WISSENSMANAGEMENT

Grundfragen und Bausteine

Rafel Capurro

 
 
 
Grundfragen des WM
 
Bausteine des Wissensmanagements
 
Wissensziele
Wissensbewertung
 
I. Wissensidentifikation II. Wissenserwerb III. Wissensentwicklung
IV. Wissens(ver)teilung V. Wissensnutzung VI. Wissensbewahrung
 
Softtwareprodukte
 
 

 Grundfragen des Wissensmanagements

Inhalt


I. Was ist Wissen?
II. Was ist Wahrheit?
III. Vorläufige Resultate
IV. Was bedeuten Informations- und Wissensmanagement?
V. Ist Wissen (ökonomisch) meßbar?

Literatur

Capurro, R.: Skeptisches Wissensmanagement (2001)
Capurro, R.: Lässt sich Wissen managen? Eine informationswissenschaftliche Perspektive. In: W.-F. Riekert, M. Michelson, Hrsg.: Informationswirtschaft. Innovation für die Neue Ökonomie. Gabler 2001, S. 139-172.
Capurro, R.: Einführung in die Informationswissenschaft

Capurro, R.: Information - Ein Begriff macht Geschichte (2004)
Capurro, R.: Beständiges Wissen? (2006)

:: Capurro, Rafael / Hjørland, Birger: The Concept of Information (2003)


I. Was ist Wissen?

Seit 2500 Jahren wird in der abendländischen Tradition darüber nachgedacht und die Meinungen sind immer noch sehr unterschiedlich.   

Dabei spielt gerade der Unterschied zwischen Wissen und Meinen in der griechischen Philosophie (Griechisch: Wissen =  episteme, Meinen = doxa; Lateinisch: scientia bzw.  opinio) eine entscheidende Rolle. Gegenüber dem bloßen Meinen unterscheidet sich Wissen durch die Angabe von Gründen (Griechisch: logos, Lateinisch: ratio) in bezug auf den zu erkennenden Gegenstand oder Sachverhalt in seinem Da- und Sosein. Wenn der Prozess der Angabe von Gründen wiederum einer Kritik unterzogen wird, spricht man von wissenschaftlicher Methode. Die Angabe von Gründen auf der Basis von Methodenwissen ist die Auszeichnung von Wissenschaft. Empirische Wissenschaft fragt nach dem Wie und Warum eines Sachverhaltes und stellt die Gründe in Form von gesetzmäßigen Zusammenhängen dar.

Die 'Was-Frage' im Sinne des Erfassens der Grundzüge oder des 'So-seins' oder  Wesens (Griechisch eidos, idea, Lateinisch forma, essentia, species) eines Gegenstandes ist Aufgabe der Philosophie. Diese Form des Wissens richtet sich auf das Erfassen von Bedeutungen oder Sinngehalten in einem Sinnhorizont. Das Ergebnis dieses Erkenntnisprozesses ist das Verstehen (Griechisch: dianoia, nous, Lateinisch: intellectus, ratio).

Daraus entstand seit dem 19. Jahrhundert der Gegensatz zwischen Erklären und Verstehen und die methodische Unterscheidung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften (W. Dilthey). Diese berühmte Kontroverse führte im 20. Jahrhundert - durch die Analyse des Verstehensprozesses durch die Hermeneutik (H.-G. Gadamer) und des wissenschaftlichen Erklärungsprozesses durch die Wissenschaftstheorie (K. Popper) - zu der Einsicht, dass Erklären immer schon auf der Basis eines Vorverständnisses in Form eines  'Paradigmas' (Th. S. Kuhn) beruht.

Der sogenannete 'Zirkel des Verstehens' ist eine allgemeine Form dessen, was die Wissenschaft methodisch bei der Angabe von Gründen vollzieht.    
Mit dem 'Zirkel des Verstehens' oder dem 'hermeneutischen Zirkel' ist der Zusammenhang von:
(Vor-)Verstehen -> Auslegen -> Bildung eines neuen Vorverständnisses->...  
gemeint. 

Dieser Zusammenhang besagt, dass das Erfassen oder Verstehen eines Sachverhaltes in seiner Bedeutung oder in seinem 'So-sein' immer auf der Basis eines tradierten vorverstandenen Bedeutungszusammehangs oder eines Bedeutungsnetzes ('Horizontes') stattfindet, der aber durch den Interpreten nie total ausgeschöpft werden kann, d.h. implizit bleibt. Der Interpret bewegt sich oder lebt als Handelnder immer schon im Rahmen einer 'praktisch' vorverstandenen Welt ('Lebenswelt'). In dem wir z.B. die Sprache erlernen, nehmen wir dieses tradierte Vorverständnis als gegeben wahr und dabei auch als 'wahr' d.h. wir handeln danach. Die Sprache ist ein Handlungshorizont. Das ausdrückliche oder explizite Verstehen von etwas 'als' etwas in Form einer Aussage oder des wissenschaftlichen Erkennens findet also immer auf der Basis eines mit anderen 'mit-geteilten' oder implizit kommunizierten Vorverständnisses statt. Die Zirkularität des Verstehens bedingt auch den Erkenntnisfortschritt in den Wissenschaften, die ihre 'Vor-Urteile' mit äußerster Exaktheit durchleben. Diese Auffassung des Verstehens hat weitreichende Konsequenzen für die Theorie und Praxis des Informations- und Wissensmanagements (Capurro 1986 und 1999).

Während also das Verstehen auf die Sichtbarmachung der Sachverhalte in ihren Bedeutungs- und Verweisungszusammenhägen zielt und dabei immer auf vorgegebene Interpretationen basiert, richtet sich das Augenmerk des wissenschaftlichen Erklärens auf das Erfassen von Gesetzmäßigkeiten und somit auf die Prognose oder Vorhersage. Die klassische Wissenschaftstheorie, zum Beispiel in den Traditionen des Positivismus und des Logischen Empirismus, sah das Ziel wissenschaftlicher Erklärung in der zureichenden Begründung und der empirischen Verifizierbarkeit von Aussagen an. Demgebenüber  betonte der Kritische Rationalismus (K. Popper) die Idee der kritischen Prüfung oder der 'Falsifizierbarkeit'. Eine zureichende (Letzt-)begründung von Sätzen führt entweder zu einem unendlichen Regreß, oder zu einem Zirkel im Beweis oder zu einem willkürlichen Abbruch des Begründungsverfahrens ('Münchhausens Trilemma'). Gegenüber der Idee der Verifiziebarkeit setzte der Kritische Rationalismus die Idee der Falsifizierbarkeit und mit ihr des revidierbaren Wissens (Vermutungswissen) auf der Basis der Möglichkeit seiner (empirischen) Falsifikation.

