,
Der
stillen Sterne Nachtverkehr mit angesehn,
Und
die
den Menschen Winter bringen und Sommerzeit,
Die
hellen
Führer, funkelnd durch des Äthers Raum.
[...]
Und
halt
ich so hier meine nachtgestörte Ruh,
Vom
Tau
durchnäßt, nie mehr von Träumen aufgesucht,
So
steht
ja statt des Schlafes neben mir die Furcht,
Zufallen
könnte gar im Schlaf mein Augenlid." (Agamm. 1 ff)
Und so ruft der Chor der Kassandra, die das kommende Unheil vorhersieht:
"Nicht
großer Kunde rühm ich mich im Deuten von
Orakelsprüchen;
doch ein Unglück ahn ich hier!
Wo
ist ein
freundlich Wort von den Orakeln je
Den
Sterblichen gesandt? Im Leid selber erst
Lassen
verstehen die vieldeutigen Sprüche
Die
gottgeweissagte Furcht!" (Agamm. 1130ff)
In Die Sieben gegen Theben
(287ff) spricht der Chor seine Angst (phoboi)
vor den sich annähernden Feinden so aus:
"Ich
will's; doch Angst läßt der Brust keine Ruh;
Meines
Herzens Nachbar, die Sorge,
Wecket
mein Verzagen."
Furcht durchzieht König
Ödipus, der unerbittlich die Frage nach ihrer Herkunft, die
zugleich die Frage nach Ödipus'
Herkunft ist, stellt. Bei der Nachricht über Polybos' Tod, den
angeblichen Vater Ödipus, entfacht sich der folgende "furchtbare"
Dialog:
"Iokaste:
Hab ich dir dies nicht längst vorher gesagt?
Ödipus:
Du sagtest es! Ich aber war von Angst (phobo) beirrt.
Iokaste:
Nimm nun von diesem dir nichts mehr zu Herzen! (es thymón)
Ödipus:
Und wie soll vor der Mutter Bett nicht bangen mir?
Iokaste:
Was fürchtet (phoboit) denn der Mensch! für den die Dinge
Des
Zufalls herrschen, aber sichere Voraussicht
Für
nichts besteht! Dahin zu leben, ist das Beste,
Wie
immer
einer kann! - Du aber habe
Der
Ehe
mit der Mutter keine Angst! (me phobou)
Schon
viele von den Sterblichen haben auch in Träumen
Gelegen
bei der Mutter! Doch wer diese Dinge
Für
nichts nimmt, trägt am leichtesten das Leben!
Ödipus:
Schön wär all das gesagt von dir - wenn nicht am Leben
Die
Mutter
wäre! jetzt hingegen, da sie lebt,
Ist
aller
Zwang, so schön du sprichst: zu bangen!
Iokaste:
Dann ist fürwahr! ein großer Trost des Vaters Grab!
Ödipus:
Ein großer! wohl! doch auf die Lebende geht die Furcht! (phobos) (Soph., Ödyp. 973ff))
Und, schließlich, vor der schrecklichen Beschreibung von Medeas' Taten äußert der
Bote sein Entsetzen über Medeas
Genugtuung:
"Was
redest du? Ich weiß nicht, bist du bei Verstand?
Bist
du
von Sinnen? tilgest aus des Königs Haus
Und
freuest dich darüber? Hast du keine Furcht (phobei)?" (Eurip. Medea 1129ff))
2.2 "Protagoras"
Vor
diesem Hintergrund wenden wir uns jetzt Platon zu. Es mag auf den
ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, die Frage nach der Angst in
den Platonischen Dialogen aufzuspüren. Dennoch bietet Platon die
(vermutlich) erste umfassende philosophische Auseinandersetzung mit der
überliefer- ten Auffassung der Angst im Rahmen der kriegerischen areté.
Eindrucksvoll zeigt sich diese Auseinandersetzung im Protagoras, in jenem Dialog also,
in dem Platon eine erste Generalabrechnung mit den Sophisten
durchführt. Es geht dabei u.a. um eine grundsätzliche Debatte
über die beste Ordnung der Gemeinschaft. Diese Debatte findet in
einer Zeit des Umbruchs bzw. der Krise der Adelsgesellschaft statt.
Neue Gesellschaftsentwürfe sind nötig, die nicht nur der
"Mutterpolis", sondern auch den Kolonien zugrundegelegt werden
können. Das Modell des Heerlagers und die damit
zusammenhängenden Tugenden, allen voran, wie wir sahen, die
Überwindung des phobos durch
Mut (thymós) oder, mit
anderen Worten, die Tugend des Kampfmutes angesichts der Todesangst,
müssen dementsprechend neu reflektiert werden. Homer kann also
nicht mehr "kritiklos" übernommen werden. Dabei stellt sich die
Frage, ob und wie der Stadtbürger zur Tugend (zu welcher?) erzogen
werden kann. Protagoras' Lehre ("aller
Dinge Maß ist der Mensch") zielt darauf hin, einzelne
menschliche Begabungen durch Erziehung (paideia), d.h. durch Lehre und
Übung, zu vervollkommnen, so daß der Mensch zum
tüchtigen und gerechten Bürger wird.
Sokrates' Frage ist aber, ob die so gelehrten Tugenden in ihrer
losgelösten Vielfalt nicht dasjenige preisgeben, was ihre
gemeinsame Grundlage bildet, nämlich "Weisheit" (sophia) und "Besonnenheit" (sophrosyne) (Prot. 332a).
Anhand des Mythos von Epimetheus und
Prometheus zeigt
Protagoras, daß es über die bío sophían, also
das Wissen um die "kunstreiche" Gestaltung der Welt (entechnon sophían) hinaus,
eine von Zeus über Hermes geschickte zusätzliche
sophía gibt, die politiké sophía, die zar in allen
Menschen in Form von Recht und Scham (dikén
kai aido) eingepflanzt
ist, die aber erst durch Unterricht zur Entfaltung kommt (Prot. 321c).
Es ist
diese politiké techne,
wozu auch die polemiké techne,
also die Kriegstechnik gehört, die die Grundlage für das
Gemeinwesen (polis) bildet.
Sokrates sieht in dieser Argumentation gerade den Beweis dafür,
daß die Tugenden letztlich nicht lehrbar sind, d.h. daß die
Menschen nicht durch Erziehung gut werden. Am Beispiel der Tapferkeit (andréia) zeigt Protagoras,
daß diese Tugend (areté)
sich von Weisheit (sophía), Besonnenheit (sophrosyne) und Gerechtigkeit (dikaiosyne) erheblich
unterscheidet, womit er also sagen will, daß um sie zu erlernen
keine unmittelbare Verbindung mit diesen anderen Tugenden nötig
ist. Beweis?
"Du
wirst nämlich viele Menschen finden, welche sehr
ungerecht sind und sehr ruchlos, sehr unbändig und sehr
unverständig, tapfer aber ganz ausgezeichnet." (Prot. 349d)
Die von Sokrates gezogene Schlußfolgerung, daß nämlich
dann die Dreisten auch die Tapferen wären, läßt
Protagoras nicht gelten, da die Tapferkeit wohl "aus der Gutartigkeit
und Wohlgenährtheit der Seele" entsteht (Prot. 351b). Sokrates
Argumentation zielt aber darauf hin, die Untrennbarkeit der Tugenden in
bezug auf ihre gemeinsame Wurzel, nämlich die Erkenntnis (episteme), nachzuweisen, um dadurch
Protagoras zu zeigen, daß seine Position unhaltbar ist. Beide,
Sokrates und Protagoras, halten die Erkenntnis für die
beherrschende Kraft im Menschen. Das unterscheidet sie von "den Vielen":
"Die
meisten nämlich denken von der Erkenntnis so
ungefähr, daß sie nichts Starkes, nichts Leitendes und
Beherrschendes ist; und sie achten sie auch gar nicht als ein solches,
sondern meinen, daß oft, wenn auch Erkenntnis im Menschen ist,
sie ihn doch nicht beherrscht, sondern irgend sonst etwas, bald der
Zorn, bald die Lust, bald die Unlust, manchmal die Liebe, oft auch die
Furcht (phobon), so daß
sie offenbar von der Erkenntnis denken wie von einem elenden Wicht,
daß sie sich vonallem andern herumzerren läßt.
Dünkt nun auch dich so etwas von ihr, oder vielmehr, sie sei etwas
Schönes, das wohl den Menschen regiere, und wenn einer Gutes und
Böses erkannt habe, werde er von nichts anderem mehr gezwungen
werden, irgend etwas anderes zu tun, als was seine Erkenntnis ihm
befiehlt, sondern die richtige Einsicht sei stark genug, dem Menschen
durchzuhelfen?" (Prot. 352b ff)
Wenn also sophía und episteme das Mächtigste im
Menschen sind, dann kann er auch seine Handlungen danach richten, dann
ist "das Sichselbstbeherrschen nichts anderes als Weisheit" (Prot.
358c). Mit
anderen Worten, es liegt in unserer Macht, dem Bösen bzw.
Übel niemals freiwillig zu folgen. Was aber, fragt Sokrates, ist
Angst und Furcht (déos kai
phóbon) anderes, als "die Erwartung eines Übels?" (prosdokían [...] kakou") (Prot. 358d). Protagoras
hatte
bereits zugegeben, daß die "keckeren" Tapferen mit einem Mangel
an Kenntnis bzw. mit einem "Sich-selbst-nicht- beherrschen-können"
behaftet sind. Diese Unwissenheit müssen wir also auch im Falle
der Feigen voraussetzen, während die Tapferen es sind, die das
"Gute" und "Schöne" am Krieg erkennen (Prot. 360a). Heißt
das,
daß die Tapferen sich überhaupt nicht fürchten? Sie tun
es, aber nicht mit einer "schlechten" d.h. unwissenden Furcht,
sondern mi einer "guten" oder "wissenden". Feigheit und Tapferkeit
beruhen also auf Unkenntnis bzw. Kenntnis (sophía) dessen, was
furchtbar (deinon) ist (Prot.
360d).
Damit ist aber die These Protagoras' von der Trennung zwischen
Tapferkeit und Weisheit in Frage gestellt. Der These, daß
Tapferkeit zwar lehrbar aber keine Erkenntnis sei, setzt Sokrates seine
Auffassung entgegen, daß Tugend Erkenntnis ist. Diese auf
Erkenntnis beruhende einheitliche Auffassung von Tugend kann aber nicht
mehr im selben Sinne lehrbar sein, wie etwa die Vermittlung des
Fachwissens durch die Sophisten, sondern bedarf einer "höheren" paideia, die auf das Gute
schlechthin mittels der Methode der "Erweckung" (anamnesis) abzielt.
Wir sehen also, wie die Angst nicht mehr vom thymos, vom kriegerischen Mut her
aufgefaßt wird. Im Mittelpunkt ihrer Bewältigung steht jetzt
ein ethisches Erkenntnisideal,
das auch die "mittleren Ziele" der Sophisten übersteigt.
Wo kommt sie her – die Angst?
Platons
Antwort: aus der Unwissenheit. Das Wissen bewirkt ihre Verwandlung in
eine "gute Angst". Der Tapfere weiß zwischen "Gutem" und
"Schlechtem" zu unterscheiden und schöpft aus dieser Kenntnis
seine Kraft, wodurch er die Angst um des Guten willen überwinden
kann.
"Als größte Gefahr", wie Wandruszka richtig folgert,
"fürchtet der Tapfere die Schande, die der Feige nicht als das
schlimmste Übel erkennt. Diese Tapferkeit ist die klare Erkenntnis
des sittlichen Gebots, also etwas ganz anderes als der triebhafte Mut."
(13) Der Name dieser über sich hinausführenden also meta-physischen Haltung ist
"Selbstbeherrschung" (kreitto eautou)
(Prot. 358c). Macht und Erkenntnis (sophia)
hängen hier eng zusammen. Deshalb zieht Sokrates, am Schluß
des Dialogs, den "vorausdenkenden" Prometheus
dem "spät bedendenken" Epimetheus vor. Das heißt,
derjenige ist tapfer, der über die augenblickliche Gefahr hianus-
bzw. vorausblickt. Dadurch legt er einen
Maßstab an, anstatt sich vom wechselnden Maß
des Gegenwärtigen täuschen zu lassen. So bleiben also Angst
und Tapferkeit aufeinander angewiesen, indem der Tapfere mittels seines
Wissens sich vor einem Größeren fürchtet und somit
einer "guten Angst" fähig wird. Wandruszka assoziiert mit Recht in
diesem Zusammenhang die berühmten Worte des Perikles: "Denn auch
dies ist unsere Art: da am freiesten zu wagen, wo wir am besten
durchdacht haben; bei anderen aber erzeugt nur die Unkenntnis den
Wagemut, die Überlegung jedoch Zagen. Die seelische Kraft derer
wird wohl mit Recht als die stärkste gerühmt, die das
Schreckliche wie das Süße mit voller Klarheit erkennen und
doch sich keiner Gefahr entziehen." (Wandruszka, op.cit. 154).
2.3 "Laches"
Im Dialog Laches wird
dementsprechend die These widerlegt, daß
derjenige tapfer ist, der "die Feinde abzuwehren und nicht zu fliehen"
wisse (Laches 190e). Wenn Tapferkeit mit Erkenntnis (nous) Hand in Hand geht, dann folgt
daraus, daß etwa bei Tieren nicht von Tapferkeit, sondern
lediglich von Furchtlosigkeit (aphobos)
(Laches 197b) die Rede sein kann.
"Denn
Tapferkeit und Vorsicht (promethías)
findet sich nur
bei sehr wenigen, denke ich; Verwegenheit aber und Kühnheit und
furchtloses Wesen mit Unvorsichtigkeit bei gar vielen Männern
sowohl als Frauen und Kindern und Tieren." (Laches 197b)
So die Antwort des Nikias,
der, neben Laches, zu den
Feldherrn von Athen zählte.
Die Gleichsetzung von Tapferkeit mit der Erkenntnis des Guten und
Bösen führt dann zu der Schlußfolgerung, daß
Tapferkeit nur zum Teil, genau zu einem Drittel, mit der Furcht zu tun
hat, danämlich die Furcht "die Erwartung eines bevorstehenden
Übels" ist (déos gar
einei prosdokían méllontos kakou) (Laches 198b),
sittliche
Erkenntnis gilt aber ebenso für Vergangenes und
Gegenwärtiges. Daraus folgt wiederum daß Tapferkeit in
diesem umfassenden Sinne mit der Tugend insgesamt gleichzusetzen
wäre, wodurch dann aber der Versuch sie in ihrer Spezifizität
zu kennzeichnen, scheitert.