Das grundlegende Modell für Erklärung und Vorhersage von Ereignissen lieferten C.G. Hempel und P. Oppenheim (HO-Schema): Ein zu erklärendes Ereignis ('Explanandum') wird aufgrund von Anfangsbedingungen und universellen Gesetzesaussagen ('Explanans') erklärt, wobei:   
a) das 'Explanans' mindestens ein universelles Gesetz enthalten soll, das wirklich für die Erklärung benutzt wird,  
b) die Gesetze des 'Explanans' müssen empirischen Gehalt haben,  
c) alle Aussagen des Explanans müssen wahr oder (nach Popper) hochbestätigt sein.   
Schließlich muß das 'Explanandum' logisch aus dem 'Explanans' folgen.   

Explanans:  
A1, A2 ...., Ak Anfangsbedingungen  
G1, G1...., Gn Gesetze  

____________________________ logische Ableitung  

Explanandum:  
E  
  

Außer dieser deduktiv-nomologischen also auf (Kausal-)Gesetzen (Griechisch: 'nomos') basierenden Erklärungsart, ist auch eine induktiv-statistische auf Wahrscheinlichkeit beruhende Erklärung möglich.

Das deduktive Modell der Erklärung stützt sich auf Realgründen im Gegensatz zur bloßen Angabe von Überzeugungen oder Meinungen. Es unterscheidet sich von einer induktiven Argumentation u.a. dadurch, daß die Einzelinformationen über singuläre Fakten mit Gesetzesaussagen verbunden werden. Entsprechend diesem Modell finden Einzelbeobachtungen oder Einzelinformationen auf der Basis einer vorhergehenden Theorie oder Hypothese statt ('Theoriebeladenheit der Beobachtungen'). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass "gewisse Formen des Verstehenszirkels in einem engen Zusammenhang stehen zum 'Problem der Theoriebeladenheit der Beobachtungen'" stehen (Stegmüller 1979, S. 82), so dass dieser 'Zirkel' nicht mehr zur Abgrenzung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften dient, sondern ein Ausdruck der gemeinsamen Probleme darstellt.

Die Weiterentwicklung der wissenschaftstheoretischen Diskussion führte zu einer Neuauffassung der Entstehung und Entwicklung wissenschaftlicher Theorien (Th. S. Kuhn). In seinem Buch "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" (1976) zeigte Kuhn, dass der Prozess der Wissenschaftsentwicklung nicht kumulativ-kontinuierlich nach internen Kriterien ('context of justification' = Begründungszusammenhang), sondern von wissenschaftsexternen sozialen Faktoren ('context of discovery' = Entdeckungszusammenhang) diskontinuierlich verläuft.

Der Schlüsselbegriff dafür ist der des "Paradigmas", womit u.a. anerkannte Vorbilder und Modelle wissenschaftlicher Praxis gemeint sind, die das bestimmen, was je nach Disziplin als 'rational' gilt. Wenn sich ein Paradigma durchgesetzt hat, spricht Kuhn von "normaler Wissenschaft", die im Falle eines "Paradigmenwechsels" eine "revolutionäre Phase" vollzieht. Eine revolutionäre Phase wird u.a. durch auftretende Anomalien oder unerwartete Ereignisse eingeleitet, die der Prognose entsprechend dem gültigen Paradigma widersprechen. Das führt u.U. zu größeren Komplikationen sowie schließlich zu einer Krise und zur Durchsetzung eines neuen Paradigmas. Eine verschärfte Form des Relativismus in Zusammenhang mit wissenschaftlichen Methoden und dem Erkenntnisfortschritt vertritt Paul Feyerebend, der eine enge methodische Normierung zugunsten eines kreativen Denkens fordert (Feyerabend 1986).

Die 'nomologische' Erklärungsart und die damit verbundene Auffassung von Wissen stößt  auf besondere Schwierigkeiten im Falle der Erklärung menschlichen Handelns und der damit zusammenhängenden historischen Entwicklungen, sofern nämlich keine universellen Gesetze dafür verfügbar sind. Hier beruhen die Regelmäßigkeiten auf Gewohnheiten oder auf durch Institutionen erlassenen Gesetze, die aber nicht von der Art der Naturgesetze sind. Neben der Relativität dieser Regelungen kommt auch die Deutung der Handlungszwecke und der Motive oder Gründe (im Gegensatz zu den kausalen 'Ursachen') sowie der spezifischen Situationen hinzu. Hier tritt die Erkenntnisform des Verstehens, d.h. des Deutens und praktischen (ethischen, politischen, rechtlichen) Argumentierens ein.  Die Folgerungsbeziehungen betreffen Deutungen und Handlungen anstelle von Gesetzen und Ereignisaussagen.

 


II. Was ist Wahrheit?

Die Frage nach der Wahrheit läßt sich, wenn wir die Tratidionen von Hermeneutik und Wissenschaftstheorie berücksichtigen,  zweifach unterscheiden, je nachdem, ob wir etwas im Vorverständnis als 'wahr' in einem bestimmten Sinnzusammenhang 'nehmen', oder ob wir, wie bei der wissenschaftlichen Erkenntnis, nach dem Wahrheitsgehalt von Sätzen fragen und uns dabei auf der (nomologische oder Motive deutende) Erklärungsebene bewegen. Wahrheit meint im ersten Fall die (menschliche) Fähigkeit etwas in seiner Bedeutung kundzumachen oder aufzudecken, wie der griechische Begriff von Wahrheit ('a-letheia' = ent-hüllen) ausspricht. Diese Vorgang kann sowohl sprachlich als auch durch andere nicht-sprachliche Verhaltensweisen wie Bilder, Gesten, Töne etc.  stattfinden.

In der klassischen Logik bedeutet Wahrheit die Eigenschaft eines Urteils, durch die richtige Verbindung von Subjekt und Prädikat einen Sachverhalt zu treffen. Wahrheit ist die Übereinstimmung von Denken und Sache ('veritas est adaequatio intellectus et rei'). Eine bloße formale Übereinstimmung wird als 'Richtigkeit' bezeichnet. Für die semantischen Wahrheitstheorien (A. Tarski) ist der Satz "p" wahr dann und nur dann, wenn p, d.h. wenn der mit dem Satz gemeinte Sachverhalt besteht. Pragmatische Wahrheitstheorien, wozu auch die Kohärenztheorie der Wahrheit gehört, legen Wert auf die Dienlichkeit einer Aussage insbesondere für die Zwecke wissenschaftlicher Forschung. Verwandt damit ist die Konsenstheorie der Wahrheit, die Wahrheit im Hinblick auf den zu erreichenden Konsens im Rahmen eines "herrschaftsfreien" Diskurses (J. Habermas) bestimmt. Für konstruktivistische Wahrheitstheorien schließlich bedeutet Wahrheit ein Prozeß des gemeinsamen Konstruierens oder Gestaltens eines Sinn- und Begrün- dungszusammenhangs, dessen Ergebnis sich pragmatisch bewährt.
   
Wissen im Sinne von Verstehen eines Sachverhaltes hat zunächst mit der Wahrheit von Aussagen sowie mit ihrer methodischen Begründung nichts zu tun, wohl aber mit der Bedeutung von Wahrheit im Sinne von 'etwas kundtun', was sowohl in Form von Sprache, aber auch und heute zunehmend, durch Bild und Ton stattfindet. In diesem Sinne ist also Wissen das Ergebnis eines Verstehensprozesses, der immer ein sozialer, d.h. ein Kommunikationsprozess ist. Sprache im weiteren Sinne des Wortes, also auch Bild und Ton, ist ein soziales Phänomen. Die Mitteilung von Wissen nennen wir Information. Ohne Information ist kein Wissenserwerb möglich.

Wissensmitteilung beruht aber wiederum auf einem vorhergehenden tradierten und mit anderen immer schon 'mit-geteilten' Wissen. Das Erlernen der eigenen Muttersprache ist dabei ein eindrucksvolles Zeugnis dieses kommunikativen und auf tradiertem Vorwissen basierenden Prozesses des Wissenserwerbs durch Information. Nicht zufällig bedeutet das Wort 'Information' so viel wie 'Einprägen' oder 'In-formieren'. Im 19. Jahrhundert verwendete man das Wort 'Informator' im Sinne von 'Erzieher' und unser ehrwürdiges Wort 'Bildung' ist nichts anderes als die deutsche Übersetzung des lateinischen Wortes informatio. Dieses wiederum verweist auf die griechischen Ursprünge des Wissensbegriffs, denn forma ist das lateinische Wort für eidos oder idea. 



III. Vorläufige Resultate

Die Kontroverse um den Wissens- und Wahrheitsbegriff im 20. Jahrhundert zeigt folgende Resultate:    

- Eine scharfe Trennung zwischen Wissen und Meinen ist nicht möglich, da Wissen immer schon auf der Basis eines Meinens (Vorverständnis, Theoriebeladenheit der Beobachtung) stattfindet. 

- Eine ausschließliche Ausrichtung von Wissen in Zusammenhang mit sprachlichen Aussagen erweist sich nicht nur als einen verkürzenden Intellektualismus, sondern verkennt auch die Wissensfähigkeit anderer menschlicher Ausdrückweisen, darunter insbesondere Ton und Bild, wodurch Sachverhalte 'zum Ausdruck' kommen können. Diese Einsicht hat eine besondere Bedeutung in unserer durch Bild- und Tonmedien geprägten Welt.

- Wissen ist kein individueller, sondern ein sozialer Prozeß. Das sogenannte 'Wissen in den Köpfen' ist nicht das Ergebnis eines solipsistisch verlaufenden Erkenntnisprozesses, sondern basiert auf einem Informationsprozess. Wissen und Information bedingen sich gegenseitig.

- Wissen ist in einem allgemeinen Sinne nicht primär auf die Frage nach methodisch gerichteter Erkenntnis und somit auf Wahrheit von wissenschaftlichen Aussagen ausgerichtet, sondern bedeutet 'etwas kundtun' und ist somit auf Mitteilung und Information bezogen.

- Wissen findet sowohl in einem Verstehen- als auch in einem Erklärungszusammenhang statt, wobei der Verstehenszusammenhang auf das 'Was'´, der Erklärungszusammenhang auf das 'Wie und Warum' eines Sachverhaltes ausgerichtet ist. In beiden Fällen ist ein 'produktiver' Zirkel nicht nur nicht zu vermeiden, sondern notwendigerweise auch zu begehen. So wie es kein Wissen ohne Vorverständnis gibt, so gibt es auch keine wissenschaftliche Erklärung ohne Vorurteile bzw. ohne 'Vor-Urteile'. Empirisches Wissen ist immer 'theoriebeladen'. 

- Die Einsicht in die pragmatische Dimension des Wissens führt dazu, dass der Kategorie der Relevanz eine entscheidende Bedeutung nicht nur bei Wissensvermittlungsprozessen, sondern auch bei Verstehens- und Erklärungsprozessen beigemessen wird. Wissen, ob als Ergebnis eines Verstehens- oder Erklärungsprozesses, bedeutet immer Selektion. Sofern Selektion von einem Handelnden vorgenommen wird, sind immer pragmatische oder 'lebensdienliche' Ziele impliziert, die als Relevanzkriterien fungieren. Auch Wahrheit ist, wie Nietzsche hervorgehoben hat, eine pragmatische Kategorie. Das bedeuet wiederum nicht die Auflösung der Wahrheitsfrage, sondern die Einsicht in die Differenz zwischen 'nomologischen' auf Ursachen und 'pragmatischen' auf Ziele und Motive basierenden Erklärungen.

   


IV. Was bedeuten Informations- und Wissensmanagement?  

Es ist ein Unterschied, ob wir Wissensvermittlungsprozesse (Informationsmanagent) oder  Verstehens- und/oder (wissenschaftliche) Erklärungsprozesse managen (Wissensmanagement) managen. In beiden Fällen stellt sich die Frage der Relevanz an erster Stelle, im Hinblick nämlich auf die gesteckten Ziele sowie auf die dafür möglicherweise in Frage kommenden Mittel. Sie sind ein guter Koch, aber sie brauchen u.U. jemand, der Ihnen die Ingredienzien kauft, auch wenn natürlich gute Köche die wichtigsten Dinge selbst einkaufen! Das Management des Kaufs von Lebensmitteln bedeutet nicht gleichzeitig, dass Sie gut kochen können und umgekehrt.