Im "Laches" zeigt uns Platon,
erneut nicht nur die Relativierung der Angst gegenüber dem Wissen,
sondern auch die der Tapferkeit im engeren Sinne, also in ihrem
ausschließlichen Bezug zur Angst, gegenüber einer Ausweitung
auf den gesamten Bereich der Sittlichkeit. Der thymos, die Tapferkeit im engeren
Sinne, wird metaphysisch heruntergestuft: er steht auf einer Ebene mit dem Kampfmut der
Tiere sowie mit der kindlichen Furchtlosigkeit. Die wahre andreia ist durch die wissende
Auseinander- setzung mit dem gefürchteten Gegenstand bzw. mit der
Angst selbst gekennzeichnet. Die Erörterungen im "Laches" münden in die Frage
nach der Erziehung der Jugend, die wiederum die Frage nach Erziehung
der (künftigen) Lehrer voraussetzt.
2.4 "Phaidros"
Das berühmte Gleichnis der Bändigung des ungezügelten
Rosses (Phaidros 253d ff) bringt jene metaphysische Angst beim Anblick
des Guten und
Schönen zum Vorschein, die die Voraussetzung für die areté, d.h. für die
sittliche Bändigungskraft bildet:
"Indem
der Führer sie (d.h. des Lieblings
glänzende Gestalt) erblickt, wird seine Erinnerung hingetragen zum
Wesen der Schönheit, und wiederum sieht er sie mit der
Besonnenheit (sophrosynes) auf
heiligem Boden stehen. Dieses erblickend fürchtet er sich (édeise), und von Ehrfurcht
durchdrungen beugt er sich zurück und kann sogleich nicht anders,
als so gewaltig die Zügel rückwärts ziehen, daß
beide Rosse sich auf die Hüften setzen, das eine gutwillig, weil
es nie widerstrebt, das wilde aber höchst ungern. [...] Hat nun
das
böse Roß mehrmals dasselbe erlitten und die Wildheit
abgelegt, so folgt es gedemütigt des Führer Überlegung (pronoia) und ist beim Anblick des
Schönen von Furcht übermannt (phobo diollutai)." (Phaidros 254 b
ff)
Es ist also die Furcht vor dem Schönen und Guten, die "gute"
Angst, die des Führers Herrschaft und Überlegenheit
begründet. Beim Anblick des Schönen, das den Menschen
zugleich (!) in den Zustand der Angst und der Liebe (eros) versetzt, gilt es für
den aus Liebe Wahnsinnigen, der den Geliebten "erobern" will, sich und
den Geliebten zu "transzendieren". Durch seine liebende Furcht bewirkt
er auch die "metaphysische" Bändigung des Rosses des Liebhabers,
der ebenfalls "von Furcht übermannt" wird. Er geht dem Geliebten
"verschämt und nüchtern" nach, geleitet von dieser sozusagen
"göttlichen Angst", die dem Geliebten auch ermöglichen wird,
den Sieg davon zu tragen, d.h. die Befreiung vom Schlechten um "sicht
selbst beherrschend" sittsam zu werden (enkrateis auton kai kosmioi ontes).
(Phaidros 256b)
2.5 "Politeia"
So ist dieser liebende Kampf der eigentliche "Ort" menschlicher Tugend,
wo die Tapferkeit das Ziel der Selbstbeherrschung nur um den Preis
erreicht, daß sie sich von der Furcht beim Anblick des
Schönen besiegen läßt. Mit der Beschreibung dieses
"wahrhaft olympischen" Kampfes stellen sich für Platon Angst und
Tapferkeit in dieser ethischen Sphäre "außerhalb" bzw.
"über" den kriegerischen thymos
Homers. Dennoch verliert dieser nicht völlig seine
Funktion. So fordert Platon in der "Politeia"
in Bezug auf die Wehrmänner sowohl die andreia als auch den thymos:
"Wird
aber wohl tapfer (andreios)
sein wollen, was nicht eifrig (thymoeides)
ist, mag es nun ein Pferd sein oder ein Hund oder was sonst für
ein anderes Tier? Oder hast du nicht bemerkt, wie ganz unbezwinglich
und unüberwindlich der Eifer (thymos)
ist, mit welchem ausgerüstet jede Seele furchtlos (aphobos) ist bei allem und
unbesiegbar." (Pol. 375a)
Die Tapferkeit der Krieger richtet sich also primär gegen die
Feinde und sie besitzt dabei die Eigenschaften des homerischen thymos. Gleichzeitig verlangt aber
Platon, daß der thymos in diesem engen kriegerischen Sinne durch
die Sanftmut "gegen alle Befreundeten" ausgeweitet und mit ihr in
Einklang gebracht wird. Eine solche Einheit findet Platon analogisch
z.B. bei den Hunden (!) vor. Zur Erziehung der Wächter, aus denen
die Herrscher hervorgehen sollen, gehört in diesem Zusammenhang
die Überwindung der Todesfurcht (ton
thanaton dedienai) (Pol. 368a ff). Platon sieht aber in den
homerischen
Beschreibungen der Unterwelt ein Hindernis hierfür:
"Bei
diesem und allem dergleichen, wollen wir den Homeros
und die andern Dichter bitten, uns nicht zu zürnen wenn wir es
ausstreichen, nicht als ob es nicht dichterisch wäre und dem Volk
angenehm zu hören, sondern weil es, je dichterischer, um desto
weniger gehört werden darf von Knaben und Männern, welche
frei gesinnt sein sollen und die Knechtschaft mehr scheuen (pephobemenous) als den Tod." (Pol
387b)
Dementsprechend sind auch "alle schrecklichen und furchtbaren Namen
für diese Gegenstände zu verwerfen" (Pol. 387b) sowie das
Jammern
der Helden, da das Sterben für einen Freund nicht als etwas
Furchtbares (deinon) angesehen
werden soll. Und darüber hinaus: der Tapfere ist autark, d.h. um gut zu leben
bedarf er weder der anderen noch des Besitzes. Über die Wirkung
der Angst in den Homerischen Gesängen sowohl auf den Rhapsoden als
auch auf die Zuhörer schreibt Platon im "Ion":
"Ion:
Wenn ich nämlich etwas Klägliches vortrage:
so füllen sich mir die Augen mit Tränen, wenn aber etwas
Furchtbares und Schreckliches (phoberon
e deinon), so sträuben sich die Haare aufwärts vor
Furcht (phobou), und das Herz
pocht.
[...]
Sokrates:
Und weißt du wohl daß ihr auch unter den Zuschauern gar
viele ebendahin bringt?
Ion:
Gar
sehr weiß ich das. Denn ich betrachte sie jedesmal oben herab von
der Bühne, wie sie weinen und furchbar (deinon) umherblicken und mit
staunen über das Gesagte." (Ion 535c ff)
Die wahre Tapferkeit, die, neben Weisheit, Besonnenheit und
Gerechtigkeit, zu den Kardinaltugenden gehört, ist die, die auf
Erkenntnis beruht. Platon verlangt deshalb konsequent, daß diese
Erkenntnis, welche beständig in Beziehung auf das
Furchtbare (deinon) zu gelten
hat, vom Gesetz ausgehend in die Erziehung fließen soll:
"Diese
solche Kraft und durchgängige
Aufrechterhaltung
der richtigen und gesetzlichen Vorstellung vondem, was furchtbar (deinon) ist und was nicht, nenne
und erkläre ich für Tapferkeit (andreian)." (Pol 430b)
Die "niedere" Angst wird, mit anderen Worten, gesetzlich
gebändigt. Wo die Angst herkommen darf, wird also politisch
bestimmt. Es handelt sich aber um eine durch die Vernunft geleitete
Bestimmung:
"Auch
tapfer also (andreion),
meine ich, nennen wir jeden einzelnen vermöge dieses Teils, wenn
sein Mutartiges (thymoeides)
durch Lust und Unlust hindurch immer treu bewahrt, was von der Vernunft
als furchtbar (deinon)
angekündigt worden ist, und was als nicht." (Pol. 442c)
So ist also die Angst, die dem thymos
entspricht, nicht nur unter der Ägide der andreia, sondern diese ist wiederum
nur in Zusammenhang mit den anderen Tugenden und alle unter der
Herrschaft der Vernunft (upo ton logon)
aufzufassen. Die Vernunft öffnet sich aber der "wahren" Angst, die
aus der Einsicht in das Schöne und Göttliche entsteht, und
läßt sich dadurch, individuell und sozial-politisch sowie
erzieherisch, vom Guten leiten. Dem "unbändigen Rosse", das sich
von der "niedrigen" Angst bzw. vom thymos
leiten läßt, entspricht im politischen
Bereich die Furchtsamkeit der tyrannischen Seele:
"So
komm denn, sprach ich, und betrachte es so. Die
Ähnlichkeit zwischen Staat und Mann im Sinne behaltend und so im
einzelnen der Reihe nach sie betrachtend, gib die Zustände von
beiden an.
- Was
für welche? sagte er.
- Zuerst,
sprach ich, um vom Staate zu handeln, nennst du einen tyrannisch
beherrschten Staat frei oder knechtisch?
- Im
höchsten Grade, sagte er, knechtisch.
[...]
- Und wie?
muß nicht ein solcher Staat und ein solcher Mann immer voller
Furcht (phobou) sein?
- Sehr
notwendig.
- Und
glaubst du daß du in irgendeinem andern mehr Klagen und Seufzer
und Angst (threnous) und Weh
antreffen wirst?
- Nirgends.
- Und
glaubst du, daß dergleichen in irgendeinem andern Manne mehr sein
wird, als in diesem tyraninischen, der von wollüstiger Liebe und
andern Begierden ganz vestört ist?
- Woher
wohl? sagte er." (Pol. 577c ff)
Was bedeutet also, Herr seiner selbst zu sein? Die Antwort auf diese
Frage fängt mit den zwei Arten von Angst eng zusammen.
2.6 "Nomoi"
In den Nomoi vergleicht
Platon die Lebewesen mit einer Drahtpuppe in der Götter Hand. Die
goldenen Leitfäden entsprechen der biegsamen Leitung durch die
Gesetze des Staates, die aber der eisernen, d.h. der Herrschaft des
Einzelnen über sich selbst (to
kreitto eautou) (Nom. 649d), bedarf.
Um den Sinn dieser Herrschaft zu verdeutlichen, versetzt Platon die
Drahtpuppe in Trunkenheit, d.h. in den Zustand der Abhängigkeit
von
Leidenschaften (thymous) und
Neigungen (erotas). Diese
gewinnen die Macht über Erinnerungen, Meinungen und Gedanken, so
daß der Mensch einem Kind bzw. einem Greis gleicht. Niemand wird
sich wohl freiwillig in einen schlechten Zustand begeben, es sei denn
"des Befremdlichen und Seltsamen wegen" (tou thaumastou te kai atopou) (Nom.
646b),
genausowenig wie niemand seinem Körper etwas Schlechtes antut, es
sei denn, wie bei den Leibesübungen, um den darauffolgenden Nutzen
zu ziehen. Gilt das aber analog im Falle des Weines, etwa im Sinne
einer seelischen Prüfung? Platon begründet seine positive
Antwort folgendermaßen. Es gibt zwei Arten von Ängsten (duo phobón) nämlich
Angst in Erwartung des Schlechten, die Platon als eine "niedere" Angst
betrachtet, und Angst vor dem "schlechten Ruf", die Scheu (aidos, aischyne), die im Leben der
Gemeinschaft eine zentrale Rolle spielt. Die erste bezieht sich auf die
Feinde, die zweite auf die Freunde. Bei der ersten Angst sollen wir
"furchtlos", bei der zweiten "furchterfüllt" werden. In beiden
Fällen vermittels des Gesetzes.
"Der
Athener:[...] Wir fürchten doch das Schlechte
in der Erwartung, daß es sich ereignen werde?
Kleineias:
Ja
Der
Athener: Oft fürchten wir aber auch die Nachrede (doxan), vermeinend in einen
schlechten Ruf zu geraten (doxazesthai
kakoí), wenn wir, was nicht schön ist, tun oder
sagen; diese Befürchtung aber nennen wir, und alle, denke ich,
Scheu (aischyne).
Kleinias:
Ohne Zweifel.
Der
Athener: Diese beiden Befürchtungen meinte ich, deren eine den
Schmerzen und andern Befürchtungen sowie auch den meisten
lebhaftesten Lustgefühlen entgegengesetzt ist.
Kleinias:
Deine Bemerkung ist sehr richtig.
Der
Athener: Hält nun nicht sowohl der Gesetzgeber als auch jeder,
welcher irgend etwas wert ist (smikrón
ophelos), diese Befürchtung in hohen Ehren und gilt ihm
nicht, indem er ihr den Namen der Verschämtheit (aido) gibt die ihr entgegengesetzte
Keckheit aber Unverschämtheit nennt, diese für das
größte Unheil im Leben des einzelnen so wie im
öffentlichen?
Kleinias:
Richtig bemerkt.
Der
Athener: Diese Befürchtung (phobos) nun, rettet sie uns nicht gar
in mancher entscheidenden Lage, und erringt irgend etwas, vergleichen
wir Einzelnes mit Einzelnen, so entschieden Rettung und Sieg im Kriege?
Denn zweierlei ist es führwahr, was den Sieg uns erringt, Mut den
Feinden, Befürchtung übler Nachrede den Freunden
gegenüber (philon de phobos
aischynes peri kakes).
Kleinias:
So ist es.
Der
Athener: Jeder von uns muß also zum Furchtlosen und
Furchterfüllten werden; unsere Einteilung weist den Grund jedes
dieser beiden nach.
Kleinias:
Ja, allerdings.
Der
Athener: Und gewiß führen wir jeden, den wir zum Furchtlosen
von vielen Befürchtungen zu bilden wünschen, vermittels des
Gesetzes in Furcht und machen ihn dazu." (Nom. 646e-647c)
Der ethische Kampf, um den es jetzt geht, ist also die paideia, und die Tapferkeit (andreia) wird erst vollkommen, wenn
sie von der "wahren" Angst, die Platon aidos als Scham nennt,
erfüllt ist. Um diese Erfüllung zu erringen, helfen Vernunft (logos), Taten (ergon) und Kunstfertigkeit (techne) "in Spiel und Ernst" (Nom.
647d)
Es wäre dabei nützlich, erwägt Platon, wenn die
Götter uns einen furchterregenden Trank gegeben hätten,
wodurch man sich in seiner Tapferkeit auf die Probe stellen
könnte. Stattdessen haben wir einen Trank der Furchtlosigkeit (aphobia) und "unzeitige Keckheit" (lian tharrein kai akairos) erzeugt,
nämlich den Wein! Wenn also die wahre andreia sowohl die
Kühnheit (tharros, lat. audacia) als auch die Angst (phobos) im Sinne der Scheu (aidos), in sich vereinigen soll,
dann stellt sich die Frage, ob nicht im Zustand der Furchtlosigkeit das
Entgegengesetzte, also phobos und
aidos, geübt
werden können. Zu einem solchen Zustand der Schamlosigkeit
zählt Platon Zorn (thymos),
Liebe, Übermut (hybris),
Unwissenheit (amathia),
Gewinnsucht, aber auch Reichtum, Schönheit, Körperkraft, also
"alles wodurch wir, vermöge der berauschenden Lust, unbesonnen
werden." (Nom 649d) So wird das Trinkgelage zu einer Prüfung (peira, básanos) in Sachen Angst
(14). Die Schule der Angst beginnt aber schon in der Kindheit und noch
früher, nämlich bei der Überwindung der
Säuglingsängste:
"Wollen
wir nämlich etwa Mütter ihre an
Schlaflosigkeit leidenden Kinder einschläfern, dann wenden sie
dabei nicht das Mittel der Ruhe, sondern der Bewegung an, indem sie
fortwährend sie auf den Armen schaukeln, und nicht das des
Schweigens, sondern einer gewissen Gesangsweise und singen geradezu die
Kinder gewisssermaßen ein, durch Anwendung jenes Taktes, der
Bewegung und jener Liedertöne, wie bei der Heilung
besinnungsloser Bacchantenwut. [...]
Ein
Fürchten sind wohl beide dieser Zustände, und
Befürchtungen (deimata)
gründen sich auf eine schlechte Verfassung der Seele. Wendet nun
jemand bei solchen Zuständen eine Erschütterung von
außen an, so überwindet die von außen kommende
Bewegung die innere, in Furcht und Wahnsinn (phoberan, maniken) bestehende, und nachdem
sie dieselbe überwand, indem sie bewirkte, daß in der Seele
Stille und Ruhe von dem heftig gewordenen Herzklopfen in den einzelnen
Fällen erschien - ein durchaus erwünschtes Ergebnis -, macht
sie die einen des Schlafs teilhaftig, bei den andern aber, welche unter
Tanz und Flötenspiel wachen, bewirkt sie uns, unter dem Beistand
der Götter, denen die einzelnen ein vollkommenes Opfer darbringen,
daß sie statt wahnsinniger Zustände eine besonnene
Verfassung haben." (Nom. 790d ff)
So umfaßt die Erziehung wesentlich die Einübung in der
Angst, "was aber wohl jedermann für ein Einüben der
Verzagtheit, nicht aber der Tapferkeit erklären" möchte (Nom.
790d).
2.7 "Timaios"
Die Schule der Angst is, mit anderen Worten, die Schule der "Askese",
die, wie Platon im Timaios
betont, dem Menschen dazu dienen soll,
seines metaphysischen Ursprungs bewußt zu werden, um so die aus
seiner Sterblichkeit entspringenden Ängste zu überwinden.
Nachdem der Gott das Weltganze zu einer
lebendigen Gesamtheit geordnet hatte, übertrug er
die Erzeugung des Sterblichen den von ihm Erzeugten:
"Diese
aber, indem sie der Seele unsterblichen Ursprung
überkamen, umkleideten dieselbe, ihn nachahmend, mit dem
sterblichen Leibe, gaben ihr als Fahrzeug den ganzen Leib und
gestalteten in diesem daneben eine Art der Seele, die sterbliche, in
welcher sich mächtige und unabweisliche Leidenschaften (pathemata) regen: zuerst die Lust,
des Schlechten stärkster Köder, dann der Schmerz, des
Wohlbefindens Verscheucher, ferner kecker Mut (thanos) und Angst (phobos), ein paar unüberlegte
Ratgeber (aphrone symbolo)
sowie der schwer zu beschwichtigende Zorn (thymon) und die verführerische
Hoffnung." (Tim. 70b)
Die Bewältigung der Leidenschaften wird dem Teil der Seele
zugesprochen, der seinen Sitz "nahe dem Kopf" also "der Vernunft
gehorsam", hat, nämlich der Tapferkeit (andreia) und dem Mut (thymos). Das Herz wird dabei zum
"Wachposten", während die Lunge das Pochen des Herzens "bei
Erwartung schrecklicher Ereignisse" (en
te ton deinon prosdokía) zu beruhigen vermag, "damit es,
wenn der Mut (thymos) in
demselben auflodere, gegen ein Nachgebendes anschlagend und so
abgekühlt, minder bewegt, eher mit dem Mut verbunden der Vernunft (to logo) sich fügen
vermöge." (Tim. 70b) Platonisch gesehen ist also die "höhere"
Angst
eine wissende, während die "niedere" phobos eigentlich Unwissenheit ist.
2.8 "Apologie"
Kein Geringerer als Sokrates selbst vermag uns am Schluß dieser
Streifzüge durch die Platonischen Schriften, deutlicher zu zeigen,
wie die Angst angesichts des Todes überwunden werden kann. Die
Auffassung, der Tod sei ein Übel (kakon)
ist nicht annehmbar: Denn entweder ist der Tod wie ein Schlaf (hypnos), in dem nicht einmal
Träume vorkommen, und so wäre der Tod ein "wunderbarer
Gewinn", oder er sit wie eine Auswanderung (apodemesai) an einen Ort,
an dem nicht nur die "wahren Richter", sondern auch Orpheus und Museios und Hesiod und Homer zu treffen sein werden. "Ich
wenigstens will gern oftmals sterben, wenn dies wahr ist." (Apol. 41h)
fügt Sokrates hinzu. So schöpft Sokrates die Hoffnung aus
seiner durch Vernunft geleiteten metaphysischen Haltung, die das
Übel als Übel erkennt, das scheinbare Übel aber
entlarvt, ohne sich gleichzeitig anzumaßen den Ursprung seiner
Hoffnung durch eine scheinbare Sicherheit zu belegen. Aus der Haltung
der "wahren" Angst bzw. des aidos,
entspringen Sokrates' anschließende Worte:
"Jedoch
es ist nun Zeit, daß´wir gehen, ich, um
zu sterben, und ihr, um zu leben. Wer aber von beiden zu dem besseren
Geschäft hingehe, das ist allen verborgen außer nur dem
Gott." (Apol. 42a)
Zusammenfassend
können wir also festhalten, daß bei Platon der Mensch sich
nicht primär, wie bei der Homerischen Adelsgesellschaft, durch die
Tapferkeit im Sinne einer sozusagen instinktgeleiteten Überwindung
der Angst bestimmen läßt. Die Tugend der andreia schließ
notwendigerweise die sophrosyne ein.
Diese aber bedeutet Selbstbeherrschung, die ihre Kraft zur
Überwindung der "niederen" bzw. "objektbezogenen" Angst stets aus
einem "höheren" Ursprung schöpft.
Wo kommt sie her – die
"wahre" Angst? Sie
entspringt, wenn die Seele ihre Endlichkeit gewissermaßen
verläßt bzw. wenn sie ihre metaphysische Herkunft
gewahr wird. Diese zweite Angst ist etwas grundsätzlich
"Positives", d.h. sie läßt sich nicht einschränken oder
"definieren", sondern ist selbst das Bestimmende. Ihr Ursprung ist also
im eigentlichen Sinne "unendlich". Ihm tritt der im platonischen Sinne
tapfere Mensch mit Ehrfurcht und Scheu (aidos, aischyne), also mit einem
"höheren" phobos,
gegenüber. Die Erfüllung des
Menschseins, seine areté,
besteht gerade in diesem Erfülltsein des logos, durch die Angst bzw. in der
Übersteigung der Vernunft auf ihrem meta-physischen Ursprung. Im
Gegensatz zur Homerischen Scheu (aidos)
ist die platonische eine durch den logos
geleitete und auf die Einrichtung einer auf Gesetzen
basierenden menschlichen Gemeinschaft gerichtet. Sie als Ziel der polis auszuschließen,
hieße diese in eine bloße Zweckgemeinschaft umzuwandeln, wo
lediglich nützliche Erkenntnisse einen Sinn hätten. Die
Auseinandersetzung mit den Sophisten ist heute so aktuell wie zur Zeit
Platons.
3. HEIDEGGER
ODER DIE EXISTENZIALE HERKUNFT DER ANGST
Die Bedeutung der Platonischen Metaphysik läßt sich
ermessen, indem man die wechselhafte Geschichte dieses Ansatzes, d.h.
seines Einflusses auf Philosophie und Wissenschaft, aber auch auf die
soziale Praxis würdigt. Wenn heute vom "Ende der Metaphysik"
die Rede ist, dann gewiß (oder sollte man eigentlich sagen:
hoffentlich?) nicht im Sinne eines Erlöschens der Kraft dessen,
was Platon ins menschliche Bewußtseins hervorgerückt hat,
nämlich Glanz und Elend des menschlichen logos. Es handelt sich eher um das
Bewußtsein von der Metaphysik als um ein geistig-geschichtliches
Ereignis, dessen Konturen sich jetzt abzuzeichnen beginnen. Was aber
dabei als eine bloße historische Relativierung erscheinen
könnte, ist "in Wahrheit", d.h. wenn man bereit ist, sich mit der
"Sache" der Metaphysik auseinanderzusetzen, ein "produktives"
Gespräch ersten Ranges, vergleichbar etwa mit dem Gespräch,
das Platon selbst mit der ihm überlieferten Homerischen Tradition
führte.
Das Denken Heideggers kann als ein Versuch
verstanden werden, die Konturen der Metaphysik so in Erscheinung
treten zu lassen, daß das Außerhalbliegende bzw. das
Außerhalbgelassene sich als das eigentliche Problem ihrer
"Definition" stellt. So ist die Frage nach dem Ende der Metaphysik
zugleich die Frage nach ihrer De-finition,
nach ihren Grenzen also, die zugleich die Grenzen ihrer Möglichkeit sind. Es ist m.E.
kein Zufall, wenn zu Beginn dieser Auseinandersetzung das Phänomen
der Angst eine zentrale Rolle einnimmt. Das ist nicht nur bei Heidegger
der Fall. Denken wir zum Beispiel an Kierkegaards Infragestellung der
Metaphysik Hegels, der den Begriff der Sünde in der Dialektik der
Versöhnung aufhebt. Wie entsteht aber, fragt Kierkegaard, die
(Erb-) Sünde? Sie entsteht im Zustand der Unschuld:
"In
diesem Zustand
ist Friede und Ruhe; aber es ist da zu gleicher Zeit etwas anderes, was
nicht Unfriede und Streit ist; denn es gibt ja da nichts, womit man
streiten könnte. Was ist es also? Nichts. Aber welche Wirkung hat
das Nichts? Es gebiert die Angst. Dies ist das tiefe Geheimnis der
Unschuld, daß sie zur gleichen Zeit Angst ist. Träumend
plant der Geist seine eigene Wirklichkeit, aber diese Wirklichkeit ist
Nichts, aber dieses Nichts sieht die Unschuld beständig
außerhalb seiner. [...] Sie (die Unschuld, d. Verf.) ist
Unwissenheit, aber nicht eine tierische Brutalität, sondern eine
Unwissenheit, die vom Geist bestimmt ist, aber gerade deshalb Angst,
weil ihre Unwissenheit vom Nichts ist. Hier ist kein Wissen von Gut und
Böse usw.; sondern die ganze Wirklichkeit des Wissens projiziert
sich in die Angst als das ungeheure Nicths der Unwissenheit." (15)
Wovor sich Adam ängstigt, so Kierkegaard weiter, als er Gottes
Verbot wahrnimmt, ist "wieder ein Nichts: die ängstigende
Möglichkeit, zu können."
Von dieser Möglichkeit auf die Wirklichkeit zu schließen,
das ist für Kierkegaard der Fehler der Metaphysik à la
Hegel. Die Sünde läßt sich also nicht logisch
erklären, weder als Notwendigkeit noch als Folge eines Aktes des
freien Willens. Sie entspringt aus der Angst, "welche den
qualitativen Sprung ebensowenig erklärt, wie sie ihn ethisch
rechtfertigt. Angst ist nicht eine Bestimmung aus Notwendigkeit, aber
auch nicht aus Freiheit, sie ist eine gefesselte Freiheit, wobei die
Freiheit nicht frei in sich selbst ist, sondern gefesselt, nicht in der
Notwendigkeit, sondern in sich selbst." (16)
Nur wenn das Wovor der Angst Etwas wäre, könnten wir also
logisch schließen. Dies läßt aber nur von der Furcht
sagen, die sich nach Kierkegaard, auf etwas Bestimmtes bezieht (69).
Deshalb bleibt die Angst wesentlich zweideutig, weil sie sich eben
nicht auf etwas bezieht, das den qualitativen Sprung erklären
könnte und dennoch bleibt der, der durch die Angst schuldig wird,
nicht bloß unschuldig vielmehr "ist er ja schuldig, denn er
versank in der Angst, die er doch liebte, indem er sie fürchtete.
Es gibt in der Welt nichts Zweideutigeres als dies [...]" (17)
Wo kommt sie her – die Angst?
Kierkegaards
Antwort: Aus dem Nichts, aus unserer Unwissenheit davon, aus der
Möglichkeit des Könnens schlechthin.
Indem Kierkegaard "das Logische" der spekulativen Metaphysik
unterhöhlt, um die "Existenz" in ihren Abgründen der Angst
hervortreten zu lassen, knüpft er zugleich an die
Erfahrungen
von Zeitlichkeit und Ewigkeit in der griechischen Antike sowie im
Christentum an (18), d.h. die Angst entspringt dem Möglichen bzw.
Zukünftigen, von wo aus sich das Ewige nicht bloß
spekulativ, sondern in einem existentiellen Verhältnis (für
Kierkegaard: im "Augenblick") erfahren läßt.
3.1 Angst und
Furcht
in
"Sein und Zeit"
Es sind diese Grunderfahrungen, die den Heideggerschen Analysen der
Angst in "Sein und Zeit"
§ 40 (19) explizit, d.h. in bezug auf
Kierkegaard,
aber auch etwa auf Augustinus sowie auf Luther, zugrundeliegen.
Heidegger schreibt:
"Es
ist kein Zufall, daß die Phänomene von Angst und Furcht, die
durchgängig ungeschieden bleiben, ontisch und auch, obzwar in sehr
engen Grenzen, ontologisch in den Gesichtskreis der christlichen
Theologie kamen. Das geschah immer dann, wenn das anthropologische
Problem des Seins des Menschen zu Gott einen Vorrang gewann und
Phänomene wie Glaube, Sünde, Liebe, Reue die Fragestellung
leiteten." (20)
Warum das "kein Zufall" ist, läßt sich folgendermaßen
erklären. Heidegger setzt die Analyse der Angst gleich zu Beginn
des sechsten und letzten Kapitels ("Die
Sorge als Seins des Daseins" des ersten Abschnittes ("Die vorbereitende Fundamentalanalyse des
Daseins") des ersten Teiles von "Sein und Zeit" ein. Es handelt sich
also um eine "zentrale" Stelle, in der es um die Frage "nach der
ursprünglichen Ganzheit des Strukturganzen des Daseins" geht.