Wissensmanagement bedeutet das Management von Verstehens- und Erklärungsprozessen im Hinblick auf bestimmte Ziele, insbesondere auf die einer Organisation oder, enger gefaßt, auf die eines Unternehmens. Informationsmanagement bedeutet das Management von Wissensvermittlungsprozessen im Unternehmen, wobei hier auch das Datenmanagement zu differenzieren ist. Der Informationsmanager behandelt Wissen in dekontextualisierter Form, so wie derjenige der Lebensmittel einkauft, diese aber noch nicht in einem Prozeß der Speisezubereitung miteinander mischt. Der Wissensmanager ist derjenige, der das vermittelte Wissen einem (erneuten) Verstehens- und/oder Erklärungsprozeß unterzieht und sie also rekontextualisiert. Natürlich hängen diese Prozesse eng zusammen und deshalb ist es auch sinnvoll, dass diejenigen, die sich vor allem mit dem Vemittlungsprozess von Wissen beschäftigen (Informationsmanagement)  auch von Wissensmanagement und von Datenmanagement etwas verstehen und umgekehrt. Informationsmanagement bedeutet eine gezielte Ausrichtung der Vermittlung von Wissen. Wissensmanagement bedeutet, dass der Verstehens- und/oder Erklärungsprozess ebenfalls im Hinblick auf bestimmte Ziele ausgerichtet wird.

 



V. Ist Wissen (ökonomisch) meßbar?

Ist Wissen meßbar? Und, wenn ja, wie ist es ökonomisch zu bewerten?  Von Anbeginn unserer philosophischen Tradition ist die erste Frage an die Frage: Was ist Wissen? gekoppelt. Für Platon war das Maß des Wissens die 'Idee' und Aristoteles unterschied zwischen der Möglichkeit eines sicheren theoretischen Wissens (episteme), dem 'praktischen' oder 'ethischen' Wissen, das wir uns durch einsichtiges Abwägen in bezug auf das Ziel des 'guten Lebens' aneignen, und dem 'technischen' Wissen, das wir zur Herstellung von Gegenständen brauchen. Die Auseinandersetzung zwischen Philosophen und Sophisten bestand u.a. darin, inwiefern für die Vermittlung 'höherer' Wissensformen auch ökonomische Maßstäbe gelten sollen.   

Der Buchdruck eröffnete die Möglichkeit der ökonomischen Bewertung externalisierten Wissens auf der Basis eines Vertrages zwischen Autor und Verleger (copyright/droit d'auteur). Mit dem Aufkommen der Industriegesellschaft im 19. Jahrhundert wuchs die Bedeutung von Wissen als ein Wirtschaftsfaktor neben Kapital, Boden und Arbeit. Nicht nur die Autoren-, sondern vor allem die Erfinderrechte wurden durch Patente geschützt. Doch die Frage, wie das Wissen eines Unternehmens, das nicht patentiert ist, sondern in den Köpfen und Fähigkeiten der Mitarbeiter, also sowohl implizit in Form von know how als auch explizit in Form von  know that, zu managen und (ökonomisch) zu bewerten ist, wurde meistens nicht gestellt oder blieb unbeantwortet.    

In einer durch die Informationstechnologie geprägten Welt wurde die wirtschaftliche Bedeutung von Wissen und ihrer digitalen Vermittlung immer deutlicher. Dieser Prozeß der in den 70er Jahren mit dem Aufkommen der wissenschaftlichen Datenbanken und Datenbankanbieter (seit etwa Mitte der 80er Jahren auch auf kommerzieller Basis) und mit der Entwicklung der ersten Management Informationssysteme (MIS) führte zunächst zu einem einseitigen Vertrauen (und Mißtrauen!) in die Wirkung der Einführung von EDV-Systemen in Unternehmen. Diese Entwicklung erfuhr eine abermalige Umwälzung seit dem Entstehen des Internet vor etwa zehn Jahren. Das Aufkommen von dezentralen weltweit vernetzten Informationsanbietern mit großer Speicherkapazität, die Nutzung dieses Netzes für Kommunikation (E-Mail) und Datentransfer, die Möglichkeiten der multimedialen Aufbereitung von Wissen und schließlich die Nutzung all dieser Möglichkeiten durch transportable und 'handliche' Geräte läßt die Frage nach der wirtschaftlichen Bedeutung von Wissen und seiner Vermittlung in einer digitalisierten und globalisierten Ökonomie ganz anders erscheinen als im Kontext der Industriegesellschaft. Es geht nicht mehr darum zu fragen, ob Wissen und Information einen ökonomischen Wert haben oder ob sich der Einsatz von EDV 'lohnt', sondern die Frage ist jetzt welche Methoden müssen Unternehmen einsetzen, um Wissen und Information profitabler zu machen und wie diese Steigerung in den verschiedenen Bereichen möglichst genau zu bewerten ist ('Wissensbilanz').   

Diese Frage ist im Rahmen einer volkswirtschaftlichen oder makroökonomischen sowie gesamtmenschlichen Betrachtung sehr schwer zu beantworten. Die Digitalisierung von Wissen und seine weltweite Vermittlung im Internet stellen uns auch vor neuen politischen und kulturellen  Herausforderungen, die eine konkrete Auslegung und Anwendung der Menschenrechte - zum Beispiel: Achtung der Menschenwürde, Vertraulichkeit, Chancengleichheit, Recht auf Privatheit, Recht auf freie Meinungsäußerung, Recht auf Beteiligung am kulturellen Leben, Schutz der materiellen und geistigen Arbeit - im Rahmen einer 'sozialen Informationswirtschaft' erfordern.   

Ein (auch ethisch) kluges betriebliches Informations- und Wissensmanagement sollte stets Rücksicht auf nicht-ökonomische Wissensmaßstäbe nehmen. Der freie Zugang zum Internet in öffentlichen Institutionen sollte durch politische und ökonomische Rahmenbedinungen auf regionaler und internationaler Ebene, die durch weitere Maßnahmen in Erziehung und Bildung sowie durch internationale 'top down' und 'bottom up'  Initiativen gewährleistet werden. Dies ist das Gebot der Stunde gerade im Sinne einer makroökonomischen Betrachtung, die den Wert von Kommunikation, Bildung und Erziehung unter den Bedingungen der digitalen Weltvernetzung richtig einschätzt und zwar nicht nur für die Betriebs- und Volkswirtschaft, sondern ebenso für die kulturellen und politischen Dimensionen eines globalen Zusammengehörens.  