Heidegger sucht einen "phänomenalen Boden" für die
Beantwortung dieser Frage zu gewinnen, d.h. die Ganzheit als Phänomen erscheinen zu lassen.
Das bedeutet einerseits, daß diese Ganzheit nicht von einem
anderen Gegenstand her, sondern eben als Phänomen, d.h. als "das
Sich-an-ihm-selbst-zeigende" erscheinen soll. Andererseits liegt ein
solches Phänomen nicht
bereits offen, sondern muß im logos
erst "offenbar" werden. Die Phänomenologie ist eine
aufweisende (und keine beweisende) Methode, die sich des
frag-würdigen Verhältnisses zwischen logos und Phänomen bewußt ist.
Sie ist also eine kritische Methode.
Mit dem Ausdruck "In-der-Welt-sein" deutet Heidegger auf die Struktur
des "Daseins" als eines einheitlichen Phänomens hin. Er setzt
diese Struktur, deren Charaktere er "Existenzialien" nennt, den
bisherigen "Kategorien" der herkömmlichen Ontologie (etwa bei
Descartes) gegenüber. Dadurch soll die Spezifizität der
menschlichen Existenz gegenüber den Seinsmöglichkeiten
nicht-daseinsmäßiger Seiender hervorgehoben werden.
Entscheidend ist dabei die Einsicht, daß der Mensch nicht
irgendwie in einer psyche
eingekapselt ist, von wo aus er in eine Außenwelt kommt, deren
"Existenz" deshalb auch erst bewiesen werden muß, sondern
daß diese cartesische Scheidung (die neuerdings etwa in der
Popper'schen Ontologie durch eine "dritte Welt" ergänzt wurde),
auf einer unzureichenden Deutung des "Daseins" beruht (21).
Die Art und Weise wie der Mensch in der Welt ist, analysiert Heidegger
zunächst in bezug auf die Welt selbst, so wie sie sich einem
Seienden eröffnet, das verstehend mit den ihm begegnenden Dingen
umgeht und diese Begegnung nicht isoliert, sondern "immer schon" mit
anderen Menschen vollzieht. In einem zweiten Schritt dieser Analyse
stellt Heidegger die Frage nach der Art dieses "Mitseins" selbst und
weist dabei auf die "Seinsmodi" der "Fürsorge" (gegenüber dem
"besorgenden" Umfang mit den Dingen), deren zwei "extreme
Möglichkeiten" er nennt, nämlich die
"einspringend-beherrschende" und die "vorspringend- befreiende"
Fürsorge. Hier liegen die Fundamente dessen, was man
herkömmlich eine Ethik nennt.
Heidegger bestimmt das alltägliche Selbstsein des Daseins als "das
Man", das er von dem "eigentlichen" (d.h. sein "Selbstsein" und somit
auch das Selbst anderer freilassenden) "Mitsein" unterscheidet. In
einem dritten Schritt schließlich wird das "In-sein" als solches
thematisiert. Heidegger zeigt hier zwei konstitutive Weisen, wie der
Mensch die "Erschlossenheit" seines "Da" mitbestimmt, nämlich
"Befindlichkeit" und "Verstehen".
Vor diesem Hintergrund, also in bezug auf den spezifischen
welterschließenden Charakter der "Befindlichkeit", gegenüber
etwa dem bisher von der Metaphysik einseitig hervorgehobenen
Erschließungs- charakter des Erkennens, führt Heidegger
seine Analysen der Furcht und
der Angst durch.
Ontologisch gesehen, d.h. also nicht bloß ontisch im Sinne von
Stimmungen oder Gefühlen, erschließt die Befindlichkeit
das Dasein in seiner "Geworfenheit" "und zunächst und zumeist in
der Weise der ausweichenden Abkehr" (Sein und Zeit § 29).
Heidegger demonstriert den
Erschließungscharakter der Befindlichkeit am Beispiel der Furcht, die aber nicht den
Charakter besitzt, die Strukturganzheit des Daseins, wie etwa im Falle
der Angst, aufweisen zu
können. Warum nicht? das zeigt die Analyse des Phänomens der
Furcht, die unter drei Aspekten durchgeführt wird.
1. Das "Wovor" der Furcht, das "Furchtbare", das jeweils "ein
innerweltlich Begegnendes von der Seinsart des Zuhandenen, des
Vorhandenen oder des Mitdaseins" ist (Sein und Zeit § 30).
Heidegger beruft sich bei
dieser Analyse auf die Erörterung des phobos in der Aristotelischen
Rhetorik (Reht 1383 a 20 - b 11), wo es heißt:
"Es
ist also die Furcht (phobos)
eine gewisse Empfindung (lype tis)
oder ein beunruhigendes Gefühl,
hervorgegangen ans der Vorstellung (ek
phantasías) eines bevorstehenden Übels (mellontos kakou), das entweder
verderblich oder doch schmerzhaft ist." (Rhet. 1382 a 20)
Das Gegenteil von Furcht heißt bei Aristoteles hier nicht andreia, sondern tharraléon, Mutig-Sein.
Dieses ist
"die
mit der Vorstellung verbundene Hoffnung, daß die Rettung
bevorstehe, das Furchterregende entweder gar nicht vorhanden oder doch
weit entfernt sei." (Rhet. 1385 a 15)
Der Mut wächst aus Wissen und Erfahrung. Männer die auf dem
Höhepunkt ihres Lebens stehen, sind "besonnen mit Mut und mutig
mit Besonnenheit" (andreia)
(Rhet. 1390 b 4)). Daraus folgt bei Aristoteles eine Erörterung
der Scham (aischyne) im Sinne
von Furcht vor
Mißkredit. In der Nikomachischen Ethik (NE 1128 b 10-35)
gehören aischyne und aidos nicht zu den sittlichen
Tugenden (22). Für Aristoteles beruht die Sittlichkeit nicht
nur, wie bei Sokrates, in der sittlichen Einsicht, sondern in ihrer
Verwirklichung durch die sittliche Tat, wodurch sich erst der Charakter
bildet, d.h. wodurch der Mensch erst zu einem Menschen wird. (23)
Das Wovor der Furcht hat, so Heidegger, den Charakter der
Bedrohlichkeit, d.h. der herannahenden Gefahr sowie der
Möglichkeit ihres Ausbleibens.
2. Der zweite Aspekt ist das Fürchten selbst. Es ist nicht so,
daß zunächst das Furchtbare konstatiert wird und dann das
Fürchten beginnt, sondern das Fürchten ist das Primäre
im Sinne einer "schlummernden Möglichkeit" der Erschließung
von Welt. Erst aufgrund dieser Möglichkeit kann das Furchtbare als
ein solches wahrgenommen werden.
3. Schließlich, das "Worum" der Furcht. Dieses ist "das sich
fürchtende Seiende selbst, das Dasein". Das steht nicht im
Gegensatz zu dem Wovor der Furcht, denn das Dasein ist "als
In-der-Welt-sein je besorgendes Sein-bei". Eine Gefährdung dieses
"Sein bei" ist also zugleich eine Gefährdung des Daseins selbst.
Das gilt auch für das Fürchten "für" den anderen. Das
"Fürchten für..." ist nicht notwendigerweise ein
"Sich-mitfürchten" oder ein "Miteinanderfürchten"
während das "Fürchten um..." ein "Sichfürchten" ist. Was dabei
befürchtet wird, ist das Entrissen-werden-können aus dem
"Mitsein".
Heidegger weist auf verschiedene Modi des Fürchtens wie etwa das
Erschrecken, wenn das Bedrohliche etwas Bekanntes ist, das Grauen, wenn
es etwas Unvertrautes ist und das Entsetzen, wenn etwas Bedrohendes
plötzlich da ist, hin. Als weitere Möglichkeiten nennt er:
Schüchternheit, Scheu, Bangigkeit, Stutzig-werden. Alle diese
Möglichkeiten sind aber auf die Furchtsamkeit im Sinne eines
"Existenzials" zurückzuführen, d.h. diese ist eine wesenhafte Art, wie das
Dasein Welt erschließt, sie ist, mit anderen Worten, keine
bloße faktische "Veranlagung".
Eine entsprechende Deutung der Furcht findet man in der Marburger
Vorlesung vom Sommersemester 1925, die als ein Aufriß von Sein und Zeit gelten kann (24).
Dort erwähnt Heidegger die "umfassenden" Analysen Thomas von
Aquins (Summa Theol. II, 1, q. 41-44), der u.a. zwischen einem timor
servilis, der aus der Furcht um sich selbst entsteht, und einem timor filialis, der seinen Ursprung
in der Möglichkeit des Getrennt-seins von Gott hat, unterscheidet
(Summa theol. II, 1, q. 67, 4 ad 2). In dieser Vorlesung nimmt
Heidegger einen laufenden und genaueren
Bezug zu Aristoteles, dessen Analyse der Furcht er als die Grundlage
für die weitere Entwicklung in der Stoa, bei Augustinus, bei
Thomas von Aqun, aber auch bei Kant betrachtet. In der Vorlesung
gehört die Angst zum vierten Wesensmoment der Furcht, während
sie in Sein und Zeit, wie
schon gesagt, eine Sonderstellung einnimmt.
In Sein und Zeit stellt
Heidegger den Zusammenhang zwischen Furcht und Angst her, indem er das
Verfallensein an das "Man" als eine "Flucht des Daseins vor ihm
selbst"" bzw. vor seiner "Eigentlichkeit" deutet. Das widerspricht
genau dem Ziel der Untersuchung, nämlich das Dasein vor sich-selbst zu bringen. Dieses
Wovor ist aber im Phänomen der Flucht privativ gegeben, d.h. es
ist "existenzial" oder, wie man auch sagen könnte strukturell,
gegeben, unabhängig also von der "ontisch-
existenziellen" Charakteristik dieses Phänomens. In der Vorlesung
weist Heidegger darauf hin, daß die antike phyge und die mittelalterliche fuga sowohl ein "Zurückweichen
von", also kein Fliehen im eigentlichen Sinne, als auch Flucht besagen.
Fliehen setzt voraus, daß das, wovor die Furcht flieht, an dem
sichtbar gemacht werden kann, wovor die Furcht sich fürchtet. Nun
besteht für Heidegger zwischen Angst und Furcht eine
"phänomenale Verwandschaft", die nicht zuletzt im ungeschiedenen
Gebrauch beider Termini zum Ausdruck kommt.
Um welche Art von Flucht handelt es sich, wenn das Dasein an das
"Man" verfällt? Heideggers Antwort: es handelt sich um eine Flucht
des Daseins vor ihm selbst. Flucht aber besagt sowohl
Zurückweichen als auch Abkehr von. Furcht wurde ihrerseits im
Hinblick auf ihr Wovor als ein auf innerweltlich Seiendes bezogen
bestimmt. Im Falle des Verfallens geht es um eine Flucht im Sinne des
Zurückweichens, das Wovor ist "jedoch Seiendes von der Seinsart
des zurückweichenden Seienden, es ist das Dasein selbst."
(Heidegger, Prolegomena, op.cit. § 40) Das
bedeutet, mit anderen Worten, daß das Verfallen der Furcht nicht
von einem innerweltlichen Seienden herkommt, wovor man sich
fürchtet und wovon man fliehen will, sondern das Umgekehrte findet
statt, nämlich eine "Hinkehr" zum innerweltlich Seienden. Wenn
also kein innerweltlich Seiendes das Verfallen begründen kann,
muß das Wovor dieser Furcht eine Unbestimmtheit aufweisen.
Nur das In-der-Welt-sein als solches, d.h. die Grundverfassung des vor
sich selbst fliehenden Daseins, erweist sich als ein solches
mögliches Wovor. Wir sprechen aber dann, sagt Heidegger im
Hinblick auf die schon erwähnte Tradition und vor allem in bezug
auf Kierkegaard, von Angst. "Das Wovor der Angst ist das
In-der-Welt-sein als solches." (Heidegger, Prolegomena, a.a.O.)
Angst unterscheidet sich
also von Furcht dadurch, daß ihr wovor "völlig unbestimmt"
ist. Das Bedrohende ist "nirgends", d.h. es ist überall "da", da
es die Welt als solche ist. Angst erschließt also die "Welt als Welt". Wie steht es mit
dem "Worum" der Angst? Es betrifft ebenfalls nicht diese oder jene
konkrete Seinsmöglichkeit, wie bei der Furcht, sondern das "Möglichsein" als solches.
Dadurch erfährt sich das Dasein in seinem ursprünglichen
"Freisein für...". Dieses Sein aber ist es zugleich, dem das
Dasein als In-der-Welt-sein überantwortet ist." (Heidegger,
Prolegomena, a.a.O.)
Das In-der-Welt-sein ist zugleich das Worum und das Wovor der Angst,
ja, es ist die "existenziale Selbigkeit" des Erschließens mit dem
Erschlossenen, womit wir hier zu tun haben. Deshalb spricht Heidegger
von der Angst als von einer "Grundbefindlichkeit".
In der Angst ist es uns "unheimlich.
Damit ist sowohl die Unbestimmtheit der Angst als auch das
"Nicht-zuhause-sein" gemeint. In der Angst bricht jene Gewohnheit des
vertraulichen Alltags in sich zusammen. Das "In sein" selbst wird uns
"un-heimlich" "Die verfallende Flucht in
das Zuhause der Öffentlichkeit ist Flucht vor dem Unzuhause, das heißt
der Unheimlichkeit, die im Dasein als geworfenen, ihm selbst in seinem
Sein überantworteten In-der-Welt-sein liegt." (Heidegger,
Prolegomena, a.a.O.) Natürlich
ist die alltägliche Erfahrung der Unheimlichkeit die umgekehrte.
Eigentlich ist aber das Unheimliche dieses beruhigt-vertraute
In-der-Welt-sein selbst! Existenzial gesehen sind wir also
ursprünglich im "Un-zuhause" angesiedelt (25).
Nur weil wir uns in diesem Sinne "ängstigen" können, so
Heidegger, können wir uns auch vor Innerweltlichem fürchten.
Furcht und Angst sind also nicht bloße gegensätzliche
Bestimmungen: "Furcht ist an die 'Welt' verfallene, uneigentliche und
ihr selbst als solche verborgene Angst." (Heidegger, Prolegomena a.a.O.)
Wir haben also mit einer verfallenen und einer eigentlichen Form
des einen Phänomens zu
tun. Die "eigentliche" Form, die Angst also, bringt aber diejenige
Strukturganzheit des Daseins zum Ausdruck, die das Ziel der
Untersuchung war. Heidegger weist darauf hin, daß die eigentliche
Angst, faktisch gesehen, selten ist. Genauso selten wie
ihre existenziale Deutung. Gründe dafür sieht er im
Verkennen des Phänomens der Befindlichkeit oder, mit anderen
Worten, in der Vorherrschaft der Metaphysik der Erkenntnis, die, seit
Platon, die Angst und ihr Woher unter Herrschaft des logos immer mehr in den
Vordergrund stellt.
Wenn das In-der-Welt-sein wesentlich durch Befindlichkeit konstituiert
ist, eignet sich also im Prinzip jede
Befindlichkeit dazu, die Ganzheitsmomente (Welt,
In-sein, Selbst) zum Vorschein zu bringen. Die Angst, so Heidegger,
eignet sich besonders dazu, "weil sie vereinzelt", d.h. sie holt das
Dasein zurück aus dem Verfallen in das man und stellt ihm
"unverstellt durch innerweltliches Seiendes" seine
Grundmöglichkeiten vor.
Das Dasein zeigt sich in der Angst als "faktisch existierendes
In-der-Welt-sein". Die Einheit dieser Bestimmungen faßt Heidegger
mit dem Ausdruck "Sorge" zusammen. Im zweiten Abschnitt von "Sein und Zeit" kehren diese
Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt der Zeitlichkeit wieder. Die
Möglichkeit, das Dasein als Ganzheit aufzufassen, stößt
an eine unüberholbare Grenze, den Tod. Das Dasein ist nicht nur
nichtig hinsichtlich seiner Faktizität (oder "Geworfenheit"),
sondern auch in seinem konkreten "Entwurf". Erst in der
"Entschlossenheit" erschließen sich dem Dasein seine faktischen
Möglichkeiten, denen gegenüber das "eigentliche Selbstsein"
im "fürsorgenden Mitsein" handeln kann. Als "Sich-vorweg"
gründet das Dasein in der Zukunft, als "Schon-sein-in..." in der
"Gewesenheit", als "Sein-bei..." in der Gegenwart. Die Einheit der
Strukturmomente der "Sorge" liegt in der Zeitlichkeit. So werden auch
Furcht und Angst als exemplarische Befindlichkeiten zeitlich
interpretiert.
Wieso, fragt Heidegger, können wir die Furcht als "uneigentliche
Befindlichkeit" kennzeichnen, wenn sie sich doch auf die Zukunft, als
Erwartung eines ankommenden Übels,
bestimmen läßt? Die Furcht läßt aber das
"Gewärtigen" des Bedrohlichen auf das faktsich besorgende
Seinkönnen zurückkommen.
(Heidegger, Prolegomena, § 68 b) Das zeigt also, daß die
ursprünglich "ekstatische"
Offenheit der Zeitlichkeit auf das "fürchtende Gewärtigen"
reduziert bzw. eben "zurückgeführt" wird. In dieser
"Verwirrung", wie Heidegger in Anschluß an Aristoteles sagt,
liegt zum einen ein Sich-verschließen gegenüber der
Geworfenheit sowie ein Vergessen der offenen Möglichkeiten, die zu
ergreifen wären. "Daß zum Beispiel die Bewohner eines
brennenden Hauses oft das Gleichgültigste, nächst Zuhandene
'retten', ist bekannt. [...] Die Zeitlichkeit der Furcht ist eine
gewärtigend-gegenwärtigendes Vergessen." (Heidegger,
Prolegomena, a.a.O.)
Und wie steht es mit der Zeitlichkeit der Angst? Die Angst, so wurde
gesagt, ängstigt sich vor dem Nichts der Welt, nicht im Sinne der
Abwesenheit des innerweltlichen Vorhandenen, sondern indem sie diesem
so
begegnet, daß "gar keine
Bewandtnis" mit ihm besteht und "es sich in einer leeren
Erbarmungslosigkeit zeigen kann." (Heidegger, Prolegomena, a.a.O.). Das
Wovor der Angst hat also
nicht den Charakter einer Erwartung. Können wir dennoch von
Zukunft sprechen? Ja, und zwar im eigentlichen Sinne, weil
nämlich das "nackte Dasein" auf seine "Geworfenheit"
zurückgebracht wird, aber nicht in der Weise des Vergessens, und
auch nicht in der einer Erinnerung, sondern die Angst bringt
zurück "auf die Geworfenheit als
mögliche wiederholbare". (Heidegger, Prolegomena, a.a.O.)
Die Angst gründet also ursprünglich in der Gewesenheit und
läßt aus ihr erst "Zukunft und Gegenwart sich zeitigen".
"Die Angst bringt nur in die Stimmung eines möglichen Entschlusses. Ihre
Gegenwart hält den Augenblick, als welcher sie selbst und nur sie
möglich ist, auf dem Sprung."
Die Angst läßt sozusagen Gegenwart und Zukunft aus der
Gewesenheit entspringen, sie läßt Möglichkeiten erst
offen, während die Furcht, durch das Verschließen der
Geworfenheit eine Verwirrung im Faktischen stiftet und die
ursprüngliche Freiheit des Seinkönnens, die die Geworfenheit
erst zum Ausdruck bringt, im Taumel aller Möglichkeiten verloren
geht. Die Angst, dagegen, stellt uns vor die Möglichkeit eines
Entschlusses. Die Angst "befreit von
'nichtigen' Möglichkeiten und läßt freiwerden für eigentliche." (Heidegger,
Prolegomena, a.a.O.) "Die
Angst entspringt aus der Zukunft
der Entschlossenheit", die Furcht dagegen bleibt einer "verlorenen
Gegenwart" verfallen.
In ähnlicher Weise, so Heidegger an Schluß dieser Analyse,
könnte man auch Hoffnung, Freude, Begeisterung, Heiterkeit usw.
auf ihre Zeitlichkeit hin analysieren. So wäre die Hoffnung als
Erwartung eines bonum futurum
(als Gegenstück zur Furcht, die sich auf ein bonum futurum bezieht) nicht so
sehr in ihrem Worauf, sondern im existenzialen Sinn des Hofffens selbst
zu deuten. "Der Hoffende nimmt sich gleichsam mit in die Hoffnung hinein und
bringt sich dem Erhofften entgegen. Das aber setzt ein
Sich-gewonnen-haben voraus." (Heidegger, Prolegomena, a.a.O.) Ein
"Sich-gewonnen-haben", so
könnten wir ergänzen, das auf der Einsicht in die
"gebrochene" Einheit des Daseins zwischen Geburt und Tod, also auf den
Möglichkeiten seiner mit dem Dasein anderer sowie der gemeinsamen
Welt verwobenen endlichen Geschichte beruht.
Von hier aus läßt sich auch der Zusammenhang zwischen Angst
und "Gewissen", im Sinne eines Handelns mit und für den anderen,
verstehen. Aufgrund der "Geworfenheit" bzw. der Endlichkeit der
Existenz können wir unseres "eigensten Seins" nie mächtig sein. (Heidegger,
Sein und Zeit § 58) Wenn
wir uns also auf Möglichkeiten hin entwerfen, bliebt dieser
Entwurf wesenhaft "nichtig". Diese "Nichtigkeit" ist aber nichts
"Böses", sie ist keine privatio
boni, sondern bleibt ein wesentlicher Zug unseres Seins. Ihr
gegenüber bleiben wir also immer im ontologischen (nicht im
moralischen) Sinne schuldig. Die Erfahrung dieses "Schuldig-seins",
wovor das "Man" in seinem Verfallen flieht, nennt Heidegger den "Ruf
der Sorge" bzw. des "Gewissens". Das Gewissen ruft also zur "Schuld"
hin und nicht etwa weg von ihr. Die faktische moralische Verschuldung
gründet in einer ursprünglichen Gewissenlosigkeit des "Man",
demgegenüber das "Gewissen-haben-wollen" sich als "Anruf zum
Schuldig-sein" erhebt. Somit besteht dann die existenzielle
Möglichkeit, sich an dem anderen (moralisch) schuldig zu machen.
Dieser ursprüngliche warnende Ruf des Gewissens hat eine
existenziale Struktur, die durch Verstehen, Befindlichkedit und Rede
charakterisiert ist. Den im Gewissen-haben- wollen sich öffnenden
faktischen Möglichkeiten des Sein-könnens entspricht die
Stimmung der Angst:
"Das
Faktum der Gewissensangst ist
eine
phänomenale Bewährung dafür, daß das Dasein im
Rufverstehen vor die Unheimlichkeit seiner selbst gebracht ist. Das
Gewissenhabenwollen wird Bereitschaft zur Angst." (Heidegger, Sein und
Zeit S. 296)
Das "verschwiegene" und "angstbereitete" Sichtentwerfen auf das
Schuldigsein nennt Heidegger "Entschlossenheit". Diese ist das
Gegenteil der Verlorenheit an das "Man". Sie ist nicht isolierend,
sondern sie "bringt das Selbst gerade in das jeweilige besorgende Sein
bei Zuhandenem und stößt es in das fürsorgende Mitsein
mit den anderen". (Heidegger, Sein und Zeit, S. 298)
Die Entschlossenheit, die also auf der "Nichtigkeit" bzw. wesenhaften
Endlichkeit des eigenen Seinkönnens gründet, ist Bereitschaft
für die anderen
und zwar in der jeweiligen faktischen konkreten Situation. Was tut diese
Bereitschaft für die anderen? Sie versucht sie auf die Freiheit
ihres jeweiligen eigenen Seinkönnens mitzuerschließen, sie
ist also "vorspringend-befreiende Fürsorge".
"Aus
dem Worumwillen des selbstgewählten Seinkönnens gibt sich das
entschlossene Dasein frei für die Welt. [...] Aus dem eigentlichen
Selbstsein der Entschlossenheit entspringt allererst das eigentliche
Miteinander, nicht aber auch den zweideutigen und eifersüchtigen
Verabredungen und den redseligen Verbrüderungen im Man und dem,
was man unternehmen will." (Heidegger, Sein und Zeit, S. 298)
Es ist kaum zu verstehen, daß man (!) Heidegger vorgeworfen hat
(und es teilweise immer noch tut), Sein
und Zeit wäre eine solipsistische, angstbeladene und
amoralische Philosophie! Im Hinblick auf die hier fehlende
Ausarbeitung der faktischen existenziellen Möglichkeiten im Rahmen
einer existenzialen Anthropologie verweist Heidegger auf Jaspers' Psychologie der Weltanschauungen
sowie auf die "existenzial-ontologische Bedeutung der
'Grenzsituationen'". (Heidegger, Sein und Zeit, S. 301-302)
Da heute öfter vom Begriff des Handelns die Rede ist, scheint
mir Heideggers Hinweis besonders interessant, daß er diesen
Terminus "bewußt meidet". "Denn", so Heidegger, "einmal
mäßte er doch wieder so weit gefaßt werden, daß
die Aktivität auch die Passivität des Widerstandes umgreift.
Zum anderen legt er das daseinsontologische Mißverständnis
nahe, als sei die Entschlossenheit ein besonderes Verhalten des
praktischen Vermögens gegenüber einem theoretischen."
(Heidegger, Sein und Zeit S. 300)
Ob dies alles in den heute kursierenden "Handelnsphilosophien" auch
bedacht wird?
Wo kommt sie her – die Angst?
Heideggers
existenziale Antwort lautet: Aus der Zeitlichkeit, d.h. aus der
ursprünglichen Transzendenz des Daseins, aus dem In-der-Welt-seins
selbst. In der Marburger Vorlesung des Sommersemesters 1927, die eine
Ausarbeitung des 3. Abschnittes des I. Teiles von Sein und Zeit vornimmt, stellt
Heidegger die zeitliche Interpretation von Sein dar gegenüber der
Platonischen Auffassung von Sein als dem Aulßerzeitlichen, aber
auch gegenüber dem transzendentalen Apriorismus, der in der
Hegelschen Ontologie gipfelt (Heidegger, Sein und Zeit § 22) (26)
Nicht also die im Absoluten bzw. im
absoluten Wissen gegründete Existenz ist die "eigentliche",
sondern die, die sich ihrer Endlichkeit bewußt ist und den Tod als die unüberholbare
Möglichkeit in seiner ständigen Bedrohung, die gewiß,
aber unbestimmt bleibt, auf sich nimmt. Die Angst. existenzial
verstanden, ist gerade die Möglichkeit des Offenhaltens dieser
Bedrohung. Dementsprechend heißt es in Sein und Zeit am Schluß der
Todesanalyse:
"Alles
Verstehen ist befindliches. Die Stimmung bringt das Dasein vor die
Geworfenheit seinese "daß-es-da-ist'. Die Befindlichkeit aber, welche die
ständige und schlechthinnige, aus dem eigensten vereinzelten Sein
des Daseins aufsteigende Bedrohung seiner selbst offen zu halten
vermag, ist die Angst. In ihr befindet sich das Dasein vor dem Nichts der möglichen
Unmöglichkeit seiner Existenz. Die Angst ängstet sich um das Seinkönnen des so
bestimmten Seienden und erschließt so die äußerste
Möglichkeit. Weil das Vorlaufen das Dasein schlechthin vereinzelt
und es in dieser Vereinzelung seiner selbst der Ganzheit seines
Seinkönnens gewiß werden läßt, gehört zu
diesem Sichverstehen des Daseins aus seinem Grunde die
Grundbefindlichkeit der Angst. Das Sein zum Tode ist wesenhaft Angst.
Die untrügliche, obzwar 'nur' indirekte Bezeugung dafür gibt
das gekennzeichnete Sein zum Tode, wenn es die Angst in feige Furcht
verkehrt und mit der Überwindung dieser die Feigheit vor der Angst
bekundet." (Heidegger, Sein und Zeit § 53)
Das Aushalten in der Angst ist also das Aushalten der wesentlichen
Vorläufigkeit der Existenz, so "enthüllt" die Angst die Freiheit des Menschen, die auf dem
Tode, also auf Nichts gegründet ist. So kann Heidegger die
menschliche Existenz folgendermaßen charakterisieren:
"Das
Vorlaufen enthüllt dem Dasein die Verlorenheit in das Man-selbst
und bringt es vor die Möglichkeit, auf die besorgende
Fürsorge primär ungestützt, es selbst zu sein, selbst
aber in der leidenschaftlichen, von den Illusionen des Man
gelösten, faktischen, ihrer selbst gewissen und sich
ängstenden Freiheit zum Tode."
(Heidegger, Sein und Zeit, a.a.O.)