Ein weltweites 'knowledge sharing' sowie ein unter fairen Bedingungen gewährleisteter Zugang zur digitalen Information mit der Möglichkeit einer aktiven Teilnahme am Kommunikationsprozeß stellen sich letztlich als den unschätzbaren Rahmen einer Wissensökonomie im Weltmaßstab dar. Eine Reduktion des Menschen auf den 'homo laborans' und des Wissens und seiner Mitteilung auf den zweckrationalen Einsatz für partikulare primär ökonomisch gerichtete Interessen stellt nicht nur eine unzulässige Verkürzung menschlichen Zusammenlebens und -denkens dar, sondern versiegelt eigentlich die Quelle, woraus Kreativität und somit letztlich auch innerbetriebliche Innovation und Wertschöpfung entspringen.  

  


Literatur und Links

Capurro, R. (1999): Einführung in den Informationsbegriff. (Skript, Kap. 1) CyberChart-Version. 
- (1986): Hermeneutik der Fachinformation. Freiburg/München  
- (1985): Leben im Informationszeitalter. Berlin 
- (1999): Wissensmanagement und darüber hinaus.  
Feyerabend, P. (1986): Wider den Methodenzwang. Frankfurt a.M. 
Gadamer, H.-G. (1975): Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 
Kuhn, Th. S. (1976): The Structure of Scientific Revolutions. Chicago 1962 (Dt.  Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt a.M. 1967, 1976). 
Popper, K.R. (1976): Logik der Forschung, Wien 1934, Tübingen 1976   
Schwemmer, O. (1980): Art. Erklärung. In: J. Mittelstraß, Hrsg.: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Mannheim 
Stegmüller, W. (1979): Walther von der Vogelweides Lied von der Traumliebe und Quasar 3 C 273. Betrachtungen zum sogenannten Zirkel des Verstehens und zur sogenannten Theoriebeladenheit der Beobachtungen. In: ibid.: Rationale Rekonstruktion von Wissenschaft und ihrem Wandel. Stuttgart, S. 27-86. 

 
 
 
  

Bausteine des Wissensmanagements

"Bausteine des Wissensmanagements" so nennen Gilbert Probst, Steffen Raub und Kai Romhardt die acht Problemfelder des Wissensmanagements (Probst et al. 1998). Ihm liegt die Einsicht in die Unterscheidung zwischen Wissen, Information, Daten und Zeichen zugrunde.
    
Die Ressource WISSEN als Basis eines Unternehmens ist untrennbar mit den Elementen:    
ZEICHEN
DATEN
INFORMATIONEN

verbunden.    

Probst et al. schreiben:    

"Die Zusammenhänge zwischen diesen Ebenen werden häufig als Anreicherungsprozeß dargestellt. Zeichen werden durch Syntaxregeln zu Daten, welche in einem gewissen Kontext interpretierbar sind und damit für den Empfänger Information darstellen. Die Vernetzung von Information ermöglicht deren Nutzung in einem bestimmten Handlungsfeld, welches als Wissen bezeichnet werden kann. Teilweise werden aufbauend auf dieser Trennung noch zusätzliche Ebenen wie Weisheit, Intelligenz oder Reflexionsfähigkeit unterschieden." (Probst et al. 1998, S. 34-35)
Albrecht von Müller, Leiter des Unternehmens ThinkTools GmbH (Winkelhage 1998), definiert Daten, Information und Wissen folgendermaßen (Müller 1997):     
"Als Daten bezeichnen wir die symbolische Repräsentation von Sachverhalten (zum Beispiel den auf einem digitalen Thermometer ablesbaren Anzeigewert von "25° Celsius".)    

"Als Information bezeichnen wir ein Bündel von Daten, das in einer propositionalen Struktur zusammengefaßt ist. Die Aussage: "In München sind es heute, am 27.7.1996 um 13 Uhr, 25 Grad im Schatten" ist eine Information im Sinne dieser Definition."     

"Als Wissen schließlich bezeichnen wir die systematische Verknüpfung von Informationen dergestalt, daß prognostische oder explanatorische Erklärungen abgegeben werden können, d.h. sinnvolle Frage richtig beantwortet werden können (Beispiel: "Wenn sich vom Atlantik her ein Tiefausläufer nähert und zugleich kein robuster Hochdruckkern über dem Kontinent besteht, steigt die Wahrscheinlichkeit von Niederschlägen auf 80%."

Entscheidend für das Verständnis der "Wissensbasis" eines Unternehmens ist die Einsicht in die Zusammengehörigkeit aber zugleich in die Differenz zwischen diesen Elementen. Ein perfektes Datenmanagement zum Beispiel, dass nicht zu einem besseren Informationsmanagement dient, ist, mit anderen Worten, sinnlos.

Träger der Wissensbasis sind die Individuen sowie die Organisation als Ganzes. Diese ist als Zusammenspiel der Verhältnisse zwischen den Individuen aufzufassen.

Daraus ergeben sich folgende leitende Sichtweisen:

"Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten,die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfaßt sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge." (Probst et al. 1998, S. 44)    

"Die organisationale Wissensbasis setzt sich aus individuellen und kollentiven Wissensbeständen zusammen, auf die eine Organisation zur Lösung ihrer Aufgaben zurückgreifen kann. Sie umfaßt darüber hinaus die Daten und Informationsbestände, auf welchen individuelles und organisationales Wissen aufbaut." (Probst et al. 1998, S. 44)    

"Organisationales Lernen betrifft die Veränderung der organisationalen Wissensbasis, die Schaffung kollektiver Bezugsrahmen sowie die Erhöhung der organisationalen Problemlösungs- und Handlungskompetenz." (Probst et al. 1998, S. 44)

In ihrem pragmatischen Wisssensmanagement-Konzept unterscheiden Probst et al. zwischen sechs Prozessen des Wissensmanagements, die von folgenden Fragen eingeleitet werden (Probst 1998, S. 52-58):