3.2 "Was ist Metaphysik?" und
"Vom Wesen des Grundes"
Diese Auseinandersetzung Heideggers mit der Metaphysik von der
Erfahrung der Angst her gipfelt gewissermaßen in seiner
Antrittsvorlesung von 1929 Was ist
Metaphysik? (27). Es geht dort darum, das von der Metaphysik
nicht bzw. lediglich in seiner "logischen" Funktion bedachte Nichts als eine Grunderfahrung des
Menschen zu deuten, die, wie etwa auch die "tiefe Langeweile" oder die
"Freud", uns vor die Einheit des Ganzen des Seienden stellt. Dieses
aber nicht im metaphysischen Sinne eines "Erfassens" dieser Ganzheit,
sondern in der ständigen existenzialen (und existenziellen!)
Möglichkeit ihrer Verneinung. Wir verlieren also jeden Halt im
Seienden.
"Wir
'schweben' in Angst: Die Angst läßt uns schweben, weil sie
das Seiende im Ganzen zum Entgleiten bringt. Darin liegt, daß wir
selbst – diese
seienden Menschen
– inmitten des Seienden uns mitentgleiten. Daher ist im Grunde
nicht 'dir' und 'mir' unheimlich, sondern 'einem' ist es so. Nur das
reine Da-sein in der Durchschütterung dieses Schwebens, darin es
sich an nichts halten kann, ist noch da. Die Angst verschlägt uns
das Wort. Weil das Seiende im Ganzen entgleitet und so gerade das
Nichts andrängt, schweigt im Angesicht seiner jedes 'Ist'-Sagen.
Daß wir in der Unheimlichkeit der Angst oft die leere Stille
gerade durch ein wahlloses Reden zu brechen suchen, ist nur der Beweis
für die Gegenwart des Nichts. Daß die Angst das Nichts
enthüllt, bestätigt der Mensch selbst unmittelbar dann, wenn
die Angst gewichen ist. In der Helle des Blickes, den die frische
Erinnerung trägt, müssen wir sagen: Wovor und worum wir uns
ängsteten, war 'eigentlich' – in der Tat: Das Nichts selbst
– als solches – war da." (Heidegger, Was ist Metaphysik, op.cit.
S. 32-33)
Von hier aus deutet Heidegger das Dasein als die "Hineingehaltenheit in
das Nichts" bzw. den Menschen als "Platzhalter des Nichts". Unsere
Endlichkeit ist aber so tief, daß wir eine solche Stimmung nicht
"durch eigenen Beschluß und Willen" herbeiführen
können. Sie überkommt uns – am
wenigsten durch das "betriebsame", am
ehesten durch das "verhaltene", am sichersten durch das "verwegene"
Dasein. Und sie steht dabei, so Heidegger, "im geheimen Bunde mit der Heiterkeit und
Milde der schaffenden Sehnsucht." (Heidegger, Was ist
Metaphysik, a.a.O. meine Hervorhebung). Dieses Hinausgehen
über das Seiende ist also für Heidegger die eigentliche
meta-physische Grunderfahrung, die die Frage: Warum ist
überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? auf ihren Ursprung
und Kern hin führt und sie also nicht von der Erkenntnis her
"kausal" beantwortet, sondern zu Ende
denkt, "von ihrem Ende, nicht
von einem eingebildeten", wie Heidegger in der Einleitung von 1949
ausführt. Und im Nachwort von 1943 deutet Heidegger diese
Erfahrung, wodurch wir uns des "Wunders aller Wunder: daß Seiendes ist" bewußt werden,
folgendermaßen:
"Der
klare Mut zur wesenhaften Angst verbürgt die geheimnisvolle
Möglichkeit der Erfahrung des Seins. Denn nahe bei der wesenhaften Angst als dem
Schrecken des Abgrundes wohnt die Scheu.
Sie lichtet und umghegt jene Ortschaft des Menschenwesens, innerhalb
deren er heimisch bleibt im Bleibenden. Die "Angst" vor der Angst
dagegen kann sich soweit verirren, daß sie die einfachen
Bezüge im Wesen der Angst verkennt. Was wäre alle
Tapferkeit, wenn sie nicht in der Erfahrung der wesenhaften Angst ihren
ständigen Gegenhalt fände? In dem Grade, als wir die wesenhafte Angst und den in ihr
gelichteten Bezug des Seins zum Menschen herabsetzen, entwürdigen
wir das Wesen der Tapferkeit. Diese aber vermag das Nichts auszustehen.
Die Tapferkeit erkennt im Abgrund des Schreckens den kaum betretenen
Raum des Seins, aus dessen Lichtung erst jegliches Seiende in das
zurückkehrt, was es sich und zu sein vermag." (Heidegger, Was ist
Metaphysik, a.a.O. S. 47, meine Hervorhebung)
Tapferkeit und Mut angesichts dieser "wesenhaften Angst" bzw. Scheu
haben nichts mit einer "Angstphilosophie" bzw. einer "heroischen
Philosophie" zu tun (28). Es geht eben nicht um eine Überwindung
der Angst, sondern um das Hineingehaltensein in sie. Daß in diesem
Zusammenhang Heidegger von "Scheu" spricht, ist also nicht
zufällig. Auch die Platonische Erfahrung der "höheren" Angst
läßt die Scheu in uns wachsen. Diese Erfahrung
gründet aber im Anblick des "seienden Seins" und führt uns
somit über die Endlichkeit der Existenz hinaus.
Gegenüber der Metaphysik bewahrt die existenziale Erfahrung
(nämlich das Sichwundern, "das Seiendes ist") das Unheimliche
dieses Seins auf, ohne den sich dabei öffnenden "Abgrund" durch
einen "Grund" auszufüllen, wie es in der Schrift "Vom Wesen des Grundes" zum Ausdruck
kommt. Nicht die "Welt der Ideen", sondern das epékeina selbst, die
Transzendenz also, gibt Auskunft über die endliche
Intentionalität des Menschen in seiner Freiheit. Diese Erfahrung
ist wesentlich eine intersubjektive,
da nur aus der Transzendenz der Mensch sich gegenüber einem
anderen Selbst (nicht einem anderen "Ich"!) erfährt, d.h. auf ihn
aus der Freiheit des gemeinsamen endlichen Daseins "eigentlich"
hören kann:
"Und
nur das Hörenkönnen in die Ferne zeitigt dem Dasein als
Selbst das Erwachen der Antwort des Mitdaseins, im Mitsein mit dem es
die Ichheit darangehen kann, um sich als eigentliches Selbst zu
gewinnen." (29)
3.3 Nietzsche und
Hölderlin
Entscheidend für Heideggers Deutung und "Verwindung" der
Metaphysik im Sinne einer Herrschaft des logos über die Angst bzw.
eines Sicherstellens des Grundes, war die Begegnung mit Nietzsche und
Hölderlin. Heidegger sieht in Nietzsches Wille zur Macht d.h. im Willen
"als das Über-sich-Herrsein" "niemals eine Abkapselung des ich auf
seine Zustände", sondern das Gefühl hat "den Charakter des
Eröffnens und des Offenhaltens und deshalb auch je nach seiner Art
den des Verschließens." (30) Zu einem solchen Gefühl bzw.
zur Leidenschaft, die Heidegger vom "blinden Affekt" unterscheidet,
gehören also, sofern die Welt uns dabei "erschlossen" wird und wir
uns angesichts der offenen Möglichkeiten entschließen
können, Denken und Wollen mit. Nietzsche vollendet aber, nach
Heidegger, die Metaphysik, indem er das Werdende in seiner
Beständigkeit denkt, als "das
Bleibende –
als das eigentlich 'Seiende'; seiend
nämlich im Sinne der griechischen Denker." So heißt es bei
Nietzsche:
"Rekapitulation: Dem Werden den
Charakter des Seins aufzuprägen
– das ist der
höchste Wille zur Macht."
(31)
Damit vollendet Nietzsche, der Antimetaphysiker par excellence, in seiner
Gegenbewegung die Metaphysik und prägt unser heutiges Zeitalter.
Anstelle des metaphysischen Gottes bzw. der übersinnlichen Ideale
tritt jetzt der "aktive Nihilismus" ein, den man aber, gegen die
Deutung Heideggers, nicht nur als eine Vermenschlichung, sondern
gewissermaßen auch als eine Entmenschlichung verstehen kann
(32). Mit dem "Tod Gottes" fällt nämlich jene Maske, die dem
Menschen seine sichere Position garantiere, so daß er jetzt seine
"wahre" bzw. "eigentliche" Macht in der Gebrechlichkeit seines nicht
mehr absolut abgesicherten Seins "künstlerisch" entfalten kann.
Diese Erfahrung, d.h.
die Erfahrung der "Verwindung" (oder "Genesung" im Sinne Nietzsches)
der Metaphysik als des Überspringens der Endlichkeit, begegnet
Heidegger in der Dichtung Hölderlins. Im Gedicht "Andenken" heißt es:
"Wo
aber sind die Freunde? Bellarmin
Mit
dem Gefährten? Mancher
Trägt
Scheue, an die Quelle zu gehen; [...]" (33)
Wir sahen schon, daß für Heidegger die Scheu "nahe bei der
wesenhaften Angst als dem Schrecken des Abgrundes" wohnt. In
Anschluß an den Dichter deutet Heidegger jetzt die Scheu
gegenüber der Furcht "als ursprünglich gefestigtes
Ansichhalten vor dem Gescheuten, zugleich die innigste Zuneigung zu
diesem". Wovor scheut sich die Scheu? Vor dem Ursprung bzw. "der
Quelle" des Denkens. "Die Scheu ist das Wissen, daß der Ursprung
sich nicht unmittelbar erfahren läßt." (Heidegger,
Erläuterungen, a.a.O. S. 131)
Die Scheu bestimmt jetzt die Wanderschaft des endlichen Denkens, das
eben von einem "absoluten Anfang" nichts Sicheres weiß, das sich
also als selbst- bzw. letztbegründet aufgibt, um in die Fremde zu
gehen, sich den "Gesetzen" der Fremde, vor allem der Armut und des
Einfachen, zu unterziehen. Dazu gehört Tapferkeit und Mut:
"Er
(der Scheueste, RC ) weiß, daß das Wissen des
Gesetzes nur darin beruht, im Gesetz zu stehen, zuvor tapfer die Heimat
vergessend, in die Fremde zu wandern: "nemlich
zu Hauß ist der Geist / Nicht im Anfang, nicht an der Quell."
(Heidegger, Erläuterungen, a.a.O. 132)
Der Reichtum des Geistes beginnt "nicht an der Quell", nicht im
sicheren Grund der Metaphysik also, sondern "im Meere", d.h. im
Aufgeben der sicheren Grenzen, im "Mut der Armut", die kein
bloßes Entbehren ist, sondern "Mut zum Einfachen". So verwandelt
sich dann der Strom bzw. das Meer selbst in die Quelle, für die,
die in dieser Scheu "den Weg zur Quelle als den Umweg über das
Meer erkannt haben." (Heidegger, Erläuterungen, a.a.O. 133) So
bleibt der Denker, d.h. der von der Scheu
"bestimmte" unterwegs – zur Sprache. Er spricht nicht über sie, sondern von ihr (34). Er flieht nicht vor
dem Fremden, vor der "Erde", wie die Platonische Seele, sondern er
sucht sie:
"Wandernd
die Erde zu suchen, daß sie auf ihr dichterisch bauen und wohnen
und so erst die Erde als die
Erde retten könne, erfüllt das Wesen der Seele." (35)
Was bzw. wer wir sind, steht
also nicht fest. Die Scheu vor einer solchen metaphysischen
Feststellung bringt den Menschen erst in sein Eigenes, d.h. in die
Wanderschaft eines endlichen Weges. Der logos erfährt sich als der
wesentlich vom Gespräch, das wir miteinander führen,
bedingte, als Dia-log also. Was uns dabei "zwischen" (dia) den Sprechenden zu
denken gibt, ist das Ungeheure und Gewaltige des menschlichen
Existierens, das, was Sophokles in Hölderlins Übersetzung so
besingt:
"Vieles
gewaltige giebst. Doch nichts
Ist
gewaltiger, als der Mensch." (36)
Der Mensch – das ist das Meer und die Erde, die Tiere
und das Getöne des Wortes, Siechtum udn Tod, die Götter und
die Satzungen unserer Städte, denn, so Heidegger "zu all dem steht
der Mensch im Bezug und zu all dieses hat je nach seiner Weise einen
Zug und die Züge des Furchtbaren, Gewaltigen und
Ungewöhnlichen." (Heidegger, Hölderlins Hymne 'Der Ister',
a.a.o. S. 84). Soll der Mensch im, wie Heidegger sagt,
"Unheimischen" heimisch werden, dann bedarf er der Scheu gegenüber
dem, was inner- und außerhalb seines Wissens und Könnens
"un-heimlich" bzw. "un-bestimmt" bleibt. Dieses für unsere
rationalen Maßstäbe "Unbestimmte" bildete den Kern der
griechischen Tragödie, deren Erfahrung die Zuschauer durch Furcht
und Mitleid reinigte. Gerät aber das Denken nicht dabei
ins "Irrationale", indem es sein ureigenes Gebiet, den logos, verläßt, um sich
Gefühlen zu überlassen? In seinem Vortrag Was ist das
–
die
Philosophie? erinnert Heidegger daran, daß bereits am
Anfang dese Philosophierens, bei Platon, ein pathos, nämlich das Erstaunen,
als das Woher der Philosophie galt. In der Neuzeit war es dann die
Stimmung des Zweifels. Und heute?
"Was
wir antreffen, ist nur dies: verschiedenartige Stimmungen des Denkens.
Zweifel und Verzweiflung auf der einen, blinde Besessenheit von
ungeprüften Prinzipien auf der anderen Seite stehen gegeneinander.
Furcht und Angst mischen sich mit Hoffnung und Zuversicht. Oft und
weithin sieht es so aus, als sei das Denken nach der Art des
räsonierenden Vorstellens und Rechnens von jeder Stimmung
völlig frei. Aber auch die Kälte der Berechnung, auch die
prosaische Nüchternheit des Planens sind Kennzeichen einer
Gestimmtheit. Nicht nur dies; sogar die Vernunft, die sich von allem
Einfluß der Leidenschaften frei hält, ist als Vernunft auf
die Zuversicht in die logisch-mathematische Einsichtigkeit ihrer
Prinzipien und Regeln gestimmt." (37)
Heidegger deutet darauf hin, daß wir in ein Gespräch mit der
griechischen Erfahrung der Sprache (logos)
kommen müssen, wenn wir erfahren wollen, was Philosophie ist. Was
aber heute herrscht ist, nach Heidegger, die Flucht vor dem
"besinnlichen" in das bloß "plannende", "forschende", "rechnende"
Denken. (38)
4. AUSBLICK
Von
Platon aus gesehen
gelangt der Heideggersche Weg der Angst nicht bis zu seinem
höchsten bzw. wahren Ursprung. Er vermag vermutlich die
Richtung anzudeuten, aber die Umkehr des Logos vollzieht sich vor der Ankunft am Ziel. Der
Platonische logos schöpft
seine Kraft, d.h. er wird furchtlos, gerade aus der Erfahrung der
Angst angesichts der göttlichen Schau, die ihn mit Scheu
erfüllt. Er ist bereit, jeder Gefahr mutig zu begegnen, wenn es
darum geht, jenes höchste Gut nicht zu verraten. Er befindet
sich also in einer Situation vergleichbar der des gesellschaftlichen
Schamgefühls: Man vermag nicht das Gut der gegenseitigen Achtung
aufs Spiel zu setzen, wenn man dieses zu schätzen und seinen
Verlust zu fürchten gelernt hat. Für Platon ist aber diese
gesellschaftliche Scheu metaphysisch begründet.
Von Heidegger aus gesehen, ist der Platonische Weg, der Weg der
abendländische Metaphysik, der immer mehr in die Einsicht
über die Ohnmacht des menschlichen Logos gegenüber dem ihm
vorgegebenen göttlichen Ziel führt. Dieser Weg behält
aber am Ende (etwa bei Nietzsche) den wesentlichen Charakter der
Metaphysik, auch wenn er auf das Ziel verzichtet. Er versucht
nämlich, sich selbst logisch zu begründen. Gegenüber
dem Anfang und dem Ende der Metaphysik versucht Heidegger einen
sozusagen dritten Weg (oder einen "anderen Anfang") einzuschlagen. Es
ist der Versuch, dem Entzug des Ziels so zu begegnen, daß der
Weg (der logos) auf eine
Selbstbegründung verzichtet, ohne einen letzten Grund als den
seinen erkennen zu wollen. Die Angst ist jetzt die Treue zum Entzug
bzw. die Anerkennung der eigenen Endlichkeit. Es ist also die Scheu vor
dem möglichen ganz Anderen, die der Tugend einen heiteren,
entspannten und offeneren Weg weist. Der Logos wird deshalb auch
gelassener.
Platon und Heidegger, beide Namen stehen nicht für Dogmen oder
Theorien, sondern für Erfahrungen, Experimente, Wege des
Denkens. Platon und
Heidegger, beide gehören zu dem vor
uns nicht "liegenden", sondern sich öffnenden Weg.
Dieses 'und' als Spannung zu erkennen und auszuhalten ist bestimmt
keine leichte Aufgabe. Sie verlangt nämlich Mut, einen heiteren,
"aufgeklärten" d.h. unterscheidenden Mut. Ich glaube, daß
der schwierigste Kampf, wozu wir diesen nicht nur intellektuellen,
sondern auch existenziellen Kampf brauchen, nicht so sehr der Kampf
gegen die Theorien und Gedanken der anderen, sondern – gegen die
eigenen ist!
Hier gilt das ethische Prinzip, daß das Kritisieren anderer nur
auf der Grundlage des Sich-selbst-in-Frage-stellen-lassens sittlich zu
rechtfertigen ist. Das verlant Offenheit, d.h. die Aufgabe des
eigenen gesicherten Standpunktes. Aus der Stimmung der Angst, so wie
Platon und Heidegger sie exemplarisch thematisieren, können wir
etwas davon lernen. Jede Stimmung vermag das Offenständig-sein
unseres Daseins auf eine je bestimmte Weise zu erschließen, d.h.
durch sie vermag diese Offenheit sich uns zu öffnen bzw. zu
verschließen. (39)
Wenn wir heute die Furcht
als eine herrschende Stimmung erkennen, dann sollten wir
bedenken, daß diese meistens eine uns verschließende und
lähmende Stimmung ist, die wir nicht "heldenhaft" überwinden
können. Wir sind dabei auf der Flucht vor uns selbst, d.h. vor
jener Dimension unserer Existenz, von wo aus wir erst im
Bewußtsein unserer faktischen Möglichkeiten verantwortlich
handeln können. Und wo erfahren wir diese Dimension? Gewiß
auch in Stimmungen wie ein "tiefes Staunen", oder im gänzlich
Sich-verlieren im Dienst an anderen oder – eben auch
in der
"wesenhaften" Angst. Diese ist jene Stimmung, in deren Nähe Scheu
und Scham "wohnen". (40)
Wo kommt sie her
– die Angst? Sie entspringt
also nicht aus einem physischen oder meta-physischen Gegenstand,
sondern aus der Erfahrung der Endlichkeit dieser Transzendenz selbst.
Mit anderen Worten, sie verschweigt uns stets das Nennen bzw. das
Begreifen ihres Ursprungs und verweist uns – auf uns
selbst. Daher auch
der Zusammenhang mit der Scheu. Gegenüber dem metaphysischen
Denken verzichten wir auf die wahn-sinnige Vorstellung, uns im Besitz
des Logos bzw. der Wahrheit zu wähnen und lassen uns von der Scheu
bestimmen, die freilich nicht bloß die Befürchtung
übler Nachrede oder gar die feige Introvertiertheit einer mit
Scheuklappen versehenen Existenz, sondern jener nüchterne und
gelassene Edelmut ist, wovon Heidegger spricht (41), den der Dichter
"frohmut" nennt (42). Auch Kant wußte von einem solchen
"frohmütigen Denken" als er von jener Stimmung, nämlich die
Ehrfurcht, sprach, die die Voraussetzung für ein
Sich-wenden-können zur Gottheit, nicht für ihr Begreifen
also darstellt:
"Der
Mensch, der sich wirklich fürchtet, weil er dazu in sich Ursache
findet, indem er sich bewußt ist, mit seiner verwerflichen
Gesinnung wider eine Macht zu verstoßen, deren Wille
unwiderstehlich und zugleich gerecht ist, befindet sich gar nicht in
der Gemütsverfassung, um die göttliche Größe zu
bewundern, wozu eine Stimmung zur ruhigen Kontemplation und ganz freies
Urteil erforderlich ist." (43)
Ein "frohmütiges" Denken greift also nicht schwärmerisch nach
"Jenseitigem", verschließt sich aber nicht der Möglichkeit
des Göttlichen, sondern bleibt, von der Erfahrung der
Endlichkeit bestimmt, offen für das Geheimnis (44). Das
"frohmütige" Denken flüchtet nicht vor der
fürchterlichen Zerstörung der Erde und gibt sich nicht als
Magd in den Dienst der Theologie oder der Wissenschaft oder der
Politik... nehmen, sondern versucht dem zu entsprechen, wovor wir im
Alltag, in der Wissenschaft und nicht selten auch in der Theologie, auf
der Flucht sind, nämlich vor unserem Aufgegebensein in einem Raum
offener Möglichkeiten, die wir stets von ihrer Herkunft her neu zu
bedenken und in der Verantwortung des Augenblicks, das bonum und malum abwägend, zu ergreifen
haben. Ich sehe diese Verantwortung heute vor allem im Kampf gegen
Ungerechtigkeit und Unterdrückung, gegen Situationen also, in
denen die Furcht, wie es in Platons Hinweis auf die Tyrannei
heißt, am schrecklichsten herrscht.
Angesichts eine Atomkriegs ist der "niedere" kriegerische Mut sinnlos
geworden. Was wir brauchen sit der Mut zum Frieden. Dieser wächst
aber aus der "wesentlichen" Angst vor dem Verlust eines "Gutes",
nämlich des Lebens (aller, nicht bloß des menschlichen). Die
"Ehrfurcht vor dem Leben"
(Albert Schweitzer), d.h. vor dem, was wir sind, wo soll sie herkommen, wenn
wir nicht bereit sind, die Frage
nach dem Grund stets zu wiederholen? Können wir so vielleicht
Furcht und Mitleid ihre kathartische
Funktion wiedergewinnen?
Heideggers Denken läßt sich in ein Gespräch mit der
Metaphysik ein, das stets zu jener Grenze führt, wo der logos am Erbittersten um seine
Herrschaft kämpft. Sowenig aber die rationalistische Illusion
eines logischen Abschlusses unseres Wissens uns annehmbar erscheint,
so wenig sind wir bereit, uns vom Mythischen und Irrationalen
be-stimmen zu lassen. So sind wir heute in diesem Kampf um die ratio vermutlich mehr den je auf
der Flucht vor uns selbst.
Ich glaube nicht, daß diese Kampf allein durch eine Analyse von
Rationalitätstypen entschieden werden kann. Natürlich
läßt sich für bzw. gegen Gefühle nicht
argumentieren, allerdings auch nicht ohne sie. Ich glaube, daß
die höhere Form der Angst, die Scheu also, uns zur
Bescheidenheit und Verantwortung im "frohmütigen" Denken verhelfen
kann. Ich sehe bereits Anzeichen einer positiven Auswirkung dieser
Stimmung etwa in der Wissenschaft, wo es aufgrund der Kritik durch die
moderne Wissenschaftstheorie, allmählich zu einem Umdenken
gekommen ist. Dieses Umdenken besteht nämlich darin, daß die
Wissenschaft, und allen voran die Naturwissenschaft, nicht den Erfolg
ihrer Forschung in der Sicherheit ihrer Ergebnisse sieht, sondern in
deren Vorläufigkeit, also in ihrer prinzipiellen Schwäche.
Während also die klassische positivistische Wissenschaft, noch von
der Cartesischen Stimmung des Zweifels bestimmt auf die certitudo hinarbeitete, verzichtet
die Wissenschaft heute auf den metaphysischen Anspruch einer
Letztbegründung. Sie scheut sich also gewissermaßen
vor einer Überbeanspruchung ihrer Beweiskraft. Ich glaube ferner,
daß uns eine solche "epochale" Wende auf einem anderen wichtigen
Gebiet bevorstehen, nämlich dem der Technik. Wie können wir
erreichen, daß wir die Technik nicht von der Perspektive unserer
Herrschaft und Macht über sie bestimmen, sondern daß wir uns
auf ihre, d.h. unsere Fehlbarkeit einstellen? Meine goldene Regel
in bezug auf die Technik lautet: Technisches Handeln soll stets die
Endlichkeit des Menschen voraussetzen. Oder, anders ausgedrückt:
Schaffe keine Technologie, die einen absoluten Herrscher voraussetzt.
(45) Die passende Stimmung zu dieser Haltung, die wir sicherlich nicht
per Dekret herbeiführen können, steht im Chorlied des
Sophokles, das mit den Worten anfängt:
"Vieles
gewaltige giebst. Doch nichts
Ist
gewaltiger, als der Mensch." (46)
ANMERKUNGEN
1)
Vgl. H. Schmidt, C.F.
von Weizsäcker: Die Angst ist ein ganz schrecklich schlechter
Ratgeber. In: DIE ZEIT, Nr. 42, 10. Oktober 1986, S. 52-54. Zu
verschiedenen Aspekten der Angst. Vgl. H.v. Ditfurth (Hrsgs.): Aspekte
der Angst. Starnberger Gespräche 1964 (Thieme, Stuttgart 1965).
Zum Phänomen Angst aus analytischer Sicht vgl. die Proceedings
der Tagung der Deutschen Gesellschaft für anthropologische und
daseinsanalytische Medizin, Psychologie und Psychotherapie e.V. am
13.-14. Februar 1987 in Heidelberg (Tagungsthema: Das Phänomen
Angst. Pathologie, Genese und Therapie). Zum Phänomen Angst bei
Freud und Heidegger vgl. Micahel Düe: Ontologie und Psychoanalyse
(Athenäum, Frankfurt a.M. 1986).
2)
Vgl. zum Beispiel Jean
Delumeau: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im
Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts. Bd. 1/2 (Rowohlt, Reinbeck b.
Hamburg 1985). Der Autor legt seiner Untersuchung die Unterscheidung
zwischen "Furcht" (peur, was
aber weitgehend, wie im Titel selbst, mit "Angst" übersetzt wird)
und "Angst" (angoisse)
zugrunde. für die Antike vgl. z.B. Lukrez: De rerum natura (bes.
III, 40-94 u. VI, 1140ff).
3)
Vgl. Klaus Meyer-Abich:
Die Wahrheit in Günther Anders' Irrtum. In: DIE ZEIT, Nr. 16, 19.
Juni 1987, S. 43. Dort heißt es u.a.: "Ich denke also, daß
uns Günther Anders' Irrtum auf den Weg zu einer partizipativeren
Demokratie bringen könnte. [...] Die Industriegesellschaft
muß sozusagen enthärtet werden. Sie muß sich
enthärten. Und dies beginnt bei jedem, der die Not der Welt in
sich zuläßt, sie teilt und dann im Herzen weiß, wie es
weitergehen darf und wie nicht." Dazu zählt m.E. eine
Wiederbelebung der philosophischen Diskussion über die "Affekte".
Vgl. den abschließenden Teil dieses Beitrags.
4)
Vgl. Ulrich Beck:
Risikogesellschaft (Surhkamp, Frankfurt a. Main 1986) sowie die Kritik
von K.O. Hondrich: "Ein unsichtbarer Gast sitzt mit am Tisch", in: DER
SPIEGEL, Nr. 21, 197, S. 237-242.
5)
Vgl. Thesaurus Linguae
Latinae, Stichworte angustia (ab
Cicero) unterteilt in folgenden Bedeutungsfeldern:
I. raumbezogen: z.B. ein Isthmus
II. zeitbezogen
III. Mangel an z.B. Geld, Lebensmittel
IV. im übertragenen Sinne:
1. Dinge, die uns seelisch bedrücken
2. die seelische Bedrückung selbst
und meuto (= angi animo exspectatione mali, timere).
Vgl. auch J. und W. Grimm: Deutsches Wörterbuch (DTV Verlag 1984,
Nachdr.) Stichwort 'Angst': "angor, anxietas", Grundlegend zur Wort-
und Begriffsgeschichte: Mario Wandruszka: Angst und Mut (Klett-Cotta,
Stuttgaart 1982, 2. Aufl.).
6) Vgl. W. Schadewaldt: Furcht und Mitleid? Zur Deutung des
Aristotelischen Tragödienansatzes. In: ibid.: Hellas und Hesperien
(Artemis Verlag, Zürich/Stuttgart 1960, S. 346-388).
7) ibid. S. 348.
8) ibid.
9) Vgl. M. Wandruszka, op.cit.
10) Vgl. J. Ritter (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der
Philosophie (Schwab, Basel / Stuttgart 1974 ff.): Stichworte "Angst,
Furcht". Ferner: J. Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie
Philosophie und Wissenschaftstheorie (B.I. Wissenschaftsverlag,
Mannheim 1980) Stichwort "Angst".