1. Wie schaffe ich mir intern und extern Transparenz über vorhandenes Wissen? Baustein Wissensidentifikation.    

2. Welche Fähigkeiten kaufe ich mir extern ein? Baustein Wissenserwerb    

3. Wie baue ich neues Wissen auf? Baustein Wissensentwicklung    

4. Wie bringe ich das Wissen an den richtigen Ort? Baustein Wissens(ver)teilung    

5. Wie stelle ich die Anwendungsicher? Baustein Wissensnutzung    

6. Wie schütze ich mich vor Wissensverlusten? Baustein Wissensbewahrung.  

Diesen voneinander abhängigen Prozessen des Wissensmanagements fügen die Autoren zwei weitere Bausteine hinzu, die sozusagen von außen den Gesamtprozeß steuern sollen, nämlich die Wissensziele und die Wissensbewertung. Diese suchen Antworten auf folgende Fragen: 

7. Wie gebe ich meinen Lernanstrengungen eine Richtung?  Baustein Wissensziele definieren.  

8. Wie messe ich den Erfolg meine Lernprozesse? Baustein Wissensbewertung. 


John Gundry, Director von Knowledge Ability Ltd.,  hat eine ähnliche Typologie der sechs Bausteine des Wissensmanagements vorgelegt und sich dabei der U-Bahn-Metapher Knowledge Line bedient.     

Die U-Bahn-Stationen des Wissensmanagements lauten:     

  • Wissensschaffung (creation)
  • Wissenserwerb (capture)
  • Wissenskodifizierung (codification)
  • Wissensordnung (classification)
  • Wissenskommunikation (communication)
  • Wissenskapitalisierung (capitalisation)

Literatur und Links:  

Capurro, R. (1999): Einführung in den Informationsbegriff. (Kap. 1)   
Gundry, J.: Knowledge Managment, In: Knowledge Ability Ltd.    
Müller, A.v. (1997): Denkwerkzeuge für Global Player. In: U. Krystek, E. Zur, Hrsg.: Internationalisierung. Eine Herausforderung für die Unternehmensführung. Berlin, S. 465-473. 
Probst, G., Raub, S., Romhardt, K. (1998): Wissen managen. Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen.  Frankfurt a.M, 2. Aufl.   

 

 
 
 

Wissenziele

 
Die Kernfragen  in diesem Bereich lauten:
"Welches Wissen ist heute für Ihren Geschäftserfolg entscheidend? Und wird es morgen das gleiche sein? Kompetenzen entwerten sich im inernationalen Fähigkeitswettbewerb immer schneller und müssen daher systematisch entwickelt und gepflegt werden.     

Wissensvorsprünge müssen erkämpft und in konkrete Nutzungsstrategien übersetzt werden. Kennen Sie Ihre Hebelfähigkeiten und übertragen Sie diese konsequent in neue Geschäftsfelder? Oder konzentrieren Sie sich auf Bereiche, welche die Konkurrenz besser beherscht?    

In vielen Unternehmen herrscht eine Atmosphäre, in der Wissen zurückgehalten und zum Spielball politischer Interessen wird. Was tun Sie, damit es sich für den einzelnen lohnt, gezielt Wissen aufzubauen, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern und das neue Wissen an die Organisation zurückzugeben?" (Probst et al. 1998, S. 61)    
 

Nach Probst (Probst et al. 1988, S. 68 ff.) lassen sich drei Zielebenen von Wissenzielen unterscheiden, nämlich: 

- Normative Wissensziele:     

  • "schaffen die Voraussetzungen für wissensorientierte Ziele im strategischen und operativen Bereich,
  • richten sich auf eine wissensbewußte Unternehmenskultur,
  • erfordern Einsatz und Überzeugung des Top-Managements." (Probst et al. 1998, S. 70)
- Strategische Wissensziele:     
  • "definieren ein für die Zukunft angestrebtes Fähigkeitenportfolio,
  • liefern damit häufig eine inhaltliche Bestimmung des organisationalen Kernwissens,
  • erlauben eine strategische Orientierung von Organisationsstrukturen und Managementsystemen." (Probst et al. 1998, S. 79)
- Operative Wissensziele:    
  • sichern die Umsetzung des Wissensmanagements auf operative Ebene,
  • übersetzen die normativen und strategischen Wissensziele in konkrete, operationalisierbare Teilziele,
  • optimieren die Infrastruktur des Wissensmanagements,
  • sichern die Angemessenheit der Interventionen in bezug auf die jeweilige Interventionsebene." (Probst et al. 1998, S. 85)
    
 
 
   

I. Wissensidentifikation

Die Kernfragen  in diesem Bereich lauten:    
"Sie können nicht alles wissen, aber Sie sollten wissen, wo Sie nachzusehen haben. Wenn um uns herum das Wissen explodiert und sich in immer feinere Bereiche differenziert, kann man leicht den Überblick verlieren. Transparenz über intern und extern vorhandenes Wissen stellt sich nicht automatisch ein.     
Transparenz muß organisatorisch unterstüzt werden. Wer im Wissenswettbewerb erfolgreich sein will, der muß sich schnell einen Überblick über interne und externe Experten zu kritischen Themen verschaffen können.    
Wissen Sie, wieviele Projekte in Ihrem Unternehmen parallel laufen und womit sie sich beschäftigen? Haben Sie Zugang zu einem Wissensbrocker, welcher für Sie in den Untiefen des Internet und den weltweit anschwellenden Spezialdatenbanken kritische Informationen zusammenträgt?" (Probst et al. 1998, S. 99)


 
 
   

II. Wissenserwerb

Die Kernfragen  in diesem Bereich lauten:
"Wer würde nicht gerne durch eine einmalige Zahlung eine zusätzliche Fremdsprache beherrschen? Was der einzelne nicht käuflich erwerben kann, ist Unternehmen auf verschiedensten Wissensmärkten möglich.    

Sie können auf dem Arbeitsmarkt nach Personen suchen, welche genau die Fähigkeiten besitzen, welche sie aus eigener Kraft nicht entwickeln können. Experten, Berater oder eingespielte Teams können angeworben werden, um interne Wissenslücken zu schließen.     

Doch häufig bleiben diese Investitionen ohne Wirkung. Experten bleiben isoliert oder werden abgelehnt, Beraterstudien wandern in die Schublade. Erworbenes Wissen ist häufig nicht mit Bestehendem kompatibel und wird abgestoßen." (Probst et al. 1998, S. 145) 

   
 
 
   

III. Wissensentwicklung

Die Kernfragen  in diesem Bereich lauten:   
"Bahnbrechende Ideen, überschäumende Kreativität und der Nobelpreis für den internern Laborchef. So stellen sich einige Unternehmen erfolgreiche Wissensentwicklung vor. Das Bessere ist der Feind des Guten, doch der Aufbau neuer Fähigkeiten im Unternehmen hat in der Regel wenig mit Zufall und viel mit systematischer, harter Arbeit zu tun.    