11) Zur "Aktualiltät" des Themas "Ende der Metaphysik" vgl. das
Colloquium IX im Rahmen des Stuttgarter Hegel-Kongresses 1987
(Genralthema: Metaphysik nach Kant?) zum Thema "Heidegger und das Ende
der Metaphysik" (insbes. die Beiträge von O. Pöggeler, J.
Taminiaux und H.-G. Gadamer). Ferner meine Rezension : Das Ende der
Moderne (G. Vattimo: La fine della modernità, Mailand 1987) in:
Philos. Jahrb. 94. Jg., 1987, 1, S. 205-209.
12) Vgl. W. Schadewaldt, op.cit., der darauf hinweist, daß die
Aristotelische Definition auf eine "ältere volkstümliche
Definition" zurückgreift (S. 361).
13) Wandruszka, op. cit. S. 153.
14) Als weitere Staatseinrichtungen zur Pflege der Tapferkeit nennt
Platon etwa Leibesübungen und Jagd im Hinblick auf die
Ertragung von Schmerzen, aber auch Übungen im Ertragen der Lust
etwa in Zusammenhang mit den Speisevereinen (Nom. 635b ff).
15) Vgl. S. Kierkegaard: Der Begriff der Angst. In: ibid. Werke
(Rowohl, Reinbek b. Hamburg 1963) S. 40-42.
16) ibid. S. 41.
17) ibid. S. 75 ff.
18) Auf
den Zusammenhang zwischen Angst und Sexualität in dieser Schrift
im Vergleich zu Platon kann ich hier im einzelnen nicht eingehe (vgl.
Kierkegaard, op.cit. S. 46 sowie S. 58-74). Nicht die Vernichtung des
Sexuellen ist die "wahre Aufgabe" schreibt Kierkegaard, sondern "es in
die Bestimmung des Geistes hineinzubekommen" (S. 74). Der "Sieg der
Liebe", "die erklärte Sinnlichkeit" "verjagt" die Angst (ibid.).
Und in bezug auf die Griechen heißt es anschließend: "Will
man nun diese Anschauung, die man christlich oder wie man will nennen
kann, vergleichen mit der griechischen, dann glaube ich, daß da
mehr gewonnen wurde als verloren. Wohl ist da nämlich ein Teil der
wehmütigen erotischen Heiterkeit verloren, aber es ist auch eine
Bestimmung von Geist gewonnen, welche die Träzität nicht
kennt." (ibid.). Hierzu ist ein zweifaches zu fragen: Ob nicht bereits
bei Platon die "griechische Heiterkeit" verloren ging, und ob
Kierkegaard nicht eine "schwermütige" und "metaphysische"
Auffassung christlicher Sexualität vertritt. Gerade in bezug auf
die Sexualität scheint mir die Heiterkeit eine notwendige
Dimension.
19) § 40. Vgl. M. Heidegger: Sein und Zeit (Niemeyer,
Tübingen 1976, 13. Aufl.) Vgl. Max Schelers Auseinandersetzung in
seinen "Späten Schriften" (Francke Verl., Bern 1976) S. 254-304.
20) Sein und Zeit, S. 190
21) Zur Kritik der Popperschen "Drei-Welten-Lehre" vgl. v.Vf.
Hermeneutik der Fachinformation (Alber, Freiburg/München) 1986.
Zur Sprengung der Subjektivität durch das Phänomen des
Offenständig-seins des Daseins vgl. M. Boss: Grundriss der
medizin und der Psychologie (Huber, Bern 1975). E. Lévinas hat
die Heideggersche Ontologie als Ontologie der Totalität
kritisiert und ihr die (in seinem Sinne!) metaphysische Erfahrung der
"Unendlichkeit" im Antlitz des Anderen entgegengesetzt (vgl. E. Lévinas:
Totalité et Infini. Essai sur l'exteriorité. Nijhof, La
Haye 1968; dt. Übers. W. N. Krewani: Totalität und
Unendlichkeit, Alber, Freiburg 1987). Da die "Ganzheit" des Daseins
sich nicht in sich verschließt, sondern im "Mitsein" und
insbesondere in die "vorspringend-befreienden Fürsorge" für
den Anderen sich der "Transzendenz" öffnet, ohne diese freilich
als metaphysische Unendlichkeit umgreifen zu wollen, scheint mir
diese Kritik Lévinas' verfehlt. Gerade die Analyse der
Befindlichkeiten (und zwar nicht nur der "Angst") bei Heidegger
zeigt, daß die Maßlosigkeit des Logos angesichts der
abgründigen oder offenen Dimension unseres Daseins, scheitern
muß. Jede Stimmung bedeutet freilich ein unterschiedlicher
Modus, die Offenheit auszutragen. Vgl. M. Boss, op.cit., S. 288-289.
22) Vgl. auch die Erörterungen über Furcht und Tapferkeit in
der Nik. Ethik III, 1115 a ff.
23) Nik.Ethik III. Zur Aristotelischen Ethik vgl. Günter Bien: Die
Grundlegung der politischen Philosophie bei Aristoteles (Alber,
Freiburg / München 1985, 3. Aufl.)
24) Vgl. M. Heidegger: Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffss.
In: ibid. GA 20 (Klostermann, Frankfurt a.M. 1979), S. 391-406.
25) Lévinas mißversteht also Heidegger, wenn er ihm eine
Naturontologie unterstellt. Vgl. E. Lévinas, op.cit. s. 17.
Das Fürchten für
den Anderen (!), durchaus auch in bezug auf die materiellen
Nöte, tritt erst vor der in der "Angst" sich zeigenden
Möglichkeit des Nichts, in seiner vollen Dimension zutage. Diese
Einsichten geben auch den Sinn für die "vorspringend-befreiende
Fürsorge" (Sein und Zeit, S. 122). Die Erfahrung des Nichts oder
der Unheimlichkeit zeugt vom Scheitern des totalisierenden Logos.
Descartes (in seiner 3. Meditation) und Lévinas scheinen mir
gerade jenen phänomenalen Boden aufzugeben, von wo aus
erst die "Idee des Unendlichen" sich als jenseits des Phänomens
(bzw. des Seienden) erweist. Lévinas Schwäche liegt in
meinen Augen in seinem Ontologisieren der Ethik. Für ihn ist die
Ethik die Metaphysik. Es
geht also nicht um ein Primat, sondern um eine (fragwürdige)
Reduktion.
26) Vgl. M. Heidegger: Die Grundprobleme der Phänomenologie. In:
ibid. GA 24 (Klostermann, Frankfurt a.M. 1975)
27) Vgl. M. Heidegger: Was ist Metaphysik? (11. durchges. Aufl.,
Klostermann, Frankfurt a. M. 1975).
28) Vgl. Lévinas' Interpretation im Sinne einer "existence
heroique", op.cit. S. 284. Dazu M. Heidegger: Was ist Metaphysik?
op.cit. S. 47. Vgl. die Bedeutung der Furcht (peur) "vor dem Anderen, dem absolut
Unvorhersehbaren" im Zusmmenhang mit dem Tod bei Lévinas
(op.cit. S. 212 und 165). Es würe hier die Frage, inwiefern die
Kritik Lévinas' am "Neutrum" (vgl. Heideggers "Es gibt") der
Ontologie verfehlt ist, da gerade das "Neutrum" als Anzeichen des ganz
(!) Anderen gelten kann, während eine Personalisierung dieses
Anderen die Andersheit in dieser Hinsicht aufhebt. Heideggers "Es
gibt" bezieht sich aber natürlich nicht auf das (!) "Absolute",
sondern auf die Ereignishaftigkeit des Seins.
29) Vgl. M. Heidegger: Vom Wesen des Grundes (6. Aufl., Klostermann,
Frankfurt a.M. 1973) S. 54.
30) Vgl. M. Heidegger: Nietzsche (Neske, Pfullingen 1961; Bd. 1, S.
59-63). In "Morgenröte" (Fünftes Buch, 551) erinnert
Nietzsche an die Furcht, welche "so sehr das Grundelement jener
Ehrfurcht war, welche uns bei allem Unbekannten, Geheimnisvollen
überfiel und uns vor dem Unbegreiflichen niedersinken und um Gnade
bitten lehrte". Mit der Abnahme der Furchtbarkeit verminderte sich
auch unsere "Furchtsamkeit". Im fünften Buch ("Wir Furchtlosen")
der "Fröhlichen Wissenschaft" schreibt Nietzsche, daß es
"nichts Furchtbareres gibt als Unenendlichkeit (124). Aufgrund der
"unendlichen Interpretationen" "faßt uns der große Schauder
- aber wer hätte wohl Lust, dieses
Ungeheure von unbekannter Welt nach alter Weise wieder zu
vergöttlichen?" (374).
31) Zitat nach M. Heidegger, Nietzsche, op.cit. s. 656.
32) Vgl. v.Vf.. in Anschluß an G. Vattimo: Das Ende der
Moderne, op.cit.
33) Vgl. M. Heidegger: Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung
(Klostermann, Frankfurt a.M. 1971, 4. Aufl.). Ferner auch die Vorlesung
vom WS 1941/42 in: M. Heidegger: Hölderlins Hymne 'Andenken'.
(Klostermann, Frankfurt a.M. 198a2, GA 52).
34) Vgl. M. Heidegger: Aus einem Gespräch von der Sprache. In.
ibid. Unterwegs zur Sprache (Neske, Pfullingen 1975, 5. Aufl.) S. 147
ff. Wittgensteins Diktum: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber
muß man schweigen" (L. Wittgenstein: Tractatus
Logico-Philosophicus. Routledge & Kegan Paul, London 1962, 7)
muß von hier aus erneut durchdacht werden. Ist die Einischt in
das "Sprachspiel" auch eine Einsicht in die Möglichkeit eines
Sprechens von der Sprache?
35) M. Heidegger: Die Sprache im Gedicht. In: ibid. Unterwegs zur
Sprache, op.cit. S. 41.
36) Zitat in M. Heidegger: Hölderlins Hymne 'Der Ister'
(Klosterman,
Frankfurt a. M. 1984, GA 53) S. 85.
37) M. Heidegger: Was ist das - die Philosophie? (Neske, Pfullingen
1976, 6. Aufl.) s. 28.
38) Vgl. M. Heidegger: Gelassenheit (Neske, Pfullingen 1977, 5. Aufl.).
Zur Frage nach der Technik bei Heidegger vgl. W. Schirmacher: Technik
und Gelassenheit (Alber, Freiburg / München 1983), G. Seubold:
Heideggers Analyse der neuzeitlichen Technik (Alber, Freiburg /
München 1986) und in bezug auf die Informationstechnik v. Vf.: Hermeneutik der
Fachinformation, op.cit. sowie Heidegger über Sprache
und Information. In: Philos.Jahrbuch 88. Jg. (1981) S.
333-344.
39) Vgl. Medard Boss, op.cit. S. 291-292. Angst und "heitere
Gelassenheit", die sich, nach Boss, im Verständnis des Todes "am
tiefsten" voneinander unterscheiden, finden in der "frohmütigen"
Scheu ihre gemeinsame Wurzel.
40) Lévinas sieht, treffend, in der Scham (honte) den Ursprung des ethischen
Verhaltens (ibid. S. 55-56). Sie ist aber im Hinblick auf die Nennung
("Idee") des 'Anderen' ("Unendlichen") von der Scheu nicht zu trennen.
41) Vgl. M. Heideggere, Gelassenheit, op.cit. S. 60-61
42) Vgl. Rudolf
Fahrner: Alianor (als Manuskript gedruck bei Georg Aglasingen,
München 1977).
43) Vgl. I. Kant: Kritik der Urteilskraft (Suhrkamp, Frankfurt a.M.
1974) B. 108, Die "Idee der Erhabenheit", wovon Kant spricht,
ermöglicht uns die "Macht der Natur" "ohne Furcht zu beurteilen",
"Furcht und Angst vor dem übermächtigen Wesen, dessen Willen
der erschreckte Mensch sich unterworfen sieht, ohne ihn doch
hochzuschätzen" unterscheidet "Superstition" von "Religion" (ibid.
B 109-110).
44) Vgl. M. Heidegger, Gelassenheit, op.cit. S. 24. Vgl. die zentrale
Bedeutung des Begriff des "Geheimnisses" in der Theologie Karl Rahners:
Über den Begriff des Geheimnisses in der katholischen Theologie.
In: ibid. Schriften zur Theologie (Benziger, Einsiedeln 1961, 2.Aufl.)
Bd. 4, S. 51-102.
45) Vgl. v.vf. Hermeneutics
and the Phenomenon of Information. In: W. Schirmacher, C. Mitcham
(Eds.): Phenomenology and Technology (Washington 1989). Vgl. Wolf
Lepenies: Die Wissenschaft und die Angst. Über die Wiederkehr der
Furcht im technischen Zeitalter. In: FAZ, 1. August 1987, Nr. 175:
"Technik und Wissenschaft werden, wenn die Errungenschaften des
Zivilisationsprozesses auch nur bewahrt werden sollen, schleunigst
damit beginnen müssen, wieder das Fürchten zu lernen."
Vgl. auch Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer
Ethik für die technologische Zivilisation (Surhkamp 1979). S. 392:
"Auch Ehrfurcht und Schaudern sind wieder zu lernen, daß sie uns
vor Irrwegen unserer Macht schützen (zum Beispiel vor Experimenten
mit der menschlichen Konstitution). Das Paradoxe unserer Lage besteht
darin, daß wir die verlorene Ehrfurcht vom Schaudern, das
Positive vom vorgestellten Negativen zurückgewinnen müssen:
die Ehrfurcht für das, was der Mesnch war und ist, aus dem
Zurückschaudern vor dem, was er werden könnte und uns als
diese Möglichkeit aus der vorgedachten Zukunft anstarrt. Die
Ehrfurcht allein, indem sie uns 'Heiliges', das heißt unter
keinen Umständen zu Verletzendes enthüllt (und das ist auch
ohne positive Religion dem Auge erscheinbar) wird uns auch davor
schützen, um dier Zukunft willen die Gegenwart zu schänden,
jene um den Preis dieser kaufen zu wollen." Vgl. auch S. 57-58. Jonas'
Imperativ ("Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung
verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf
Erden" ibid. S. 36) ist auf die Zukunft hin gerichtet, und
schließt somit als wesentliches Moment die prinzipielle
Unabsehbarkeit dieser Zukunft, d.h. unserer Endlichkeit, ein.
46) Zitat in M. Heidegger: Hölderlins Hymne 'Der Ister', op.cit.
S. 85
(nach der Übersetzung Hölderlins).
Letzte
Änderung: 18. August 2017
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