Wer erfolgreich Wissen entwickeln will, befindet sich immer im Spannungsfeld von Kreativität und systematischem Problemlösen. Nicht nur in Labors und Forschungs- und Entwicklungsabteilungen muß 'erfunden' werden, sondern in allen Wissensfeldern, welche für den Unternehmenserfolg wichtig sind.    

Wie entwickeln Sie Ihr Wissen über Kunden, Lieferanten oder Konkurrenten? Wie kooperieren Sie mit den think tanks dieser Welt?" (Probst et al. 1998, S. 175)

Der Frage der Wissensschaffung im Unternehmen ist die klassische Untersuchung von:     
I. Nonaka, H. Takeuchi (1997): Die Organisation des Wissens. Frankfurt a.M. (Orig. The Knowledge-Creating Company 1995) 
gewidmet. Eine Fortsetzung dieses Ansatzes stellt: 
G. Von Krogh, I. Ichijo, I. Nonaka (2000): Enabling Knowledge Creation. How to Unlock the Mystery of Tacit Knowledge and Release the Power of Innovation. Oxford Univ. Press.
dar. Für die Autoren ist Wissensmanagement eigentlich nicht möglich sofern nämlich mit Wissen die Wechselwirkung zwischen dem impliziten und dem expliziten Wissen gemeint ist. Managen lassen sich dabei nur die Rahmenbedingungen, die zu diesem kreativen Prozeß der Schaffung neuen Wissens führen (können). Von diesem Ansatz her gesehen bedeutet also Wissensmanagement lediglich das Managen von explizitem Wissen. 
Siehe dazu:     
Capurro, R. (1999): Wissensmanagement und darüber hinaus. Der Ansatz von I. Nonaka und H. Takeuchi 
Introna, L.D.(1997): Management, Information and Power. London. 
Zucker, B., Schmitz, Ch. (2000): Wissen gewinnt. Innovative Unternehmensentwicklung durch Wissensmanagement. Düsseldorf 

 

 
 
   

IV. Wissens(ver)teilung

Die Kernfragen und -probleme in diesem Bereich lauten:    
"Teile und herrsche. Eine solche Politisierung von Wissen ist gefährlich, denn nur wenn Informationen oder Erfahrungen in den relevanten Entscheidungsgremien verfügbar sind, können sie für die gesamte Organisation nutzbar gemacht werden. Wird häufig Wissen geheimgehalten, weil damit Macht und Ansehen verbunden ist? Bleibt das wichtigste Wissen häufig Sache einzelner Mitarbeiter, weil es implizit mit den Aufgaben und Erfahrungen verbunden ist und bewußt gar nicht wiedergegeben werden kann?    

Durch E-Mail wird der kostengünstige Massenversand irrelevanter Informationen noch einfacher. Gleichzeitig können gewisse Erfahrungen nur im persönlichen Gespräch oder durch langfristige Nachahmung erworben werden." (Probst et al. 1998, S.  219)

Diese Fragen lassen sich mehrfach vertiefen:    

- Zur Rolle von E-Mail in Unternehmen, Siehe:     

B. Gates (1999): Digitales Business. Wettbewerb im Informationszeitalter. München
- Zur Frage des Einsatzes verschiedener Medien (persönliches Gespräch, E-Mail, etc.) bei der Wissensteilung, Siehe:    
Davenport, Th., Prusak, L. (1998): Working Knowledge. Harvard
Vgl. dazu: Capurro, R.: Wissensmanagement in Theorie und Praxis. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 22 (1998) Nr. 3, S. 346-355.
    
 
 
   

V. Wissensnutzung

Die Kernfragen und -probleme in diesem Bereich lauten:    
"Sie haben bestehende Wissenslücken identifiziert, gezielt Wissen dazu gekauft und selber entwickelt, haben es in den Verfügungsbereich der relevanten Entscheider gebracht - doch niemand nutzt es! Die Nutzung "fremden" Wissens wird durch eine Reihe psychologischer und struktureller Barrieren behindert. Wer trennt sich schon gerne von liebgewordenen und handlungsentlastenden Routinen?    

Neues Wissen nutzen heißt gleichzeitig Unsicherheit akzeptieren und neue unbekannte Wege einschlagen. Die Nutzung von betrieblichem Know-how muß im Prozeß des Wissensmanagements gesichert werden. Nur genutztes Wisssen stiftet einen Nutzen für Ihr Unternehmen.    

Die Wissensproduzenten müssen daher stärker als bisher auf die Bedürfnisse der potentiellen Wissensnutzer eingehen und diese als ihre Kunden ansehen. Nur wenn für den Mitarbeiter ein klarer Nutzen erkennbar ist, wird er fremde Wissensangebote annehmen oder neue Fähigkeiten erwerben." (Probst et al. 1998, S. 263)    
 

Entscheidend dürfte hier die Einsicht sein, das eigenes Wissen immer schon auch erworbenes und somit fremdes Wissen ist. Die Dialektik zwischen dem Eigenen und dem Fremden besteht darin, daß wir alles was wir wissen, einem kontinuierlichen Interpretationsprozeß unterziehen müssen, wenn wir nicht in eine Falle geraten wollen. Denn menschliches Wissen ist nicht nur stets fragwürdig (und 'frag-würdig'), sondern in unserer Fähigkeit, das scheinbar sichere Wissen immer wieder in Frage zu stellen, liegt die Quelle der Kreativität.     
Diese Einsicht wurde im 20. Jahrhundert durch die Wissenschaftstheorie für die Naturwissenschaften und duch die Hermeneutik (= Interpreptationstheorie) für die Geisteswissenschaften herausgearbeitet. "Alles Wissen ist Vermutungswissen" lautet die Einsicht des Wissenschaftstheoretikers Karl Popper. Für die Hermeneutik ist der Interpretationsprozeß ein unendlicher Prozeß. Diese Erkenntnis spielt nicht nur eine entscheidende Rolle im Prozeß der Informationssuche (Siehe dazu: Capurro, R. (1986): Hermeneutik der Fachinformation. Freiburg/München  Capurro, R. (1999): Hermeneutics and the Phenomenon of Information), sondern auch in einem praktischen Prozeß bei dem ein Unternehmen festgefahrene Gewohnheiten in Frage stellt, um neue Ideen bzw. neue Produkte zu entwickeln.
Siehe dazu:
- Spinosa, Ch., Flores, F., Dreyfus, H.L. (1997): Disclosing New Worlds. Entrepreneurship, Democratic Action, and the Cultivation of Solidarity. MIT.    
- Winograd, T., Flores, F.  (1986) : Understanding Computers and Cognition. A New Foundation for Design, New Jersey (dt.  Erkenntnis - Maschinen - Verstehen. Zur Neugestaltung von Computersystemen. Mit einem Nachwort von Wolfgang Coy. Berlin 1989).



 
 

VI. Wissensbewahrung

Die Kernfragen und -probleme in diesem Bereich lauten:    
"Das konnten wir doch mal, doch nun scheinen wir es vergessen zu haben. In Zeiten von Reengineering, Outsourcing und Lean-Management werden häufig unreflektiert Teile des organisatorischen Gedächtnisses auf Zeit oder dauerhaft gelöscht. Leidet Ihr Unternehmen an Amnesie? Entstehen immer wieder große Wissenslücken, wenn Mitarbeiter geplant oder ungeplant das Unternehmen verlassen? Nach welchen Prinzipien bewahren Sie die Erfahrungen Ihrer Organisation? Halten Sie Kontakt zu Ihren Ehemaligen und greifen auch nach deren Ausscheiden gezielt auf deren Erfahrungen zurück? Erheben Sie am Ende von Projekten "lessens learned", um die wesentlichen Erkenntnisse für zukünftige Projektteams zu sichern" (Probst et al. 1998, S. 283)
Das Problem der Wissenbewahrung ist ein Kernproblem der Informations- und Wissensgesellschaft, sofern diese ihr Wissen in digitaler Form speichert und so für künftige Generationen tradieren will. Daraus ergeben sich große heute noch ungelöste Probleme, die nicht nur mit der Haltbarkeit von Informationsträgern, sondern auch mit der Nutzung schnelllibiger Software sowie mit der Instabilität von theoretischen und praktischen Kontexten von denen das Wissen sinnvoll interpretiert werden kann.    

Siehe dazu:    

Capurro, R.: Stable Knowledge? In: K. Kornwachs, Hrsg.: Wissen für die Zukunft (1999) Capurro, R. (1998): Vom Buch zum Internet. Wissen für künftige Generationen    
 Kornwachs, K. (1995): Wissen für die Zukunft? Über die Frage, wie man Wissen für die Zukunft stabilisieren kann. TU Cottbus, PT - 01/1995    
UNESCO hat ein Programm zur Bewahrung des dokumentierten Kulturerbes der Menschheit ins Leben gerufen.

   
 
 
   

Wissensbewertung

Die Kernfragen und -probleme in diesem Bereich lauten:   
"Können Sie aus Ihrer Bilanz ablesen, wie sich Ihre Wissensbasis innerhalb des letzten Jahres verändert hat? Oder welche Experten und Talente das Unternehmen verloren oder gewonnen, welche Produktinnovationen auf gutem Wege zu sein scheinen oder wie sich die Verankerung zentraler Kompetenzfelder ausgewirkt hat?    

Es existiert weltweit wohl nur eine Handvoll von Unternehmen, welche sich bemühen ihr Wissen systematisch zu messen und zu bilanzieren. Diese Pioniere sind überzeugt, daß schon in naher Zukunft die Wissensbilanzen für Aktionäre interessanter sein können als die Informationen traditioneller Jahresberichte.     

Nur wenn sich Unternehmen um aussagekräftige Indikatoren und Bewertungsmaßstäbe zur Messung ihrer organisatorischen Wissensbasis bemühen, können Sie Wissensmanagement auch effektiv betreiben. Milliarden für die Ausbildung, Pfennige für die Evaluation: Dieses Mißverhältnis gilt es zu beseitigen, denn was nutzen gute Maßnahmen, wenn sie nicht wahrgenommen, nicht geschätzt werden. Nur was meßbar oder bewußt gemacht werden kann, kann man auch managen." (Probst et al. 1998, S. 314).

Die Frage, wie operationalisiertes Wissen zu bewerten oder, genauer, zu messen ist, ist ein zentraler Punkt, denn nicht alles am Wissen läßt sich messen oder gar bewußt machen, so daß hier auch mit qualitativen Kriterien gearbeitet werden muß. Dass das implizite, also nicht-bewußte Wissen eine große Rolle im Kreativitätsprozeß eines Unternehmens spielt, haben I. Nonaka und H. Takeuchi im oben erwähnten Buch gezeigt. Probst et al. scheinen hier einer Meinung zu vertreten, die leicht in die gegenteilige Einseitigkeit geraten kann, als die Sorglosigkeit, die sie kritisieren. 

Wissensindikatoren sollten also sowohl quantitative als auch qualitative Aussagen enthalten und sie sollten mit derselben Vorsicht interpretiert werden, wie die Interpretation des Wissens, das sie bewerten sollen. Nicht nur das Wissen, sondern auch die Wissensindikatoren sind, mit anderen Worten, vorläufiger Natur und sagen nur unter bestimmten revisionsfähigen Bedingungen etwas aus. Es  ist nicht ausgeschlossen, daß sich diese Bedingungen ändern und auch nicht, daß andere u.U. entscheidende Bedingungen übersehen wurden oder werden können. Nicht nur kritisches Denken und Handeln, sondern allem voran Selbskritik ist die Basis der Wissensbasis eines Unternehmens.    

Schließlich sollte ein kreatives Unternehmen nicht vergessen, daß gerade die nicht meßbaren Dimensionen des Wissens diejenigen sind, aus dem es ein unendliches Reservoir an Kreativität schöpft. Das Management muß hier über seinen eigenen Schatten springen, will es nicht nur managen, sondern auch den Zielen dienen, wozu ein Unternehmen auch da ist. Eine Blindheit in dieser Hinsicht schadet letztlich nicht nur dem Unternehmen, sondern auch der Gesellschaft und der Umwelt, wo das Unternehmen seine (Wissens-) Ziele setzt und verfolgt.



letzte Änderung: 26. August 2011

 

 
 
 

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